Protocol of the Session on July 15, 2016

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kollegin nen und Kollegen! Lieber Kollege Bretz, Sie haben das Thema Steuergerechtigkeit im Zusammenhang mit der Ausstattung der Finanzämter angesprochen. Ich denke, Gerechtigkeit ist immer erforderlich, und wenn sie zusätzliches Personal notwendig macht, sollten wir es auch bereitstellen.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE - Bretz [CDU]: Das machen Sie schon gar nicht!)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, mit der Ein führung der Abgeltungssteuer werden seit dem 1. Januar 2009 Kapitaleinkünfte, also Zinsen, Dividenden und realisierte Kurs gewinne, mit einem Steuersatz von 25 % plus Solidaritätszu schlag und seit Januar 2015 auch mit Kirchensteuer belegt. Als Quellensteuer wird sie von den Kreditinstituten direkt einbe halten und mit abgeltender Wirkung an das Finanzamt abge führt. Das haben Sie, Herr Kollege Bretz, richtig ausgeführt.

Nach dem zuvor geltenden Recht musste zum Beispiel der An teilseigner einer Kapitalgesellschaft auf die Hälfte des ausge schütteten Gewinns, also auf die Hälfte der Dividenden, Ein kommensteuer nach seinem persönlichen Einkommenssteuer satz zahlen - die sogenannte Kapitalertragssteuer. Diese Steuer wurde von vielen in Deutschland theoretisch Steuerpflichtigen mit hohen Einkommen nicht gezahlt. Sie haben sich mit ihrer Steuerpflicht im Ausland „eingerichtet“. Durch die Abgel tungssteuer sollten nun die Wettbewerbsfähigkeit und die At traktivität des Finanzplatzes Deutschland auch für internatio nale Kapitalanleger verbessert werden.

Daneben wurden allerdings zwei weitere Ziele verfolgt: Der Anreiz zur Steuerflucht sollte gesenkt werden, und es sollte Steuerflüchtlingen ermöglicht werden, ihre Geldanlagen wie der nach Deutschland zu transferieren und so dem deutschen Steuerrecht zu unterwerfen.

Ob die Ziele erreicht wurden, kann man unterschiedlich bewer ten. Aus meiner Sicht sind sie nur bedingt erreicht worden. Vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise war es jedoch durchaus sinnvoll, solche Anreize zu setzen. Zu der Zeit gab es noch kei nen automatischen Austausch von steuerrelevanten Daten zwi schen den Staaten, der es ermöglicht hätte, Steuerflucht und schädliche Steuergestaltung zu verhindern. Die Versuchung, größere Vermögen weiterhin der Besteuerung durch den deut schen Fiskus zu entziehen, war und ist daher immer noch groß. Deshalb war es richtig, dass Verhandlungen zu einem Abkom

men über den Austausch steuerrelevanter Daten aufgenommen wurden. Im Ergebnis wurde das Finanzkonteninformationsaus tauschgesetz am 12. November 2015 vom Deutschen Bundes tag verabschiedet. Mit der Stimme des Landes Brandenburg stimmte der Bundesrat dem Gesetz am 18. Dezember 2015 zu. Mittlerweile sind 90 Staaten diesem Abkommen beigetreten, darunter auch die Schweiz.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Gesetz zum automatischen Informationsaustausch sollen grenzüber schreitende Steuergestaltungen zulasten der Allgemeinheit be kämpft werden. Mit dem Austausch von Informationen zwi schen den Finanzverwaltungen der Staaten wird die Gefahr ei ner unzutreffenden Besteuerung eingedämmt. Die erstmalige Datenübermittlung erfolgt mit dem Steuerjahr 2016. Die Mög lichkeiten, mit der Verlagerung von Geldanlagen Steuerzahlun gen zu umgehen, werden durch das Gesetz weitgehend einge schränkt. Damit entfällt eine Privilegierung und werden Kapi talerträge wieder dem individuellen Steuersatz des Steuer pflichtigen unterworfen.

