Protocol of the Session on September 21, 2002

Und dann kommt noch die Bankgesellschaft. Die ist auch immer ganz beliebt. Ich will Ihnen nur eins sagen: Wie steht es denn mit dem Verkauf beispielsweise der Bankgesellschaft? Wie sieht es denn aus mit den Regressforderungen gegen diejenigen, die tatsächlich auch den verursachten Schaden beheben könnten? Was haben Sie denn getan, wer hat denn hier die exekutive Verantwortung? Wo sind denn die Berichte, in denen Sie uns mitteilen, wen Sie verklagt haben, wo Sie sich das Geld zurückgeholt haben? – Da nützt es nichts, sich hier hinzustellen und zu lamentieren für Dinge, die Sie die vergangenen Jahre hier mit verantwortet haben. Das ist unerträglich.

[Dr. Zotl (PDS): Das ist doch nicht zu fassen!]

Ach, das ist doch die blanke Wirklichkeitsverweigerung, auch bei Ihnen. Herr Dr. Zotl, Entschuldigung, was tun Sie denn? Sie sind doch in der Regierungskoalition. Was tun Sie denn? – Nichts!

[Doering (PDS): Da kann man nichts machen, das ist das Problem!]

Die Ergebnisse sehe ich jedenfalls nicht. Dann legen Sie sie doch vor. Lassen Sie doch Frau Schubert vortragen, dann wissen wir, wie weit wir sind. Was Sie machen, ist eine Politik ohne

Anstand. Sie versuchen, durch permanente Tabubrüche, Herr Sarrazin, die öffentliche Meinung zu zermürben. Was Sie nicht tun, ist, dass Sie den Menschen in die Augen schauen, denen Sie dann diese Kürzungen und diese Diskussion aufbürden. Sie können ja mal die Frau Radziwill fragen, als sie in dem gefüllten BVV-Saal war beispielsweise in Schöneberg, oder die Frau Simon, wie das gewesen ist, den Menschen zu erklären, dass die Arbeit, die sie dort leisten, nicht mehr fortgeführt werden kann, weil Technokraten am grünen Tisch sitzen und sagen: Ich will mich nur über Zahlen unterhalten, was dahinter steckt, interessiert uns nicht. Ich will Ihnen mal eins sagen: Sie haben ein Problem, Sie haben nicht verstanden, dass Politik bedeutet, soziales Zusammenleben zu organisieren. Und diesem Anspruch werden Sie wahrlich nicht gerecht.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Statt dessen säen Sie Existenzängste statt Zukunftsglaube, Abwehrkämpfe statt Miteinander, um für eine Lösung zu arbeiten.

Deswegen finde ich im Übrigen, Kollege Lindner, sehen Sie es mir nach, ich muss es doch sagen, an dieser Stelle die Diskussion über die Beschäftigungssicherungsvereinbarung doch dezidiert anders. Sie werden das Problem im öffentlichen Dienst, Sie werden die Struktur des öffentlichen Dienstes nur mit den Mitarbeitern im öffentlichen Dienst verändern können, nicht gegen sie.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Und deswegen sind Vorstöße wie, die Beschäftigungssicherungsvereinbarung nicht zu verlängern oder auch das Personalvertretungsgesetz in dieser Form zu ändern, meine ich, nicht zielführend. Aber trotzdem, das sehe ich ein, das ist Ihrer liberalen Weltsicht geschuldet, das sei Ihnen auch zugestanden.

Die Rede heute von Herrn Wowereit und die Tatsache, dass Sie vorher haushaltspolitischer Sprecher Ihrer Fraktion waren, macht mir jetzt einiges klar. Es ist schade für Berlin, dass Sie jetzt auch noch die exekutive Verantwortung haben. Sie können aber sicher sein, wir werden nicht müde werden, Sie auch dazu zu zwingen, sich hier weiterhin zu den Dingen zu bekennen, die Sie in dieser Stadt vorhaben.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Für die SPDFraktion hat das Wort die Abgeordnete Dunger-Löper. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich müsste das Herz einer jeden Haushaltspolitikerin höher schlagen, wenn das Abgeordnetenhaus in einer Sondersitzung zu Haushaltsfragen an einem Sonnabendvormittag tagt. Der Hauptausschuss hat das ja schon mal gemacht, aber das Parlament insgesamt? – Ich kann mich nicht daran erinnern. Und diese „unerotische Haushaltsfrage“ in den Mittelpunkt stellen, das sollte man ja fast als ein Zeichen dafür nehmen, dass diese Stadt und ihre Politiker, dieses Abgeordnetenhaus, in der Realität angekommen sind.

