Protocol of the Session on July 15, 2016

Sehr geehrte Damen und Herren! Europa ist menschenge macht. Wenn wir das Gefühl haben, Europa entwickelt sich in die falsche Richtung, dann sind wir alle gefragt.

(Beifall der Abgeordneten Große [DIE LINKE])

Ändern lässt sich das mit politischen Mehrheiten. Wir müssen sie aktiv suchen und die Interessen der Bürgerinnen und Bür ger wieder an die erste Stelle setzen. Das ist keine Floskel. Bei den Freihandelsabkommen CETA und TTIP erleben wir doch gerade, wie Politik, die an den Menschen vorbei gemacht wird, abgestraft wird.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Es geht uns nicht darum, Abkommen dieser Art grundsätzlich zu verdammen, sondern einzusehen, dass Transparenz und Offenheit für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger keine Floskeln sein dürfen, sondern Grundbedingung für erfolgrei che Politik sind.

Handlungsbedarf sehe ich bei der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. Acht Jahre nach der globalen Finanzkrise gilt im mer noch, dass die südeuropäischen Länder das Produktionsni veau der Vorkrisenzeit nicht wieder erreicht haben. Das zehrt am demokratischen und sozialen Grundkonsens dieser Gesell schaft und wird vielerorts auch als deutsches Diktat verstanden.

Hier muss Deutschland auf EU-Ebene gemeinsam mit anderen einen eigenen Beitrag zur Stabilisierung leisten. Dafür wollen wir die fiskalpolitischen Spielräume, die Deutschland durch den gewaltigen Export bzw. Leistungsüberschuss - immerhin 8 % des Bruttoinlandsprodukts - hat, nutzen. Die Bundesregie rung verschließt sich aber seit Jahren der Forderung von Orga nisationen wie der OECD und des Internationalen Währungs fonds nach einer Verringerung dieser Überschüsse durch höhe re Löhne und verstärkte Investitionen.

Wir alle müssen den Menschen - das soll nicht verschwiegen werden - besser erklären, dass sich vieles ändern muss, wenn wir das Grundlegende - Frieden, Wohlstand und Freiheit - be wahren wollen. Wir müssen die Menschen überzeugen, nicht überreden, dass wir die Herausforderungen der Globalisierung nur gemeinsam bestehen können.

Dabei lohnt es sich, genauer hinzuschauen. So bewerten in ei ner aktuellen Umfrage in Deutschland die Menschen die EUMitgliedschaft ihres Landes so positiv wie noch nie. Ange sichts der Geschichte der Union war der Brexit offensichtlich eine Art heilsamer Schock, der uns vor Augen führt, was ei gentlich auf dem Spiel steht. Vor allem junge Menschen überall in Europa lassen die Errungenschaften der Europäischen Union wie selbstverständlich ihr Leben dominieren und wissen sie zu schätzen. Für sie stellt die Rückkehr zu nationalen Dogmen keine Alternative dar.

Diese Sichtweise sollten wir uns hier in der handelnden Politik zu eigen machen. Schließlich verhandeln wir gerade die Zu kunft des Kontinents. Wenn wir das verstehen und nach diesem Vorbild handeln, ist die Entscheidung der Briten nicht der An fang vom Ende der europäischen Integration, sondern der Be ginn eines Friedens- und Wohlfahrtsprojekts, das von allen Bürgerinnen und Bürgern getragen und mit Leben gefüllt wird. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Bevor ich den nächsten Redner ans Pult bitte, möchte ich viele Gäste im Plenarsaal begrüßen. Zunächst be grüße ich junge unbegleitete Geflüchtete aus Afghanistan, Sy rien, dem Irak, Somalia und Sierra Leone. Herzlich willkom men!

(Beifall SPD, DIE LINKE, CDU, B90/GRÜNE, BVB/ FREIE WÄHLER Gruppe sowie von der Regierungs bank)

Zudem begrüße ich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Uni versität Viadrina in Frankfurt (Oder). Auch Ihnen ein herzli ches Willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

In diesem Moment betreten Schülerinnen und Schüler des Georg-Mendheim-Oberstufenzentrums aus Oranienburg sowie Schülerinnen und Schüler des Bohnstedt-Gymnasiums Luckau die Tribüne. Euch allen, Ihnen allen ein herzliches Willkom men!

