Protocol of the Session on April 10, 2019

(Frau Lehmann [SPD]: Ja! - Lachen bei der CDU)

Eigentlich, meine Damen und Herren, ist es doch so: In guten Zeiten sollte man Vorsorge treffen. Gute Zeiten sollten genutzt werden, um die Weichen für die Zukunft zu stellen. Ich frage mich, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, meine lieben Kol leginnen und Kollegen der SPD, worauf Sie die letzten Jahre eigentlich gewartet haben.

(Beifall CDU)

Sie sind neun Jahre an der Regierung. Was ist eigentlich pas siert, dass Sie kurz vor Schluss dieser Legislaturperiode - außer den Wahlen - plötzlich über die Weichen für künftige und wirt schaftliche Innovationen reden wollen, so wie es in der Über schrift der Aktuellen Stunde steht? Wenn ich auf die letzten vier Jahre zurückblicke, finde ich keinen einzigen innovativen Vorschlag der SPD, um den wirtschaftlichen Aufschwung in Brandenburg auch in Zukunft zu sichern.

(Beifall CDU - Zuruf des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Beispiel: Die Digitalstrategie ist auf der Grundlage eines An trags der CDU-Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN entstanden - Sie erinnern sich. Die Flughafenum feldentwicklung - Kollege Barthel hat es gesagt - ist auch ein CDU-Antrag, für den wir zwei Jahre lang gemeinsam gekämpft haben, bis wir endlich einen gemeinsamen Landtagsbeschluss hatten. Seitdem liegt das Projekt anscheinend auf Eis, denn bis her hat die Landesregierung keine Strategie vorgelegt und kein einziges innovatives Projekt für die Region angeschoben.

Nächstes Beispiel: Freie WLAN-Hotspots, die Sie, meine Da men und Herren von der Landesregierung, nun schon seit Ta gen groß in der Presse feiern.

(Senftleben [CDU]: Jeden Einzelnen!)

- Jeden Einzelnen. - Geschickt gemacht. Grundlage war und ist ein Antrag der CDU aus dem Jahre 2015.

(Beifall CDU - Domres [DIE LINKE]: Davon bin ich aber nicht überzeugt!)

Auch beim Thema Mobilfunklöcher, meine Damen und Her ren, hat es fünf CDU-Anträge, zwei Aktuelle Stunden, zig Me dienberichte und zweieinhalb Jahre Zeit gebraucht, bis sich die Landesregierung auf die Lösungssuche begeben hat.

(Bischoff [SPD]: Wo war denn der Bund? - Gegenrufe von CDU und AfD - Allgemeine Unruhe - Zuruf des Ab geordneten Bischoff [SPD])

Unter dem Strich muss ich sagen - Kollege Bischoff, Sie haben doch gleich die Gelegenheit, mir das um die Ohren zu hauen -:

(Bischoff [SPD]: Ich freue mich schon darauf!)

Die Wirtschaft in Brandenburg boomt,

(Bischoff [SPD]: Aber?)

aber nicht dank Rot-Rot, sondern - Gott sei Dank - trotz der rot-roten Politik.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen das begründen: Das war in diesen letzten vier Jahren eine Politik der verpass ten Chancen.

Ich will Ihnen dazu die Beispiele nennen, meine Damen und Herren. „Spiegel Online“ hat vor wenigen Tagen eine Umfrage durchgeführt. Das Ergebnis: Die Brandenburger wünschen sich vor allem eine Stärkung der Infrastruktur im ländlichen Raum und eine bessere Anbindung an die Zentren.

Bei Rot-Rot, meine Damen und Herren, können die Bürger lange darauf warten. Statt die Infrastruktur zukunftsfest zu machen, hat die Landesregierung ihre Zeit mit einer analo gen Kreisgebietsreform aus dem letzten Jahrhundert verbal lert.

(Beifall CDU - Widerspruch bei der Fraktion DIE LIN KE)

Man könnte heulen, wenn man darüber nachdenkt, wie viel Res sourcen, wie viel Kraft und wie viel Geld verschenkt worden sind.

