Protocol of the Session on June 9, 2016

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag des Abgeordneten Vogel für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN fort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der kleinen Lausitz kann man besichtigen, welche Spur der Verwüstung der Braunkohle-Raubbau an Mensch und Natur hinterlassen hat. Manches ist mit bloßem Auge erkennbar - wie die aktiven Tagebaue oder die ockergelb verfärbte Spree. Man ches ist nur noch anhand von Fotografien oder Erzählungen der Einheimischen nachzuvollziehen - wie die Erinnerung an frü here Wiesen und Wälder oder die 130 abgebaggerten Dörfer. Manches ist auch nur durch wissenschaftliche Methoden nach weisbar - wie die Anreicherung der Böden mit Quecksilber, der Sulfatgehalt der Gewässer oder der Beitrag, den Milliarden Tonnen verbrannter Braunkohle in den letzten Jahrzehnten zur Anreicherung der Erdatmosphäre mit dem Treibhausgas CO2 geleistet haben.

Aber allen Warnungen vor den Folgen der Braunkohleverstro mung für den Klimawandel zum Trotz wird die Lausitz von Nochten über Welzow bis Jänschwalde malträtiert, als gäbe es keinen Klimawandel und keine Beschlüsse von Paris. Diese Beschlüsse sind so eindeutig wie die Unwetterkatastrophen in Bayern und Baden-Württemberg. Erfolge im Klimaschutz sind dringend notwendig, wenn wir den Klimawandel nicht voll kommen aus dem Ruder laufen lassen wollen. Die Vereinba rungen der Weltklimakonferenz umzusetzen erfordert mehr Anstrengungen beim Klimaschutz, auch wenn die Veränderun gen schmerzhaft sein können.

(Beifall B90/GRÜNE)

Die Landesregierung hat dafür allerdings kein Konzept. In ih rem Antrag kommt das Klima nur ein einziges Mal vor: als

Forderung, neben dem Klima doch auch die Kosten und den Netzausbau im Blick zu behalten. - Herr Holzschuher hat heute wieder die Fiktion einer friedlichen und langanhaltenden Ko existenz von Braunkohle und den erneuerbaren Energien dar gestellt. Wir denken, das geht in die Irre.

(Beifall B90/GRÜNE)

Wenn man die Anträge zum Ausbremsen des Windkraftaus baus in Brandenburg von gleich drei Fraktionen und Gruppen liest, könnte man meinen, die Klimaerwärmung sei eine Fiktion. Die einzige Fraktion, die diese Meinung auch offen ver tritt, die Energiewende für überflüssig und Kohlendioxid für ein Düngemittel hält und daher konsequent für Atom- und Kohlestrom eintritt, ist die der AfD. Die CDU und Freien Wäh ler torpedieren mit den von ihnen geforderten Ausbaubeschrän kungen die Energiewende, ohne verbal von ihr abrücken zu wollen. SPD und Linke lassen mit dem hier vorliegenden An trag ebenfalls nicht erkennen, dass sie die Zeichen der Zeit er kannt haben. Allein die Vorstellung, dass der notwendige Dia log zur Zukunft der Braunkohle „auf keinen Fall auf dem Rü cken der Beschäftigten im Tagebau oder den Braunkohletage bauen ausgetragen werden darf“, ist, soweit es die Tagebaue betrifft, nicht nur sprachlich absurd. Natürlich soll die Energie wende nicht auf die Knochen der Beschäftigten gehen, und die Landesregierung muss sich gemeinsam mit der Region um ein Lausitzkonzept, um Anschlussbeschäftigungen für die Arbeit nehmer kümmern. Der leider zurückgezogene CDU-Antrag, Herr Homeyer, hatte mehr Gehalt als alles, was hier bisher in Reden gesagt wurde. Bedauerlicherweise sind Sie darauf nur unzureichend eingegangen.

Aber genauso wie der Atomausstieg das Geschäftsmodell der Atomindustrie zerstört, die Umstellung in der Landwirtschaft auf Ökolandbau auf Kosten der Chemieindustrie oder die Ein führung der Elektromobilität auf Kosten der Erdölraffinerien geht, muss die Energiewende zwangsläufig auf Kosten der Braunkohletagebaue gehen. Um im hinkeligen Bild der Koali tion zu bleiben: Auf wessen Rücken denn sonst?

