Protocol of the Session on November 10, 2016

Das empfinde ich schon als eine gewisse Missachtung, wenn Sie die Dinge so abtun: Sie loben die Polizei, und ansonsten ist alles in Ordnung.

(Beifall CDU und AfD)

Das hat nichts mit einer sach- und fachgerechten Beantwortung der Fragen der Opposition zu tun. Deswegen versuche ich es einfach noch einmal und bitte Sie schon im Vorfeld um eine etwas ausgiebigere Beantwortung meiner Frage. Ich hoffe, dass das auch für die anderen Fragen zutreffen wird.

Der Ministerpräsident hat mit seinen Äußerungen in letzter Zeit immer wieder auf Änderungen, was das Leitbild angeht, hingewiesen, und ist mit Vorschlägen vorangegangen. Das lässt darauf schließen, dass er mit seinem Leitbild unzufrieden ist. Deshalb an der Stelle meine Frage, ob die Landesregierung die vorgeschlagenen zu übertragenden Aufgaben für unvollständig oder sogar für unzureichend hält.

Herr Abgeordneter Genilke, es wird jetzt Punkt für Punkt geprüft. Ich wünsche mir vom Parlament ein bisschen mehr Souveränität und Selbstbewusstsein. Sie müssen letztendlich entscheiden, welche Aufgaben übertragen werden. Dazu wird Ihnen die Landesregierung einen umfassenden Vorschlag unterbreiten - nicht mehr und nicht weniger. Der Prüfauftrag bezüglich der Übertragung der LEADER-Mittel ab 2021 ist eine Anregung der kommunalen Ebene. Das prüfen wir. Und letztendlich entscheidet das Parlament; so ist es nun einmal.

(Zuruf von der CDU: Das ist ja ein Schauspiel hier! Un- glaublich!)

Die letzte Nachfrage stellt Kollege Dr. Redmann.

Es ist ja letztlich die Entscheidung der Landesregierung, durch wen sie sich bei Fragen am Pult vertreten lässt. Letztendlich ist es auch eine Visitenkarte, die sich die Landesregierung bei der Beantwortung von parlamentarischen Anfragen ausstellt.

(Beifall CDU und der Abgeordneten Bessin [AfD])

Insofern steht es mir nicht zu, dies zu kommentieren. Das ist etwas, was auf Ihr Konto geht.

Ich werde mich mit meinen Fragen trotzdem nicht zurückhalten, auch wenn ich die Vermutung habe, dass Sie meine Frage ähnlich abtun werden wie die vorangegangenen.

Ich komme auf die Funktionalreform, um die es in der Ausgangsfrage ging, zurück. Die Funktionalreform war Ende Oktober ausführlicher Beratungsgegenstand auf einer Konferenz in Speyer, auf der ursprünglich auch das Land Brandenburg einen Vortrag angekündigt hatte. Das Land Brandenburg war dann nicht vertreten. Ich frage die Landesregierung, ob ihr bekannt ist, dass sich die Experten im Rahmen der Konferenz auch mit der brandenburgischen Funktionalreform sehr kritisch auseinandergesetzt haben und insbesondere auch die Experten, die wie Prof. Bogumil ursprünglich an der Enquetekommission beteiligt waren, kein gutes Haar an den Vorschlägen, die hier auf dem Tisch liegen, ließen.

(Frau Fischer [SPD]: Was hat denn das mit der ursprüng- lichen Frage zu tun?)

Herr Abgeordneter, Funktionalreformen werden immer umfassend und kritisch diskutiert - übrigens auch Funktionalreformen unter Federführung von CDU-Häusern. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD und des Abgeordneten Christoffers [DIE LINKE])

Vielen Dank. - Anstelle der Frage 677 folgt die Frage 682 (Bürgerbündnis Rathenow) , gestellt von der Abgeordneten Johlige.

Herr Vizepräsident, ich freue mich sehr, dass noch eine Frage drankommt, die vorher eingereicht wurde.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Und ich verspreche: Wenn ich Nachfragen habe, werden sie etwas mit der Ausgangsfrage zu tun haben.

