Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ver ehrte Frau Nonnemacher, ich gestehe, ich habe auch nicht alles im Vortrag von Herrn Jung verstanden. Aber eines ist mir auf gefallen: Herr Jung, Sie haben eine vierte Klasse von Betroffe nen vergessen - bedauerlicherweise ist das die größte Klasse, nämlich diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die korrekt veran lagt worden sind bzw. wo die Verbände und Aufgabenträger überhaupt alles über Gebühren gemacht haben. Deshalb ken nen viele Teile des Landes dieses Problem nicht. Ich wiederho le mich, wenn ich sage: Wir reden über eine pflichtige kommu nale Selbstverwaltungsaufgabe, die an der einen Stelle ge lingt - manchmal sogar ganz hervorragend -, an der anderen Stelle aber gelingt sie vielleicht nicht so gut.
Eine rechtliche Pflicht zur Rückerstattung von Beiträgen be steht nur - auch da wiederhole ich mich -, wenn die Beitragsbe scheide noch nicht bestandskräftig geworden sind. Die kom munalen Aufgabenträger entscheiden selbst, ob sie auch be standskräftige Beitragsbescheide aufheben und die erhaltenen Beiträge zurückerstatten. Wegen der kommunalen Selbstver waltung kann die Landesregierung den Aufgabenträgern schon aus rechtlichen Gründen keine verbindlichen Vorgaben zur An erkennung von Staatshaftungsansprüchen machen.
Unabhängig davon ist die Haftungsfrage des Landes noch nicht abschließend gerichtlich geklärt. Auch beim Thema Beginn der Festsetzungsverjährung verbietet sich eine pauschale Betrach tung; entscheidend ist immer der konkrete Einzelfall. Ein Hin weis an die kommunalen Aufgabenträger reicht nicht aus. Auch hier steht eine abschließende gerichtliche Klärung noch aus.
Meine Damen und Herren! Was das geforderte Finanzierungs konzept angeht, möchte ich an dieser Stelle noch auf Folgen des hinweisen: Sie, die Landtagsabgeordneten, haben die Lan desregierung, konkret das MIK, aufgefordert, die Vorausset zungen dafür zu schaffen, dass die Mittel aus dem angekündig ten Hilfsprogramm „Abwasser“ beantragt und nach entspre chender Prüfung auch abgerufen werden können.
Heute ist im Amtsblatt die entsprechende Veröffentlichung von zwei Richtlinien zur Bedarfszuwendung und zur Verwaltungs kostenerstattung erfolgt. Sie treten am 30. Juni - also übermor
gen - in Kraft. Entsprechende Geschäftsbesorgungsverträge mit der ILB sind bereits unterzeichnet worden. Das Hilfspro gramm „Wasser“ kann am Freitag starten. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Wir haben es vom Minister gehört: Weil das Hilfsprogramm startet, ist jetzt quasi alles in Ordnung, oder? Nein, über 100 000 Haus halte warten immer noch auf die Rückzahlung! Es ist über haupt nichts in Ordnung.
Wenn mir hier vorgehalten wird, dass ich verdeckte Kritik am OVG geübt hätte, dann muss ich dazu sagen: Ich habe nicht verdeckte, sondern direkte und ganz offene Kritik am OVG ge übt. Der Unterschied ist der, dass die Entscheidungen des Bun desverfassungsgerichts alle Gerichte und Behörden binden. Das ist der entscheidende Unterschied zu den Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts, welche - so das Bundesverfas sungsgericht - korrigiert werden können. Eine Bundesverfas sungsgerichtsentscheidung kann jedoch nicht vom Innenminis ter korrigiert werden.
Genau das ist der große Unterschied, weil Sie nämlich nicht bereit sind, die Bindungswirkung der Entscheidung des Bun desverfassungsgerichts nach § 31 Bundesverfassungsgerichts gesetz zu akzeptieren. Das ist der große rechtsstaatliche Unter schied, der zwischen uns besteht. Wir reden hier über einen er heblichen Unterschied.
Herr Vida, Sie haben bei uns in Fürstenwalde eine Einladung verschickt oder verschicken bzw. austeilen lassen - in meiner Region sogar flächendeckend -, obwohl in dieser Region nie mand davon betroffen ist. Sie verunsichern die Bürger. Diese haben nun ein Schreiben in der Hand, wo Sie sie einladen und beraten sowie eine Rechtsauskunft geben wollen, aber das sind Menschen, die überhaupt nicht in die Problematik involviert sind. Ist das bei Ihnen Klarheit und Wahrheit?
Frau Abgeordnete, selbstverständlich sind in den ländlichen Ortsteilen im Verbandsgebiet Bürger betroffen. Deswegen wurde in Abstimmung mit der lokalen Wählergruppe „Bündnis Fürstenwalder Zukunft“, die über die nötige Kompetenz zur Beurteilung dessen verfügt, in welchen Ortsteilen Leute in welchen unterschiedlichen Fallgruppen betroffen sind, die Ein ladung verteilt. Das erstreckt sich auch auf andere betroffene Kommunen wie beispielsweise Storkow; auch dort sind Einla dungen verteilt worden.
