Protocol of the Session on April 10, 2019

Meine Damen und Herren, ausgehend von der Entwicklung der letzten Jahrzehnte wird diese Analyse unterschiedlich beant wortet. Die Diskussion darüber wird auch weiter anhalten. Trotzdem bin ich sehr froh und möchte mich herzlich bei allen Gesprächspartnern bedanken, dass es uns als Koalition gelun gen ist, einen Weg zu finden, der einerseits unterschiedliche Interessenlagen aufnimmt und andererseits eine Entwicklung der Sicherheitsarchitektur zulässt. Herzlichen Dank dafür, auch weil die Gespräche - und das ist kein Geheimnis - nicht immer einfach waren.

Die Diskussion und der Streit darüber gehören zur Demokratie. Das, was manchmal an die Öffentlichkeit gedrungen ist, ist kein Ausdruck von Schwäche, sondern im Prinzip ein Aus druck von Stärke, dass man unterschiedliche Positionen mitei nander abgleichen kann und so zu einem Lösungsweg kommt.

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich etwas zu ersten Er gebnissen des NSU-Untersuchungsausschusses sagen; Herr

Dr. Redmann hat bereits einige Anregungen gegeben. Was ist geregelt? Wir haben die Frage der Innenrevision. Wir haben die Regelungen für den Einsatz von V-Leuten im Gegensatz zu dem, was Sie gesagt haben. Wir haben die Whistleblower-Re gelung ganz bewusst anders gefasst als auf Bundesebene. Wir haben den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Wir haben die Entwicklung der PKK. Wir haben Neuregelun gen für Observationen. Wir haben Berichtspflichten. Wir haben das Trennungsgebot abschließend geregelt.

Meine Damen und Herren, ich kenne kein Verfassungsschutz gesetz eines Bundeslandes, das die Gesamtheit dieser Regelun gen aufweist. In den verschiedenen Verfassungsschutzgesetzen findet sich das eine oder andere Element mehr oder weniger ausgeprägt, aber nicht in dieser Systematik.

Deshalb ist es richtig, an dieser Stelle zu sagen - Herr Dr. Red mann, da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu -, dass der Einsatz von V-Leuten nur die Ultima Ratio darstellt. Gerade deshalb haben wir geregelt, wann der Abbruch einer Tätigkeit als V-Mann erfolgen muss.

Ich komme zur Regelung hinsichtlich der PKK, einschließlich des Sonderbeauftragten. Wir werden darüber reden müssen - das ist zutreffend -, wie sich die Kontrollmöglichkeiten der PKK tatsächlich entwickeln. Das hängt immer von den Perso nen ab, die zur PKK delegiert worden sind; das hängt aber auch von der Person des Sonderbeauftragten ab, der dann beru fen wird.

All dies sind Dinge, bei denen wir weiter gemeinsam lernen werden. Ich bin insgesamt davon überzeugt, dass wir auf die sem Weg bereits erste Schritte in der Auswertung des NSUUntersuchungsausschusses unternommen haben und dass in diesem Kontext ein personeller Ausbau des Verfassungsschut zes notwendig ist. Darüber besteht Einigkeit.

Der Gesetzentwurf sowie der Personalantrag liegen nun zur Überweisung vor. Es geht jetzt darum, den Weg für die parla mentarischen Beratungen freizumachen. Ich freue mich auf die Diskussionen im Ausschuss. Wir werden sicherlich eine Lö sung finden für diesen Sachverhalt, bei dem es eine breit gefä cherte politische Interessenlage gibt und bei dem es notwendig ist, dass die demokratischen Parteien zu einer Einigung kom men. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Jung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Grundsätzlich ist die Intention, eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes vorzunehmen, begrüßenswert. Wie schon so oft hätte die rot-rote Landesregierung bereits viel früher handeln müssen - und nicht erst fünf Monate vor der Wahl.

Wie immer sind die Genossen uneinig. Den Linken gehen die ohnehin sehr konzilianten Verbesserungsvorschläge der SPDMinister nicht weit genug. Diese haben sich durchgesetzt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an das weichgespülte

Polizeigesetz. Eigentlich hätte die Landesregierung spätestens mit Vorlage des ersten NSU-Untersuchungsberichtes im Bun destag - das war im August 2013 - schon zu Beginn der 6. Le gislaturperiode im Brandenburger Landtag aktiv werden müs sen. Geschehen ist aber zunächst nichts, außer dem später be kannt gewordenen Behördenhandeln im Zusammenhang mit dem Brandenburger Zeugen im NSU-Prozess in München. Das würde auch zum NSU-Untersuchungsausschuss hier im Bran denburger Landtag passen.