(Genilke [CDU]: Ja, und vor allen Dingen vielleicht auch die Antworten!)

Am 26.10.2016 zeigte ein Akteur des flüchtlingsfeindlichen „Bürgerbündnis Rathenow“ eine Beleidigung und die Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte an. Unmittelbar im Anschluss an die Anzeige verschafften sich Polizeibeamte ohne Durchsuchungsbeschluss über die im Haus befindliche Gaststätte Zugang zu den Räumen des Kulturzentrums in Rathenow und beschlagnahmten mindestens eine Begleitbroschüre zu einer Ausstellung der Rathenower Künstlervereinigung „Freunde der toten Kinder“. Das Betreten der Räume des Kulturzentrums wurde der Geschäftsführerin weder angezeigt, noch wurde ihr die Möglichkeit eingeräumt, bei der Durchsuchung anwesend zu sein.

Ich frage die Landesregierung: Auf welcher Rechtsgrundlage bzw. mit welcher Begründung wurden die Gegenstände bei der durchgeführten Durchsuchung ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss beschlagnahmt?

Danke. Es antwortet Minister Schröter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Kollegin Johlige, aus Sicht der Polizei stellt sich der Sachverhalt - ich nenne jetzt auch Uhrzeiten, um das Ganze vielleicht etwas verständlicher zu machen - wie folgt dar: Am 26. Oktober 2016, exakt um 17.39 Uhr, teilte der spätere Anzeigenerstatter über den Notruf 110 mit, dass er sich durch das Verbreiten und Zurschaustellen seines Abbildes auf Plakaten und Broschüren im Rahmen einer Ausstellung im Foyer des Kulturzentrums Rathenow in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt fühlt. Um 18.06 Uhr traf die Polizei vor Ort ein. Zu diesem Zeitpunkt war

die Ausstellung bereits beendet und die Räumlichkeiten waren verschlossen. Daraufhin meldete sich die Polizei durch Klopfen, und ihr wurde vom Personal des im Kulturzentrum befindlichen Cafés über eine Durchgangstür freiwillig Zugang zu den Räumlichkeiten der Ausstellung der „Freunde der toten Kinder“ gewährt.

Zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt, Frau Johlige, durften die Beamten davon ausgehen, dass ihnen der Zutritt durch einen Hausrechtsinhaber oder eine von diesem berechtigte Person ermöglicht wurde. Sie sind somit von einer sogenannten Freiwilligkeitslösung ausgegangen. Einer gesetzlichen Eingriffsbefugnisnorm - das ist der entsprechende Terminus technicus - bedurfte das Betreten der Ausstellungsräume unter diesen Voraussetzungen also nicht.

Im Bereich der Ausstellung waren unter anderem Broschüren ausgelegt, in welchen in der Tat das Portrait des Anzeigenerstatters abgebildet war. Diese Broschüren lagen dort zur unentgeltlichen Mitnahme für jedermann aus. Die Beamten nahmen zum Zwecke der Beweissicherung ein Exemplar mit.

Im Ergebnis handelte es sich damit um einen Fall freiwilliger Herausgabe und damit um eine Sicherstellung nach § 94 StPO; einer förmlichen Beschlagnahme bedurfte es somit nicht.

Inwiefern sich der Anfangsverdacht der Beleidigung erhärtet und ob auch andere Straftatbestände, zum Beispiel Verletzungen des Kunsturhebergesetzes oder des Persönlichkeitsrechts, erfüllt sein könnten, ist derzeit Gegenstand von Ermittlungen.

Es gibt eine Nachfrage.

Drei Nachfragen darf ich stellen, oder?

Ja, natürlich.

