Protocol of the Session on December 13, 2001

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der CDU über Erhalt der Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus e. V. ist kurz, übersichtlich und eindeutig. Ich denke, wir werden im Abgeordnetenhaus bzw. in den entsprechenden Ausschüssen eine Lösung finden, die dem Geiste dieses Antrags entspricht.

Allerdings möchte ich für die, die neu in diesem Hause sind oder sich noch nicht so intensiv mit dieser Thematik befasst haben, daran erinnern, dass wir uns schon häufig mit diesen Fragen befasst haben und trotz gemeinsamen Willens nicht immer so richtig erfolgreich waren. Ich erinnere nur an eine Sache: Wir hatten am 20. März 2000 im Kulturausschuss eine intensive Beratung auf Antrag der Fraktion der CDU. Sie hatte den Titel: „Gefährdung der Berliner Aufarbeitungsinitiativen durch die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur?“ – Wie gesagt, auf Antrag der CDU-Fraktion. Wer dabei war, kann sich erinnern, dass es dort ziemlich große Auseinandersetzungen und Verwerfungen zwischen der Bundesstiftung, dem Abgeordnetenhaus und den Initiativen gab. Die Bundesstiftung fragte uns, wie anmaßend wir denn seien, uns als Berliner da einmischen zu wollen. Die Initiativen wiederum hatten auch ihre Erfahrungen und Probleme mit der Bundesstiftung.

Abschließend sage ich noch einmal: Der Antrag ist kurz und übersichtlich. Er scheint eindeutig zu sein, und es scheint, dass auch wir im Haus eine eindeutige Meinung haben. Ich hoffe, es gelingt uns, das gemeinsam auch umzusetzen. – Danke schön!

[Beifall bei der PDS]

Das Wort hat der Abgeordnete Cramer. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es liegt ein Antrag vor, zu dem es eigentlich gar keinen Anlass gibt. Nachdem ich mir den Antrag „Erhalt der Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus“ durchgelesen hatte, habe ich bei der Gedenkbibliothek angerufen und gefragt: „Seid ihr in Sorge?“ – „Nein! Wir haben 90 000 DM Zuwendungen im Jahr. Wir sind zufrieden. Die Querelen der Vergangenheit sind vorbei. Ist in Ordnung!“ – Ich habe beim Landesbeauftragten angerufen und gefragt: „Gibt es irgendwelche Bedenken, dass die Gedenkbibliothek gefährdet ist?“ – „Nein! Wir sind zufrieden. Die Querelen der Vergangenheit sind vorbei.“

Wer in der Vergangenheit diese Gedenkbibliothek gefährdet hat, das war sie selbst. Sie hatte eine ehemalige KZ-Wächterin eingestellt, hat bei der Aufarbeitung eben nicht genau hingeguckt, sondern alles vertuscht und verschwiegen und musste mit ansehen, wie renommierte Persönlichkeiten wie z. B. Bärbel

(A) (C)

(B) (D)

Bohley und Jürgen Fuchs die Gedenkbibliothek verlassen haben. Das hat die Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus enorm geschädigt. Es ist gut, dass diese Zeit vorbei ist. Jetzt befindet sie sich auch auf einer finanziell guten Grundlage.

Wenn Sie, Herr Apelt, jetzt anmerken, dass es auch Versäumnisse der Kohl-Regierung und der großen Koalition, die zehn Jahre lang in Berlin regierte, gegeben habe und dass Sie nach knapp einem halben Jahr in der Opposition klüger geworden seien, so finde ich das toll. Da haben Sie noch eine Menge zu tun, wenn Sie das aufarbeiten und klüger werden wollen. Das finde ich wirklich toll.

[Niedergesäß (CDU): Ist doch phantastisch!]

Dann sollte man aber so herangehen, dass man nicht nur ein kleines Segment auslotet, sondern alle die Fehler, die nach der Wende gemacht worden sind, tatsächlich aufarbeitet.

Hierzu möchte ich einige Stichworte nennen: Warum sind denn die Renten der Opfer des Stalinismus erheblich geringer als die Renten der Hinterbliebenen der SED-Größen oder der Nazi-Größen? Wer ist für diese Gesetzgebung bis 1998 verantwortlich? Herr Rexroth, Sie wissen, wovon ich rede! – Alle Grundstücke wurden den ehemaligen Eigentümern zurückgegeben – nach dem Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“. Aber warum wurde dieser Grundsatz bei den Mauergrundstücken einfach vergessen? – Ich halte das für eine unglaubliche Geschichte. Das ist aber deutsche Geschichte.

