Protocol of the Session on November 19, 2014

Blicken wir zurück: Mit Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes im Jahr 2002 wurde zum einen die Prostitution legalisiert. Zum anderen wurde ein Schritt zur Verbesserung der rechtlichen und vor allem der sozialen Lage der Betroffenen unternommen. Ziel

war es also, neben der materiellen vor allem die soziale Stellung von Prostituierten zu verbessern. Ihnen sollte der direkte Zugang zur Krankenversicherung, zur Arbeitslosenversicherung und zur Rentenversicherung gewährt werden.

Bei ehrlicher Betrachtung der Entwicklung seit 2002 müssen wir kritisch feststellen: Von den damals beschlossenen, von gutem Willen getragenen Regelungen des Prostitutionsgesetzes profitiert nur ein verschwindend geringer Teil der Prostituierten. Deshalb müssen das Prostitutionsgesetz und insbesondere die Regelungen aus dem Jahr 2002 dringend auf den Prüfstand gestellt werden.

(Beifall CDU sowie vereinzelt AfD)

Ich möchte in diesem Zusammenhang einige Forderungen hervorheben und mit der Einführung einer Mindestaltersgrenze von 21 Jahren beginnen. Klar ist: Prostitution ist ein besonderes Gewerbe. Diese Besonderheit und die stetige Nachfrage nach immer jüngeren Frauen rechtfertigen meines Erachtens die Festlegung einer solchen Altersgrenze. Das ist rechtlich und unter Schutzaspekten auch tatsächlich geboten. Denn oft geraten junge Mädchen in die durch Menschenhandel und Zwangsprostitution verursachten Abhängigkeitsverhältnisse.

Des Weiteren werbe ich für eine Anmeldepflicht für Prostituierte. Diese würde die Unterscheidung zwischen der legalen Prostitution und der illegalen Zwangsprostitution und damit vor allen Dingen die Arbeit der Polizei bzw. der Ordnungsbehörden erleichtern. Die Anmeldung soll durch eine Anmeldekarte belegt werden können; sie dient dem besseren Schutz der Frauen. Die Anmeldepflicht muss unabhängig vom Tätigkeitsbereich der Prostituierten gelten, also unabhängig davon, ob sie in Bordellen oder auf der Straße arbeiten.

Zudem sind eine Genehmigungspflicht und die Festlegung von Standards für Bordelle angezeigt. Das wäre ein weiterer erforderlicher und wichtiger Schritt - ich wiederhole es - im Kampf gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel. Das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Frauen darf nicht durch Weisungen von Bordellbetreibern eingeschränkt werden. Menschenunwürdige Praktiken müssen verboten werden.

Ein weiterer Punkt: Gesundheitsuntersuchungen müssen eingefordert werden. Sie erhöhen den Schutz und bieten die Möglichkeit, einen niedrigschwelligen Kontakt zu unterstützenden Behörden und Organisationen aufzunehmen. Den Betroffenen muss in ihrer konkreten Lebenssituation geholfen werden. Ausländische Prostituierte haben oft gravierende gesundheitliche Probleme, betreiben keine Gesundheitsprävention und haben keinen Gesundheitsschutz. Hier muss nachgebessert werden, und deshalb werden die Gesundheitsuntersuchungen benötigt. Die medizinische Versorgung durch Amtsärzte kann ein Schritt zu mehr Gesundheitsschutz sein.

(Beifall CDU)

Zudem stellt sich die Frage, welche Schritte unternommen werden müssen, um Frauen aus der Prostitution zu holen, die dort nicht freiwillig und nicht selbstbestimmt arbeiten. Klar ist: Wenn Opfer aus sogenannten Drittländern in einem Strafverfahren gegen Menschenhändler mitwirken, müssen sie ein qua

lifiziertes Aufenthaltsrecht erhalten. Bislang melden sich solche Opfer oft nicht bei den Behörden bzw. der Polizei, sie sagen nicht aus. Diesen Frauen müssen wir eine Perspektive bieten und damit mehr Sicherheit geben, wenn sie Polizei und Justiz dabei unterstützen, Täter zu überführen.

Meine Damen und Herren, wir müssen uns auch die Frage stellen: Kann es in der heutigen Zeit noch sein, dass Straffreiheit für jene Freier existiert, die wissentlich und willentlich - das ist vorausgesetzt - die Zwangslage der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution ausnutzen? - Meines Erachtens gibt es darauf nur eine Antwort: Nein, das kann nicht hingenommen werden. Es muss dafür deutlich höhere Strafen geben, Strafen, die auch abschreckende Wirkung haben.

(Beifall CDU und AfD)

Prostitution darf kein rechtsfreier Raum sein.

Es ist oft schwierig, die Situation im Einzelfall zu beurteilen; denn ein Freier weiß nicht zwangsläufig, dass sich eine Prostituierte in einer Notlage befindet. Dennoch können die vorgeschlagenen Änderungen, die Sie auch in unserem Antrag finden, dazu beitragen, dass sich die Situation für Betroffene und Opfer verbessert.