[Frau Jantzen (Grüne): Schon länger!]

Leider hat das Ganze so ein Geschmäckle, zwei kleine Webfehler will ich das mal nennen. Heute ist nämlich kein gewöhnlicher Sonnabend, sondern der letzte vor der Bundestagswahl. Und der Anlass sind so genannte Giftlisten aus der Finanzverwaltung, die sowohl der Finanzsenator wie auch der Regierende Bürgermeister als rein fiskalische Zusammenstellungen ohne jegliche politische Wertung qualifiziert haben, die unautorisiert in die Öffentlichkeit gelangt sind, ein in Berlin – das wissen wir alle – leider nicht ganz ungewöhnlicher Fall, wenn man ihn auch bedauern mag. Auch vormalige Finanzsenatoren – hier sind schon mehrere angesprochen worden, wie Herr Kurth und Frau Fugmann-Heesing und andere – haben ja solche Sammlungen von Vorschlägen in Auftrag gegeben. Jeder Bezirksstadtrat für Finanzen, ich hoffe auch die von der CDU, hat sie für seinen Bezirk in der Schublade liegen, um darüber zu diskutieren, was

kann man machen, was kann man nicht machen, welche Auswirkungen hat es. Aber diese Sammlungen sind mechanische Übungen mit Zahlen. Über die Frage der politischen Bewertung einzelner Punkte enthalten sie ausdrücklich keine Aussagen. Und ein Blick auf diese Aufzählungen lässt das auch ohne tieferes Verständnis von der Materie her erkennen.

Ich will hier ein Beispiel aufgreifen, das Herr Steffel anfangs eingeführt hat, die totale Streichung der Zuwendungen für Verfolgte des NS-Regimes. Es taucht auf jeder Liste auf, die wir in den letzten Jahren irgendwann mal gesehen haben. Aber wir glauben doch im Ernst nicht daran, dass irgendjemand in diesem Hause, ich schließe dabei übrigens auch die versammelten Medienvertreter hier ein, die nicht unwesentlich an der aktuellen Aufregung teilhaben, glaubt wirklich jemand, dass dies ein politisch abgewogener Vorschlag ist, der die Unterstützung von Senat oder Abgeordnetenhaus finden konnte? Ich glaube das nicht, und ich sage das mit fester Überzeugung, da können Sie ganz sicher sein. Also dieses Beispiel verdeutlicht schon, was für eine Qualität von Liste wir hier haben. Und ob das den Anlass rechtfertigt, hier und heute eine solche Diskussion zu führen, das muss man denn doch mal in Frage stellen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Aus meiner Sicht kann ich nur sagen: Der Termin für die Diskussion ist ungeeignet, und der Anlass ist es auch.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Aber wenn wir schon beim Thema Konsolidierung und Zukunftssicherung für die Stadt Berlin sind, und das sind die eigentlichen Kernpunkte, um die es hier geht, dann möchte ich auch nicht versäumen, dieses noch einmal in einer bestimmten Richtung darzustellen, so, wie ich, aber auch die gesamte SPDFraktion es hier sehen. Und ich möchte gleichzeitig auch bei Ihnen, bei der Opposition, dafür werben, dass Sie diesen Weg konstruktiv mitgehen, denn wir brauchen für diesen Weg alle.

[Dr. Lindner (FDP): Da ist kein Weg! Wo soll der sein?]

Was wir, Senat und Parlament, zu leisten haben, ist, die Perspektiven dieser Stadt abzusichern, einer Stadt, die wir als Stadt des Wissens, als Stadt der Chancen und Initiativen weiterentwickeln wollen. Diese Prioritäten und Perspektiven müssen wir in eine Strategie der stadtpolitischen Entwicklung einfließen lassen, die übrigens weit über diese Legislaturperiode hinausreichen muss. Und deshalb ist es um so wichtiger, hier einen Konsens über die handelnden Parteien hinaus zu finden.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wir haben dazu eine Haushaltspolitik zu entwickeln, die innerhalb der engen Grenzen des Konsolidierungspfades, wir haben darüber ja nun schon hinreichend gesprochen, die aber innerhalb dieser doch immerhin knapp 20 Milliarden $ pro Jahr, absolut, eine erhebliche Verteilungsmasse darstellen. Und auch diese Prioritäten müssen in dieser Haushaltspolitik abgebildet werden.

