Protocol of the Session on May 30, 2002

lfd. Nr. 17 B, Drucksache 15/501:

Antrag der Fraktion der CDU über Kosten für BushBesuch nicht der Berliner Polizei aufbürden

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Dies ist nicht der Fall.

Beratung ist nicht vorgesehen. – Überweisung an den Ausschuss für Innere Sicherheit und Ordnung und an den Hauptausschuss ist vorgesehen. – Ich bitte um ein Zeichen, wer dies so wünscht. – Danke schön! Gegenprobe! – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

lfd. Nr. 17 C, Drucksache 15/503:

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion der PDS und der Fraktion der Grünen auf Annahme einer Entschließung über Gegen die Instrumentalisierung von Antisemitismus im Wahlkampf

Wird der Dringlichkeit dieses Entschließungsantrages widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Jetzt kommt ein A n t r a g z u r G e s c h ä f t s o r d n u n g. Bitte schön, Herr Kollege Ritzmann, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Wir haben jetzt einen Antrag vor uns, der von vier Fraktionen gestellt worden ist und der unmittelbar auf die FDP Bezug nimmt.

[Zuruf von der SPD: Leider!]

Wir möchten die anwesenden Parlamentarier bitten, dass wir als betroffene Fraktion als letzte reden können.

[Zuruf von der SPD: Wieso als letzte? Als erste!]

Das richtet sich hauptsächlich an die Grünen. Wir haben die Grünen gebeten, die Reihenfolge der Redner zu ändern, sie haben dem leider nicht zugestimmt. Es geht darum, dass wir gerne zu diesem Antrag als Letzte reden würden, und wir würden uns freuen, wenn das hier im Hause eine Mehrheit fände.

Ich sehe dagegen Widerspruch. Dann stimmen wir darüber ab.

[Zuruf von der SPD: Das ist doch gar nicht abstimmungsfähig!]

Wer einer veränderten Rednerreihenfolge die Zustimmung zu geben wünscht, bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? Das war eindeutig die Mehrheit an Gegenstimmen, damit bleibt es bei der Rederunde, so wie sie vorher festgelegt wurde.

[Dr. Lindner (FDP): Ihr seid peinlich! Ihr fangt schon peinlich an!]

Es hat zunächst das Wort für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Walter Momper, bitte schön!

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Es geht heute nicht darum, Wahlkampf zu machen.

[Beifall bei der SPD – Nö! bei der FDP]

In kleiner und billiger parteipolitischer Münze wollen wir das Thema hier nicht abhandeln. Es geht darum, ein paar Grundsätze in unserem Staatswesen und in unserem Parlament klarzustellen, die uns – jedenfalls bisher – als Berliner Parlament immer geeint haben.

Ich möchte die FDP ausdrücklich einladen und auch bitten – ich möchte fast sagen, im Berliner Parlament sogar beschwören – zu überlegen, ob nicht der Grundkonsens, der in diesem Lande immer gegolten hat, auch weiterhin gelten sollte, nämlich, dass man Antisemitismus in diesem Lande keinen Raum bietet.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Ich möchte einige Punkte vorausschicken, damit darüber Verständigung herrscht und dass nicht an falschen Fronten gekämpft wird, die gar keine Fronten sind.

Das Existenzrecht des Staates Israel und das Recht auf gesicherte Grenzen für Israel ist für uns unantastbar. Das ist die Grundlage der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesrepublik war immer ein zuverlässiger Partner für Israel – seit Konrad Adenauer, seit Scheel und Genscher, und dabei soll es auch bleiben.

[Beifall bei der SPD, der CDU, der PDS und den Grünen]

Wir treten aber auch dafür ein, dass das palästinensische Volk in einem eigenen Staat selbstbestimmt und in Würde leben kann.

Jeder in diesem Land, ob Politiker oder ganz normale Bürgerinnen oder Bürger, kann die Politik Israels kritisieren, wenn er sie für falsch hält. Und in den Medien dieses Landes kann man das auch in den letzten Wochen und Monaten in durchaus unterschiedlicher Ausprägung lesen. Die Politik – Außenminister Fischer, Präsident Chirac, der UN-Sicherheitsrat, die Europäische Union, selbst der US-Präsident – haben in unterschiedlichen Ausprägungen und Facetten die Politik Israels in Bezug auf die Palästinenser kritisiert. Das ist durchaus normal. Es muß, weil wir solche Diskussionen vor kurzem hatten, gerade unter Freunden möglich sein, gerade wenn man ganz grundsätzlich das Existenzrecht Israels in gesicherten Grenzen bejaht und für eine enge Freundschaft und Partnerschaft eintritt, dass man unter Freunden etwas kritisieren kann, was man für falsch hält.

Ich möchte auch noch hinzufügen, dass wir jede Form des Terrorismus verabscheuen und dass es keine Rechtfertigung für Terrorismus, wo auch immer, geben kann.

[Beifall bei der SPD, der CDU, der PDS und den Grünen]

Die Mehrheit der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten halten Scharons Politik schon allein deshalb für falsch, weil sie dem Ziel Israels, nämlich in gesicherten und anerkannten Grenzen zu leben, erkennbar nicht nützt.