Die zurzeit geltende Abgeltungssteuer ist aus unserer Sicht zu tiefst ungerecht. Sie führt dazu, dass Einkommen aus Arbeit vielfach höher besteuert werden als Einkommen aus Kapitaler trägen. Es darf auch nicht sein, dass Kapitalerträge von Men schen mit kleineren Einkommen ebenso hoch besteuert werden wie Kapitalerträge von Einkommensmillionären. Diese Unge rechtigkeit muss beseitigt werden.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Mit dem Antrag der Koalitionsfraktionen fordern wir daher die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für die Abschaf fung der Abgeltungssteuer und eine Besteuerung der Kapitaler träge nach dem persönlichen Einkommensteuersatz einzuset zen.

Meine Damen und Herren, wir bitten Sie alle um Ihre Zustim mung, damit bei der Besteuerung von Kapitalerträgen wieder mehr Steuergerechtigkeit herrscht. - Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Zu uns spricht nun die Abgeordnete Schade für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her ren! Liebe Brandenburger Bürger! Der Landtag fordert also die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für die Abschaf fung der Abgeltungssteuer einzusetzen und Kapitalerträge dem persönlichen Einkommensteuersatz des Steuerpflichtigen zu unterwerfen. Hört, hört! Eine gute Idee, wie wir von der Alter native für Deutschland finden.

Wir begrüßen auch, dass die Regierungsparteien der Landesre gierung den Auftrag erteilen möchten, sich auf Bundesebene für die Brandenburger einzusetzen. Wir denken, das sollte viel öfter geschehen.

Wenn wir über die Abgeltungssteuer debattieren, wollen wir aber auch auf die Probleme aufmerksam machen, die sich da bei ergeben. Die Finanzverwaltung ist derzeit glücklich mit der Abgeltungssteuer. Die Banken ziehen die Steuer ein und füh ren sie ab. Das heißt, dass am Jahresende bzw. bei der Auszah lung der Zinserträge die Steuer dem Staat sofort zur Verfügung steht. Der Steuerpflichtige hat also keine Möglichkeit, dem et was zu entziehen, da er den Steuerbetrag nicht selbst verwaltet. Auch die Berechnung nimmt die Bank vor.

Wenn dieses System allerdings wieder umgestellt wird, werden die Steuern erst im Zusammenhang mit der Steuererklärung fällig, und das Finanzamt hat im Rahmen der Veranlagung dann wieder mehr Verwaltungsaufwand - das wurde hier schon angesprochen. Der Steuerpflichtige müsste nun wieder selbst tätig werden und die Einnahmen in der Steuererklärung ange ben.

Da es wieder viele Ausnahmetatbestände geben wird, weitet sich die Komplexität unseres Steuersystems aus, und die Ban ken werden wahrscheinlich weiterhin Meldungen ans Finanz amt machen müssen. Auf die Probleme hat Kollege Bretz - nun ist er nicht hier - schon aufmerksam gemacht.

Meine Damen und Herren, mit der Abschaffung der Abgel tungssteuer allein ist es nicht getan; das muss uns klar sein. Schlupflöcher und verwinkelte Möglichkeiten der Steuermin derung müssen grundsätzlich ausgeräumt werden. Das Steuer system ist wegen der vielen Sonderregelungen, Ausnahmetat bestände, Befreiungen, Bevorzugungen und Lobbyregelungen so komplex geworden, dass es einer umfassenden Reformie rung bedarf.

Die Abgeltungssteuer sollte ursprünglich die Kapitalabwande rung in andere Länder verhindern, wenn die Steuersätze dort niedrig sind. Mit dem nun aus der EU austretenden Großbritan nien und der dort bereits angekündigten Steuersenkung werden deutsche Kapitalanleger jedoch ermutigt, lieber dort als hier anzulegen. Dies müssen wir im Auge behalten.

