Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren und, soweit zutreffend, liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns liegt ein Antrag der AfD-Fraktion auf Einsetzung eines Sonderausschusses zur Kreisgebietsreform vor. Die Antragstellerin verweist in der Begründung auf die großen, ressortübergreifenden Auswirkungen der geplanten Reform. Es sollen, wie eben vorgetragen, nicht nur die Planer, sondern auch die Betroffenen einbezogen sowie die Erfahrungen aus Kreisgebietsreformen in anderen Ländern, zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern, berücksichtigt werden. Schließlich sollen Fragen zur finanziellen Auswirkung der Einkreisung einzelner Städte beantwortet werden, und die Reform soll transparent und nicht ohne die Bürger entschieden werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der AfD-Fraktion, auch wir wollen eine ressortübergreifende Abstimmung zu der Reform. Auch wir wollen eine möglichst umfassende Einbindung der Betroffenen. Auch wir wollen und werden uns die finanziellen Auswirkungen sehr genau ansehen. Auch wir wollen diese Reform transparent gestalten. Aber ich frage Sie: Ist hierfür wirklich die Einsetzung eines Sonderausschusses notwendig? Wir - ich beantworte Ihre Frage - sehen diese Notwendigkeit derzeit nicht.
Der Landtag hat für die anstehenden Reformvorhaben bereits eine gute Vorarbeit geleistet. Im März 2011 - Sie haben es eben erwähnt - hat die Enquetekommission mit der Bezeichnung „Kommunal- und Landesverwaltung - bürgernah, effektiv und zukunftsfest“ ihre Arbeit begonnen. Ihr gehörten übrigens nicht nur sieben Mitglieder des Landtags an, sondern auch sieben externe Sachverständige. Unter ihnen waren auch die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände Brandenburgs. Die Kommission hat - dies nur einmal in Zahlen - 26 öffentliche Sitzungen und zwei Klausurtagungen durchgeführt, über 75 Experten gehört sowie den Gesamtbestand aller Aufgaben, auch deren horizontale und vertikale Verteilung, analysiert.
Frau Kollegin Bessin, Sie fordern vertiefende Gutachten zur Auswirkung der Einkreisung der Städte. Es liegen seit etwa zwei Wochen drei Gutachten vor, unter anderem zu den finanziellen Auswirkungen. Die breit angelegte Diskussion und Beteiligung hat unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungen verdeutlicht. Auf den Abschlussbericht der Kommission sei verwiesen. Er enthält auch die Sondervoten einzelner Mitglieder.
Die Arbeit der Kommission hat zur Steigerung des Problembewusstseins und zur Steigerung der Reformbereitschaft auf allen Ebenen beigetragen. Auf diese gute Vorarbeit werden wir aufbauen, und diese Arbeit wird - so stellen wir es uns jedenfalls vor - von dem hierfür zuständigen Innenausschuss des Brandenburger Landtags fortgeführt werden. Natürlich wird er nicht alle Fragen allein erörtern und beschließen können, sondern gleichwohl die anderen Fachausschüsse einbinden. So wird es sicherlich gemeinsame Anhörungen und gemeinsame Beratungen der mitberatenden Ausschüsse geben, und diese werden sicherlich in die Entscheidungsfindung einfließen. Der
So hat der Landtag bisher gearbeitet, und diese Arbeitsweise werden wir fortsetzen. Um inhaltlich fundiert, ressortübergreifend und transparent zu arbeiten, bedarf es nicht der Schaffung eines Sonderausschusses, wie ihn die AfD-Fraktion fordert. Und wenn wir ehrlich sind: Wer wären denn diejenigen, die in einem solchen Sonderausschuss mitarbeiten würden? Es wären doch die gleichen Abgeordneten, die bereits im Innenausschuss und in den mitberatenden Ausschüssen vertreten sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bezeichnung „Sonderausschuss Kreisgebietsreform“ ist ganz sicher auch sehr bewusst gewählt. In der „Lausitzer Rundschau“ vom 10.11.2014 wird die Brandenburger AfD-Fraktion wie folgt zitiert:
„Die Kreisgebietsreform entscheidet darüber, ob es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch ländliches Leben in der Fläche Brandenburgs geben wird.“
Wer so argumentiert, nimmt billigend in Kauf, dass Vorbehalte gegen die Reform entstehen und anwachsen. Man könnte auch sagen: Mit derartigen Parolen sollen die Menschen in unserem Land verunsichert werden. Das werden wir nicht zulassen.