Wenn das dazu führt, dass bestimmte Bürger daran kein Inter esse haben, dann ist ihnen das zuzubilligen. Selbstverständlich haben wir auch dort betroffene Fallgruppen - wie Altanschlie ßer, Neuanschließer, Fallgruppe 3 nach 2000 -, die eine politi sche Beratung bekommen. Die anschließende juristische Bera tung übernehmen Anwälte. Genauso, wie Sie Bürgerversamm lungen abhalten, dürfen wir das auch tun.
Meine Damen und Herren, das Darlehensprogramm der Lan desregierung ist auch deswegen besorgniserregend, weil unklar ist, ob es helfen wird. Denn viele Verbände werden keine Kre ditgenehmigung bekommen. Die Kommunalaufsichten sind bei der Gewährung der Kredite sehr stringent und restriktiv. Deswegen sehen wir mit Sorge, ob die Verbände überhaupt da von profitieren.
Wir haben auch heute wieder gehört, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts überraschend gekommen sei. Hierzu möchte ich einen Beschluss des Bundesverfassungsge richts aus dem Januar 2017 zitieren. Am 16. Januar 2017 teilte das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss mit, dass die Entscheidungen nicht als überraschend gewertet werden kön nen und dass sich die Verbände über die Verfassungswidrigkeit ihres Handelns im Klaren sein mussten. Das Bundesverfas sungsgericht sagte im Januar 2017:
„Allerdings kann […] nicht ohne Weiteres darauf abge stellt werden, die Verfassungswidrigkeit der jahrelang ge übten Verwaltungspraxis sei angesichts der früheren ge festigten Rechtsprechung für den Zweckverband nicht erkennbar und der Beschluss […] daher überraschend gewesen. Da selbst für den Bürger eine ständige Recht sprechung nur bei Hinzutreten weiterer Umstände einen Vertrauenstatbestand begründen kann […], muss dies erst recht für eine Behörde gelten, die gemäß Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet ist, das eigene Han deln auf seine Grundrechtskonformität hin zu jeder Zeit kritisch zu prüfen und auch vermeintlich sichere Über zeugungen zur Disposition zu stellen […].“
Das Bundesverfassungsgericht macht deutlich, dass das verfas sungswidrige Handeln der Verbände von den Verbänden selbst - zumindest von den teuren Anwaltskanzleien, die sie be raten haben - hätte erkannt werden müssen. Das ist übrigens der Grund dafür, warum auch nur eine Kammer entschieden hat. Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz sieht vor, dass eine Kammer nur dann mit Beschluss entscheiden darf, wenn die zu klärende Rechtsfrage bereits ausgeurteilt ist. Wenn die Rechts frage unklar gewesen wäre, dann hätte ein Senat mit Urteil ent scheiden müssen. Die Kammer durfte nur deswegen per Be schluss entscheiden, weil die ständige Rechtsprechung zum Vertrauensschutz klar war.
Das heißt, das Bundesverfassungsgericht macht ganz deutlich: Die Entscheidung war nicht überraschend. Die Verbände hätten
es erkennen können und müssen. Genau deswegen haben die Staatshaftungsklagen, die jetzt kommen, auch erhebliche Aus sicht auf Erfolg. Das heißt, wenn Sie jetzt trotz der Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht mittlerweile mitgeteilt hat, dass die Verbände nicht überrascht waren und nicht überrascht sein konnten, weitere Klagen erzwingen, dann erzeugen Sie unnötig Gerichts- und Anwaltskosten in weiterer zweistelliger Millionenhöhe.
Vielen Dank. - Ich schließe die Aussprache und rufe den Antrag der Gruppe BVB/FREIE WÄHLER auf Drucksa che 6/6803 „Alle Alt- und Neuanschließer gerecht behandeln: Keine weitere Verschleppung der Rückzahlungen“ zur Abstim mung auf. Wer möchte diesem Antrag zustimmen? - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen ist dieser Antrag mehrheitlich abge lehnt.
Gesetz zur Regelung der Amtszeiten der Landrätin nen und Landräte vor den allgemeinen Kommunal wahlen im Jahr 2019 (Amtszeitenregelungsgesetz - AmtszeitenRG)
Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Die Landesregierung hat am heutigen Vormittag die Entwürfe für ein Funktionalreform gesetz sowie für ein Gesetz zur Neugliederung der Landkreise und kreisfreien Städte in die parlamentarische Debatte einge bracht.