Ich kann es auch in anderen Worten sagen: Man kann und soll die Prostitution nicht verbieten. Aber es ist nötig, sie für die Frauen und die Mädchen sicherer zu machen.

Vielleicht fragen Sie sich, warum wir diesen Antrag stellen, obwohl es bereits Gesprächsrunden, initiiert zum Beispiel durch die zuständige Bundesministerin, zu diesem Thema gab und gibt und die Koalitionspartner auf Bundesebene darüber diskutieren.

Ich sage Ihnen, warum das nötig ist, und zitiere dazu aus der Antwort auf eine Anfrage, die an die Landesregierung Brandenburg gerichtet worden war - die Landesregierung zeigt übrigens ein erschreckendes Desinteresse an diesem Thema -:

„Es besteht ein politischer und gesellschaftlicher Konsens darüber, dass Menschenhandel, Zwangsprostitution, sexuelle Ausbeutung und sexueller Missbrauch energisch zu bekämpfen sind. Hierfür liegen jedoch gegenwärtig … keine Anhaltspunkte vor.“

In der Anfrage ging es um die Prostitution an der B 2 bei Michendorf.

Eine solche Antwort kann man nur vom Schreibtisch im Ministerium aus und mit verschlossenen Augen formulieren. Die Realitätsverweigerung wird daran sehr deutlich.

(Beifall CDU sowie vereinzelt AfD)

Auch die Landesregierung Brandenburg darf die Augen nicht geschlossen halten, sondern sie muss sie öffnen. Der vorliegende Antrag fordert dazu auf, die entsprechenden Vorhaben auf Bundesebene engagiert zu unterstützen. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu diesem wichtigen Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht nun die Abgeordnete Frau Muhß.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Opfer von Zwangsprostitution besser schützen“ - die CDU-Fraktion hat uns einen Antrag vorgelegt, über den wir uns nur wundern können, und zwar sowohl hinsichtlich des Zeitpunktes als auch hinsichtlich des Inhalts. Ich will versuchen, diese Verwunderung zu erklären.

Das älteste Gewerbe der Welt - so wird Prostitution oft noch genannt. Dabei weiß man inzwischen, dass es Prostitution keineswegs seit Anbeginn der Menschheit gibt; sie entstand mit dem Patriarchat.

(Lachen bei der AfD)

In Gesellschaften, in denen Frauen weniger Rechte hatten und die patriarchal strukturiert waren, gab es die Prostitution.

(Bretz [CDU]: Können Sie Beispiele nennen?)

Je höher das Ansehen der Frau ist, desto seltener finden wir Prostitution. Es gab in den vergangenen Jahrhunderten schlechte und sehr schlechte Zeiten für Huren. Aber es gab auch Völker, in denen Prostitution völlig unbekannt war.

Im Jahr 2002 haben die Grünen und die SPD den Versuch unternommen, die Arbeitsbedingungen der Frauen und Männer im Gewerbe zu verbessern und sie rechtlich zu stärken. Mit dem Prostitutionsgesetz sollten selbstbestimmte - ich betone: selbstbestimmte - sexuelle Dienstleistungen vom rechtlichen Makel der Sittenwidrigkeit befreit werden.

(Einzelbeifall SPD sowie Beifall der Abgeordneten Non- nemacher [B90/GRÜNE])

Die Anmeldung eines Gewerbes, der Abschluss einer Krankenversicherung und natürlich auch die Meldung beim Finanzamt sind seitdem möglich. Die Frage, ob die Prostitution dadurch eine Arbeit wie jede andere geworden ist, wird wohl jeder hier im Saal mit Nein beantworten. Auch mit der Selbstbestimmung ist es oft nicht weit her.

Ja, es besteht Handlungsbedarf. Das ergab sich schon aus der Evaluation des Gesetzes im Jahr 2007 und wurde 2013 durch Alice Schwarzer mit dem Bild der Prostitution als moderner Sklaverei erneut in die öffentliche Debatte gebracht.

Im April dieses Jahres gab es nun eine Entschließung des Bundesrates über Maßnahmen zur Regulierung von Prostitution und Prostitutionsstätten. Infolge dieser fand im Juni 2014 eine Anhörung mit 34 Expertinnen und Experten statt. Herr Lakenmacher, ich nehme an, Sie haben sich auch die Mühe gemacht, sich die Aufzeichnung dieser Anhörung einmal anzuschauen - da gab es sehr viel Material zu lesen; ich habe auch nicht alles geschafft, aber einiges schon. Besonders beeindruckt hat mich das Statement von Wiltrud Schenk; die begann ihre Anhörung mit folgenden Worten:

„Prostitution ist eine Dienstleistung - Menschenhandel ein Verbrechen. Ein Verbrechen wird nicht durch die Reglementierung einer Dienstleistung verhindert - das geht nur mit anderen Mitteln.“

Dem schließe ich mich an; zum Inhalt Ihres Antrags passt das gut.

