Protocol of the Session on June 28, 2017

Deshalb antworte ich Ihnen mit Friedrich Nietzsche, der da schrieb:

„Nehmt eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Ge fühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist auch nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden.“

Wie wahr und wie passend! Wir werden heute und in den fol genden zwei Tagen auch Themen der Bildung behandeln, und Nietzsche mahnt uns eindringlich: Ohne ein sprachliches Fun dament ist jedwede Bildung auf Sand gebaut.

Genau deshalb sieht die AfD es als zwingend geboten an, so schnell wie möglich zu handeln. Nun wissen wir natürlich um die Verhältnisse im Deutschen Bundestag und um die Zwänge, denen die konservative Union derzeit unterliegt. Deshalb wol len wir mit diesem Antrag vorerst nur unsere Landesverfassung ergänzen. Dazu braucht es nicht viel - nur den Willen der Mit glieder dieses Hauses.

Liebe Kollegen, wenn es Ihnen absolut unmöglich ist, einem Antrag der AfD zuzustimmen - wie Sie ja soeben bewiesen ha ben -, dann hätten wir auch nichts dagegen, wenn in einigen Monaten ein ganz ähnlicher Gesetzentwurf von CDU, SPD oder von mir aus sogar von den Grünen kommt.

(Lüttmann [SPD]: Bestimmt nicht!)

Frau Kollegin von Halem, Sie haben uns ja beim letzten Mal unterstellt, dass die AfD …

Herr Abgeordneter, es gibt eine Zwischenfrage des Abgeordne ten Domres. Lassen Sie diese zu?

Dann halte ich die Redezeit an. - Herr Abgeordneter Domres, Sie haben das Wort.

Herr Königer, Sie haben eben kritisiert, dass wir Ihrem Antrag auf Überweisung und auf die 3. Lesung soeben nicht zuge stimmt haben. Würden Sie mir denn Recht geben, dass es äu ßerst problematisch ist, wenn Sie in der Ausschussberatung nichts sagen und keine Änderungsanträge einbringen, sodass sich der Sinn einer 3. Lesung eigentlich gar nicht erschließt?

Sehr geehrter Herr Kollege, das war ein anderer Tagesord nungspunkt, auf den Sie sich beziehen. Ich sehe mich jetzt

nicht in der Lage, Ihnen auf diese Frage eine Antwort zu ertei len - da könnten Sie mich genauso gut fragen, was ich morgen zum Frühstück esse.

(Beifall AfD - Vereinzelt Lachen bei der CDU)

Frau von Halem, Sie haben uns ja unterstellt, dass die AfD Fremd- und Lehnwörter aus dem Sprachgebrauch verbannen wolle. Das ist Unsinn; dem widerspreche ich.

Ich muss dazu ein wenig ausholen: Im vergangenen Jahr hatten wir die 31. Olympischen Spiele der Neuzeit. In der Antike wa ren diese ein Symbol für den Zusammenhalt der Griechen, selbst als die Einheit ihrer Sprache nicht mehr gegeben war. Damals standen die Griechen vor einer ganz ähnlichen Heraus forderung wie heute die deutschen Muttersprachler in Mittel europa - vor der Gefahr der sprachlichen Divergenz.

Dass sich Sprache entwickelt, ist eine Binsenweisheit, wie wir alle wissen. Aber sie entwickelt sich im Normalfall ganz oder zumindest größtenteils unabhängig von politischen Bestrebun gen. Die letzten Großversuche einer staatlichen Sprachsteue rung - wir erinnern uns mit Grausen - sind zeitlich deckungs gleich mit der braunen und mit der roten Diktatur auf deut schem Boden.

Die Sprachentwicklung kann je nach Einflussnahme zwei Richtungen einschlagen - die der Konvergenz, also der Verein heitlichung und Standardisierung, oder die der Divergenz, also der Aufspaltung. Der deutsche Kulturraum und auch Branden burg befinden sich heute sprachlich gesehen in einem ver gleichbaren Zustand wie das klassische Griechenland. Der Zu sammenhang der deutschen Sprachgemeinschaft leidet in Zei ten der Globalisierung, der Europäisierung und der Regionali sierung. Dass die deutsche Bildungspolitik das begünstigt, ha ben wir erst vorhin thematisiert; es wird auch in der morgigen Aktuellen Stunde ein Thema sein.

