Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie heu te Morgen herzlich zur 75. Sitzung des Landtages Branden burg. Ganz besonders herzlich begrüße ich als Gäste Schülerin nen und Schüler des Marie-Curie-Gymnasiums Dallgow-Dö beritz. Ihnen allen ein herzliches Willkommen bei uns im Ple narsaal!
Ich informiere Sie darüber, dass der Ausschuss für Haushalts kontrolle in seiner Sitzung am 21. März 2019 den Abgeordne ten Helmut Barthel zum Vorsitzenden und die Abgeordnete Laura Lazarus zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt hat. Auch Ihnen herzlichen Glückwunsch! Auf gute Zusammenar beit!
Des Weiteren informiere ich Sie, dass der Antrag „Ostbranden burg braucht das Stahlwerk - Industrieller Anker benötigt nach Konzernumbau Entwicklungsperspektiven“ auf Drucksa che 6/10963 sowie der Entschließungsantrag „Bürger entlas ten, Städte und Gemeinden unterstützen - Zukunft des kommu nalen Straßenausbaus sicherstellen“ auf Drucksache 6/10149 von den Antragstellern zurückgezogen wurden.
Meine Damen und Herren, gibt es Ihrerseits Bemerkungen zum Entwurf der Tagesordnung? - Da das nicht der Fall ist, lasse ich über den Entwurf der Tagesordnung abstimmen. Wer ihm folgt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstim men? - Enthaltungen? - Damit ist die Tagesordnung einstim mig beschlossen.
Thema: Weichenstellungen für Innovation und Gerechtigkeit - den wirtschaftlichen Aufschwung auch in Zukunft si chern!
Des Weiteren liegen Ihnen ein Entschließungsantrag der Frak tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/11138 sowie ein Entschließungsantrag der Fraktionen SPD und DIE LINKE auf Drucksache 6/11151 vor.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kol leginnen und Kollegen! Es gibt einen, wie ich finde, sehr er freulichen Anlass für die heutige Aktuelle Stunde: das Wachs
tum der Brandenburger Wirtschaft nicht nur in diesem Jahr, sondern in den letzten Jahren. Lassen Sie mich das mit einigen Fakten unterlegen:
Das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt stieg in den Jahren 2015 und 2016 jeweils um 1,2 % und 2017 und 2018 nochmals um 1,4 %. Diese 1,4 % sind ein Wachstumsbeitrag von über 1 Milliarde Euro im Vergleich zum Vorjahr. Damit wurden 2018 in Brandenburg Waren und Dienstleistungen im Gesamt umfang von 74 Milliarden Euro produziert bzw. erbracht. Wachstumstreiber - das ist besonders erfreulich - waren das produzierende Gewerbe mit 3,1 %, gefolgt von dem Bereich öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit - hier ma chen sich auch die Investitionen des Landes bemerkbar - sowie mit 2,3 % die Bereiche Handel, Verkehr und Gastgewerbe.
Betrachtet man einen längeren Entwicklungszeitraum - in der Regel wird die Finanzkrise 2008/09 als signifikanter Einschnitt in der wirtschaftlichen Entwicklung gesehen -, bleibt festzu halten, dass sich das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in Brandenburg seit 2008 um 14,4 % und damit um 1,2 Prozent punkte stärker entwickelt hat als der Länderdurchschnitt von 13,2 %. Unser Land hat also eine solide wirtschaftliche Ent wicklung aufzuweisen.
Die gute konjunkturelle Lage in Brandenburg wirkt sich auch positiv auf den Arbeitsmarkt aus: Die Zahl der sozialversiche rungspflichtigen Beschäftigten wächst ständig.
Die Arbeitslosenquote liegt seit 2009 deutlich unter dem Wert der ostdeutschen Bundesländer und Berlins: Im März lag sie bei 6,1 %, in den ostdeutschen Bundesländern inklusive Berlin betrug sie 6,7 %.
Auch die Reallöhne haben sich in Brandenburg positiv - durch schnittlich um 1,7 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum - und die Nominallöhne um 3,5 % entwickelt. Der Durch schnittslohn in Brandenburg beträgt 2 493 Euro.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Der Durchschnittslohn in Bran denburg liegt immer noch 20 bis 25 % unter dem Niveau der alten Bundesländer. Beispielsweise betrug er in Baden-Würt temberg 3 546 Euro. Dafür „dürfen“ die Beschäftigten im Os ten aber eine Stunde länger arbeiten. Hier gibt es also politisch noch viel zu tun. Mein Kollege Mike Bischoff wird darauf nä her eingehen.
