Protocol of the Session on October 31, 2002

[Zurufe der Abgn. Eßer (Grüne) und Pewestorff (PDS)]

generelle Steuerpflicht für Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren, Umsatzsteuererhöhung im Unternehmensbereich,

[Zuruf des Abg. Ratzmann (Grüne)]

Ausschluss des Übergangs von Verlusten im Erbfalle auf den Erben und so weiter und so weiter. Eine 21-seitige, kleinteilige Liste gibt es darüber. Aber Sie haben natürlich auch darauf geachtet, dass Ihre Klientel ungeschoren bleibt. Für die Veräußerung von Hunde- und Katzenfutter haben Sie die Umsatzsteuer außen vor gelassen.

[Beifall bei der FDP - Beifall der Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne)]

Da haben Sie vielleicht bei den Katzenbesitzern noch ein paar Wähler

[Ratzmann (Grüne): Es sind immer noch mehr als FDP-Wähler!]

und haben deshalb beschlossen, es wieder herauszunehmen. Über was wir hier reden, Herr Ratzmann, ist - nicht nur in Anbetracht einer bevorstehenden Rezession - ein gigantischer Akt von Wählerbetrug, den Sie sich leisten, ein gigantischer Akt von Wählerbetrug. Man sollte so etwas wie ein 14-tägiges Rückgaberecht nach Wahlen einführen.

[Beifall bei der FDP und der CDU - Zuruf der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

- Sie glauben doch nicht im Ernst, Frau Ströver, dass Sie in Steglitz-Zehlendorf noch einmal 18 % bekommen würden.

[Wieland (Grüne): Mehr!]

Das ist doch ein Betrug, was Sie veranstalten.

[Zurufe der Abgn. Cramer (Grüne) und Eßer (Grüne) - Weitere Zurufe von den Grünen]

Kommen wir nun zu den einzelnen Steuern. Die Vermögensteuer belastet nicht Erträge, sondern die Substanz, sie schwächt also das Eigenkapital gerade bei Unternehmen.

[Eßer (Grüne): So ein Quatsch!]

Die Vermögensteuer wird aus versteuertem Einkommen entrichtet und zwar unabhängig davon, ob die Betriebe Gewinne oder Verluste erzielen. Gerade in der Existenzgründungsphase behindert eine Vermögensteuer die Ansammlung von Eigenkapital.

[Beifall bei der FDP]

Bei Betriebsvermögen von Kapitalgesellschaften kommt es zu einer Doppelbelastung durch die Besteuerung beim Unternehmer sowie beim Anteilseigner.

[Zuruf des Abg. Ratzmann (Grüne)]

So viel zum Thema Gerechtigkeit.

Jetzt sage ich Ihnen etwas zu der Erhebungsgröße: Die Erhebungskosten einer Vermögensteuer stehen in überhaupt keinem Verhältnis zu ihrem Ertrag. Die Steuer brachte zuletzt vor ihrer Abschaffung ein Aufkommen -

jetzt spitzen Sie Ihre Ohren - von 9 Milliarden DM, wovon ein Drittel auf Privatvermögen entfiel und der Rest, 6 Milliarden DM, entfiel auf Unternehmen, zum Beispiel auch auf Druckereien, mein lieber Herr Müller.

[Heiterkeit]

Bei den Erhebungskosten für eine Vermögensteuer auf Privatvermögen war ein Gesamtaufwand von 500 Millionen DM fällig. Im letzten Jahr ihrer Erhebung belastete die Vermögensteuer zu etwa zwei Drittel die Unternehmen. Das war dann letztlich auch der Grund dafür, dass die Koalition aus CDU und FDP sowie die damalige Opposition - Herr Zackenfels, dazu gehörten, glaube ich auch sie, denn im Bundestag waren sie ja immer - im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat sich auf die Nichterhebung der Steuer verständigten. Und jetzt passen Sie gut auf: Die Länder bestanden seinerzeit auf einer möglichst umfassenden Kompensation für die Steuerausfälle. Aus diesem Grund wurden die Grunderwerbsteuer und die Erbschaftsteuer um ein Volumen von knapp 8 Milliarden DM erhöht. Das heißt, damals bei der Abschaffung der Vermögensteuer kam es zu einer fast vollständigen Kompensation gerade im Bereich der Erbschaftsteuer, die Sie nun ein weiteres Mal erhöhen wollen.

Da sind wir dann beim Thema Gerechtigkeit. Es ist nicht gerecht, eine Vermögensteuer dafür einzuführen, dass die Menschen ihr bereits zwei-, drei- oder viermal besteuertes Einkommen nochmals einer Steuer unterziehen sollen.