[Dr. Rexrodt (FDP): Richtig!]

Wir können uns gern daran beteiligen, und wenn wir einen gemeinsamen Antrag finden, das anzugehen, dann kann das sofort geschehen.

[Zuruf des Abg. Apelt (CDU)]

Ich könnte auch die Aufarbeitung der Rolle der Blockparteien anführen. Warum sind denn die Archive der Blockparteien bei den privaten Parteienarchiven und nicht allgemein zugänglich? Warum werden die dort „verbunkert“? – Auch in diesem Punkt tut Aufarbeitung Not!

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Ich fordere Sie, FDP und CDU, auf, die Archive zu öffnen, damit wir über die vier Blockparteien und die Rolle der Blockparteien bis 1989 genau Bescheid wissen – wenigstens genauso gut wie Sie, Herr Niedergesäß, als ehemaliges Mitglied.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen und der PDS – Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Weiterhin ist anzumerken, dass es beispielsweise eine ganze Menge Lehrerinnen und Lehrer gibt, die in der DDR vorzeitig den Dienst quittiert hatten, weil sie den Druck nicht ausgehalten haben oder weil sie die Unterschrift für die Intervention der Sowjetunion in Afghanistan verweigert haben. Sie wurden deshalb aus dem Schuldienst entfernt oder mussten ihn quittieren. Viele von ihnen waren weniger als 10 Jahre im Schuldienst, weshalb ihre 2. Staatsprüfung nicht anerkannt wird. Für die gibt es immer noch keine gesonderte Einstufung als Härtefälle. Das könnte das Land Berlin zum Anlass nehmen, ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Herr Apelt, wenn Sie es wirklich ernst meinen mit den Opfern des Stalinismus, dann lassen Sie uns ein Gesamtpaket binden, die Fehler der letzten zehn, zwölf Jahre schonungslos benennen und Verbesserungsvorschläge machen. Dann können Sie kommen. Es ist aber falsch, nur ein Segment herauszugreifen.

Ich weiß immer noch nicht, warum dieser Antrag überhaupt gestellt wurde. Selbstverständlich sind wir dafür, dass die Gedenkbibliothek fortgeführt wird, aber das ist eine Selbstverständlichkeit, die man nicht diskutieren muss. Wenn man zu jeder Sache, bei der Einsparungen anstehen könnten, einen Antrag bringen würde, dann hätten wir tausend Anträge. Das bringt die Sache nicht weiter. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Für die FDP hat der Abgeordnete Dr. Jungnickel das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Aufregung von Herrn Cramer zeigt deutlich genug, wie blank die Nerven hier teilweise liegen.

[Gelächter von der PDS und den Grünen]

Lachen Sie doch erst hinterher. Sie haben das große Pech, dass ich neu im Haus bin. Ich weiß nicht, wen Sie jetzt auslachen.

Wenn wir akzeptieren, dass es um ein Thema der Zeitgeschichte geht, dann ist es von untergeordneter Bedeutung, ob es sich um Opfer, Täter oder diejenigen handelt, die in diesem politischen Umfeld groß geworden sind oder an dessen Rand. Wenn dieser Antrag dazu führt, Herr Cramer, dass wir das Paket aufschnüren, behandeln oder etwas Größeres daraus machen, dann ist es toll, dass er auf dem Tisch liegt. Selbst wenn es Ihnen zu gering erscheint und für den Fall, dass die Bibliothek nicht gefährdet ist, ist es kein Fehler, das Thema zu behandeln. Wir sollten die Sache nicht zerreden, sondern sie überweisen. – Ich danke Ihnen!

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Ausschussüberweisung ist beantragt. Darüber lasse ich jetzt abstimmen. Wer diesen Antrag an den künftig für Kultur zuständigen Ausschuss sowie an den Hauptausschuss überweisen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit haben wir den Antrag einstimmig überwiesen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 18, Drucksache 15/38:

Antrag der Fraktion der CDU über Maßnahmen zur Fortsetzung der von der Landesentwicklungsgesellschaft Berlin (BLEG) begonnenen Projekte zur Gewerbeflächenentwicklung

Nach der Geschäftsordnung ist eine Beratung von bis zu fünf Minuten pro Fraktion vorgesehen. Zunächst erteile ich für die CDU das Wort dem Kollegen Atzler. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die BLEG ist tot – es lebe die BLEG! So könnte man das, was der Senat im letzten Wirtschaftsausschuss gesagt hat, verstehen, als er darauf hingewiesen hat, dass die Projekte der BLEG trotz der Abwicklung dieser Gesellschaft fortgeführt werden. Tatsächlich sieht es aber vielleicht doch nicht ganz so aus, und deshalb der vorliegende Antrag.