Ich fasse zusammen. Der beantragte Sonderausschuss ist entbehrlich, weil der Innenausschuss sowie weitere Ausschüsse des Landtags sich dem Thema in detaillierter und öffentlicher Debatte widmen und dabei die ressortübergreifenden Aspekte abstimmen werden. Er ist aber vor allem deshalb entbehrlich, weil wir keine Plattform für Panikmache und das Schüren von Existenzängsten brauchen können.
Deshalb wird die Fraktion der SPD dem in der Drucksache 6/102 vorgelegten Beschlussantrag nicht zustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können es an dieser Stelle kurz machen. Frau Bessin, den von Ihnen gewünschten Ausschuss gibt es schon, und zwar heißt er hier Innenausschuss.
All das, was Sie sich wünschen - die Behandlung der Kreisgebietsreform mit ihren Auswirkungen, die Anhörung von Betroffenen usw. -, können und werden wir im Innenausschuss durchführen.
Darüber hinaus werfen Sie aber wichtige Fragen auf. Das sind allerdings Fragen, die über die Kreisgebietsreform hinausge
hen, Fragen, die sich im Kern mit der Zukunft des ländlichen Raumes befassen. Die Problemstellung ergibt sich nicht nur aus der Kreisgebietsreform, die Problemstellung ergibt sich vor allen Dingen aus dem demografischen Wandel. Selbstverständlich ist der Landtag Brandenburg aufgerufen, sich mit der Zukunft des ländlichen Raumes eingehend zu befassen, und zwar über den konkreten Anlass der Kreisgebietsreform hinaus.
Aus diesem Grund sind wir uns mit den Kollegen der Grünen einig, dass man diese Fragen in einem besonderen Ausschuss, nämlich einer Enquetekommission, beraten sollte. Und zwar sollten wir über die Kreisgebietsreform hinaus, über die Fragen der Kommunalstrukturen hinaus beleuchten, welche Auswirkungen der demografische Wandel im ländlichen Raum in den Bereichen Gesundheit, Bildungsstruktur, Straßen und ÖPNV hat. Das alles sind Fragen, die Sie auch benannt haben - das ist richtig -, sie gehören allerdings nicht in einen Sonderausschuss Kreisgebietsreform. Wir möchten dazu gern eine Enquetekommission einrichten. Wir würden uns wünschen, dass sich an der Diskussion um den Einsetzungsbeschluss alle Fraktionen in diesem Hause konstruktiv beteiligen, Sie genauso wie die Fraktionen der Koalition oder die Gruppe der Freien Wähler. Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nur allzu menschlich, dass man versucht, mit geringstmöglichem Aufwand eine höchstmögliche Wirkung zu erzielen. Aber das ist eine hohe Kunst. Und ich finde, diese Kunst ist Ihnen mit Ihrem Antrag nicht geglückt, meine Damen und Herren von der AfD. Es wäre besser gewesen, wenn Sie sich intensiver mit diesem Thema befasst, sich genauer informiert und vorher überlegt hätten, was Sie eigentlich wollen.
Wir lehnen diesen Antrag aus mehreren Gründen ab. Erstens steht uns nicht nur eine Kreisgebietsreform bevor, sondern wir wollen eine Verwaltungsreform für dieses Land auf den Weg bringen, die mehr umfasst als den Zuschnitt der Landkreise. Dazu gehört eben vor allem auch eine Funktionalreform, die Auswirkungen auf die Landesverwaltung haben wird. Das ist kein dünnes Brett, das wir zu bohren haben. Das blenden Sie völlig aus. Dazu gehören die Fragen, wie wir Verwaltungsstrukturreformen auf der gemeindlichen Ebene voranbringen wollen - unter der Voraussetzung, dass es keine erneute landesweite Gemeindegebietsreform gibt.