[Beifall bei der FDP - Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Das ist nicht das, was ich unter Gerechtigkeit verstehe. Ich finde es auch nicht gerecht, eine Erbschaftsteuer einzuführen beziehungsweise zu erhöhen und damit einen völlig ungleichen Tatbestand dafür zu schaffen, dass der eine sein Geld irgendwo im Ausland, auf Mallorca verpulvert, und der andere, der es seinen Kindern überlassen will, wird zusätzlich zur Kasse gebeten.

[Beifall bei der FDP und der CDU - Brauer (PDS): Wer ist denn gerade auf Mallorca?- Weitere Zurufe von der PDS und den Grünen]

Das Entscheidende aber - damit komme ich auch zum Schluss, Frau Präsidentin - ist: Sie sind von einer schon fast kindischen Naivität beseelt.

[Oh! bei der SPD und den Grünen -

Kindisch?]

Eine gigantische Kapitalflucht wird einsetzen - und zwar gerade der großen Vermögen. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass die die II. Lesung im Bundestag abwarten. Wer glauben Sie, hat gerade Hochkonjunktur? - Die Supersteuerberater der großen Steuerkanzleien. Was glauben Sie, was dort bis Weihnachten noch verschoben wird? - Es ist doch ein kindischer Glaube, die Annahme, dass Sie hier groß zuschlagen können. Wen Sie treffen, das ist der kleine Mann, wen Sie treffen, dass sind die Kleinvermögen, die Immobilienbesitze, die hier sind und nicht verschwinden können. Die Großen, die sind doch weg.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Aber Sie achten jetzt bitte auch auf die Uhr!

Ja. - Die einzigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die Sie damit stützen und die davon profitieren werden, sind das Fürstentum Lichtenstein, die Cayman Islands und andere Steueroasen, die reiben sich gerade die Hände.

Wir werden, genauso wie wir Ihre Öffnungen,

[Wieland (Grüne): Na?]

die verschiedenen Dinge, die wir zu Beginn der Sitzung besprochen haben - Beamtengesetz und anderes -, nicht im Bundesrat unterstützen, im Bundesrat mittels der fünf Länder, in denen wir mitregieren, massiven Widerstand gegen diesen rezessionskatalysierenden Unsinn ankündigen, den Sie hier machen wollen.

[Wieland (Grüne): Das hatten wir nicht anders erwartet! - Weitere Zurufe]

Seien Sie getrost, wir werden diesen Blödsinn verhindern, darauf können Sie sich verlassen!

[Beifall bei der FDP und der CDU - Wieland (Grüne): Packen Sie schon eimal Ihre Koffer!]

Für die Fraktion der Grünen hat nunmehr das Wort der Herr Abgeordnete Eßer - bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lindner hat es geahnt, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmt dem Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS zu.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Ich kann mich über Ihre Emotionalität, die ich nur aufbringen könnte, wenn es um Menschenrechtsverletzungen ginge, nur wundern.

[Allgemeine Heiterkeit - Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS - Zurufe von der FDP]

- Und jetzt gestehe ich Ihnen noch etwas, Herr Dr. Lindner. Vor Ihnen steht einer, der sich gerade heute Nachmittag per Unterschrift einer Initiative ehemaliger Vermögensteuerzahler angeschlossen hat, die für die Wiedereinführung der Vermögensteuer eintritt.

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

Dazu musste man nicht besonders reich sein, es gab eine Bemessungsgrenze in Höhe von 75 000 DM - so in etwa wird sie sicher nicht wiederkommen - und wenn man keine Immobilie hatte, dann war man dabei.

Ich möchte Ihnen zu Ihrem Doppelbesteuerungsargument etwas sagen: Es gibt historisch das Gegenargument, und so ist es auch verankert in der Steuersystematik, dass das eine Sonderprogression auf leistungslose Einkommen ist. Das ist die Wirkung der Vermögensteuer, denn sie bezahlen sie in der Regel nicht aus der Substanz, sondern in der Tat aus dem Zuwachs, den sie leistungslos aus diesem Vermögensanteil bekommen. Dann haben sie insgesamt auf diese Einkünfte einen höheren Steuersatz gezahlt als auf ihre sonstigen Einkünfte, also die, die sie sich durch Arbeit verdient haben. So habe ich es gekannt und habe die Zahlung, solange ich sie leisten musste, für gerecht empfunden, Herr Dr. Lindner. Ich habe es für gerecht empfunden und nicht verstanden, dass die Steuer abgeschafft worden ist.

[Dr. Lindner (FDP): Es ist bald niemand mehr da, der Steuern bezahlt!]