Protocol of the Session on July 15, 2016

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Baaske! Sie haben gerade ausgeführt, dass Sie noch nicht wissen, wie das alles läuft, wohin es führt und ob es Mitnahmeeffekte geben wird.

Ich berichte Ihnen einmal - weil Gordon Hoffmann sie berech tigterweise angesprochen hat, von unseren Erfahrungen im Be reich der Medizin: Wir haben im Kreis Elbe-Elster 2010 das Programm eingeführt, bei dem der Landkreis ein Stipendium für diejenigen vergibt, die sich nach dem Physikum bereiter klären, sich in Elbe-Elster niederzulassen und dort auf jeden Fall als Arzt tätig zu sein. Wären wir 2010 mit den Ängsten, die Sie hier vorgebracht haben, losmarschiert und hätten ge sagt: „Das alles bringt es nicht so richtig“, dann hätten wir heu te, 2016, genau 16 Ärzte weniger im Kreis Elbe-Elster. Inso fern war dieses Programm erfolgreich.

(Beifall CDU)

Ich muss Ihnen sagen: Es ist mir völlig egal, ob das zu Mitnah meeffekten führt. Ich kann nicht ausschließen, dass auch Sti pendiaten aus Elbe-Elster dabei sind, die dieses Stipendium in Anspruch genommen haben und heute als Ärzte in Elbe-Elster arbeiten. Ich kann aber auch nicht ausschließen, dass diese Ärzte, die aus Elbe-Elster gekommen sind, sich unter Umstän den woanders umgesehen hätten, um eine Stelle zu bekommen. Von daher ist das, so glaube ich, eine Rechnung, die wir gar nicht erst aufzumachen brauchen.

(Beifall CDU und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Wir müssen uns auf den Weg machen. Nur, wer bereit ist, sich auf den Weg zu machen, wird am Ende auch Erfolg haben. Wenn wir ständig darauf warten, dass uns andere den Weg vor geben, wird das ein ziemlich ausgetrampelter Pfad sein, den wir dann begehen. Reißen Sie sich also ein Stück weit zusam men und nehmen Sie die Erfolge, die wir im Land an dieser Stelle schon haben, einmal zur Kenntnis. Ich glaube, dann be finden wir uns auf einem Weg, der dahin führt, dass in Zukunft im ländlichen Raum die Lehrer nicht mehr knapp sind. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Der Minister möchte reagieren.

Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das so sagen. Ich bin Ihnen auch dankbar, dass Sie Ihre Aussage, dass wir exakt 16 Ärzte weniger hätten, widerrufen haben, indem Sie danach sehr deut lich gemacht haben, dass Sie nicht ausschließen können, dass Sie die Ärzte auch woanders herbekommen hätten oder dass die Ärzte auch woanders hätten arbeiten können. Genau darum geht es mir: dass ich das nicht ausschließen kann.

Wenn ich beispielsweise entscheiden würde, in den Regionen Fläming, Uckermark, Havelland und Lausitz 50 Stipendiaten einzustellen, hätte ich mit Sicherheit 300 Bewerbungen auf dem Tisch - Bewerbern, die aus diesen Regionen kommen,

jetzt schon studieren, aber auch wieder in diese Regionen ge hen wollen. Genau das ist doch albern!

(Zurufe der Abgeordneten Petke und Genilke [CDU]: Sie könnten aber auch weg sein!)

- Sie könnten weg sein, aber das heißt doch nicht, dass sie dann auch weg sind! Das sind reine Mitnahmeeffekte, die ich damit steuere. Diejenigen, die jetzt schon wissen, dass sie hierbleiben wollen, werden sofort sagen: Ich will das Stipendium haben! Die anderen werden jedoch sagen: Lassen wir das vielleicht sein!

Dass das Programm, wie Gordon Hoffmann gesagt hat, total überzeichnet ist, ist in dieser Konstruktion doch vollkommen logisch!

(Genilke [CDU]: Dann können wir die Stipendien ja komplett abschaffen!)

Der Abgeordnete Hoffmann von der CDU-Fraktion erhält noch einmal das Wort.

Vielen Dank, Kommissar Baaske! Sie sehen mich quickleben dig - man könnte also sagen: Totgesagte leben länger. - Wenn Sie sagen, Sie hätten die Stellen alle besetzt, dann müssen wir schon genauer hinschauen, mit wem Sie diese besetzt haben: mit Seiteneinsteigern, Rentnern sowie Leuten, die ihr Referen dariat noch nicht abgeschlossen bzw. noch nicht angefangen haben. Das ist also ein ziemlich schwaches Argument, das Sie hier anführen.

