Protocol of the Session on September 28, 2016

Abkommen zwischen zwei Staaten oder zwischen Staatenge meinschaften, beispielsweise zwischen Kanada und der EU, definieren, wie Handel zwischen diesen Partnern aussehen, wie und in welchem Umfang dieser Handel stattfinden soll, womit dann Maßstäbe für den gesamten Welthandel gesetzt werden. Daher frage ich mich kritisch, ob das im Sinne der EU und im Kontext von fairem Welthandel sein kann. Ein Teil der Staaten, die sogenannten Mächtigen, definieren, wie der Welthandel aussehen soll, und zwar auch zulasten von Drittstaaten.

Gerade heute ist wieder nachzulesen, was dieses Freihandels abkommen an Auswirkungen für Folgehandelsabkommen hat, zum Beispiel mit afrikanischen Staaten: Es wirkt sich zu deren Nachteil aus. Hier bestimmen wenige, wie der Welthandel ins gesamt aussieht, nämlich eben nicht entsprechend fairen ent wicklungspolitischen Ansätzen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Bernig [DIE LINKE])

Daher grundsätzlich zu CETA und dem, was uns vorliegt: Was wir an CETA kritisieren, ist, dass es eben kein Ergebnis eines transparenten und von zivilgesellschaftlicher Beteiligung ge prägten politischen Prozesses ist. Nun kann man darüber diskutieren, ob ein solches Abkommen, ein solcher Vertrags schluss zwischen zwei Partnern hinter verschlossenen Türen erfolgen soll oder ob es um Gemeinwohl geht und daher auch ein öffentlicher, transparenter Dialog zu diesem Vertrag statt finden muss.

Ich bin der Auffassung, dass das, worum es hier geht, nicht nur Wirtschaftsinteressen sind, sondern dass es auch um Gemein wohl geht. Daher ist es wichtig - auch im Sinne der Zukunft der EU-, dass dieser Prozess, diese Verhandlungen in einem ganz anderen öffentlichen, transparenten Dialog stattfinden.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Diese Gefahr steckt doch dahinter, und wir wissen selbst, dass die Europäische Union zurzeit nicht in einer stabilen Situation ist. In dem Moment, wo Verhandlungen über Interessen der

EU-Bürger geführt werden, besteht natürlich auch weiterhin die Gefahr, dass das Interesse an einem gemeinsamen sozialen Europa weiter sinken wird. Diese Gefahr sehen wir auch in der Art und Weise, wie CETA ausgehandelt wurde.

Des Weiteren sind aus unserer Sicht durch dieses Abkommen die Daseinsvorsorge und die kommunale Selbstverwaltung ge fährdet. Es verpflichtet zu einer umfassenden Liberalisierung, ohne die kommunale Daseinsvorsorge umfassend auszuneh men.

Wir sehen auch weiterhin den sogenannten Investitionsschutz kritisch. Aus unserer Sicht muss das Gemeinwohl höher ange siedelt werden als Konzerninteressen, aber nicht so, wie es von CETA jetzt vorgegeben ist.

(Dr. Redmann [CDU]: Was heißt das denn konkret?)

Daher sage ich ganz klar: Die Linke ist weiterhin gegen das CETA-Abkommen in seiner gegenwärtigen Form.

Jetzt komme ich zurück zu Ihrem Antrag und Ihrer Initiative, was den Bundesrat angeht. Wir wissen heute noch gar nicht, in welcher Form, in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt CETA die nationalen Parlamente und den Bundesrat erreichen wird. Derzeit wird es zunächst dem Europaparlament zugelei tet. Ich sage ganz ehrlich: Ich habe zunächst die große Hoff nung, dass dieses Abkommen im Europäischen Parlament sehr kritisch hinterfragt wird und dabei vielleicht vom Europäi schen Parlament selbst Korrekturen vorgenommen werden und es in seiner jetzigen Fassung nicht die Zustimmung durch das Europäische Parlament erfährt. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Königer.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Liebe Brandenburger! Bereits 2013 haben wir uns für Transpa renz beim umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen, besser bekannt als Comprehensive Economic and Trade Agree ment - kurz CETA - , und der Transatlantic Trade and Invest ment Partnership - kurz TTIP - eingesetzt.

(Bretz [CDU]: Können Sie das noch einmal sagen?)

- Nachhilfe gebe ich den Kollegen von der SPD gern, die viel leicht als Delegierte bei dieser Entscheidung dabei waren, denn sie wussten es nicht. Ich wusste es auch nicht, aber ich musste mich ja auch nicht positiv damit befassen, meine Damen und Herren.

Als Einzige haben wir in unserem Parteiprogramm stehen, dass wir Handelsabkommen strikt ablehnen, wenn sie intransparent und nicht öffentlich sowie ohne Parlamentsbeteiligung verhan delt werden.

(Beifall AfD - Zurufe von der CDU)

Das Volk wird gleich gar nicht gefragt; Kollege Büchel hat auch darauf hingewiesen.

