Protocol of the Session on November 19, 2014

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nun Frau Schinowsky.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben nun einiges zum Mindestlohn gehört und uns mit Sinn und Unsinn von brandenburgspezifischen Mindestlohnregelungen befasst. Um unsere Einschätzung dazu gleich einmal vorwegzuschicken: Selbstverständlich erfordert das Inkrafttreten der Regelungen auf Bundesebene, dass wir uns damit in Brandenburg noch einmal beschäftigen, mit der Kompatibilität, mit der Frage: Wie geht das eigentlich zusammen? Deshalb unterstützen wir auch eine erneute Beratung bzw. eine entsprechende Novellierung des Vergabegesetzes. Aber um es auch gleich ganz deutlich zu machen: Im Gegensatz zur CDU halten wir das Vergabegesetz nicht für überflüssig. Das überrascht Sie jetzt wahrscheinlich auch nicht.

(Bretz [CDU]: Nein!)

In der weiteren Diskussion zum Vergabegesetz sollten wir uns aber nicht nur mit dem Mindestlohn beschäftigen; denn das ist nur ein Teil des Gesetzes. Wir sollten diese Neuregelungsnotwendigkeit und auch die inzwischen vorliegende Evaluation um die ging es ja vorhin schon - vielmehr zum Anlass nehmen, das Vergabegesetz insgesamt auf den Prüfstand zu stellen.

Noch einmal einen Schritt zurück: Warum gibt es eigentlich das Vergabegesetz? Rot-Rot wollte damit damals vor allem den Mindestlohn verankern. Das kann man so machen. Dieses politische Ziel hatten und haben wir auch, deshalb haben wir dem zugestimmt. Andere politische Gestaltungsspielräume wurden jedoch zu wenig oder zu unverbindlich im Gesetz verankert. So hätten hiermit deutlich mehr soziale und ökologische Impulse im Sinne nachhaltigen Wirtschaftens gegeben werden können. Bei öffentlichen Vergaben geht es um beträchtliche finanzielle Mittel.

Ich will es noch einmal kurz bebildern: Das Land Brandenburg gibt jährlich rund eine Milliarde Euro für Beschaffungen aus. Die Kommunen erhöhen die Nachfrage der öffentlichen Hand um weitere 2 Milliarden Euro. Mindestens eine Milliarde Euro gewährt das Land Unternehmen, Vereinen und Verbänden in Form von Zuwendungen. Das ist eine beträchtliche Nachfragemacht und zeigt, ein entsprechend ausgestaltetes Vergabegesetz könnte wichtige Impulse für eine sozial und ökologisch nachhaltige Wirtschaftsweise geben. Wir hatten uns deshalb in der letzten Legislaturperiode mit einem eigenen Vergabegesetz für entsprechende verbindliche Regelungen bzw. Vergabekriterien eingesetzt. Um nur zwei Beispiele zu nennen: die Einhaltung der sogenannten ILO-Kernarbeitsnormen zur Begrenzung unfairen Wettbewerbs oder auch eine verbindliche Berücksichtigung von Umweltbelangen durch die Einbeziehung der Lebenszykluskosten und von Umweltzertifikaten in die Vergabeentscheidung.

(Loehr [DIE LINKE]: Kann man machen!)

- Das kann man machen?

(Loehr [DIE LINKE]: Ja!)

- Darüber kommen wir ins Gespräch, sehr gut.

(Zuruf des Abgeordneten Domres [DIE LINKE])

- Noch nicht weitreichend genug. Aber gut, das diskutieren wir noch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben der im CDU-Antrag angesprochenen Problematik bei der Mindestlohnregelung hat auch die vorliegende Evaluation des Gesetzes deutlich werden lassen, dass mit Blick auf Wirksamkeit, Umsetzbarkeit, Bürokratie und Relevanz des Gesetzes großer Handlungsbedarf besteht. Aus unserer Sicht begründet zudem alleine die Tatsache, dass soziale, umweltbezogene und innovative Kriterien in den Vergaben bislang zu wenig eine Rolle spielen, die Überprüfung dieses Gesetzes. Diese Kriterien könnten und sollten die wesentlichen Aspekte eines novellierten Brandenburgischen Vergabegesetzes werden.

Und nicht zuletzt - dieses Stichwort fiel heute, glaube ich, noch gar nicht - ergibt sich Handlungsbedarf natürlich auch aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum nordrhein-westfälischen Vergabegesetz vom 18. September dieses Jahres.

Alles spricht klar für eine Novellierung des Vergabegesetzes, und zwar - wie eben beschrieben - deutlich umfassender, als es im Entschließungsantrag der Koalition angelegt ist. Wir werden uns deshalb zum Entschließungsantrag enthalten, freuen uns aber umso mehr auf die gemeinsamen Debatten dazu in den entsprechenden Gremien. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Wir danken Ihnen. - Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Gerber.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der CDU-Fraktion behandelt eine Frage, der sich der Landtag und die Landesregierung in der Tat stellen müssen und auch stellen werden. Was der Antrag inhaltlich aber vorsieht nämlich alle Bestimmungen, die einen landesspezifischen Mindestlohn regeln, alsbald aufzuheben -, greift aus unserer Sicht zu kurz.

Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode das Vergabegesetz aus drei Gründen beschlossen: Wer öffentliche Aufträge bekommt, muss seine Beschäftigten ordentlich entlohnen, mindestens jedoch den damaligen Stundenlohn von 8 Euro zahlen. Zweitens muss das Gesetz auch kontrolliert werden, und drittens wollten wir mit unserer Initiative der damaligen schwarzgelben Bundesregierung Beine machen. Der schwarz-roten Koalition ist es dann ja auch gelungen, dass wir einen Mindestlohn in Deutschland haben.

Es trifft aber zu, dass unser Vergabegesetz novelliert werden sollte. Das hat die Koalition ausweislich des Koalitionsvertrags auch vor. Dabei ist es grundsätzlich sinnvoll, die Regelung des Vergabegesetzes und des Mindestlohngesetzes zu synchronisieren. Das Vergabegesetz kann zum Beispiel zu einem Instru

ment der vertraglich vereinbarten Kontrolle entwickelt werden, um Auftragnehmer ihren Verpflichtungen nach dem Mindestlohngesetz auch wirklich nachkommen zu lassen.

Lassen Sie mich noch einige Worte zum vorgeschlagenen Zeitpunkt der Überarbeitung sagen. Beim Erlass eines Gesetzes sind verfahrensrechtliche Anforderungen zu beachten - Abstimmungen innerhalb der Landesregierung und parlamentarische Verfahren. Außerdem gilt hier natürlich auch der Grundsatz: Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Wenn also das Gesetz überarbeitet wird, wird die Landesregierung im Entwurf Regelungen vorstellen, die mit dem Mindestlohngesetz korrespondieren und die Rechtsprechung - wie es von der Kollegin der Grünen angesprochen wurde - beachten.

Die Landesregierung nimmt außerdem die Vollzugsdefizite im Hinblick auf das bestehende Vergabegesetz sehr ernst, und wir werden die Defizite bei der Überarbeitung des Gesetzes abstellen. Das Vergabegesetz, meine Damen und Herren, hat nach unserer Auffassung bei entsprechender Ausgestaltung nach wie vor eine eigenständige Bedeutung, die nicht zu unterschätzen ist.

Abschließend möchte ich einige Worte zum Entschließungsantrag der Koalition sagen. Der Antrag betont zunächst einmal zu Recht, dass das Brandenburgische Vergabesetz einen Beitrag zur Diskussion um Mindestlöhne und den Wert von Erwerbstätigkeit in Deutschland geleistet hat. Im ersten Punkt wird die Landesregierung aufgefordert, das Mindestarbeitsentgelt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen zu prüfen und im Landtag einen Entwurf zur Anpassung des Entgeltsatzes vorzulegen. Grundlage soll ein dann vorliegender Beschluss der Mindestlohnkommission sein. In der Begründung des Antrags wird auch auf den entsprechenden Beschluss der Mindestlohnkommission von Ende Oktober hingewiesen.

Der zweite Punkt sieht vor, dass die Landesregierung aufgefordert werden soll, das Vergabegesetz zu novellieren und mit den bundesgesetzlichen Rahmenregelungen zu synchronisieren. Ich glaube, dass das der verfahrensmäßig sinnvolle Weg ist. Ich würde mich freuen, wenn der Landtag diesem Entschließungsantrag folgt. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Ich bedanke mich und frage die einreichende Fraktion: Möchten Sie Ihre Redezeit ausschöpfen?

(Homeyer [CDU]: Ja!)

Gern. Herr Homeyer, dann bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Loehr, Herr Kollege Barthel, ich hoffe, Sie haben Ihrem Wirtschaftsminister zugehört. Er hat ja im Wesentlichen klargemacht, dass es aus Sicht der Landesregierung dringend notwendig ist, das Gesetz zu novellieren. Das steht außerhalb jedes Zweifels, wie man feststellt,

(Domres [DIE LINKE]: Sie wollen es abschaffen!)

wenn man sich den Evaluierungsbericht ansieht - und das wissen Sie natürlich auch. Die Dinge sind eindeutig praxisfern, zeitaufwendig und kaum handhabbar - das ist ein Argument. Außerdem ist es fraglich, ob das zentrale Anliegen des Gesetzes „Verbesserung des Lohnniveaus“ bei im Rahmen von öffentlichen Aufträgen Beschäftigten optimal umgesetzt wurde. Wie gesagt: Das haben Sie in Auftrag gegeben, das ist der Bericht, den Sie bezahlt haben, meine Damen und Herren, und letztendlich bringt er es auf den Punkt.

Uns ging es in unserem Antrag - um es noch einmal konkret zu sagen - darum, dass wir ab 01.01. eine bundesgesetzliche Regelung haben, die dann für ganz Deutschland gilt und die - bei allen Übergangsregelungen - dazu führen wird, dass es ab 01.01.2017 für jeden Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin in Deutschland einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn gibt. Darüber kann man debattieren, aber das ist jetzt so.