Genauso verhält es sich mit der Argumentation, dass wir erst einmal abwarten und schauen sollten, weil es Mitnahmeeffekte geben könnte. Das ist eben nicht ganz so, wie Sie sagen. Nach unserer Vorstellung kann das Land Bedarfsregionen ausweisen. Wenn jemand beispielsweise aus der Prignitz kommt und sagt, er könnte sich vorstellen, im ländlichen Raum zu arbeiten, die Bedarfsregion jedoch beispielsweise Oberspreewald-Lausitz ist und er dorthin umzieht und eine Stelle in Lübben besetzt, dann ist das eben kein Mitnahmeeffekt. Von daher haut das so nicht hin.

Im Übrigen zu der Kritik, die Sie an dem Sachsenstipendium und seiner Ausgestaltung mit den Sparfristen und Rückzah lungsmodalitäten geübt haben: Was wir wollen, ist, dass Sie uns ein Konzept für ein Landlehrer-Stipendium in Branden burg vorlegen. Wie Sie das ausgestalten, darüber können wir gern diskutieren. Aber Sie schieben das dringend Erforderliche auf die lange Bank. Das wird dem Ernst der Situation nicht ge recht.

(Beifall CDU)

Ich schließe damit die Aussprache, und wir kommen zu den Abstimmungen. Die CDU-Fraktion hat beantragt, über die Überweisung ihres Antrags abzustimmen.

(Bretz [CDU]: Die Überweisung war ja der Wunsch!)

Ich rufe daher zur Abstimmung über die Überweisung des An trags der Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN - Landlehrer-Stipendium für Brandenburg - auf Drucksa che 6/4502 an den Bildungsausschuss auf. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen?

(Zurufe von der CDU)

Dieses Ergebnis ist sehr knapp; hier oben werden Zweifel laut, welches die Mehrheit war. Ich wiederhole daher die Abstim mung: Wer der Überweisung zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei 31 Ja-Stimmen und 36 Nein-Stimmen ist der Überweisungsan trag klar abgelehnt.

Ich lasse jetzt über den Antrag in der Sache abstimmen: Wer stimmt dem Antrag der Fraktionen von CDU und BÜND NIS 90/DIE GRÜNEN - Landlehrer-Stipendium für Branden burg - auf Drucksache 6/4502 zu? - Gegenstimmen? - Stimm enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktionen SPD und DIE LINKE auf Drucksache 6/4622. Wer möchte diesem Antrag zustimmen? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Antrag einstimmig angenommen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungs punkt 5 auf:

Krankenhausstrukturfonds für Brandenburg zum zu kunftsfesten Umbau der Krankenhäuser nutzen und vollständig kofinanzieren

Antrag

der Fraktion der SPD

der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 6/4499

Die Aussprache wird von der SPD-Fraktion eröffnet. Frau Ab geordnete Müller hat das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Die Gesundheitsversorgung unserer Bevölkerung steht zu Recht im Fokus vieler Anträge, die wir hier im Plenum besprechen. Gesundheit oder Krankheit lassen niemanden un berührt. Krankenhäuser sind dabei im höchsten Maße emotio nale Aufreger - Geburt und Freude, Tod und Leid liegen nir gends so nah beieinander.

Umso wichtiger ist es, bei all unseren politischen Entscheidun gen im Krankenhausbereich einen Diskurs mit rationalen Ar gumenten und gut durchdachten Strukturen zu führen. Der Krankenhausstrukturfonds gibt uns die Möglichkeit, im Kran kenhausbereich Umstrukturierungen in Gang zu setzen. Dieser Fonds ist ein Instrumentarium des Krankenhausstrukturgeset zes auf Bundesebene, das darauf abzielt, Überkapazitäten in Krankenhäusern abzubauen und Versorgungsstrukturen anzu passen. Der Einsatz ist länderspezifisch umzusetzen, und in je dem Bundesland sollen maßgeschneiderte und innovative Lö sungen vor Ort entstehen.

In Brandenburg geht es nicht um die Schließung von stationä ren Einrichtungen, sondern die Umwidmung und Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung. Die Versorgungs strukturen unserer Krankenhäuser müssen sich der Entwick lung im ländlichen Raum anpassen. Die demografischen, wirt schaftlichen und wissenschaftlichen Rahmenbedingungen än dern sich hier, und das rasant. Aktuelle Analysen gehen davon aus, dass Brandenburg bis zum Jahr 2030 um rund 87 000 Ein wohner schrumpfen wird. Während aber viele Gemeinden rund um Berlin wachsen, dünnt der ländliche Raum weiter aus. Dort zeichnet sich ein doppelter Demografie-Effekt ab, denn dort le ben nicht nur weniger Menschen, sondern auch vermehrt die Älteren.