(Och! bei der CDU)

Übrigens wollen Linke, Grüne und viele Sozialdemokraten weder CETA noch TTIP. Auf der Homepage der Linken kann man einen Reiter namens „TTIP und CETA stoppen!“ finden. Weitere Reiter heißen „Unterschreiben gegen TTIP“ oder auch „Aktiv gegen TTIP“. Genauso sieht es bei den Grünen aus. Von ihnen wurde letztes Jahr in Bezug auf TTIP gepostet: „Demo kratie ist nicht verhandelbar“. Meine Damen und Herren, welch seltener Moment der Einigkeit in diesem Parlament!

(Bretz [CDU]: Davon distanziere ich mich!)

Auf diesen Gedanken könnte man zumindest kommen. Da scheint die Politik die Sorgen der Bürger in diesem Land ein mal ernst zu nehmen. Auch sehr viele Bürger haben ein Prob lem mit CETA und TTIP; große Demonstrationen mit Zehntau senden und Hunderttausenden zeugen davon. Mit Petitionen und ebenso vielen Unterzeichnern wird Zeugnis davon abge legt, dass bei weitem nicht alle zustimmen. Allerdings will die EU diese Abkommen. In Brüssel war man zuerst sogar der Meinung, dass die Abkommen niemanden außer den EU-Büro kraten etwas angingen. Das war der größte Skandal an dieser Sache.

Besonders undurchsichtig ist der Kurs, den die SPD und vor allem Wirtschaftsminister Gabriel fahren. Zunächst setzte sich Ihr Genosse Gabriel in Reden und Interviews allen Bedenken zum Trotz für TTIP ein, Anfang September äußerte Gabriel dann auf einmal, dass er TTIP für gescheitert halte, und be mühte sich verstärkt um das Durchsetzen des CETA-Abkom mens. Am 19. September - ein Vorredner erwähnte es bereits - ermächtigte der SPD-Parteikonvent in Wolfsburg dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit zwei Dritteln der Stimmen Sigmar Gabriel zur Zustimmung zu CETA innerhalb der Bun desregierung. Da sich TTIP in der SPD wohl nicht durchsetzen lässt, setzt man nun auf CETA.

(Zurufe von SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Kanada hat in der Wirtschaftspolitik schließlich keinen so schlechten Ruf wie die USA. Kanada ist aber wie die USA und Mexiko Mitunterzeichner des Nordamerikanischen Freihan delsabkommens NAFTA.

Herr Redmann, jetzt erkläre ich Ihnen einmal, warum TTIP doch irgendwie dasselbe wie CETA ist: CETA, meine Damen und Herren, ist TTIP durch die Hintertür. Die SPD lässt sich vom Hütchenspieler Gabriel an der Nase herumführen.

(Beifall AfD - Zurufe von der SPD)

Nun hofft man, dass das Gleiche mit den Bürgern gelingt.

An dieser Stelle möchte ich ein paar Worte zu NAFTA verlie ren: NAFTA, wie das Nordamerikanische Freihandelsabkom men genannt wird, ist die Vorlage für CETA und TTIP. NAFTA wurde nach jahrelangen Verhandlungen zwischen den USA, Kanada und Mexiko vereinbart - das sind drei Länder. In den USA wurde NAFTA als Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahme verkauft, Mexiko sollte in wenigen Jahren vom Entwicklungs-

zum Industrieland werden und Kanada von einer höheren Pro duktivität und Direktinvestitionen profitieren. Kommt uns das nicht irgendwie bekannt vor? Das sind Argumente, die im Zu sammenhang mit CETA und TTIP hervorgehoben werden.

Doch wie sieht die Realität in Mittel- und Nordamerika aus? Durch NAFTA ist mindestens eine Million Arbeitsplätze in den USA verlorengegangen, und aus gut bezahlten Industriear beitsplätzen sind schlechtbezahlte Dienstleistungsjobs gewor den. Während sich die Löhne der meisten Amerikaner auf dem Niveau von 1979 bewegen, ist die Einkommensungleichheit massiv gestiegen. In Mexiko wurden die Maisbauern durch den ungehinderten Import von hochsubventioniertem US-Mais ruiniert. Wer früher Maisbauer war, steht heute für wenig Geld am Fließband oder wandert gezwungenermaßen illegal in die USA ein oder versucht es zumindest. In Kanada kam die Direktinvestition in Form von Übernahme und Fusion. Die großen Konzerne sind also noch größer geworden. Das Aus wärtige Amt schreibt auf seiner Internetseite: Kanada hat als Standort von Industriearbeitsplätzen innerhalb der NAFTA als Folge unbefriedigenden Produktivitätszuwachses an Bedeu tung verloren.

Jetzt ist auch klar, wieso TTIP und CETA hinter verschlosse nen Türen ausgehandelt werden: Die Nationen werden vor vollendete Tatsachen gestellt und sollen nur abnicken.

Zu Recht umstritten sind die geplanten privaten Schiedsgerich te. Diese Schiedsgerichte sollen über Schadensersatzansprüche von Unternehmen gegen die Vertragsstaaten entscheiden kön nen. Das ist ein Angriff auf die Souveränität der Einzelstaaten, die Prinzipien der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit.