Im Zuge der nun anstehenden Kreisneugliederung ist eine Viel zahl von Detailfragen zu klären. Eine dieser Detailfragen, näm lich die Frage, wie mit denjenigen Landräten umzugehen ist,
deren Amtszeit kurz vor Wirksamwerden der anstehenden Re formen endet, haben wir im Plenum bereits am 17. Mai dieses Jahres anlässlich der 1. Lesung des Amtszeitenregelungsgeset zes diskutiert. Am Ende der damaligen Debatte ist der von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Gesetzentwurf an den Aus schuss für Inneres und Kommunales überwiesen worden.
Der unmittelbare Bedarf für eine gesetzliche Regelung hatte sich ergeben, weil unter Einhaltung aller Fristen bereits fünf bis sechs Monate vor dem Ausscheiden eines Amtsinhabers das Verfahren zur Neubesetzung beginnen muss. Dieser dringliche Handlungsbedarf ist nicht nur von uns gesehen, sondern in der Anhörung auch von allen Experten bestätigt worden.
Denkbar wäre natürlich, in den betroffenen Fällen eine regulä re Neuwahl einer Landrätin bzw. eines Landrats durchzufüh ren. Deren bzw. dessen Amtszeit würde als Beamtenverhältnis auf Zeit dann jedoch regulär acht Jahre betragen und natürlich auch dann fortgelten, wenn der Landkreis im Zuge der Reform fusioniert würde.
Mit Blick auf die daraus resultierenden, keinesfalls unerhebli chen finanziellen Verpflichtungen ist es jedoch sinnvoller, die Anzahl der übertretenden Landrätinnen und Landräte mög lichst gering zu halten. Die Koalitionsfraktionen haben daher vorgeschlagen, die Amtszeit derjenigen Landrätinnen und Landräte, deren Amtszeit regulär vor den allgemeinen Kom munalwahlen im Jahre 2019 enden würde, mit deren Zustim mung gesetzlich zu verlängern, und zwar bis zum Ablauf des Tages vor den Kommunalwahlen.
Sollte die Amtsinhaberin bzw. der Amtsinhaber der Dienstzeit verlängerung nicht zustimmen, könnte der Kreistag eine neue Landrätin bzw. einen neuen Landrat für eine verkürzte Amts zeit bis zum Ablauf des Tages vor den allgemeinen Kommu nalwahlen wählen. Alternativ könnte der Kreistag auch ent scheiden, dass die demokratisch legitimierte Stellvertretung des Landrats die Funktion für die Übergangszeit übernimmt.
Nach der Überweisung vom 17. Mai dieses Jahres hat sich der Ausschuss für Inneres und Kommunales am 8. Juni im Rah men einer Anhörung vertiefend mit dem vorliegenden Gesetz entwurf befasst. Die Anhörung hat ergeben, dass alle - ich be tone es noch einmal: alle - Anzuhörenden der Überzeugung sind, dass das vorliegende Gesetz ein geeigneter und angemes sener Weg ist, das skizzierte Problem zu lösen.
Im Rahmen der Anhörung wurde darüber hinaus von den Ex perten auf zwei wichtige Punkte hingewiesen, die nach der Be ratung im Ausschuss für Inneres und Kommunales Eingang in den geänderten Gesetzentwurf gefunden haben:
Erstens wurde empfohlen, im Gesetzestext einen klareren Be zug zur Kreisgebietsreform als Ausgangspunkt für die Rege lung der Amtszeiten herzustellen. Dieser Empfehlung folgt die Neufassung des § 1.
Zweitens hat der Landkreistag im Rahmen der Anhörung dar auf hingewiesen, dass eine Kreisneugliederung ein besonderer Ausnahmefall sei, der auch besondere Maßnahmen rechtferti ge. Daher regte der Landkreistag an, dass der Eintritt der Rechtsfolge von § 122 Abs. 3 des Landesbeamtengesetzes nicht an das Vorliegen der üblichen sonstigen Voraussetzungen gebunden werden sollte. Diese Meinung ist von weiteren Ex
perten unterstützt worden; ihr ist auch der Innenausschuss ge folgt. Er hat die Änderungen von § 2 und § 3 vorgeschlagen, wie sie Ihnen jetzt vorliegen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz auf den Entschließungsantrag der CDU eingehen. Weder das Thema noch die Argumente sind neu. Das alles haben wir vom Kolle gen Petke anlässlich der Anhörung zum Amtszeitenregelungs gesetz im Ausschuss für Inneres und Kommunales schon ein mal gehört. Auch die Vor- und Nachteile, die Erfolgsaussichten und Zeiträume von Landratsdirektwahlen sind von den anwe senden Experten kurz beleuchtet worden. Sie sind unterschied lich bewertet worden; das war auch zu erwarten. Einigkeit herrschte in zwei Punkten. Erstens: Es handelt sich um eine schwierige Materie. Zweitens: Diese Frage betrifft den hier und heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf zur Amts zeitenregelung nicht.