Lassen Sie mich noch einmal zurückschauen: Der Senat gründete eine privatrechtliche Gesellschaft zur Entwicklung von Gewerbeflächen, damit die nach Flächennutzungsplan und Stadtentwicklungsplanung für die gewerbliche Nutzung ausgewiesenen Flächen der Erschließung und gewerblichen Nutzung zugeführt werden können. So weit, so löblich. Diese Gesellschaft wurde dann der Aufsicht des Stadtentwicklungssenators unterstellt, und das Land Berlin stellte natürlich auch notwendiges Eigenkapital zur Verfügung, weil eine Gesellschaft anders ja nicht existieren kann, und dann arbeitete diese Gesellschaft auch. Die BLEG arbeitete mitunter ruhig, manchmal lautlos. Manche sagen, dies sei gleichbedeutend mit glücklos. Ich will dies so nicht interpretieren. Tatsache ist aber, dass die Arbeit der BLEG durch- und fortgeführt wurde, indem sie unter anderem Projekte angenommen, Geld genutzt und verbraucht hat. Weil aber die entsprechenden Einnahmen auf der anderen Seite fehlten, verbrauchte man das Geld, und wenn das Eigenkapital weg ist, kann man – ich formuliere es neutral – Kredite aufnehmen. Wenn man die Kredite nicht mehr bedienen kann, ist eine Firma irgendwann pleite.

[Over (PDS): Das klingt nach Konkursverschleppung!]

Herr Over, wenn Sie dazu etwas Besseres sagen können, habe ich nichts dagegen, aber bisher habe ich so etwas von Ihnen noch nicht gehört. – Wenn die Firma dem Land Berlin gehört, dann ist klar, dass das Land die Haftung übernimmt.

Was ist an dieser Geschichte aus unserer Sicht besonders skandalös? Lassen Sie es mich sagen: Der Aufsicht führende Senator Strieder wurde immer wieder auf die Schwierigkeiten der Gesellschaft hingewiesen.

[Sen Strieder: Ich bin nicht Aufsicht führend!]

Doch, Herr Senator, darauf komme ich noch. Ich weiß, wie ich das meine und sage. Ich erkläre Ihnen, wenn Sie es nicht wissen, wie Sie damit im Zusammenhang stehen und gewisse Aufsicht führende Funktionen haben. Ihr zuständiger Staatssekretär war immerhin Vorsitzender des Aufsichtsrats dieser Gesellschaft. Sie sagen wahrscheinlich, der führe die Aufsicht, aber wir sehen die politische Verantwortung ein bisschen anders.

Am 12. Juli erklärten Sie – auf Schwierigkeiten der Gesellschaft angesprochen:

Die BLEG wird von uns so aufgestellt, dass sie nicht die Probleme von Brandenburg erhalten wird.

Dort ist die BLEG – natürlich unter anderem Namen – auch den Bach hinuntergegangen.

Sie arbeitet gut und immer effizienter.

Das sagten Sie in der 31. Sitzung des Abgeordnetenhauses.

Dabei frage ich mich, ob weder Sie als Senator noch Ihr Staatssekretär als Aufsichtsratsvorsitzender die tatsächliche Situation der BLEG kannten. Diese Frage muss erlaubt sein. Ich halte es für unwahrscheinlich. Zumal auch der Finanzsenator seinerzeit darauf hingewiesen hat, dass 100 Millionen DM als strategische Schwierigkeiten im Raum stehen. Kurz danach – im August – wurde das offenbar, nämlich als Sie der staunenden Öffentlichkeit und den staunenden Abgeordneten mitgeteilt haben, dass die Gesellschaft abgewickelt wird, was rund 120 Millionen DM koste. Manche sagen 100, manche 120 Millionen DM, andere etwas mehr. Wir streiten uns nicht um einige Millionen. Das ist schon lange nicht mehr üblich in diesem Haus.

[Over (PDS): Wir schon!]