(Beifall AfD)

Entscheidungen in einem Parlament können Schadensersatz nach sich ziehen. Wer so etwas beschönigt, ist ein Ignorant. Wir werden dem Antrag zustimmen. - Herzlichen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt der Abgeordnete Jungclaus.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Um es vorwegzusagen: Da wir hier im Parlament nicht über Begründungs- und Einleitungstexte, sondern über konkre te Aufforderungen an die Landesregierung abstimmen, werden wir dem Antrag der Gruppe BVB/FREIE WÄHLER zustim men.

Ich finde es etwas grenzwertig, wie hier Haarspalterei und Wortklauberei betrieben werden. Ich bin auch über den einen oder anderen Satz gestolpert, beispielsweise über „Wir sind nicht gegen Handelsabkommen und ebenso wenig gegen den Beibehalt von Zöllen“. Du meinst wahrscheinlich „ebenso we nig gegen die Abschaffung von Zöllen“; das könntest du viel leicht noch während der Redezeit aufklären. Aber, wie gesagt, wir reden hier nicht über Begründung und Einleitung, sondern über konkrete Aufforderungen. Die Aufforderung an die Lan

desregierung lautet nun einmal, dass sie bei der Abstimmung über das CETA-Abkommen im Bundesrat mit Nein stimmen soll, und das ist auch die Forderung von uns Bündnisgrünen.

Dafür, dass wir uns heute mit CETA befassen und nicht, wie in den letzten Anträgen zu Freihandelsabkommen hauptsächlich mit TTIP, gibt es gute Gründe, wobei TTIP und CETA sicher lich nicht die einzigen problematischen Freihandelsabkommen sind - denkt man beispielsweise an die Economic Partnership Agreements mit afrikanischen Ländern.

Entgegen den Ausflüchten von Sigmar Gabriel und den Aus führungen des Abgeordneten Büchel: CETA ist jetzt ausver handelt. EU-Handelskommissarin Malmström hat klargestellt, dass der Vertragstext nicht mehr geöffnet werden soll. Wie Ver besserungen an CETA aus dem SPD-Beschluss vom 19. Sep tember verbindlich umgesetzt werden sollen, ist völlig schlei erhaft.

Klar ist aber: Am 27. Oktober soll das Abkommen auf dem EU-Kanada-Gipfel unterzeichnet werden. Und es wurde von der Kommission als gemischtes Abkommen übermittelt. Das bedeutet - auch dem hat Kollege Büchel widersprochen -: So wohl die europäischen Institutionen wie der Europäische Rat und das Europäische Parlament als auch die nationalen Parla mente, also Bundestag und Bundesrat, müssen zustimmen.

Wir Bündnisgrünen sind für eine Vertiefung der Handelsbezie hungen mit Kanada. Freihandelsabkommen bieten aus unserer Sicht die Chance, Impulse für eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft in Brandenburg, Deutschland, der EU und Kanada zu geben. Da verstehe ich die Ausführungen der Kolle gin Hackenschmidt dahin gehend, dass die Dinge immer zu sammen gedacht werden müssen, nicht so richtig. Ich glaube nicht, dass man, wenn man Standards anpassen, einheitliche Richtlinien schaffen und Zölle abschaffen will, auf der anderen Seite Schiedsgerichte braucht. Man kann, denke ich, Zölle ab senken und Blinker für Autos anpassen, ohne auf Schiedsge richte zurückzugreifen.

(Zuruf der Abgeordneten Hackenschmidt [SPD])

Dem aktuellen Vertragstext kann daher nicht zugestimmt wer den. Trotz einiger Nachbesserungen bedeutet CETA weiterhin, dass Konzernen ein privilegierter Rechtsweg eingeräumt wird. Dass das System der Schiedsgerichte in CETA einen neuen Na men bekommen hat, nämlich ICS - Investment Court System - statt ISDS, ändert hieran wenig. Hinzu kommt, dass sensible Bereiche wie die kommunale Daseinsvorsorge - öffentliche und soziale Dienstleistungen und die öffentliche Infrastruktur - nicht durch klare Ausnahmen geschützt werden. Das Abkom men sieht weiterhin statt Positivlisten Negativlisten für den Dienstleistungsbereich vor. Nicht explizit genannte Dienstleis tungen fallen damit automatisch in den Bereich der Liberalisie rung. Das lehnen wir ab.

Auch das Vorsorgeprinzip wird durch CETA geschwächt, dabei ist dieses Prinzip ein Grundpfeiler des Umwelt- und Verbrau cherschutzes in Europa. Es ermöglicht frühzeitiges politisches Handeln, auch wenn noch nicht gewiss ist, ob ein Produkt schädlich ist. Auch der Bundesverband der Verbraucherzentra len kommt zu dem Schluss, dass das Vorsorgeprinzip unzurei chend verankert und aus Verbrauchersicht CETA daher insge samt nicht zustimmungsfähig ist.