Hier zeigt sich unserer Ansicht nach das größte Versagen der CDU, die multikulti-benebelt von sprachlicher und kultureller Vielfalt fabuliert, mit der sich die schulische Bildung auseinan derzusetzen habe. Sie meint damit leider den 68er-Bildungsan satz aus dem Dreigestirn Inklusion, Leistungsfeindlichkeit und Wissensabwesenheit. Also bitte, liebe Kollegen von der Union, wo ist denn Ihr konservatives Herzblut? Wurde das alles ausge saugt von der im Bundeskanzleramt beheimateten Kanzlerin oder ist da noch irgendetwas bei Ihnen vorhanden?

(Kurth [SPD]: Wo soll denn eine Bundeskanzlerin sonst beheimatet sein?)

In Deutschland kann sich der Wille zur Konvergenz scheinbar nicht mehr durchsetzen. In der Schweiz bereichert die Mundart die Standardsprache nicht, sondern verdrängt sie mittlerweile. Dort ist es heute modern, ausschließlich Mundart zu sprechen, und man erlebt kaum noch eine Hörfunk- oder Fernsehsen dung, in der Standarddeutsch gesprochen wird. Im Nachbar land Österreich gibt es ganz ähnliche Entwicklungen.

(Zuruf des Abgeordneten Jungclaus [B90/GRÜNE])

Die Leistung Konrad Dudens war ähnlich wie die Bibelüber setzung Luthers ein Meilenstein auf dem Weg zur sprachlichen Konvergenz. Wenn aber Selbst- und Sprachbewusstsein fehlen

und es an der Wertschätzung der eigenen Kultur mangelt, ja wenn die eigene Leitkultur von SPD-Politikern wie der Integ rationsbeauftragten Aydan Özoğuz gar als „nicht existent“ be zeichnet wird, dann wird sich das auch schlecht auf unsere Sprache auswirken.

Dass bei den alten Griechen trotz der sprachlichen Aufspaltung immer ein gesamtgriechisches Bewusstsein erhalten blieb, da zu trugen die Olympischen Spiele bei, aber auch heilige Stätten wie Delphi oder das gemeinsame Zusammenstehen gegen die Perser. Weil dieser Einheitsgedanke niemals erloschen ist, konnte später auch die Sprache wieder zur Einheit finden. Im Hellenismus entstand eine gemeinsame Sprache, die zur Welt sprache und zur Sprache des Neuen Testaments geworden ist. Für die deutsche Sprache besteht also Hoffnung, wenn die Deutschen, wenn wir Brandenburger uns einig sind. Ich freue mich auf die Diskussion mit Ihnen.

(Beifall AfD)

Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Dr. Schöneburg für die Fraktionen SPD und DIE LINKE.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Präsidentin! Gestatten Sie mir drei relativ kurze Anmerkungen.

Erstens: Ich war schon verwundert, als ich Ihren Antrag gele sen habe, denn wir haben das gleiche Thema und einen inhalt lich gleichen Antrag hier im Parlament erst vor drei Monaten debattiert.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE - Zuruf des Abgeordneten Königer [AfD])

Dass gerade die selbst ernannten Kritiker des Parlamentaris mus diesen Antrag nun in verdeckt neuer Form und begründet mit einer gedrechselten Rede - beim letzten Mal gar begründet mit einer Büttenrede - erneut einbringen, verwundert mich schon stark.

(Beifall DIE LINKE)

Bei nur drei Monaten Verfallsdatum kann man nicht einmal mehr die Begründung bringen, dass es alter Wein in neuen Schläuchen sei. Mit so einer parlamentarischen Arbeit desa vouieren Sie sich selbst, und da kann ich Ihnen nur entgegenru fen: Nur weiter so!