Die Novelle des Prostitutionsgesetzes ist in der Erarbeitung, Eckpunkte wurden bereits vorgelegt. Demnach sollen im Mittelpunkt des neuen Prostitutionsschutzgesetzes der Schutz der Prostituierten vor Gewalt, Ausbeutung durch Zuhälter und Menschenhandel sowie der Erhalt ihrer Gesundheit stehen. In die Regulierungspflicht der Länder fallen dann vor allem Kontrolle - wie und durch wen - und Beratung bis hin zu Aussteigerprogrammen. Das würde wie in der Vergangenheit wieder dazu führen, dass die Regelungen von Bundesland zu Bundesland verschieden sind. Hier scheinen mir jedenfalls klare Regelungen auf Bundesebene sehr viel sinnvoller, aber ich vertraue da erst einmal auf die Kolleginnen und Kollegen in Berlin.

Nun noch einmal zu Ihrem Antrag: Wir haben auf Bundesebene eine gemeinsame Regierung, die dabei ist, den Gesetzentwurf zu erarbeiten. Wollen wir uns jetzt gegenseitig zur Arbeit auffordern? Und was die acht Anstriche Ihres Antrags betrifft, so scheinen sie mir doch gänzlich von Ihrer Bundestagsfraktion abgeschrieben zu sein, und dort besteht ja auch zuallererst der Regelungsbedarf. Sie haben die Kompetenzen durcheinandergebracht. Wenn der Gesetzentwurf vorliegt, werden wir uns auch hier mit dem Thema befassen. Da es aber noch nicht so weit ist und Ihr Antrag auch in weiten Teilen inhaltlich danebenliegt, lehnen wir ihn ab.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Danke schön. - Zu uns spricht nun der Abgeordnete Wiese von der AfD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Machen wir es auf Bayrisch: Grüß Gott miteinand‘! Das ist der Wunsch meiner Fraktion, die wollte das einmal hören.

(Heiterkeit)

Aber jetzt komme ich gleich zu dem Antrag: Ich fasse mich kurz, weil ich feststellen musste, dass hier viel von Träumen gesprochen wird. Ich wäre gern, liebe Kollegen von der CDUFraktion, bei Ihrer Situationsanalyse dabei gewesen, denn Ihre Beschreibung ist eher verharmlosend. Wir haben es hier schlicht und einfach mit einer Industrie der organisierten Kriminalität zu tun, derer man mit den Maßnahmen, die Sie in dem Antrag darstellen, nicht Herr wird, obwohl das anscheinend gar nicht mehr Ihr Ziel ist, was es im Rechtsstaat, den wir alle beschwören, doch eigentlich sein müsste.

Sie wollen die Opfer schützen - das wollen wir selbstverständlich auch. Aber wir wollen eigentlich die Bekämpfung dieser organisierten Kriminalität an sich, und da schlage ich vor, dass wir demnächst gemeinsam einen weitergehenden Antrag for

mulieren - die Kollegen der Sozialdemokratie dürfen gern daran teilnehmen. Die Wirklichkeit ist dramatischer als das, was wir uns alle vorstellen können. - Danke schön.

(Beifall AfD - Genilke [CDU]: Sie haben doch gerade von Träumen gesprochen!)

Danke schön. - Zu uns spricht jetzt die Abgeordnete Bader für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Der vorliegende CDU-Antrag ist mit einer ziemlich heißen Nadel gestrickt, aber nicht nur das. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein bisschen mehr intellektuelle Anstrengung habe ich mir schon erhofft, denn Ihr Antrag, liebe CDU, ist die kleine Häkelvorlage des Eckpunktepapiers der CDU-Bundestagsfraktion. Dieses Papier ist seit Monaten im Hickhack-Modus mit der SPD, Licht am Horizont scheint nicht in Sicht. Ein offizieller Gesetzentwurf liegt nach meiner Kenntnis nicht vor, lediglich ein Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Eine kurze notwendige Einordnung: Derzeit wird über das 2002 rechtskräftige Prostitutionsgesetz diskutiert. SPD und CDU/CSU kommen auf Bundesebene auf keinen gemeinsamen Nenner. Dazu stößt das Eckpunktepapier der rot-schwarzen Koalition auch auf Sachverständigenebene auf Ablehnung. Warum? Weil es ein Entwurf ist, der nicht weiß, was er will. Ihm ist nicht klar zu entnehmen, wen er schützen und wen er bestrafen soll. Die meisten Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter werden unter den verschärften Regelungen leiden, denn zum Beispiel würde eine Anmeldepflicht die Stigmatisierung verschärfen. Nach wie vor wird kein klarer Unterschied zwischen der Prostitution, für die sich Prostituierte selbstbestimmt entscheiden, und einer Prostitution, die mit einem internationalen kriminellen Menschenhandel und sexueller Ausbeutung zu tun hat, gemacht.