Lassen Sie mich einen ganz kurzen Rückblick machen. Unsere Stadt hat eine ganz besondere Entwicklung durchlaufen, die wir sicherlich an keiner Stelle, weder in der Bundesrepublik, noch in Europa wiederfinden werden. Wir haben eine deutsche Hauptstadt erst seit 1871, das sind gerade mal 130 Jahre, eine Stadt mit einem rasanten industriellen Wachstum, also mit ständigen Umbrüchen. Wir hatten dann die Hauptstadt der Weimarer Republik – Sie wissen alle, was das bedeutet hat –, aber natürlich auch die Hauptstadt des nationalsozilistischen Regimes. Wir haben eine Stadt, die die am stärksten zerstörte des Zweiten Weltkriegs war, anschließend eine Stadt, die geteilt war, mit einer massiven wirtschaftlichen Degression; Mauerstadt, Hauptstadt der DDR.

[Ratzmann (Grüne): Ist bekannt!]

Ich will es trotzdem noch mal wiederholen. – Wir haben seit 1989 eine wiedervereinigte Stadt. Jetzt denken Sie einmal daran, was 1990 hier passiert ist! Wir haben eine Stadt gehabt, die zusätzliche Aufgaben in Hülle und Fülle erhalten hat.

[Zuruf des Abg. Wieland (Grüne)]

Hören Sie doch einmal zu, was ich aufführen will! – Wir hatten eine Stadt, in der ungeheuer viele neue Aufgaben herangewachsen sind und gleichzeitig aber die Mittel massiv gekürzt worden sind.

[Zackenfels (SPD): Von wem?]

Ich erinnere hier nur, was aus der damaligen Hauptstadt Bonn auf uns herabgeregnet ist.

[Beifall bei der SPD]

Es waren nicht die blühenden Wiesen und Felder, sondern das Hahn-Abdrehen für die Stadt Berlin, auch wenn man ihr später dann die Hauptstadtfunktion und den Regierungssitz zurückgegeben hat.

Frau Dunger-Löper! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hahn?

Nein! Ich gestatte keine Zwischenfrage.

Wenn man diese rasante Entwicklung wirklich fast wie in einem Reagenzglas noch einmal betrachtet, müssen wir natürlich auch sehen, dass das Spuren hinterlassen hat, die wir heute überall noch spüren. Wir haben mit der Geschichte dieser Stadt umzugehen. Aber – damit wende ich mich vor allen Dingen an Sie – wir dürfen uns natürlich auch nicht von dieser Geschichte strangulieren lassen, indem wir immer nur rückwärts schauen, sondern müssen nach vorn sehen, müssen den Mentalitätswechsel tatsächlich vollziehen und diese Stadt zu einer Stadt der Zukunft machen!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Deshalb ist es notwendig, eine strategische und konzeptionelle Ausrichtung für die Stadt zu entwickeln, die an den Zukunftsaufgaben – Stadt des Wissens und soziale Stadt – orientiert ist. Dieser Weg bedeutet Konzentration auf Kerne, aber – jetzt zitiere ich einmal den Regierenden Bürgermeister – das bedeutet natürlich auch die Beschreibung von Posterioritäten, das heißt Einschnitte an anderer Stelle, die unbequem sind.

[Wieland (Grüne): Welche zum Beispiel?]

Wir haben kleinste Kostproben bei den letzten Haushaltsberatungen bereits erlebt. Da ist Ihnen allen hier ganz schön das Fracksausen gekommen. Das wollen wir an dieser Stelle nicht leugnen!

Der Senat hat aber, das muss man auch sagen, diesen Weg der Zukunftsorientierung beschritten. Es ist ein harter Weg, der auch nicht von heute auf morgen die ganz großen Erfolge schon produziert. Wir wissen, er hat sich auf den Weg gemacht und hat auch den Mut, hier etwas voranzutreiben. Diesen Mut übrigens verlangt es auch von seinen Unterstützern.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Wir wissen alle, dass es zu diesem Weg, insbesondere wenn wir uns um die dringend notwendige Entlastung von Bund und anderen Ländern bemühen wollen, keine Alternative gibt.

[Wieland (Grüne): Was kommt denn nun? Mutig wäre es zu sagen, was kommt!]