Viele Unternehmen und auch das Handwerk sehen den Fach kräftemangel inzwischen als reale Gefahr für die eigene wirt schaftliche Entwicklung. Nur: Die daraus abgeleiteten Schluss folgerungen und Maßnahmen greifen noch nicht. Anders ist es - laut Berichterstattung in der Zeitung vor etwa 14 Tagen - nicht zu erklären, dass viele hochqualifizierte Fachkräfte, ins besondere Absolventen von Universitäten, Hoch- und Fach schulen, Brandenburg - die Region Ost - verlassen. Hier kann Politik nur bedingt gegensteuern - da sind die Arbeitgeber ge fragt: Lohn- und Entwicklungsperspektiven in den Unterneh men entscheiden also, ob ich einen Job in Brandenburg anneh me oder lieber nach Bayern oder Baden-Württemberg gehe.
Zum Schluss meiner statistischen Ausführungen noch eine An merkung zum Außenhandel: Die Brandenburger Wirtschaft
wächst. Getrieben wird das im Wesentlichen von der Binnen konjunktur. Vergleicht man die Exportquote mit anderen neuen Bundesländern, stellt man fest, dass wir hier Platz 5 - das sind 30,8 % des gesamten Umsatzes - besetzen; da ist also noch deutlich Luft nach oben.
Wir hatten gerade im Ausschuss für Wirtschaft und Energie ei ne Anhörung zum Außenwirtschaftskonzept der Landesregie rung, in der deutlich wurde, dass insbesondere kleine und mit telständische Unternehmen strategische Beratung und Hilfe brauchen, um Auslandsmärkte erfolgreich und langfristig zu erschließen. Deshalb haben wir diesen Punkt auch explizit in unseren Entschließungsantrag aufgenommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die eben dargestellten Fakto ren zeigen: Unser Brandenburg ist ein prosperierendes Land mit stabiler Wirtschaftskraft.
Dafür gilt - das muss man an dieser Stelle auch erwähnen - den Unternehmerinnen und Unternehmern sowie den Beschäftigten besonderer Dank.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Politik - nämlich die Poli tik der Regierungskoalition, die die richtigen Rahmenbedin gungen gesetzt hat - damit diese Entwicklung erst ermöglicht hat. Auch dafür geht unser Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beteiligten Ministerien, an die Wirtschaftsför derung Brandenburg und die Investitionsbank des Landes.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was heute gut und richtig ist, reicht morgen sicher nicht mehr aus, um im Wettbewerb ganz vorn zu liegen und zu bestehen. Das gilt insbesondere für die Wirtschaft. Gerade die letzten Monate und Wochen haben ge zeigt, dass es hier extreme Veränderungen - ich will nur einige Stichworte nennen - gibt: die Handelssanktionen der USA ge genüber der Europäischen Union, der Brexit, die Diskussion um Grenzwerte in der Automobilindustrie. Darauf müssen nicht nur Unternehmen, sondern muss auch die Wirtschaftspo litik reagieren. Für uns Brandenburger war und ist es der be schlossene Kohleausstieg, der verdeutlicht, welche strukturel len Auswirkungen ein politischer Paradigmenwechsel für eine ganze Region hat.
Wir haben das hier im Parlament ausführlich diskutiert. Mit unserem Entschließungsantrag wollen wir die Landesregierung bei der Lösung der anstehenden Aufgaben unterstützen und ihr politischen Rückenwind verleihen.
Dabei sind wir uns bewusst, dass wir neue Akzente in der Struktur-, Wirtschafts- und Förderpolitik brauchen, damit der Osten nicht dauerhaft dem Westen - ich meine insbesondere die wirtschaftlich starken Regionen dort - hinterherläuft und Deutschland insgesamt an Wettbewerbsfähigkeit verliert.
Die bestehenden Instrumente der regionalen Wirtschaftsförde rung - die RWKs für die territoriale und die Cluster für die sek torale Förderung - sind noch stärker als in der Vergangenheit auf innovative Produkte und Prozesse zu fokussieren. Dabei ist beispielsweise auch zu überlegen, ob in der RWK-Politik der Ansatz, einzelne Städte als RWKs zu definieren, noch zeitge
mäß ist oder wir nicht eher ganze Regionen als Regionale Wachstumszentren diskutieren sollten. Wir haben das ja mit dem Antrag zur Beschleunigung der Entwicklung der Flughafenumfeldregion gemeinsam hier beschlossen. Die gleiche Aufgabe haben wir auch beim Strukturwandel in der Lausitz.