Aus unserer Sicht ist es der brandenburgischen Wirtschaft und den Kommunen nicht zuzumuten, dass Sie, meine Damen und Herren von Rot-Rot - weil Sie das ideologisch gern möchten, und Sie bezeichnen das ja auch mit dem Titel „Gute Arbeit“ -, der Meinung sind, dass der brandenburgische Arbeitnehmer über diesen gesetzlichen bundeseinheitlichen Mindestlohn hinaus noch einen höheren bekommen soll - darum geht es. Das heißt, dass in dieser Frage zwei Gesetze parallel laufen sollen.

Ich bin jetzt, obwohl Minister Gerber eine sehr moderate Rede gehalten hat, immer noch nicht ganz schlau: Ich gehe davon aus, dass Sie das wirklich vorhaben, dass Sie den Bericht der Kommission abwarten und dann einen höheren als den bundesgesetzlichen Mindestlohn in Brandenburg einführen werden. Das halten wir, gelinde gesagt, für unmöglich. Das führt zu zusätzlicher Bürokratie, die wir uns nicht leisten können. Angesichts der Herausforderungen, meine Damen und Herren, brauchen wir das auch nicht. Was wir in Brandenburg brauchen, ist ein Mittelstandsfördergesetz und nicht ein Mittelstandsverhinderungsgesetz!

(Anhaltender Beifall CDU und AfD sowie Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Oh, immer wieder!)

Ich kann Ihnen hier und heute ankündigen: Wenn Sie das wirklich vorhaben, meine Damen und Herren, werden wir mit der gleichen Vehemenz und mit der gleichen Leidenschaft dagegen ankämpfen, und wir werden Ihnen - mit allen Verbänden, mit der Industrie- und Handelskammer, mit den Handwerkskammern, mit den Unternehmerinnen und Unternehmern - deutlich machen, dass wir das für weitere fünf Jahre in diesem Land nicht hinnehmen werden. - Ich danke Ihnen.

(Starker Beifall CDU, AfD und der fraktionslosen Abge- ordneten Frau Schülzke und Schulze)

Wir sind am Ende der Debatte. - Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen zunächst über den Antrag der CDU-Fraktion in der Drucksache 6/101 - „Brandenburgisches Vergabesetz an bundeseinheitliche Mindestlohnregelung anpassen“ ab. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zum nächsten Antrag, zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen in der Drucksache 6/141 „Brandenburgisches Vergabegesetz als Instrument zur Umsetzung des Anspruchs an ‚Gute Arbeit‘“. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit wurde dieser Antrag mehrheitlich angenommen.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 6 und rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Opfer von Zwangsprostitution besser schützen

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 6/98

Es spricht der Abgeordnete Lakenmacher für die CDU-Fraktion. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag behandelt die Thematik: Bekämpfung von Zwangsprostitution und Menschenhandel. Wie ist die Situation bei uns in Deutschland? In Deutschland werden immer mehr Frauen Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Viele Frauen leben unter menschenunwürdigen Umständen. Dieses Thema beschäftigt nicht nur die Medien, Hilfsprojekte und Menschenrechtsorganisationen, es beschäftigt aus guten Gründen auch die Parlamente hier bei uns im Land. Die Behörden und Hilfsorganisationen weisen immer wieder darauf hin, wie problematisch, ja, wie dramatisch die Situation der betroffenen Frauen ist.

Man muss feststellen: Die Situation hat sich in den letzten Jahren geändert. Klar, das hängt damit zusammen, dass die Außengrenzen Europas sich verschoben haben - Deutschlands und Brandenburgs Grenze in Richtung Osten ist heute eine EU-Binnengrenze. Und man muss schlicht konstatieren: Hier ist ein neuer Markt entstanden, rund um die Zwangsprostitution und den Menschenhandel ist ein kriminelles Gewerbe entstanden.

Nach Schätzungen halten sich derzeit mindestens 200 000 Zwangsprostituierte in Europa auf. Die genaue Anzahl der Prostituierten in Deutschland ist unbekannt, die Zahlen variieren. Es wird von 400 000 ausgegangen, und nach Schätzungen des Bundeskriminalamts kommen ca. 80 % der betroffenen Frauen nicht aus Deutschland.

Die Behörden beklagen den ausufernden Menschenhandel, insbesondere aus den Ländern Rumänien und Bulgarien. In den Medien lesen wir Sätze wie: „Deutschland ist das Bordell Europas geworden“, „Deutschland ist ein Paradies für Zuhälter und Menschenschlepper.“ Wir müssen uns dringend der Frage stellen: Wohin führt das?

Blicken wir zurück: Mit Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes im Jahr 2002 wurde zum einen die Prostitution legalisiert. Zum anderen wurde ein Schritt zur Verbesserung der rechtlichen und vor allem der sozialen Lage der Betroffenen unternommen. Ziel