Zweitens wäre es aus unserer Sicht völlig verfehlt, zum jetzigen Zeitpunkt festzulegen, in welcher Form wir dieses Vorhaben parlamentarisch bearbeiten wollen. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten, zumindest zwei. Denn der Innenausschuss ist zweifellos fachlich für eine solche Reform zuständig. Das ist unstrittig, da sind wir uns, denke ich, alle einig. Dort laufen die Fäden in diesen Fragen zusammen, dort liegen die Verantwortlichkeiten. Wir sollten uns darüber austauschen, ob dieser Ausschuss in der Lage ist, die notwendige Arbeit zusätzlich zum umfangreichen normalen Pensum zu leisten. Ich halte das für
möglich - da stimme ich mit meinen Vorrednern überein -, das ist ja in der Vergangenheit schon einmal so gehandhabt worden, nicht wahr, Christoph Schulze? Die damalige Gemeindegebietsreform ist ausschließlich über den Innenausschuss behandelt worden. Es gibt einiges, was man hinsichtlich dieser Reform kritisch sehen kann, aber die Anbindung an den Innenausschuss war, denke ich, richtig.
Vielleicht kommen wir bei genauer Betrachtung aber auch zu dem Schluss, dass es doch sinnvoll ist, einen Sonderausschuss zu bilden. Aber dies jetzt schon zu beschließen wäre meiner Ansicht nach verfrüht. Und dazu brauchen wir auch nicht den unausgegorenen Antrag der AfD. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir fangen nicht bei null an - das ist hier gesagt worden -, aber die Diskussionen, die heute hier stattgefunden haben, lassen schon einiges erahnen.
Da möchte ich auch gleich eine Bemerkung in Richtung CDU machen. Herr Senftleben hat - wahrscheinlich mit dem Schwung seines neuen Amtes - hier eine flammende Rede gehalten und manches gesagt, was man sich noch einmal genau ansehen muss. Ich will Sie daran erinnern, dass Ihr Beitrag zur Enquetekommission in der vergangenen Wahlperiode sehr überschaubar gewesen ist, was sich insbesondere an dem Sondervotum festmacht, das Sie zu dieser Enquetekommission abgegeben haben. Aber, meine Damen und Herren, so richtig habe ich heute nicht verstanden, was Sie im Zuge der bevorstehenden Reform eigentlich wollen. Sie haben Kritik geäußert, aber was Sie wollen, haben Sie nicht gesagt.
Ich habe den Begriff „Wahlbetrug“ aus Ihrem Munde gehört, Herr Senftleben. Ich entsinne mich an einen Wahlbetrug; der hat im Jahr 1999 stattgefunden.
Damals gab es hier eine vergleichbare Situation. Es hat in der 3. Wahlperiode eine Enquetekommission gegeben, und in der 4. Wahlperiode wurden deren Ergebnisse ignoriert. Die damalige CDU-Fraktion hatte sich erst zur Verteidigerin der Kleinstgemeinden in diesem Land aufgeschwungen - nicht wahr, Herr Kollege? - und ist dann wenige Monate später mit ihrem Innenminister einen völlig anderen Weg gegangen. Das war Wahlbetrug, meine Damen und Herren!
Kollege Ness führte aus, dass es beinahe wieder zu einem Wahlbetrug gekommen wäre. Sie können der SPD danken, dass sie Sie davor bewahrt hat, erneut Wahlbetrug zu begehen, indem sie Sie nicht in die Koalition genommen hat - mit Ihrer Absicht, alle kreisfreien Städte infrage zu stellen. Das zu sagen war mir wichtig. - Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Bessin, mit ihrem ersten regulären Antrag in diesem Parlament beantragt die AfD also einen „Sonderausschuss Kreisgebietsreform“. Da sage ich: „Herzlich willkommen in den Mühen der politischen Ebene“.
