Protocol of the Session on July 15, 2016

Danke. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Dr. Gauland für die AfD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der Linken! Ich habe den vorliegenden Antrag zum Brexit sehr genau gelesen. Es ist zwar ein außenpolitisches Thema,

aber es hat natürlich auch mit Brandenburg zu tun. Der Finanz minister hat deutlich gemacht, wie es mit Brandenburg zu tun haben könnte. Dass er solche Überlegungen anstellt, halte ich für vernünftig. Das ist seine Aufgabe.

Im Grunde genommen, liebe Kollegen, besagt Ihr Antrag - und so sind ja auch die Reden gewesen -: Wir dürfen Europa nicht verlieren. Wir dürfen den Freihandel nicht gefährden. Wir dür fen das Erreichte nicht aufs Spiel setzen.

Das ist auch ganz die Politik der AfD. Das ist vernünftig. Man kann es durchaus auch einmal in diesem Hohen Hause sagen, wenn die Linke etwas sehr Vernünftiges fordert.

(Gelächter DIE LINKE)

Ich kann auch nur Ihrer Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Frau Wagenknecht, zustimmen, wenn sie sagt, dass der Brexit als ein Weckruf für eine Erneuerung der EU mit deutlich mehr Demokratie verstanden werden könne.

(Beifall AfD)

Sie hat vollkommen Recht, wenn sie sagt: Der Brexit war kein Votum gegen Europa, sondern gegen den „Brüsseler Club“.

(Jung [AfD]: Genau!)

Denn es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass die EU als ein Projekt abgehobener und unkontrollierbarer Eliten gesehen wird,

(Beifall AfD)

- ein Projekt der Junckers, Schulzes und Draghis,

(Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Na! Na! Na!)

- die hinter verschlossenen Türen über die Köpfe und Interes sen der Völker hinweg agieren.

(Beifall AfD)

Liebe Kollegen, es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass das Gefühl der Entmündigung und der Fremdbestimmung durch die Handhabung der Flüchtlingskrise massiv verstärkt worden ist.

(Beifall AfD)

Den Briten - das konnten Sie an den Brexit-Plakaten sehen - gingen schon die Einwanderungen aus anderen EU-Ländern - aus Polen, Rumänien und Spanien - zu weit. Auf Merkels naive Willkommenspolitik im vergangenen Herbst blickte man in England nur noch mit blankem Entsetzen. Ich fürchte, die Bun deskanzlerin hat viel dazu beigetragen, dass dieses Votum so ausgegangen ist.

(Beifall AfD)

Das hat auch Frau Wagenknecht erkannt. Sie hat erkannt, dass Zuwanderung Grenzen braucht. Sie hat auch erkannt, dass sich die Linke von Merkels Flüchtlingspolitik hat mit verhaften las sen. Für diesen Realismus müssen wir Frau Wagenknecht lo ben.

Meine Damen und Herren, ich bin auch völlig bei ihr, wenn es darum geht, auch in Deutschland Referenden zu solch wichti gen Fragen wie der EU-Mitgliedschaft durchzuführen.

(Beifall AfD)

Denn irgendjemand muss Leuten wie dem Kommissionspräsi denten Juncker einmal Grenzen aufzeigen, der - wie die „FAZ“ kürzlich schrieb - den Schuss nicht gehört hat, wenn ihm nach dem Brexit nichts Weiteres, nichts Besseres einfällt, als von ei ner weiteren Vertiefung der Union zu sprechen. Das ist nun im Moment das Letzte, was die Menschen wollen.

(Beifall AfD)

Die Forderung Wagenknechts nach nationalen Referenden in so wichtigen Grundsatzfragen wie den Europäischen Verträgen, den Freihandelsabkommen CETA und TTIP zeigt aber noch et was anderes. Da würde ich gern auf meine Vorrednerin zurück kommen. Frau Hackenschmidt, Sie haben so schön gesagt, sol che wichtigen Fragen könne man nicht durch Referenden lösen

(Zuruf: Komplexe!)

- komplexe oder komplizierte Fragen. Wenn das Ihre Vorstel lung von Demokratie ist, habe ich ein gewisses Problem damit. Grundsatzfragen einer Nation, eines Staates, eines Volkes sol len von den Menschen entschieden werden und nicht unter Umständen von wenigen Abgeordneten.

