Protocol of the Session on August 29, 2002

Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 28. August 2002 über Vorabkürzung der Zuweisungen aus dem Rundfunkgebührenaufkommen an die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB)

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Der Hauptausschuss empfiehlt einstimmig einen Beschluss gemäß Drucksache 15/714. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist das einstimmig so beschlossen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 30 C, Drucksache 15/715:

Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 19. Juni 2002 und des Hauptausschusses vom 28. August 2002 zum Antrag der Fraktion der CDU über Autobahnneubau A 113 n im Bereich Rehpfuhlsiedlung Altglienicke, Drucksache 15/481

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Eine Beratung – so wurde mir signalisiert – wird nicht mehr gewünscht. Die Ausschüsse empfehlen jeweils mehrheitlich gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Annahme des CDUAntrags in neuer Fassung, wobei der Hauptausschuss eine Änderung des Berichtsabgabetermins empfiehlt, und zwar auf den 31. Dezember 2002. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dies mit den Stimmen der SPDFraktion, der PDS-Fraktion und einigen Stimmen der CDU-Fraktion bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP-Fraktion so beschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 31, Drucksache 15/689:

Vorlagen – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Abs. 3 VvB

Zur lfd. Nr. 3 – das ist die Verordnung Nr. 15/58 zur Aufhebung der Ersten Verordnung über die förmliche Festlegung von Sanierungsgebieten – beantragt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Überweisung an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr. Hierüber lasse ich abstimmen. Wer dieser Überweisung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit haben wir dies einstimmig so überwiesen.

Weitere Überweisungsanträge liegen nicht vor. Ich stelle damit fest, dass das Haus von den übrigen Verordnungen Kenntnis genommen hat.

(A) (C)

(B) (D)

Präsident Momper

Ich rufe auf

lfd. Nr. 32, Drucksache 15/589:

Antrag der Fraktion der Grünen über Gedenkstein für Chris Gueffroy

Zur Beratung steht uns eine Redezeit von bis zu fünf Minuten pro Fraktion zur Verfügung. Zunächst hat der Herr Abgeordnete Cramer das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor gut zwei Wochen erinnerten wir uns an den 41. Jahrestag des Mauerbaus. Der Regierende Bürgermeister gedachte des qualvollen Todes von Peter Fechter am Checkpoint Charlie. Andere waren in der Gedenkstätte Bernauer Straße. An der innerdeutschen Grenze verloren zwischen 1949 und 1989 etwa 1 000 Menschen ihr Leben. An der Berliner Mauer fanden mehr als 200 Personen den Tod. Das erste Opfer war Günter Litfin, der am 24. August 1961 erschossen wurde, als er durch den Humboldthafen an das westliche Ufer schwimmen wollte. Das letzte Opfer war der 20-jährige Chris Gueffroy. Er wurde in der Nacht vom 5. auf den 6. Februar 1989 erschossen.

Chris Gueffroy war kein abenteuerlustiger oder leichtsinniger Mensch. Er wollte aber partout nicht zur Nationalen Volksarmee. Zudem hatte er von Freunden in Thüringen gehört, dass der Schießbefehl außer Kraft gesetzt worden sei. Mit seinem gleichaltrigen Freund Christian Gaudian versuchte er durch den Britzer Verbindungskanal auf die Neuköllner Nobelstraße in den Westen zu flüchten. Als nur noch ein zwei Meter hoher Streckmetallzaun und der Kanal die beiden vom Westberliner Ufer trennten, wurden sie entdeckt und sofort unter Beschuss genommen. Chris Gueffroy wurde von insgesamt 10 Schüsse getroffen und starb einen qualvollen Tod im Kugelhagel der Grenztruppen. Christian Gaudian wurde festgenommen und drei Wochen später wegen „versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts im schweren Fall“ zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Das Schicksal von Chris Gueffroy bewegt uns auch deshalb so sehr, weil es angesichts der weiteren politischen Entwicklung besonders tragisch ist. Nur wenige Monate später hätte er ohne Lebensgefahr über Ungarn fliehen können, nach dem Fall der Mauer wäre eine Flucht nicht mehr nötig gewesen.