Wichtig erscheint uns im Zusammenhang mit dem Thema In novation, dass die finanziellen und personellen Rahmenbedin gungen für die wirtschaftliche Verwertung von Patenten ver bessert werden müssen. Wir haben hier eine prosperierende Hochschullandschaft, in der viele neue Ideen entwickelt wer den, die aber zu langsam in die wirtschaftliche Verwertung kommen.
Wir brauchen eine aktive und strategisch ausgerichtete Industriepolitik, die die Wertschöpfungsketten zwischen Industrie und den kleinen und mittelständischen Innovationstreibenden weiter anregt, fördert und stabilisiert. Wir sprechen uns hier eindeutig dafür aus, dass Industriepolitik einer der wesentli chen Punkte Brandenburger Wirtschaftspolitik sein muss, und das auch in Zukunft.
Die Landesregierung hat eine Digitalisierungsstrategie vorge legt. Auftraggeber war das Parlament. Die Digitalisierung ist eines der wesentlichen Instrumente, um im wirtschaftlichen Wettbewerb der Regionen nicht nur in Europa, sondern welt weit erfolgreich zu sein. Deshalb unterstützen wir auch in Zu kunft alle Maßnahmen der Landesregierung, die darauf hinaus laufen, die Digitalisierung in der Breite in unsere Wirtschaft zu transportieren, insbesondere solche Ansätze wie das IMI, das Digitalwerk und das Mittelstand-Kompetenzzentrum in Cott bus.
Neu - und darüber sollten wir nachdenken - haben wir in unse ren Antrag aufgenommen, dass wir mit Blick auf das Thema Künstliche Intelligenz einen Forschungsverbund brauchen. Ich glaube, die finanziellen Mittel Brandenburgs oder Ostdeutsch lands reichen nicht aus, um hier im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu sein. Deshalb meinen wir, dass es hier einer kon zertierten Aktion zwischen den ostdeutschen Bundesländern und dem Bund bedarf, um in Ostdeutschland einen europäischen Forschungsverbund für Schlüsseltechnologien - wie künstliche Intelligenz und synthetische Kraftstoffe - einzurich ten.
Auf einen letzten Punkt möchte ich eingehen: Wir in Ost deutschland haben Erfahrungen mit der Organisation der Ener giewende, insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien. Wir wissen aber alle um die Volatilität dieser Energien. Des halb sind wir der Auffassung, dass der Osten Deutschlands - nicht nur Brandenburg - eine Region für die Wasserstofftech nologie werden muss, insbesondere unter dem Blickwinkel, dass die Wasserstofftechnologie ein wesentlicher Faktor für die Sektorkopplung und damit ein Baustein für das Gelingen der Energiewende ist.
Zum Schluss noch eine Anmerkung zum Thema Sicherung und Ausbau wirtschaftlicher Unternehmensstandorte: Wir haben in den letzten Monaten gesehen, dass es keine Selbstverständlich keit ist, dass Unternehmen in Ostdeutschland bleiben - ich den
ke dabei an Eisenhüttenstadt, aber auch an die Bahnwerke. Es ist also eine ständige Aufgabe, hier um bestehende Wirtschafts standorte zu kämpfen. Das setzt voraus, dass ich die entspre chenden Flächen zur Verfügung stelle und die Infrastruktur so organisiere, dass die Arbeitnehmer auch ihre Arbeitsbereiche erreichen. Insofern macht es mich etwas traurig - und ich er warte hier eine Reaktion der Landesregierung -, dass die Deut sche Bahn jetzt kurzfristig die Strecke Südkreuz-Ludwigsfelde komplett sperrt, womit im Monat Mai und darüber hinaus al lein in Teltow-Fläming zwei Standorte betroffen sind, es aber nur den lapidaren Hinweis gibt: Wir regeln das mit einem Schienenersatzverkehr per Bus. - Diese Strategie der Deut schen Bahn leistet keinen Beitrag für die Entwicklung Bran denburgs.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich meinen Vor trag mit der Bemerkung abschließen: Wenn es uns gelingt, die im Entschließungsantrag festgehaltenen Punkte in praktische Politik umzusetzen, kann am Ende der nächsten Legislaturperiode hier auch eine positive Bilanz der wirtschaftlichen Ent wicklung unseres Landes gezogen werden. - Danke schön.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Homeyer für die CDU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist tatsächlich so, dass wir nun im neunten Jahr in Folge wirt schaftlichen Erfolg haben - übrigens nicht nur in Brandenburg, sondern in ganz Deutschland. Wie es aber mit dem Erfolg so ist: Er treibt Fantasien an. Mittlerweile glaubt die Landesregie rung wirklich daran, mit ihrer Politik für die gute Konjunktur gesorgt zu haben.