Als Erstes interessiert mich, warum die Geschäftsführerin des Kulturzentrums Rathenow unter diesen Umständen nicht informiert wurde. Denn dort gibt es ja eine räumliche Trennung zwischen Gaststätte und Kulturzentrum. Die Räume des Kulturzentrums - nicht die der Gaststätte -, über die Zugang erlangt wurde, wurden faktisch durchsucht. Daher sollte man die Frage beantworten, warum die Geschäftsführerin des Kulturzentrums nicht informiert wurde.

Zweitens: Bei der Beschlagnahmung der Broschüre war anscheinend auch der Anzeigende dabei. Danach waren jegliche Broschüren verschwunden. Wenn die Polizei nur eine genommen hat, ist davon auszugehen, dass möglicherweise die übrigen anwesenden Personen die Broschüren mitgenommen haben. Welche Erkenntnisse liegen dazu vor?

Drittens: Es ist nicht das erste Mal, dass in Rathenow eine Beschlagnahmung stattgefunden hat. Es gab schon vor einiger

Zeit die Beschlagnahmung eines Transparents derselben Künstlervereinigung, wobei es um dieselbe Person ging. Schon damals haben wir uns die Frage stellen müssen, wie es eigentlich mit der Freiheit der Kunst aussieht.

(Unmut bei der AfD - Zuruf des Abgeordneten Petke [CDU] - Zuruf von der AfD - Unmut bei der Fraktion DIE LINKE)

Es würde mich interessieren, wie aus Ihrer Sicht die Freiheit der Kunst gesichert wird, die ja im Grundgesetz verankert ist.

Bitte, Herr Minister.

Frau Johlige, wären die Beamten wenige Minuten vorher am Ort des Ereignisses gewesen, hätten sie wie jedermann dort eintreten und eine solche dort ausliegende Broschüre mitnehmen können. Das Ganze wäre überhaupt kein Grund zur Aufregung geworden.

(Beifall CDU und AfD)

Nun konnten die eingetroffenen Kollegen aber nicht feststellen, wer für welchen Bereich zuständig ist und ob, wenn man durch einen anderen Raum oder eine andere Tür zum Ausstellungsraum gelangt, ein anderer Zuständigkeitsbereich, eine andere Verantwortung betroffen ist. Vermutlich ist wegen dieser Unkenntnis keine Information an die Geschäftsführerin erfolgt, weil die Kollegen glaubten, dass es sich um eine Einheit in einer Verantwortung handele.

Zweiter Punkt: Wo sind die anderen Broschüren abgeblieben? Das weiß ich nicht. Ich weiß lediglich, und zwar verbindlich, dass sich die Kollegen, die vor Ort waren - das war keine Durchsuchung -, das angeschaut haben, die Broschüren sahen und zur Beweissicherung eine mitgenommen haben. Die handelnden Polizeibeamten haben also eine Broschüre mitgenommen. Ich werde nachfragen und Sie informieren, ob in meinem Haus bekannt ist, wo der übrige Bestand an Broschüren geblieben sein könnte.

(Kalbitz [AfD]: Dann müsst ihr mal aufräumen!)

Wie es sich mit der Freiheit der Kunst verhält, Frau Johlige, wird sicherlich auch im Ergebnis der Untersuchungen thematisiert, also im Rahmen der Untersuchungen bewertet werden. Da muss ich auf den Ausgang des Verfahrens verweisen und kann Ihnen gegenwärtig noch kein Ergebnis zur Kenntnis geben.

(Die Abgeordnete Vandre [DIE LINKE] begibt sich an ein Saalmikrofon, um eine Nachfrage zu stellen.)

Moment, eigentlich ist es zu spät. Sie haben erst bei der Beantwortung …

(Frau Vandre [DIE LINKE]: Das hat die CDU gerade auch gemacht! - Widerspruch bei der CDU)

- Nein. Sie müssen drücken, wenn die Antwort auf die Ausgangsfrage kommt - und nicht bei einer Nachfrage.

(Frau Vandre [DIE LINKE]: Ihr habt euch alle am glei- chen Mikro angestellt! - Wichmann [CDU]: Wir können ja nur an einem Mikrofon drücken!)