Für Chris Gueffroy gibt es bisher keinen Gedenkstein. Meine Fraktion hat deshalb diesen Antrag eingebracht, in dem der Senat aufgefordert wird, bis spätestens zum 17. Juni 2003 einen Gedenkstein am Britzer Verbindungskanal zu errichten. Seine Mutter verfolgt diese Debatte auf der Zuschauertribüne. Ich möchte Sie, Frau Karin Gueffroy, nicht nur herzlich begrüßen, sondern Ihnen auch – Frau Präsidentin, ich glaube, ich darf das tun – die aufrichtige Anteilnahme des ganzen Hauses aussprechen. [Allgemeiner Beifall]

Aber auch nach der Beerdigung von Chris Gueffroy ließ man die Familie nicht in Ruhe trauern. Vor dem Fall der Mauer wurden die auf dem Grab niedergelegten Blumen und Briefe von den zuständigen DDR-Organen immer sofort beseitigt. Der Grabstein, den die Mutter zwar bezahlen, aber nicht aussuchen durfte, wurde jedoch nicht beschmiert, und auch das Grab wurde nicht geschändet. Nach dem Fall der Mauer allerdings wurde das Grab von Chris Gueffroy immer wieder geschändet und der Grabstein beschmiert. Das Marmorkreuz, das die Mutter 1991 aufgestellt hatte, wurde mehrfach beschädigt und 1994 sogar entwendet. Erst als Anzeige erstattet wurde, hörten diese Grabschändungen Mitte der 90er Jahre auf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! An den ersten getöteten Flüchtling, an Günter Litfin, erinnert ein Mahnmal an der Sandkrugbrücke. Es ist an der Zeit, endlich auch einen Gedenkstein für das letzte Maueropfer, für Chris Gueffroy, zu errichten. Anlässlich einer Mündlichen Anfrage hatten der Senat und alle Fraktionen dieses Hauses ihre grundsätzliche Zustimmung für einen Gedenkstein signalisiert. Ein einvernehmliches Votum wäre nicht nur ein Zeichen des Mitgefühls für die Familie

Gueffroy, es wäre auch, nach fast 13 Jahren, ein Beitrag für die innere Einheit dieser so lange gespaltenen Stadt. Aus all diesen Gründen möchte ich Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen, damit spätestens zum 50. Jahrestag des 17. Juni ein Gedenkstein an Chris Gueffroy erinnert.

[Allgemeiner Beifall]

Danke schön! – Für die Fraktion der SPD hat nunmehr das Wort der Abgeordnete Herr Hilse.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anfang und Ende einer unmenschlichen Ära kennen erste und letzte Opfer. Zwei Namen, zwei Schicksale treten in besonderer Weise aus dem unzähligen Leid heraus, das die Berliner Mauer verursacht hat. Es wurde soeben von meinem Vorredner, Herrn Cramer, erwähnt: Günter Litfin war der Erste, der bei dem Versuch, den demokratischen Teil Berlins zu erreichen, sein Leben lassen musste. Er wurde am 24. August 1961 erschossen. Chris Gueffroy war das letzte Opfer. Der Tod Günter Litfins versetzte die Menschen in Ost und West, sofern sie überhaupt davon erfuhren, in Fassungslosigkeit und Resignation. Die DDR hatte ihr erstes Exempel statuiert und gezeigt, wie sie mit Menschen umzugehen gedachte, die in ihrer Heimat keine Heimat mehr sehen konnten. Dieses nie für möglich Gehaltene sollte bis 1989 noch unzählige Opfer fordern.

Chris Gueffroy war das letzte Opfer. Er wurde in der Nacht vom 5. auf den 6. Februar 1989 erschossen. Erschossen in einer Zeit, in der die Tage der DDR gezählt waren. Der Tod Chris Gueffroys fiel in die Zeit aufkeimender Hoffnungen, dass sich vor dem Hintergrund von Perestroika und Glasnost auch das DDRRegime nicht länger demokratischen Prozessen widersetzen könnte. Das war die besondere Tragik des Todes von Chris Gueffroy.

Das DDR-Regime hat nicht nur einen Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze eingeführt, es war auch entschlossen, bis zur letzten Minute daran festzuhalten. Wir Sozialdemokraten werden in den folgenden Ausschussberatungen nach einer guten Lösung suchen, wie Chris Gueffroy, dem letzten an der Mauer Erschossenen, würdig und dauerhaft gedacht werden kann. Dies sollte aus meiner Sicht an dem Ort geschehen, wo er starb. Auch alle anderen Opfer sollten uns das Erinnern wert sein, und immer an der Stätte ihres Todes. Die Opfer an der Berliner Mauer werden in die deutsche Geschichte als Tatsache und als Zahl eingehen. Wir Berliner sollten ihre Namen bewahren.