Festzustellen ist, dass gerade aus den Entwicklungen, die den V-Mann „Piatto“ betreffen, schon viel früher Handlungen hät ten resultieren müssen. Dies ist aber nicht geschehen. Jetzt liegt die erste Änderung im Verfassungsschutzgesetz vor. Da mit werden erste Konsequenzen daraus gezogen.

Bei der Beurteilung ist hervorzuheben, dass die Lageeinschät zung hinsichtlich der Fixierung auf den Rechtsextremismus symptomatisch ist. Wir haben den Eindruck, dass der Linksext remismus und der politische Islam nicht in entsprechender Weise beobachtet werden. Wir sind daher der Auffassung, dass die Personalaufstockung, die jetzt auf dem Tisch liegt, notwen dig ist. Das ist eine unserer langjährigen Forderungen. Von der Sache her ist das völlig korrekt; das ist der richtige Weg. Wir würden uns wünschen, dass außerhalb dieser Extremismus kreise auch im Kampf um die Überwachung von Clans und kri minellen Großfamilien ein solcher Einsatz erfolgen würde, wie unlängst vom Bund der Kriminalbeamten gefordert.

Das Thema „Innenrevision“ ist bereits angesprochen worden. Damit stimmen wir überein. Eine Whistleblower-Regelung für VS-Mitarbeiter gegenüber der PKK soll her; auch das finden wir gut. Ein ständiger Beauftragter der PKK soll gegenüber dem Verfassungsschutz Informationen sammeln und Bericht erstatten; das begrüßen wir. Mitarbeiter der Abgeordneten sol len ebenfalls in die PKK-Runden kommen dürfen; auch dies findet unsere Zustimmung.

Ebenso ist es wichtig, dass Standards für die Zusammenarbeit und den Einsatz von V-Leuten normiert werden. Bislang ist dieses Thema noch nicht angegangen worden. Das ist die Grauzone, die bereits von den Vorrednern angeführt wurde. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Auch die bereits angesprochenen IMSI-Catcher halten wir für wichtig. Wenn Aufklärung mit technischen Mitteln betrieben wird, ist das immer der bessere Weg als der Einsatz von V-Leuten.

Uns wundert - auch das ist angesprochen worden - der künftige Einsatz einer Innenrevision in der Abteilung 5 des Innenminis teriums: Wir würden uns da eine Lösung wünschen ähnlich der in Sachsen, wo eine eigenständige Behörde diese Aufgaben insgesamt vornimmt.

Herr Abgeordneter, kommen Sie zum Schluss.

Wir stimmen der Überweisung zu. Die Personalerhöhung fin den wir richtig. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Danke. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Nonnemacher.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Liebe Gäste! Verehrter Herr Nürnberger! Wer nach der rechtsterroristischen Mordserie des NSU und dem islamisti schen Terroranschlag von Anis Amri weiterhin den Versuch wagen will, die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit einem Nachrichtendienst zu schützen, der muss dafür gute Gründe finden.

Er muss zudem den Entwurf eines Verfassungsschutzgesetzes vorlegen, der sicherstellt, dass der Nachrichtendienst wirklich dem Schutz der Verfassung dient - und nicht das Gegenteil der Fall ist. Denn allzu oft waren die Verfassungsschutzbehörden nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems, auch hier in Brandenburg.

(Beifall des Abgeordneten Christoffers [DIE LINKE])

So hat der Informant „Piatto“ zeitweise den deutschen Brü ckenkopf zur Neonazi-Terrorgruppe „Combat 18“ in England gebildet. Der V-Mann Toni S. hat die Hassmusik-Strukturen, die er aufklären sollte, als Neonazi-Geschäftsmann maßgeblich geprägt und sogar Mordaufrufe auf CDs verbreitet.

All das geschah mit Wissen des Brandenburger Verfassungs schutzes. Trotz der Erfahrung mit diesen beiden Fulltime-Na zis will die rot-rote Regierungskoalition dem Verfassungs schutz künftig die Anwerbung von Rechtsextremisten ermögli chen, sofern ihre - ich zitiere - alleinige Lebensgrundlage nicht auf Dauer von den Geld- oder Sachzuwendungen des Verfas sungsschutzes abhängt.

Im Klartext: Wer einen Versand für neonazistische Hassmusik betreibt, kann verpflichtet werden, und wer für 450 Euro im Monat seinen Kameraden Kampfsporttraining erteilt, eben falls. Es soll also möglich bleiben, dass der Verfassungsschutz den überwiegenden Lebensunterhalt von Neonazis und ande ren Extremisten finanziert und ihnen damit ermöglicht, sich hauptberuflich extremistisch zu betätigen. Das ist verantwor tungslos!