(Beifall B90/GRÜNE)

Innovation und Fortschritt kennen nun einmal Sieger und Ver lierer. Die Landesregierung täuscht sich und die Kumpel vor Ort, wenn sie den Eindruck erweckt, dass sie die Braunkohle unternehmen noch Jahrzehnte künstlich beatmen kann. Deswegen ist es auch so fatal, dass die Landesregierung, statt in Schweden auf einen geordneten Ausstieg aus der Braunkohle zu drängen, aktiv den Verkauf der Braunkohlesparte eingefor dert hat und sich demnächst mit dem tschechisch-luxembur gisch-zypriotischen Schachtelunternehmen EPH über die Ab deckung der Braunkohlefolgekosten streiten darf.

Im Gegensatz zur Landesregierung hat die große Mehrheit der Bevölkerung erkannt, dass wir unseren CO2-Ausstoß schnell und drastisch reduzieren müssen, dabei aber zugleich auch von der Energiewende profitieren können, wenn wir die Braunkoh le durch die erneuerbaren Energien ersetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sich gegen die mächtigen Atomkonzerne und ihre brandgefährlichen Kraftwerke aufzu lehnen, erschien in den 70er-Jahren, als die Anti-Atom-Bewe gung geboren wurde, als ein geradezu irrwitziges Vorhaben. Alle bundesdeutschen Parteien wie auch die ostdeutschen Blockparteien standen in Treue fest zur Atomkraft. Friedliche

Proteste wurden kleingeredet, ziviler Ungehorsam wurde als Gewalt diffamiert und mit massiven Polizeieinsätzen wurden wieder und wieder Grundrechte verletzt. Aber die Menschen der Anti-Atom-Bewegung haben nicht aufgegeben. 2022, wenn das letzte Atomkraftwerk in Deutschland endgültig still gelegt sein wird, geht die Anti-Atom-Bewegung in ihr 50. Jahr.

Das Pfingstwochenende in der Lausitz hat gezeigt, dass diese Bewegung einen Nachfolger gefunden hat: Eine weltweite Kli maschutzbewegung baut sich auf, und sie ist zugleich eine An ti-Kohle-Bewegung. Die Klimaschützer eint die Überzeugung, dass alle bisherigen Beschlüsse völlig unzureichend geblieben sind, um die globale Erwärmung auf unter zwei Grad zu be grenzen. Die Klimaschutzbewegung hat es genauso wie ihre Vorläufer mit ähnlich mächtigen Gegnern zu tun. Ihre Aktivis tinnen und Aktivisten haben erkannt, dass deutlichere Zeichen gegen den Kohleabbau gesetzt werden müssen als das Schalten von Anzeigen oder das Verteilern von Flyern. Und sie kehren zu den Aktionsformen der Anti-AKW-Bewegung, der Umwelt bewegung oder der westdeutschen Friedensbewegung gegen die amerikanischen Atomraketen zurück. Die Aktionsformen reichen von Menschenketten über Blockaden bis hin zu Platzbe setzungen. Aber dabei sollte allen klar sein - uns ist das klar -, dass es sich immer um symbolische Aktionen handelt. Die dau erhafte Abschaltung und Stilllegung von Kraftwerken, die Um setzung der Energiewende erfolgt nicht durch eine einmalige Aktionswoche vor Ort, sondern durch Politik, durch Verbrau cherverhalten und, ja, mitunter durch die Entscheidung von Un ternehmen, sich von rufschädigenden Produkten zu trennen.

Dass nach dem Rheinland dieses Jahr die Lausitz ins Zentrum der Aktionen gerückt wurde, verwundert nicht, da mit dem Verkauf der Braunkohlesparte von Vattenfall eine entscheiden de Weichenstellung in der Frage „Kohleausstieg - Ja oder Nein?“ gesehen wurde. Die Aktionen in der Lausitz haben zu mindest bewirkt, dass der Verkauf der Braunkohlesparte in Schweden nicht so glatt über die Bühne gehen wird, wie sich das hier einige vorgestellt haben.