[Beifall bei der SPD]

Das ist sehr bedauerlich. Die Politik der israelischen Regierung bewirkt sogar das Gegenteil. Sie bietet, bei allem Verständnis für manche Grundbefindlichkeit dort, leider keinen Schutz vor Terrorismus, in meinen Augen überhaupt gar keinen Schutz.

Das alles war der anerkannte Konsens in Deutschland. Jetzt haben wir mit Bedauern und mit Betroffenheit gesehen, dass eine Partei wie die FDP, mit so großen liberalen Traditionen, aber auch den Traditionen von Leuten wie Ignatz Bubis und anderen, die der gleichen Glaubensrichtung angehörten, die in dieser Partei gearbeitet haben, glaubt, Tabubruch begehen zu müssen, wo es des Tabubruchs gar nicht bedarf.

[Thiel (FDP): Das ist doch nicht die Partei!]

Das weiß ich eben nicht. Darüber herrscht gerade Unsicherheit.

[Dr. Augstin (FDP): Ja, das sagen wir Ihnen gerade!]

Den Namen Karsli will ich gar nicht nennen. Darüber rede ich gar nicht. Ich rede über einen Ihrer Landesvorsitzenden, ich glaube sogar Ihres größten Landesverbandes, jedenfalls eines Landesverbandes, der auch in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine große Rolle gespielt hat. Ich rede nicht nur über Herrn Möllemann, der mag seine arabischen Vorlieben haben, das mag alles sein, aber es ist mir nicht verständlich, wie Herr Westerwelle einiges rechtfertigt, was da in der FDP gesagt worden ist.

Also, Tabubruch, Israel kritisieren, Terror rechtfertigen, das kann es doch wohl nicht sein.

Wenn aber gesagt wird – und da beginnt der Bruch des Grundsatzes, keinen Antisemitismus zuzulassen und ihm auch keinen Vorschub zu leisten –, dass jemand wie Michel Friedman, den man gut finden kann oder nicht, der seine spezielle Art von Fernsehsendung macht, der in seiner ganzen Art sicherlich vielen sehr nahe tritt und in seiner Argumentation auch so scharf ist, wie sonst ganz wenige im deutschen Fernsehen, der und auch Scharon habe in Teilen selbst Schuld am Antisemitismus, dann findet eine Umkehrung statt. Dann verstehe ich nicht, dass Möllemann so etwas mitmacht, und auch nicht, dass Westerwelle so tut, als sei da gar kein Problem. Ich wäre Ihnen dankbar und würde mich für Berlin freuen, wenn Sie in diesem Parlament dazu klar auf Distanz gehen. Mit Verlaub, Sie müssen sich Möllemann klar anrechnen lassen – und Westerwelle erst recht. Wir müssen uns auch unsere Landesvorsitzenden und Parteivorsitzenden anrechnen lassen.

Bitte bedenken Sie, was es für Berlin bedeutet, diese Einigkeit bisher im Parlament und in der Öffentlichkeit gehabt zu haben. Ich würde mich freuen, wenn die FDP wieder unzweideutig dabei wäre. Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Für die CDUFraktion hat das Wort der Abgeordnete Dr. Steffel. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe am Dienstag dieser Woche ein ausführliches Gespräch mit dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Herrn Dr. Brenner, geführt. Ich kann nachvollziehen, dass die Schändung jüdischer Friedhöfe, die Übergriffe auf Berliner, die einen Davidstern tragen, und auch gerade die aktuelle Diskussion Dr. Brenner und der Jüdischen Gemeinde in Berlin große Sorge bereitet.

Die Tatsache, dass sich – wie der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde mir sagte – Mitglieder seiner Gemeinde in Berlin und Deutschland nicht mehr sicher fühlen und ernsthaft darüber nachdenken, Deutschland zu verlassen, muss uns alle nachdenklich stimmen und betroffen machen. Ich bin – ich sage dies nicht nur heute hier, sondern sehr konsequent von Anfang an – äußerst empört und auch persönlich betroffen, vielleicht schokkiert, über den – wie ich glaube – perfiden Versuch des stellvertretenden FDP-Bundesvorsitzenden Möllemann, die Politik des Staates Israel oder die durchaus streitbaren Aussagen von Michel Friedman als Ursache oder Rechtfertigung für Antisemitismus zu missbrauchen!

[Beifall bei der CDU, der SPD, der PDS und den Grünen]

Das ist aus meiner Sicht der entscheidende Satz in dem uns vorliegenden Entschließungsantrag. Ich will das noch einmal ganz bewusst wiederholen. Es ist ein perfider dialektischer Versuch zu behaupten, weil Friedman das und das gesagt hat, ist es gerechtfertigt zu sagen, dass dies zumindest die Ursache für möglicherweise latent vorhandenen Antisemitismus in Deutschland ist. Das dürfen wir gemeinsam nicht zulassen.

Ich hätte es deshalb für notwendig erachtet, dass die FDP und ihr Bundesvorsitzender Westerwelle klar und unmissverständlich deutlich machen, dass natürlich ihre großartigen liberalen Wurzeln von Theodor Heuss bis Hans-Dietrich Genscher und Ignatz

Bubis die Grundlagen ihrer werteorientierten liberalen Politik sind und Möllemanns Äußerungen unabhängig von innerparteilichen Mehrheiten und innerparteilichen Situationen in bestimmten Landesverbänden so nicht akzeptiert werden können.