Zweite Anmerkung: Ich werde Ihnen nicht den Gefallen tun, die Erwiderungen bzw. Begründungen, die wir damals in den verschiedenen Redebeiträgen vorgetragen haben, um Ihren An trag abzulehnen, noch einmal vorzutragen. Diese können Sie in den Parlamentsprotokollen nachlesen, aber offensichtlich fol gen Sie ja der Devise: „Lesen irritiert nur!“

(Vereinzelt Lachen bei der Fraktion DIE LINKE)

Für den von Ihnen vorgeschlagenen verfassungsändernden An trag gibt es keine Notwendigkeit. Die deutsche Sprache ist nicht in Gefahr. Es gibt keine Regelungsnotwendigkeit und es

ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Wir sollten die Landes verfassung im 25. Jahr ihres Bestehens nicht - wie es schon Gustav Radbruch angemahnt hat - zum Zeuglappen machen, den die Parteijuristen hin- und herzerren, um ihre persönlichen oder parteipolitischen Interessen zu bedienen.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Ihr Antrag ist reine Symbolik. Wenn er durchkommt, bringt er rechtlich gar nichts; er verwässert eher unsere Verfassung.

Dritte Anmerkung: Sie haben schon einen interessanten Zu sammenhang zur Leitkulturdebatte hergestellt. Zu dem, was Sie hier schon heute Vormittag zu deutscher Identität vorge bracht haben, will ich Ihnen entgegnen, worin für mich die deutsche Leitkultur besteht. Für mich besteht sie - wenn es sie überhaupt als solche gibt - in Artikel 1 Grundgesetz, ergänzt durch Artikel 7 unserer Landesverfassung: Die Würde des Menschen ist unantastbar. - Die Landesverfassung ergänzt: Je der schuldet jedem die Anerkennung seiner Würde.

Das war übrigens der Gegenentwurf zur Verfassungsurkunde des Dritten Reiches, um mit Ernst Fraenkel und seinem „Dop pelstaat“ zu sprechen. Das war die Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933, mit der die Exekutive in den Stand ge setzt wurde, Grundrechte außer Vollzug zu setzen und zur Dis position zu stellen, womit Einweisungen in Lager legitimiert und legalisiert worden waren.

(Zuruf von der AfD: Was soll das denn jetzt?)

Begleitet wurde diese Art von Machtergreifung und Machtsta bilisierung durch den Satz, den Ausruf „Deutschland den Deut schen!“

Wie wir wissen, wurde der Chat-Verkehr der sachsen-anhalti nischen AfD öffentlich gemacht. Auch da wurde wieder „Deutschland den Deutschen!“ gerufen. Wenn von „Deutsch land den Deutschen“ oder - um andere Äußerungen zu neh men - von „schwarzafrikanischen Bereicherern“oder von der „kulturellen und seelischen Kastration des deutschen Volkes“ die Rede ist, ist das meiner Meinung nach eine Sprache, die den Verfassungsgrundsatz in Artikel 1 Grundgesetz und den Zusatz in Artikel 7 der Landesverfassung unterläuft.

Für die deutsche Sprache besteht keine Gefahr; vielmehr geht von Ihnen, von denjenigen, die solche Sätze gebrauchen, eine Gefahr für die soziale Demokratie in Deutschland aus. - Dan ke.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Es ist eine Kurzintervention angezeigt worden. Herr Abgeord neter Kalbitz, bitte.

Frau Präsidentin! Ich verwahre mich gegen die Aussage, wir wären selbst ernannte Kritiker des Parlamentarismus. Das sind wir nämlich nicht. Sie unterstellen uns damit antidemokrati sche Tendenzen. Das ist falsch. Das entstammt nämlich Ihrer Pippi-Langstrumpf-Mentalität nach dem Motto: Ich mach mir

meine Welt, wie sie mir gefällt. - Genau das Gegenteil ist der Fall: Wir hören uns Ihren Käse die ganze Zeit an.

Das zeigt sich auch in den Debatten. Am Anfang hieß es im mer, man wünsche sich, dass sich auch durch die AfD die De batten wieder beleben. Das ist jetzt der Fall, aber auch das ge fällt Ihnen nicht. Jetzt müssen Sie sich plötzlich inhaltlich aus einandersetzen. Wir sind der Defibrillator der Demokratie.

(Lachen und Zurufe von der SPD, der Fraktion DIE LIN KE und von B90/GRÜNE)