Angesichts der Vorerfahrungen aus den Aktionen im nord rhein-westfälischen Braunkohlerevier freuen wir uns, dass das Pfingstwochenende weitgehend friedlich abgelaufen ist. Dies ist dem auf strikte Gewaltfreiheit abzielenden Aktionskonsens der Teilnehmer und Teilnehmerinnen sowie der Deeskalations strategie der Polizei, aber auch der weitgehenden Zurückhal tung des Vattenfall-Werkschutzes zu verdanken.

Dass es Pfingsten zu Grenzüberschreitungen kommen konnte, war von vornherein einkalkuliert. Aber bitte: Wir leben nicht mehr im Adenauer-Deutschland oder in der Honecker-DDR. Versammlungen müssen nicht mehr genehmigt, sondern nur noch angezeigt werden, Blockaden werden seit 1995 nicht mehr generell als Nötigung eingestuft, Demonstranten dürfen seit 1986 nicht mehr eingekesselt werden, das Begehen nicht umfriedeter Besitztümer stellt weder Haus- noch Landfriedens bruch dar, Mitläufer und neutrale Beobachter machen sich seit der 3. Strafrechtsreform von 1970 auch nicht mehr des Land friedensbruchs strafbar, und niemand darf ohne Richterspruch länger als 12 Stunden zum Zwecke der Identitätsfeststellung festgehalten werden. Das ist wohl einigen hier im Hause, deren Weltbild noch im Jahr 1955 oder früher wurzelt, nicht so rich tig bekannt.

(Genilke [CDU]: Das können wir sehr gut unterschei den!)

Die Polizei ist im Übrigen auch nicht der Werkschutz eines Unternehmens, sondern einem strikten Neutralitätsgebot unter worfen. Wo sie sich auf die Seite eines Unternehmens schlägt, wie es diese Woche bei der Räumung einer Blockade

(Dr. Redmann [CDU]: Sie ist der Rechtsordnung ver pflichtet!)

von streikenden Arbeitern in Baruth gewesen zu sein scheint, gibt es zu Recht einen öffentlichen Aufschrei. Wir danken der Polizei für ihr besonnenes und kluges Vorgehen, das eine sinn lose Eskalation der Gewalt - anders als im Rheinland - ge schickt verhindert hat.

(Beifall B90/GRÜNE und vereinzelt DIE LINKE)

Einen Kontrollverlust hat es nicht gegeben. Wo Straftaten be gangen wurden, ist die Polizei auch eingeschritten. Denn darin sind wir uns alle einig: Das Betreten oder gar die Besetzung von Kohlebunkern oder Leitwarten musste schon im Interesse der Aktiven verhindert werden. Gewalt gegen Menschen und Zerstörungen lehnen wir genauso ab, wie es im Aktionskon sens verankert war. Dass sich Einzelne nicht daran gehalten haben, entwertet nicht die Aktion und das Anliegen der De monstranten.

Noch ein Wort am Rande: Ziviler Ungehorsam ging immer da mit einher, sich mit der gesamten Person zu seinen Taten zu bekennen. Der Versuch, als Herr X oder Frau Y seine Identität zu verschleiern, um unangenehmen juristischen Folgen aus dem Weg zu gehen, ist damit nicht in Einklang zu bringen.

(Beifall B90/GRÜNE sowie des Abgeordneten Domres [DIE LINKE])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir verurteilen aber auch, dass es zu Übergriffen von Rechtsextremisten auf Teilnehmer des Camps gekommen ist.

(Königer [AfD]: Ach, das verurteilen Sie?)

Die Tatsache, dass in zwei Polizeiaktionen gegen rund 100 be kannte Rechte Platzverweise ausgesprochen wurden, Messer und Quarzhandschuhe beschlagnahmt wurden, spricht für sich.

(Königer [AfD]: Sie sind sowas von blind auf dem linken Auge!)

Wir begrüßen, dass die Koalition ihren Antrag um diesen Punkt ergänzt hat.

Es ist nachvollziehbar, dass diejenigen, die den Kraftwerks zaun durchbrochen oder Anlagen beschädigt haben, mit einer Strafanzeige rechnen müssen. Hier von Öko-Terroristen zu sprechen heißt aber nach den NSU-Morden, nach Paris und Brüssel, den Begriff des Terrors zu banalisieren.

(Beifall B90/GRÜNE sowie des Abgeordneten Domres [DIE LINKE])

Die entstandenen Sachschäden sind zu verurteilen, doch anders als die Schäden an Natur und Lebensqualität durch die Tage baue waren diese schnell wieder zu reparieren.