Digitalisierung - eine Riesenchance für die ländlichen Räume. Zwei Jahre hat die Landesregierung an der Digitalstrategie ge bastelt. Was kam dabei heraus? - Eine lange Auflistung von al len möglichen Förderprogrammen ohne Sinn und Zweck. Es gibt keine klare Vision, keinen Zeithorizont, keine Investitions schwerpunkte.

Mobilfunk: Jahrelang wurden die Funklöcher in Brandenburg als purer CDU-Populismus abgetan. Die Landesregierung war nicht bereit, sich um das Problem zu kümmern. Erst jetzt, am Ende der Legislaturperiode, kommt anscheinend Bewegung in die Sache. Wir dürfen gespannt sein.

Außenwirtschaftskonzept - Kollege Barthel hat es gesagt -: Zehn Jahre lang wurde das Konzept nicht angefasst - zehn Jah re! -, obwohl Brandenburg seit über einem Jahrzehnt bei der Exportquote bundesweit Schlusslicht ist. Jetzt kam die Fort schreibung. Was finden wir dort? - Kein einziges innovatives Förderinstrument, keine klare Ansiedlungsstrategie, keine Zu sammenarbeit mit Berlin; es gibt noch nicht einmal eine Web site, auf der sich unsere Unternehmen über die vorhandenen Förderprogramme informieren können.

Beispiel Landesentwicklungsplan: Knapper Wohnraum, teure Mieten, Verkehrsstaus, Wartelisten für die Kitaplätze. Seit drei Jahren ziehen mehr Menschen aus Berlin heraus als hinein. Diese Familien können eine Rettung für unsere Landkreise sein, die an Auszehrung leiden. Aber anstatt sich zu überlegen, wo wir das Bauland für junge Familien schaffen, die nach Brandenburg herausziehen bzw. in Brandenburg bleiben wol len, dekliniert die Landesregierung mit ihrem Landesentwick lungsplan Hauptstadtregion durch, was in Brandenburg alles nicht geht.

Innovationen: Meine Damen und Herren, im November des letz ten Jahres haben wir hier im Landtag - wieder einmal auf Initia tive der CDU - einen Beschluss zum Thema Sektorkopplung gefasst - Sie erinnern sich - mit dem Ziel, eine Pilotanlage zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen für die Luftfahrt in der Lausitz einzurichten. Im Februar gab die Bundesregierung den Startschuss für ihre Reallabore der Energiewende. Im Fokus der ersten Ausschreibung stand unter anderem der Bereich Sek torkopplung und Wasserstofftechnologie - wie bestellt für uns.

Nun lese ich in der letzten Woche in der „Welt“, in Brunsbüt tel - in Brunsbüttel! - soll jetzt die weltweit erste Fabrik für synthetisches Erdgas entstehen, gefördert im Rahmen der Re allabore der Bundesregierung, ein Pilotprojekt mit womöglich weltweiter Ausstrahlung. Ich frage Sie: Wo bleibt Brandenburg mit seinen Vorhaben?

Diese Liste der verpassten Chancen kann ich ewig fortsetzen. Nun wollen Sie, meine Damen und Herren von der Landesre gierung, Weichen für die Gerechtigkeit stellen. Hier hätte ich einige Hinweise für Sie:

Gerecht ist, wenn die Menschen auch in einem kleinen Dorf einen Internetanschluss haben, guten Handyempfang, wenn sie dort leben können, wo sie leben wollen,

(Beifall CDU und des Abgeordneten Vogel [B90/GRÜ NE])

und nicht gezwungen sind, aus strukturellen Gründen abzu wandern.

Gerecht ist, wenn die Menschen morgens pünktlich und eini germaßen ohne Stress zur Arbeit kommen und wieder zurück nach Hause. Gerecht ist es übrigens auch, meine Damen und Herren, wenn junge Leute ohne Uniabschluss Start-ups grün den können und genauso vom Staat unterstützt werden wie Hochschulabsolventen. Wir wollen ja, dass nicht der Bildungs abschluss über den Erfolg entscheidet, sondern die Qualität der Idee, die ein junger Mensch hat. Aber unseren Antrag haben Sie abgelehnt.