Erinnern Sie sich bitte einmal daran, wie im Bundestag über den EU-Rettungsschirm abgestimmt wurde. Da gaben Abge ordnete zu, dass sie überhaupt nicht gelesen hatten, worüber sie abstimmten. Das nehmen Sie hin. Wenn aber nicht jeder in der Bevölkerung die letzten Feinheiten eines Abkommens kennt, sagen Sie: Solche Referenden wollen wir gar nicht haben. - Das halte ich für falsch.

(Beifall AfD)

Frau Wagenknecht hat auch erkannt, dass in einem vereinten Europa der Nationalstaat noch immer die Heimat seiner Bürger und ihr erster Bezugsrahmen für politische Teilhabe ist.

Herr Abgeordneter, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Ja, auch wenn Sie das nicht hören wollen:

(Domres [DIE LINKE]: Nein, die Redezeit ist um!)

Die Wirklichkeit der Völker ist immer noch dadurch bestimmt, dass die Nationen die wichtigste Bühne demokratischer Selbst bestimmung sind. Das ist auch die Zukunft Europas: starke, selbstbewusste und souveräne Nationalstaaten in einem Europa der Nationen. - Danke.

(Beifall AfD)

Es ist eine Kurzintervention angezeigt worden. Herr Christof fers, Sie haben die Gelegenheit.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Gauland, ich glaube, wenn wir beide über Europa sprechen, haben wir völlig Verschiedenes im Sinn.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD sowie der Abge ordneten Nonnemacher [B90/GRÜNE] - Zuruf von der AfD)

Ich rede nicht mit den Kollegen der Front National in Frank reich und habe keine Beziehungen zu extremen Parteien in Ös terreich. Insofern, meine Damen und Herren, um das auch ein mal klarzustellen: Sie können Frau Wagenknecht als Kronzeu gin darstellen, wofür auch immer Sie möchten. Diese Position, die Sie ihr unterstellen zu müssen meinten, ist aber nicht mehr heitsfähig und wird von uns nicht getragen - Punkt!

(Beifall DIE LINKE und des Abgeordneten Königer [AfD] - Zurufe von der AfD)

Herr Dr. Gauland, möchten Sie auf diese Kurzintervention re agieren? - Nein. Dann fahren wir mit der Aussprache fort. Zu uns spricht nun der Abgeordnete Jungclaus für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(An die AfD-Fraktion gerichtete Zurufe von den Fraktio nen DIE LINKE und SPD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Ab geordnete! Liebe Gäste! Jetzt alle mal wieder beruhigen! An dere haben es noch viel schwerer; die haben jetzt zwei AfDFraktionen zu ertragen.

(Lachen und Beifall B90/GRÜNE, SPD, CDU und DIE LINKE)

Am 23. Juni haben 52 % der Briten für den Austritt Großbri tanniens aus der EU gestimmt. Diese Entscheidung muss man akzeptieren, kann sie aber als überzeugter Europäer nur zu tiefst bedauern.

Die EU ist eine historisch und weltweit einzigartige Errungen schaft. Sie ist Garant für Frieden, Symbol für das Überwinden von Grenzen, für gemeinsame Freiheit und gleiches Recht. Wir reisen, ohne einen Pass vorzeigen oder Geld umtauschen zu müssen; wir haben Freunde in Warschau, können unkompli ziert in Madrid studieren oder in Brüssel arbeiten. Unser Ziel sollte daher sein, den Zusammenhalt der verbleibenden EUMitgliedsstaaten zu bewahren und zu stärken.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Wir fordern, mit Großbritannien zügig faire Verhandlungen aufzunehmen, sobald der Austrittsantrag vorliegt. Dabei muss aber klar sein, dass es die vier Grundfreiheiten der EU nur im Paket gibt. Wer Kapital-, Waren- und Dienstleistungsfreiheit will, kann nicht gleichzeitig die Bewegungsfreiheit der Men schen einschränken.

(Beifall B90/GRÜNE - Frau Nonnemacher [B90/GRÜ NE]: Bravo! - Vereinzelt Beifall DIE LINKE sowie der Abgeordneten Lieske [SPD])