(Allgemeiner Beifall)

Wir kommen zum letzten Redebeitrag in der Aktuellen Stunde. Der Abgeordnete Büchel spricht für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eines ha ben das Referendum und das Ergebnis gebracht: dass wir wie der verstärkt über Europa und die Europäische Union diskutie ren und gemeinsam darüber reden, welche Vorteile die Europä

ische Union hat und vor allem welche Schlussfolgerungen wir ziehen müssen und welche Herausforderungen uns bevorste hen, um Europa für die Zukunft sozial zu gestalten. Diese De batte ist dringend notwendig.

(Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜNE)

Das Ergebnis des britischen Referendums, dass die Briten aus der der EU austreten, fiel denkbar knapp aus - das ist heute schon deutlich geworden -; die einzelnen Ergebnisse unter schieden sich stark nach Regionen und Alter. Ich bedaure die Entscheidung, die die Briten mehrheitlich getroffen haben, zu tiefst.

Wenn wir - darauf sind einige Vorredner bereits eingegangen - das Ergebnis genauer betrachten, sehen wir, dass vor allem die jüngeren Briten sich für eine Mitgliedschaft in der EU ausge sprochen haben. Ich glaube, es ist eine Chance für uns, für Eu ropa und die EU, genau dort, bei dem neuen Bild von Europa und der neuen Vorstellung der Europäischen Union dieser jun gen Menschen, anzusetzen. Auch ich habe in vielen Gesprä chen mit jungen Menschen aus den unterschiedlichsten Regio nen Europas erfahren, dass sie sich für ein Europa, für eine EU und vor allem - das freut mich ganz besonders - für ein soziales Europa aussprechen.

Genau diese Chance müssen wir nutzen, genau an diesem Punkt ansetzend die Debatte, den Dialog darüber zu führen, wie die Zukunft und die Gestaltung der EU aussehen können. Nachdenken und Debattieren über eine inhaltlich und struktu rell neue Europäische Union - wir brauchen den gemeinsamen Dialog über eine tatsächlich demokratische Struktur der Euro päischen Union und eine konkrete, belastbare sozialpolitische Säule, eben über ein tatsächlich soziales Europa, damit Bran denburg einmal Teil einer demokratischen und sozialen Euro päischen Union sein kann.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Bei allen wirtschaftlichen, kulturellen und touristischen Vortei len, die die europäische Integration für die Bürgerinnen und Bürger mit sich brachte, haben die Bürger nicht nur des Protes tes wegen für den Brexit gestimmt; vielfach weckte eine sozia le Verunsicherung die Skepsis gegenüber der EU. Die Bürge rinnen und Bürger verlangen zu Recht, dass die EU kein ano nymes Gebilde „im fernen Brüssel“ ist, sondern dass dort ihre Bedürfnisse, Sorgen und Anliegen ernst genommen werden. Europa ist eben nicht nur Brüssel und das Frankfurter Banken viertel - nein, jeder von uns ist Europa und Mitglied dieser Eu ropäischen Union.

(Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜNE)

Wir haben heute in diesem Haus und schon in vielen anderen Debatten mehrfach hören können, wie gut sich auch Branden burg dank Europa entwickeln konnte. Dies gilt es zu bewahren. Die Bürgerinnen und Bürger freuen sich, wenn ihr Anspruch durch Infrastrukturprojekte erfüllt wird, aber die Europaflagge auf Baustellenschildern allein reicht nicht aus - weder in Groß britannien noch in Brandenburg -, um den europäischen Ge danken zu leben. Vielmehr ist es wichtig, die Alltagssorgen der Menschen, insbesondere ihre sozialen Belange, die weder durch Staatsgrenzen bedingt sind noch an ihnen haltmachen, ernst zu nehmen und gemeinsam - in einer Europäischen Ge meinschaft - zu besprechen.

Wir wollen diesen Dialog gemeinschaftlich mit unseren euro päischen Partnern führen und mit ihnen gemeinsam Lösungen suchen, entwickeln und umsetzen. Brandenburg liegt im Her zen Europas, darum müssen wir genau diesen Dialog mit die sen Partnern in Brandenburg und aus Brandenburg heraus, mit den Bürgerinnen und Bürgern und den Jugendlichen führen, damit wir in Zukunft ein demokratisches und soziales Europa haben können. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Damit sind wir am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen über den Entschließungsantrag der AfD-Fraktion auf Drucksache 6/4649 ab. Wer dem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 1 und rufe Tagesordnungs punkt 2 auf:

Fragestunde

Drucksache 6/4613

Drucksache 6/4567

Dazu liegen eine Dringliche und eine mündliche Anfrage vor. Wir beginnen mit der Dringlichen Anfrage 13 (Bund und Län der einigen sich auf die Verteilung der Kosten für Integration), gestellt vom Abgeordneten Wilke von der Fraktion DIE LIN KE.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Zunächst herzlichen Dank für die Zulassung der Dringlichen Anfrage.