In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel gibt es ein solches Grün derstipendium für Innovationen - bereits in der Praxis umge setzt.

Meine Damen und Herren, 30 Jahre nach dem Mauerfall kön nen wir nicht mehr mit der Sondersituation in Ostdeutschland argumentieren. Estland war vor 30 Jahren noch eine Sowjetre publik und ist heute eine Vorzeigenation bei der Digitalisie rung. Was dort möglich ist - so meine ich - können wir auch. Es ist doch in Wirklichkeit alles nur eine Frage des Ehrgeizes und des Fleißes.

(Beifall CDU und des fraktionslosen Abgeordneten Hein)

Wir Brandenburger brauchen kein Mitleid, wir brauchen auch keine Quoten und keine Sonderregelungen. Wir können ruhig stolz auf das sein, was wir heute sind. Der Aufbau Ost ist und bleibt eine Erfolgsgeschichte.

Übrigens: Laut dem aktuellen Ranking der Kreise und Städte des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung liegen die Armenhäuser Deutschlands nicht mehr im Osten - wie nach der Wende -, sondern in Westdeutschland. Was wir in Branden burg allerdings brauchen, meine Damen und Herren, ist mehr Selbstbewusstsein, mehr Selbstbewusstsein, um auf Augenhö he mit den anderen Ländern zu reden, unsere Forderungen auf Bundesebene klar zu formulieren und uns erfolgreich um inno vative Pilotprojekte zu bewerben. Wir brauchen auch mehr Mut, meine Damen und Herren, Mut, neue Dinge auszuprobie ren, und den Mut, in manchen Dingen vielleicht auch zu schei tern.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Was wir aber vor allen Dingen brauchen, meine Damen und Herren, ist eine Landesregierung, die sich fokussiert und die konzentriert arbeitet. Mit dem ständigen Abwarten und mit lee ren Versprechungen kommen wir nicht weiter. Wer ständig den Mund spitzt, der muss auch einmal pfeifen.

Meine Damen und Herren, ich will schließen mit Voltaire: Das Bessere ist der Feind des Guten. - Darum geht es, meine Da men und Herren: sich anstrengen, sich konzentrieren und Bran denburg voranbringen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU - Ministerpräsident Dr. Woidke: Das ist ja mal ein guter Vorsatz!)

Vielen Dank. - Bevor ich den nächsten Redner an das Pult bit te, möchte ich noch eine Schulklasse aus Dallgow-Döberitz,

und zwar Schülerinnen und Schüler des Marie-Curie-Gymnasi ums, sowie weitere Gäste auf der Besuchertribüne herzlich be grüßen. Ihnen allen ein herzliches Willkommen hier bei uns im Plenarsaal.

(Allgemeiner Beifall)

Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Loehr für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Liebe Gäste! Nach dieser Wahlkampfrede nähern wir uns wieder ein bisschen mehr der Aktuellen Stunde und dem vor liegenden Antrag.

(Beifall DIE LINKE und CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, 30 Jahre nach dem Mauerfall und nach 10 Jahren Rot-Rot ist es gut, Zwischenbilanz zu ziehen. Mein Vorredner, Herr Barthel, hat es gesagt: Ja, die Wirtschaft in Brandenburg wächst. So viele Menschen wie noch nie haben einen Arbeitsplatz. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist in den ver gangenen acht Jahren um 100 000 gestiegen, und auch die Bruttolöhne und -gehälter sind kontinuierlich gestiegen, im vergangenen Jahr um 3,2 %.

Das ist natürlich nicht alles Rot-Rot geschuldet; so vermessen sind wir nicht. Gleichzeitig wäre es gut, wenn die Opposition anerkennen würde: Brandenburg steht mit Blick auf das Wirt schaftswachstum im bundesweiten Vergleich im Mittelfeld und im Osten an der Spitze.