Welche Absicht hinter dem sehr formal gehaltenen Antrag steckt, lässt sich nur erahnen. Wollen Sie einen Neuaufguss der Enquetekommission 5/2? Ist Ihnen die Lektüre des Abschlussberichtes nebst den zahlreichen Gutachten zu mühsam? Möchten Sie eine Parallelveranstaltung zum Innen- und Kommunalausschuss etablieren, in dem die künftigen Reformschritte ausführlichst behandelt werden? Wenn ich mir Ihre Presseberichte zum Thema Funktional- und Gebietsreform anschaue, dann scheint diese ja eine Ausgeburt der Hölle, ähnlich bedrohlich wie der Untergang des Abendlandes. Da sich auch hier trefflich an Ressentiments und Ängsten andocken lässt - Stichwort: Identitäts- und Heimatverlust -, scheint mir mehr der Sand im Getriebe ausschlaggebend für Ihren Antrag zu sein.
So oder so: Dieser Antrag ist nicht zustimmungsfähig. Der Vorschlag ist unserer Ansicht nach weder praktikabel noch inhaltlich durchdacht.
Die Enquetekommission „Kommunal- und Landesverwaltung bürgernah, effektiv und zukunftsfest - Brandenburg 2020“ hat in ihrem Abschlussbericht im Herbst 2013 eine ganze Reihe von Fragen behandelt, deren Beantwortung notwendig ist, um das Land auf allen Ebenen zukunftsfähig zu machen. Vor dem Hintergrund der demografischen und finanziellen Entwicklung besteht hoher Reform- und Handlungsbedarf. In diesem Zusammenhang ist eine Kreisgebietsreform nur ein Aspekt, der auch nicht losgelöst von der Frage der Aufgabenverteilung zwischen dem Land und den Kommunen - Stichwort Funktionalreform -, der Stärkung der Verwaltungskraft der gemeindlichen Ebene oder der Weiterentwicklung der Finanzierungsmechanismen und des Finanzausgleichs betrachtet werden kann. Ich empfehle wirklich, den Abschlussbericht in seiner Gänze zu lesen und sich nicht nur auf einzelne Teilaspekte zu beziehen.
In diesem Landtag einen Sonderausschuss Kreisgebietsreform etablieren zu wollen kann nicht funktionieren, wenn nur ein Aspekt eines ganzen Bündels von Reformen herausgehoben wird.
Auch der Vergleich mit dem bereits eingesetzten Sonderausschuss BER zeigt, dass die Thematik in einem Sonderausschuss nicht richtig aufgehoben ist, denn es geht nicht um die Aufarbeitung von Versäumnissen bei einem Unternehmen mit Landesbeteiligung, sondern um einen landesweiten Dialog, zu dem die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände nicht einfach herbeizitiert werden können.
Für die federführende Beratung in Fragen einer kommunalen Struktur- und Gebietsreform ist der Ausschuss für Inneres und Kommunales der richtige Ort. Dort ist auch die Anhörung der kommunalen Familie, die bei allen kommunalrelevanten Fragestellungen zwingend vorgeschrieben ist, gut angesiedelt.
Für weitergehende Fragestellungen zur zukünftigen Entwicklung unseres Landes sind Enquetekommissionen des Landtags ein sinnvoller Ort, um die Diskussionen zu führen, wissenschaftlichen Sachverstand gleichberechtigt einzubeziehen und auch über den Tellerrand zu schauen. Eine Enquetekommission zur Zukunft des ländlichen Raumes würde diesem Landtag gut zu Gesicht stehen. Ich bin froh - wie Herr Dr. Redmann schon erwähnt hat -, dass es hierzu eine gemeinsame Initiative meiner Fraktion zusammen mit der CDU und den Freien Wählern geben wird. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Die Landesregierung hat Verzicht erklärt. Somit erhält noch einmal die antragstellende Fraktion das Wort. Bitte, Herr Königer.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Brandenburger! Als kleine Einführung in den letzten Redebeitrag meiner Fraktion am heutigen Tage, den ich dankenswerterweise liefern darf: Ich finde es äußerst sympathisch, dass sich die Regierung zusammen mit den Grünen und Teilen der CDU zu einer Art „Klatschembargo“, was unsere Partei anbelangt, entschlossen hat. Ich finde das auch ganz sympathisch, denn von Ihnen wollen wir gar keinen Beifall.
Bevor wir zu unserem Antrag zur Kreisgebietsreform kommen, erst zu Ihnen, Frau Nonnemacher: Es kommt mir immer so vor, als ob es bei Ihnen eine Art Prämie für das Wort Ressentiment im Zusammenhang mit der AfD gibt.