Die meisten anderen EU-Staaten haben die Abgeltungssteuer noch, und wir müssen aufpassen, dass mit der Abschaffung keine Doppelbesteuerung auftritt. Das zeigt, dass die Materie nicht ganz so einfach ist. Die Steuergerechtigkeit gebietet es jedoch, keine Bevorzugung einzelner Einkunftsarten zuzulas sen. Auch bei den Steuerpflichtigen in persona darf es keine Ungleichbehandlung geben, weil Einkünfte aus Kapitalvermö gen zumeist - das hatten Sie erwähnt, Herr Wilke - von wirt schaftlich leistungsfähigen Steuerzahlern erzielt werden.

Meine Damen und Herren, zum Schluss noch ein dringender Appell der AfD zum deutschen Steuerrecht: Es ist dringend re formbedürftig. Jahrelange Flickschusterei und Klientelpolitik haben ein monströses Gesetzeswerk geschaffen, dessen umfas sende Anwendung nur Fachleuten offensteht, wenn sie denn das Glück haben, alle Fallstricke analysieren zu können. Dem Bürger, der einmal im Jahr seine Steuererklärung macht, ist dieses Steuersystem nicht mehr zuzumuten.

Wir fordern die Landesregierung auf, den mit diesem Antrag beschrittenen Weg konsequent bis zum Ende zu gehen und auf ein gerechtes, transparentes und einfacheres deutsches Steuer

recht hinzuarbeiten. Betrachten wir die Abschaffung der Ab geltungssteuer als wichtigen und einschneidenden Schritt am Beginn der Gestaltung eines besseren und gerechteren Steuer systems.

Wir stimmen dem Antrag zu.

(Beifall AfD)

Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag des Abgeordneten Vogel fort. Er spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die seit 2009 geltende Abgeltungssteuer galt als Konzession an den in ternationalen Steuerwettbewerb. Durch die Senkung der Ein kommensteuer auf Kapitaleinkünfte auf maximal 25 % wollte die damalige schwarz-rote Bundesregierung - nicht Herr Stein brück allein - die Kapitalflucht eindämmen und die Bereit schaft der Kapitalanleger erhöhen, Zinserträge in Deutschland zu versteuern. Herr Wilke hat dazu umfassend ausgeführt.

Dass diese Zielsetzung einer Erhöhung der Steuerehrlichkeit durch den reduzierten Steuersatz allein erreicht wurde, darf bezweifelt werden. Vermutlich hat der Ankauf der Liechten steiner und Schweizer Banken-CDs mit Daten über geheimge haltene Kapitalanlagen durch deutsche Finanzminister einen mindestens ähnlich hohen Effekt auf die Steuerehrlichkeit ge habt.

Inzwischen hat sich allerdings die Welt weiterentwickelt. Durch internationale Vereinbarungen und eine EU-Richtlinie, die die Grundlage für das Gesetz zum automatischen Informa tionsaustausch von Konteninformationen bildeten, erhalten die deutschen Finanzbehörden jetzt - beginnend mit dem Steuer jahr 2016 - erstmals sämtliche Informationen über ausländische Konten von in Deutschland ansässigen und hier steuerpflichti gen Personen. Eine effektive Erfassung und Besteuerung von Kapitalerträgen ist also in Zukunft auch ohne Abgeltungssteuer gesichert. Einer Abschaffung dieser Steuer steht generell also nichts mehr im Wege. Aus Gerechtigkeitsgründen - ja - halten wir dies auch für erforderlich. Wir halten es für erforderlich, dass Einkünfte aus Vermögen genauso wie Arbeitseinkünfte, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Land- und Forst wirtschaft oder Unternehmertätigkeit wieder dem progressi ven, persönlichen Einkommensteuersatz unterliegen. So weit, so gut.

In diesem Zusammenhang sind jedoch einige Fragen offen, die Herr Bretz zum Teil bereits aufgeworfen hat, die der Antrag nicht beantwortet, die aber auch Herr Bretz im Fall des Teilein künfteverfahrens meines Erachtens falsch beantwortet hat.