Aufgabe der Politik muss es jetzt sein, dem Anliegen der Kli maschutzbewegung nach einem schnellen Ausstieg aus der Braunkohle mit konkretem Handeln zu entsprechen. Jetzt kann Brandenburg beim Klimaschutz aktiver werden oder sich wahlweise als Opfer der Politik der Bundesregierung darstellen und abwarten. Abwarten ist allerdings Wasser auf die Mühlen derjenigen, die den Menschen in Brandenburg suggerieren, der weitere Ausbau der Windenergie sei überflüssig, die Energie wende zu teuer und die Energieversorgung durch sie gefährdet.

Wir brauchen eine Gestaltung des Wandels mit neuen Unter nehmen und neuen Arbeitsplätzen. Lassen Sie Brandenburg zum Energiewendeland erblühen. Gestalten Sie gemeinsam mit den Brandenburgerinnen und Brandenburgern den Wandel und unterstützen Sie unseren Entschließungsantrag. - Vielen Dank!

(Beifall B90/GRÜNE - Königer [AfD]: Sie sind ein Ge waltrelativierer!)

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag von Minister Gerber fort. Er spricht für die Landesregierung.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich fange mit dem Unangenehmen an, dann habe ich es hinter mir: Einer Zeitung war zu entnehmen, Herr Gauland, dass Sie Polizistin nen und Polizisten als Knallchargen bezeichnet haben. Es ist gut, dass Sie das einmal gesagt haben, weil es Ihre Haltung of fenbart, sich, wenn es um Sie selbst - als jaguarfahrende Elite - geht, nicht an den Rechtsstaat halten zu müssen

(Oh! bei der AfD - Königer [AfD]: Was kostet denn Ihr Dienstwagen? Was kostet Ihr Audi?)

und auf Polizistinnen und Polizisten hinabzuschauen.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Meine Damen und Herren! Viel zu lange lief die Energiewende unter dem Motto „Mehr, mehr, mehr - und alles wird gut“, aber wenn die Energiewende erfolgreich sein soll - was ich will - muss das anders werden. Die Kostenfrage, die Interessen der arbeitenden Menschen und all derjenigen, die keinen dicken Geldbeutel haben, sowie die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft müssen wieder gleichrangig sein. Deshalb muss ein Umdenken stattfinden.

Was heißt das? Wir brauchen erstens mehr Steuerung bei der Energiewende. Der marktwirtschaftliche Ansatz der EEG-No velle ist deshalb absolut richtig.

Dazu gehört zweitens ein fairer bundesweiter Lastenausgleich bei den Kosten der Energiewende - Stichwort Netzentgelte. Die krasse Benachteiligung des Ostens muss endlich aufhören.

Dazu gehört drittens die Erkenntnis, dass wir nicht gleichzeitig aus Atomkraft und Braunkohle aussteigen können, denn die Erneuerbaren stehen eben leider noch nicht für Versorgungssi cherheit. Der Netzausbau hinkt, und die Speichertechnologien stecken auch noch in den Kinderschuhen. Hier liegen die wah

ren Herausforderungen. Hier müssen wir auch viel mehr unter nehmen, da sind wir uns hoffentlich alle einig.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Wo stehen wir heute, meine Damen und Herren, bei der Ener giewende? Nach 25 Jahren Einspeisen von erneuerbaren Ener gien decken die erneuerbaren Energien 12,5 % unseres Gesamtenergieverbrauchs. Davon entfallen 6,2 % auf die Biomasse und 2,4 % auf die Windkraft. Die niedrigste Einspeisung der Erneuerbaren im Jahr 2014 lag bei 0,12 Gigawatt, das sind 0,15 % der installierten Leistung.

Noch etwas: 24 Milliarden Euro zahlen die Stromkunden jedes Jahr für die EEG-Umlage, eine Umlage, die nicht zuletzt unter sozialpolitischen Gesichtspunkten das Geld von der Omi in der Platte zu den Betreibern von Wind- und Photovoltaik-Fonds umverteilt. 24 Milliarden Euro, das ist fast so viel, wie der Bund pro Jahr für Bildung, Forschung und Wirtschaft in seinem Haushalt hat. Die Energiewende steht also noch am Anfang.