Es wird immer schwieriger werden, in den schrumpfenden und alternden Regionen eine angemessene Gesundheitsversorgung in erreichbarer Nähe zu gewährleisten. Die Verschiebungen im Morbiditätsspektrum werden den benötigten Versorgungsmix verändern. Beispielsweise wird der Versorgungsbedarf im Be reich der chronischen Erkrankungen und der Altersmedizin steigen. Für die Geburtshilfe und die Pädiatrie wird hingegen von sinkenden Bettenzahlen ausgegangen.

Wir benötigen gute Ideen, um die Lebensqualität unserer Bür gerinnen und Bürger an jedem Ort in Brandenburg auf glei chem Niveau zu halten. Die 87-jährige Brandenburgerin in Bad Belzig hat das gleiche Recht wie die 87-jährige Brandenburge rin in Potsdam. Auch in der medizinischen Versorgung gilt: Kein Land der zwei Geschwindigkeiten.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Insbesondere kleine Krankenhäuser in strukturschwachen Re gionen sind die Eckpfeiler der medizinischen Versorgung auf dem Land. Vor dem Hintergrund der Entwicklungen im ländli chen Raum wird jedoch deutlich, dass es eine weitere Öffnung der Strukturgrenzen zwischen ambulanter und stationärer Ver sorgung geben muss. Flexible Versorgungsformen und eine größere Kooperation der verschiedenen Einrichtungen und An bieter sind hier notwendig.

Auch Angebote im Sozial- und Pflegebereich müssen dringend in die Prozesse eingebettet werden. In einer alternden Gesell schaft hat das Thema Pflege einen anderen Stellenwert. Ambu lante und stationäre Pflegedienste sowie Pflegeeinrichtungen und Sozialdienste waren bislang nicht im Blickwinkel der stati onären Krankenversorgung. Diese Struktur ist veraltet und muss aufgebrochen werden, bis eine Versorgungsqualität ent steht, die dem zukünftigen regionalen Bedarf der Bevölkerung entspricht. Case- und Entlastungsmanagement begleiten und bestimmen schon heute die individuellen Patientengeschichten und werden in zukünftigen Modellen noch eine größere Rolle spielen.

Die Ressourcen für Investitionsmaßnahmen sind immer knapp bemessen und müssen daher auf Schwerpunkte konzentriert werden. Der Schwerpunkt in Brandenburg ist der Umbau der Versorgungsstruktur im ländlichen Raum. Auch wenn die klei nen Krankenhäuser alle ihr Bestes geben: Zur Behandlung be stimmter Erkrankungen wird nicht nur ein Mindestmaß an technischer Ausstattung und Personal benötigt. Im Notfall kommt es auf die Nähe an. Bei planbaren Eingriffen wollen die Patienten erfahrene Spezialisten und bestmögliche Qualität. Dafür fahren sie auch einmal quer durch Brandenburg.

Und es geht auch darum, Strukturen zu schaffen, die den Kran kenhäusern ihre wirtschaftliche Existenz wahren, ihnen damit ihre Eigenständigkeit sichern und sie vor Schließung bewah ren.

Übrigens ist es im Notfall den Bürgerinnen und Bürgern grund sätzlich egal, ob sie einen niedergelassenen Arzt, einen Arzt im Krankenhaus oder ein Medizinisches Versorgungszentrum auf suchen. In erster Linie geht es darum, schnell die richtige Hilfe zu bekommen. Den Hausarzt als Seelsorger und Kümmerer wird man mit diesen Modellen zwar nicht ersetzen können, aber es gibt ja schließlich auch noch „Schwester AGnES in Brandenburg.

Die Mittel des Krankenhausstrukturfonds stehen bereit, um diese angemessene Gesundheitsversorgung umzusetzen. Wir sollten dieses Geld nutzen, um Umbaumaßnahmen zu finanzie ren und die entsprechenden Versorgungsstrukturen anzubieten. Damit Brandenburg die volle Fördersumme von 15,3 Millio nen Euro beanspruchen kann, muss das Land in gleicher Höhe Eigenmittel aufwenden. In den Jahren 2017 bis 2020 werden in Brandenburg also insgesamt 30 Millionen Euro zur Verfügung stehen.

Ja, 30 Millionen Euro sind im Krankenhausbereich tatsächlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, und flächendeckende Projekte werden damit nicht zu realisieren sein. Aber seit den 90er-Jahren haben wir bereits 4 Milliarden Euro in die Kran kenhausversorgung unseres Landes und somit in die Gesund heitsversorgung unserer Bürgerinnen und Bürger investiert. Wir werden in dieser Legislaturperiode - gemäß dem Koalitionsvertrag - die Krankenhausversorgung mit zusätzlich 400 Millionen Euro im Investitionsbereich stärken.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Um dieses Ziel einer hochwertigen, gut erreichbaren Gesund heitsversorgung für alle Brandenburgerinnen und Brandenbur ger - unabhängig davon, wo sie wohnen - zu erreichen und das weiter anzubieten, bitte ich um die Zustimmung zum Antrag.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Nowka.