(Beifall B90/GRÜNE und der Abgeordneten Große [DIE LINKE])

Hinzu kommt, dass dieser mangelhaft begrenzte Einsatz nach richtendienstlicher Mittel nach dem vorliegenden Gesetzent wurf auch noch mangelhaft kontrolliert werden soll. So soll die Parlamentarische Kontrollkommission nur mit Zustimmung des Innenministers Beschäftigte des Verfassungsschutzes be fragen dürfen. Ein unbeschränkter Zugang der Landesdaten schutzbeauftragten zur Verfassungsschutzbehörde ist schlicht nicht vorgesehen.

Fehlanzeige auch, was persönliche Zugangs-, Akteneinsichts- und Befragungsrechte für die PKK-Mitglieder sowie Sonder voten in den PKK-Berichten betrifft; darauf hatte bereits Kol lege Redmann hingewiesen. Damit bleibt dieser Gesetzentwurf hinter mehreren Verfassungsschutzgesetzen in Deutschland zurück, die nach dem NSU-Desaster bereits geändert worden

sind. Das ist wahrlich keine Glanzleistung einer rot-roten Lan desregierung.

(Beifall B90/GRÜNE)

Dieser schlecht kontrollierte Verfassungsschutz soll sich künf tig bei Banken nicht nur die Personalien von Kontoinhabern verschaffen dürfen, sondern zudem Einblick in die Kontenbe wegungen nehmen dürfen. Von Telekommunikationsanbietern sollen auch jene Kundendaten abgegriffen werden - ich zitie re -, „mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird.“

Was soll daraus werden - eine Online-Durchsuchung ohne Staatstrojaner? Und welche Personengruppen soll der Verfas sungsschutz überhaupt auf diese grundrechtsverletzende Weise überwachen? Sofern es um Straftaten geht, ist die Polizei zum Einsatz solcher Mittel befugt und - anders als der Verfassungs schutz - auch dafür zuständig. Zur Erinnerung: Nicht nur Ter roranschläge sind strafbar, sondern bereits deren Vorbereitung und sogar die Vorbereitung der Vorbereitung. Spionage und Gewalt sind sowieso strafbar.

Vor diesem Hintergrund stellt sich nicht nur die Frage, ob der Brandenburger Verfassungsschutz solche nachrichtendienstli chen Mittel benötigt, sondern viel grundsätzlicher, ob ein Bun desland wie Brandenburg überhaupt einen Nachrichtendienst zum Schutz der Verfassung braucht. Vieles spricht dafür, dass ein unabhängiges Institut für Verfassungsschutz, das auf wis senschaftlicher Basis arbeitet, mehr zum Schutz der freiheit lich-demokratischen Grundordnung beitragen könnte als ein Nachrichtendienst.

Ich komme zum Stellenaufwuchs. Für unsere Fraktion habe ich immer gesagt, dass wir einer moderaten Erhöhung der Stellen zahl beim Verfassungsschutz aufgeschlossen und positiv ge genüberstehen. 37 neue Stellen für den Verfassungsschutz sind uns jedoch zu viele. Sinnvoll wären weitere Fachleute für die Analyse; in den ersten zwei von mehreren Ausschreibungen, die im Internet und sonst wo veröffentlicht wurden, werden aber ausgerechnet V-Mann-Führer gesucht.

Dass mit der Aufstockung von 37 Stellen ein SPD-Innenminis ter praktisch die Wahlkampfforderung der CDU umsetzt, wie der auf den Stand zu Zeiten von Jörg Schönbohm zurückzu kommen, finde ich äußerst fragwürdig.

Der Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Inneres und Kommunales stimmen wir zu. Was die Personal aufstockung betrifft, so halten wir diese für entbehrlich. Sie haben doch bereits vollendete Tatsachen geschaffen - was sol len wir da noch groß debattieren? - Danke.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt CDU)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Schröter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Ab geordneten! Verehrte Gäste! Gestatten Sie mir bitte eine Vorbe

merkung. In der Bundesrepublik Deutschland sind sehr viel mehr Anschläge und Attentate - die viele Tote hätten bedeuten können - vereitelt als erfolgreich durchgeführt worden. Dass dies möglich war, verehrte Frau Nonnenmacher, verdanken wir Informationen, die uns Verfassungsschutzorgane übermittelt haben, und zwar nicht nur inländische, sondern auch ausländische.

(Beifall SPD und CDU)

Sie sind also unverzichtbar, um die Sicherheit unserer Bevöl kerung zu gewährleisten. Da wird uns kein Institut und auch keine Forschungseinrichtung helfen können.

Verehrte Frau Nonnenmacher, Herr Dr. Redmann, den Verfas sungsschutz, den Sie aus Ihren Aktenstudien von Mitte der 90erJahre bis Anfang 2000 kennengelernt haben, gibt es nicht mehr.

(Beifall SPD)

Er gehört längst der Vergangenheit an. Darauf werde ich in meinem kurzen Redebeitrag gleich noch zurückkommen.