Es geht um die Verteilung der Kosten für die Integration Ge flüchteter. Laut Medienberichten gab es am 7. Juli eine Minis terpräsidentenkonferenz, bei der zwischen den Ministerpräsi denten, dem Bundesfinanzminister und der Bundeskanzlerin die Einigung erzielt wurde, dass die Länder über die nächsten zwei Jahre hinweg für die Kosten der Integration von Geflüch teten mit ca. sieben Milliarden Euro zu rechnen haben.

Daher frage ich die Landesregierung: Welche Auswirkungen wird das auf den Landeshaushalt haben?

Für die Landesregierung antwortet Minister Görke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, nach der Vereinbarung vom 7. Juli stellt der Bund den Ländern in Form einer Integrationspau schale für die Jahre 2016, 2017 und 2018 jeweils zwei Milliar den Euro zur Verfügung, die über den Länderanteil in der Um satzsteuer ausgereicht werden. Das sind ca. 60 Millionen Euro im Jahr 2016 und jeweils 60 Millionen in den Jahren 2017 und

2018. Damit beträgt die Beteiligung des Bundes an der Finan zierung der Kosten, die dem Land bei der Erfüllung der flücht lingsbedingten Aufgaben entstehen, nach den aktuellen Be rechnungen 36 % in diesem Jahr, 30 % im Jahr 2017 und 34 % im Jahr 2018. Das bedeutet, dass das Land weiterhin den Groß teil der Integrationskosten der zu uns kommenden Menschen stemmt: in diesem Jahr 314 Millionen Euro bei einer Ausga bensumme von 491 Millionen Euro, im Jahr 2017 398 von 573 Millionen Euro und im Jahr 2018 - nach den Prognosen in den Haushaltsentwürfen - 315 von insgesamt 479 Millionen Euro. Das sei hier einmal gesagt.

Eine weitere Milliarde Euro stellt der Bund jeweils hälftig in den Jahren 2017 und 2018 als Kompensationsmittel für den Wohnungsbau zur Verfügung. Unter Anwendung des König steiner Schlüssels erhält das Land jeweils eine Tranche von rund 15 Millionen Euro in den Jahren 2017 und 2018. Diese Mittel werden zu 100 % dem Wohnungsbauvermögen zuge führt und sind ein durchlaufender Posten im Landeshaushalt.

Meine Damen und Herren! Ich teile die Einschätzung des Mi nisterpräsidenten, dass es ein weiterer Beitrag des Bundes an der Finanzierung der Flüchtlingskosten ist, aber auch noch deutliche Nachbesserungen erforderlich sind. Denn von einer hälftigen Kostenbeteiligung gegenüber dem Bund sind wir weit entfernt. Insofern bleiben wir im Gespräch und bei unse ren Forderungen nach einer nachhaltigen Unterstützung. - Vie len Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank. - Wir setzen die Fragestunde fort. Die Abgeord nete Lehmann ist derzeit nicht anwesend. Daher erhält der Ab geordnete Lakenmacher die Gelegenheit, Frage 591 (Dienst wagenaffäre in Brandenburg) zu stellen.

In der Dienstwagenaffäre des früheren Büroleiters von Minis terpräsident Dr. Dietmar Woidke und stellvertretenden Landes branddirektors soll das Ministerium des Innern und für Kom munales laut Presseberichterstattung lange Zeit nicht gehandelt haben, obwohl ein „Abschlussbericht zur Plausibilitätsprüfung von Fahrtenbüchern“ bereits im September 2015 vorgelegen und es in diesem Zusammenhang Hinweise aus dem eigenen Haus auf mögliche Straftaten gegeben haben soll.

Ich frage die Landesregierung: Welche Verdachtsmomente hin sichtlich eines strafbaren Verhaltens des stellvertretenden Lan desbranddirektors gab es zu welchen Zeitpunkten?

Für die Landesregierung antwortet Innenminister Schröter.