(Zuruf von der Regierungsbank)

An erster Stelle steht nämlich die notwendige Rechtsformneut ralität des Steuersystems. Es muss sichergestellt werden, dass die steuerliche Belastung des Gewinns von Einzelunterneh men, Personengesellschaften einerseits und Kapitalgesellschaf ten andererseits durch die Ausgestaltung des Steuerrechts nicht

unterschiedlich hoch ausfällt. Genau dies wäre aber bei einer ersatzlosen Abschaffung der Abgeltungssteuer auf Dividenden und Einkünfte aus GmbH-Anteilen der Fall.

(Bretz [CDU]: Das habe ich gemeint!)

- Ich führe dazu noch aus. - Denn während Einzelunternehmer ihr Einkommen aus Unternehmertätigkeit von vornherein mit dem individuellen Steuersatz versteuern müssen, werden die Gewinne von Kapitalgesellschaften - also Aktiengesellschaften und GmbHs - bereits mit 15 % Körperschaftssteuer belegt, be vor die Gewinne nach Steuern als Dividenden oder GmbHAnteile an die Geldgeber ausgeschüttet werden. Sie werden al so doppelt besteuert. Es ist daher nur folgerichtig, diese Ein nahmen aus Dividenden und GmbH-Anteilen anders zu besteu ern als Zinsen, die ohne steuerliche Vorbelastung an die Ver mögensinhaber ausgezahlt werden.

Bei einer generellen Abschaffung der Abgeltungssteuer müsste also für Dividenden an Privatpersonen eigentlich das Teilein künfteverfahren zum Zug kommen. Das gilt seit 2009, aber nur für Ausschüttungen an Unternehmen. Es müsste also für Aus zahlungen an Privatpersonen wieder eingeführt werden, wie es früher der Fall war.

Dividenden werden danach bei der Berechnung des steuer pflichtigen Einkommens nur zu 60 % veranschlagt, um diese Vorbelastung aufzugreifen.

(Bretz [CDU]: Das hatte ich doch gesagt!)

- Hatten Sie nicht, lesen Sie das bitte im Protokoll nach. - Al lerdings gibt es deutliche Hinweise darauf, dass die Rückkehr zu diesem System heute nicht mehr europarechtskonform wä re. Es wäre daher intensiv zu prüfen, ob eine als Quellensteuer ausgestaltete Abgeltungssteuer bei Dividenden und GmbHAnteilen nicht besser beibehalten werden sollte.

Es sollte auch geprüft werden, wie mit anderen Regelungen, die vor der Einführung der Abgeltungssteuer galten, umgegan gen werden sollte.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Lieber Herr Kollege Vogel, würden Sie mir Recht geben und meinen Gedanken folgen, dass das, was ich zum Schluss mei ner Rede ausführte, ein Argument war, dass die reine Abschaf fung bzw. ersatzlose Streichung der Abgeltungssteuer nicht zwangsläufig zu mehr Gerechtigkeit führt, weil wir damit die Gerechtigkeitslücke, resultierend aus der unterschiedlichen Behandlung von Einkünften aus Zinsen einerseits und denen aus Anlageformen wie Aktien usw. andererseits, nicht ge

schlossen haben? Es kommt nicht zu umfassender Gerechtig keit, so wie es behauptet wurde. Deshalb glaube ich, dass es Sinn macht, die Abgeltungssteuer im Rahmen einer Finanzaus schusssitzung zu behandeln. Ich frage deshalb, ob wir das The ma nicht gemeinsam im Finanzausschuss tiefergehend erörtern können.

Erstes finde ich das völlig richtig. Ich habe auch noch einige andere Themenstellungen, wo ich sage: Die erfordern, dass wir uns damit vertieft im Finanzausschuss auseinandersetzen.

Zweitens bezog sich die Kritik an Ihrem Vortrag darauf, dass Sie es so dargestellt haben, als würde die Abschaffung per se dazu führen, dass die Besserverdienenden noch besser gestellt würden als bei der Beibehaltung der Abgeltungssteuer. Das ist meines Erachtens falsch.

(Beifall des Abgeordneten Wilke [DIE LINKE])