[Allgemeiner Beifall]

Danke schön! – Für die CDUFraktion hat das Wort der Abgeordnete Herr Apelt. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wird Sie nicht verwundern, die CDU-Fraktion steht natürlich geschlossen hinter dem Antrag. Wir brauchen eine würdige Erinnerungsstätte für das letzte aller deutschen Mauer- und Teilungsopfer, von denen es etwa 1 000 gibt. Günter Litfin steht hier am Anfang, es ist schon erwähnt worden. Ich sollte vielleicht noch erwähnen: Auch da hat der Senat eigentlich nie gehandelt, eigentlich erst auf Initiative des Bruders von Günter Litfin und der CDU ist dort ein Denkmal hingesetzt worden, mit Geldern der CDU, nicht mit Geldern des Senats.

[Beifall bei der CDU]

Chris Gueffroy steht am Ende der Kette von fast 1 000 Toten, die die deutsch-deutsche Teilung das Land gekostet hat. Dies ist schon Grund genug, ihm ein würdiges Denkmal zu widmen, und weil wir etwas gegen das Vergessen tun wollen. Dass so schnell vergessen wird, zeigen ja viele Beispiele. Was an Berliner Schulen heute noch gewusst wird über die DDR-Diktatur, ist teilweise verheerend. Schon deshalb sollten wir keine Gelegenheit auslassen, um an diese Diktatur zu erinnern.

Und wenn wir eben beim Vergessen sind, dann gestatten Sie mir – ich habe ja noch 2 Minuten Zeit –, auch etwas zu der Diskussion zu sagen, die wir vorhin hier geführt haben. Da fängt nämlich irgendwo schon wieder das Vergessen an, wenn hier so Vorwürfe kommen von Herrn Benneter an Herrn Ratzmann, seine Wahrheitsliebe sei so ein Relikt der alten, vergessenen Bürgerrechtsbewegung. Herr Benneter, die Zeit heilt leider nicht alle Wunden, schon gar nicht in Deutschland. Und dabei geht es nicht um die Überprüfung von Abgeordneten, das ist mir im Grunde genommen fast egal. Um was es mir hierbei geht, ist die Geisteshaltung, die dahinter steht. Sie reden dem Vergessen das Wort, denn die Wahrheit bleibt auch dann eine Wahrheit, wenn sie keine Mehrheit mehr hinter sich weiß. Auch das hat uns die deutsche Geschichte gelehrt.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Eine Wahl rechtfertigt nicht die moralische Integrität von Menschen. Wir können in Deutschland nur dann sicher sein, dass uns keine Diktatur mehr heimsucht, wenn wir uns selbst diesen ethisch-moralischen Verhaltenskodex zu Eigen machen. Nur dann wird es funktionieren.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke sehr! – Für die PDS-Fraktion hat das Wort die Abgeordnete Frau Seelig. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jeder Tote an der Berliner Mauer ist ein Toter zu viel.

[Frau Herrmann (CDU): Heuchelei!]

Aber eine besondere Tragik ist der Tod des jungen Chris Gueffroy, der nur wenige Monate vor dem friedlichen Fall der Mauer im Kugelhagel sterben musste.

[Goetze (CDU): Was differenzieren Sie denn da?]

Ich glaube nicht, dass so etwas jemals vergessen werden sollte. Deshalb tritt meine Fraktion für die Errichtung eines Gedenksteins ein. Und wir sehen, dass in diesem Hause dazu Übereinstimmung herrscht. Wir müssen also folglich nicht über das Ob diskutieren, weil wir denken, dass so ein Zeichen gesetzt werden muss. Und wir möchten beantragen und hoffen auf Ihre Zustimmung, dass wir diesen Antrag nicht in den Ausschuss überweisen, sondern bei dieser größtmöglichen Übereinstimmung dann auch heute und hier abstimmen können.

Aus dem Haus des Senators für Wissenschaft und Kultur gibt es bereits Vorschläge. In diesen wird angeregt, eine Gedenktafel im Rahmen der Geschichtsmeile Berliner Mauer zu errichten.

Der Ort ist natürlich der Ort des Authentischen. Beim Datum sollten wir vielleicht überlegen. Das lässt sich auch im Nachhinein noch tun, zu überlegen, ob man sich für den Geburtstag oder den Tag der Erschießung des Chris Gueffroy entscheidet. Es sollte auch eine Beziehung zu ihm als Person haben. Dies wäre eine schlüssige und gute Lösung, heute hier gemeinsam im Parlament gemeinsam die Errichtung der Tafel zu beschließen.