Wir kommen deshalb zur Schlussabstimmung. Wer möchte der Beschlussempfehlung und dem Bericht in Drucksache 6/4307 zustimmen? - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthal tungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung einstimmig an genommen.
Gesetz über die Öffentlich bestellten Vermessungsin genieurinnen und Öffentlich bestellten Vermessungs ingenieure im Land Brandenburg (Brandenburgisches ÖbVI-Gesetz - BbgÖbVIG)
Wir kommen zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes, Drucksache 6/4100, an den Ausschuss für Inneres und Kommunales. Wer stimmt der Überweisung zu? - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthal tungen? - Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen.
Gesetz zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse an Bo denreformgrundstücken im Land Brandenburg im Anwendungsbereich der Bodenreformabwicklung ge mäß Art. 233 §§ 11-16 EGBGB (Bodenreformwieder gutmachungsgesetz - BodRfWG)
Die Aussprache wird vom Abgeordneten Vogel für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eröffnet. Bitte schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste, insbesondere liebe Neusiedlererbinnen und -er ben! „Junkerland in Bauernhand“ - das wird dem einen oder anderen von Ihnen noch aus der Frühzeit der DDR, aus der so wjetischen Besatzungszone, bekannt sein. Weitgehend unbe kannt dagegen dürfte Ihnen sein, dass vor 71 Jahren - heute fast auf den Tag genau, am 5. Juni 1945 - Walter Ulbricht in Mos kau von Stalin persönlich die Direktive erhielt, unverzüglich eine Bodenreform durchzuführen. Daraufhin nahm das ZK der KPD am 11. Juni 1945 die Forderung nach einer Bodenreform in ihr erstes Aktionsprogramm auf. Bis zum offiziellen Ende der Bodenreform, per Dekret der sowjetischen Militäradmi
nistration übrigens, am 1. Juni 1948 wurden daraufhin Grund besitzer - jedenfalls alle mit einem Grundbesitz von über 100 ha - entschädigungslos enteignet.
Bis heute hat sich das Interesse an der Bodenreform weitestge hend auf die damals als preußische Junker und Kriegsverbre cher stigmatisierten Zwangsenteigneten, die Brüche in ihren Biografien sowie die Entschädigungs- und Ausgleichsmaß nahmen nach 1990 konzentriert. Dieser Teil der Bodenreform ist Geschichte. Bei aller Bitterkeit für die damals Betroffenen: Wir Grünen werden nicht versuchen, diese Enteignungen rück gängig zu machen.
Aber die Bodenreform hatte eben noch einen zweiten Teil: den Übergang der Flächen in Bauernhand. Das von der Provinz Brandenburg angeeignete Land verblieb in Teilen in Staatsbe sitz und diente später als Grundlage für die Bildung Volkseige ner Güter, ein anderer Teil aber wurde aufgeteilt und in Parzel len von 5 bis 12 ha an rund 50 000 landlose Bauern, Landarbei ter und Heimatvertriebene, die sogenannten Neubauern oder Neusiedler, die dafür Geldzahlungen- oder Naturalienliefe rungen leisten mussten, verkauft.
Damit hätte eigentlich auch diese Seite der Bodenreform ihr Ende haben können, wenn es nicht in den Folgejahren von un erwarteter Seite zwei Versuche gegeben hätte, den Neubauern das Land wieder zu entwenden. Das war zum einen die DDR, die im Rahmen der Zwangskollektivierung versuchte, diese Flächen wieder einzusammeln und in die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften einzubeziehen. Wäre die DDR 1990 nicht untergegangen, würde sich niemand mehr an das Privateigentum an diesen Flächen erinnern. Es kam aber be kanntlich zur Friedlichen Revolution und zum Einigungsver trag.
Zuvor versuchte die Modrow-Regierung sicherzustellen, dass die Bodenreformflächen als Volleigentum in Privateigentum überführt werden. Damit wäre der Eigentumstransformations prozess eigentlich abgeschlossen gewesen, wenn nicht erstaun licherweise die Bundesregierung und die ostdeutschen Bundes länder versucht hätten, dennoch an diese Flächen zu kommen. Mit dem sogenannten Zweiten Vermögensrechtsänderungsge setz erfolgte nämlich 1992 eine jähe Kehrtwende. In der En quetekommission zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur, die sich in der letzten Legislaturperiode ausführlich mit der Problema tik befasste, herrschte unter den Fachjuristen Einigkeit: Das Gesetz verkannte nicht nur die DDR-Rechtslage, sondern stell te im Ergebnis ein gigantisches Enteignungsgesetz dar.
Es fußte auf der Annahme, dass Bodenreformeigentum in der DDR nicht vererbbar gewesen sei. Ein BGH-Urteil, das 1998 - sechs Jahre später - diese Ansicht korrigierte, wurde von den Verwaltungsgerichten schlichtweg ignoriert. Die Vorschriften dieses Gesetzes gaben den einzelnen Ländern und damit auch dem Land Brandenburg einen Anspruch, unter bestimmten willkürlich gesetzten Voraussetzungen die Übereignung von Bodenreformeigentum von den Neusiedlererben zu verlangen.
Das Land Brandenburg - das ist beschämend - hat diese 1992 eröffneten Möglichkeiten zur Einziehung von Bodenreformei gentum in besonders intensiver Weise genutzt. Nach Angaben der Bundesregierung von 2004 handelt es sich in Brandenburg
um ca. 34 000 ha, weit mehr als in allen anderen ostdeutschen Ländern. Zwei Fünftel aller Fälle wurden in Brandenburg durchgesetzt. Das Land Brandenburg hat die Kann-Bestim mung - es musste nicht enteignet werden - zur Bodenreformab wicklung mithin härter und konsequenter gegen die Besitzer von Bodenreformflächen zur Anwendung gebracht als jedes andere ostdeutsche Bundesland.
Der Bundesgerichtshof bescheinigte dem Land für seinen Übereifer bei einem Teil der Flächen im Jahr 2007 sittenwid riges Verhalten bei der Einziehung von Bodenreformeigentum. Das war die sogenannte Bodenreformaffäre. In Brandenburg entstanden damit in der Folge hausgemachte Ungerechtig keiten. So darf beispielsweise aufgrund dieses BGH-Urteils derjenige, der sich heute als bisher unbekannter Erbe meldet, Bodenreformflächen behalten. Derjenige, der bis zum Stichtag 3. Oktober 2000 Flächen gemeldet hatte oder ausfindig ge macht wurde, durfte die Flächen nur behalten, wenn er nach weisen konnte, dass er zehn Jahre als Mitglied einer LPG in der Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft gearbeitet hat. Insgesamt geht es hier um mehrere Tausend Menschen, denen auf Grundlage dieses Gesetzes die Flächen entzogen wurden. Inzwischen hat sich übrigens sogar noch eine dritte Gruppe ge funden: Diese besteht aus Mitgliedern von Erbengemeinschaf ten, bei denen das Land vor dem 03.10.2000 nur eine unzurei chende individuelle Anspruchsprüfung vorgenommen hatte und die nun ebenfalls einen Rückgabeanspruch haben. Ein rie siges Kuddelmuddel also, das kein gutmeinender Mensch als gerecht empfinden kann.
Als besonders problematisch erweist sich jedoch zuallererst die Tatsache, dass die Abwicklung der Bodenreform den Rechts frieden im ländlichen Raum und vor allem das Vertrauen in den Rechtsstaat bei vielen Menschen bis zum heutigen Tag emp findlich gestört hat. Viele Eigentümer hatten diese Flächen nämlich im Vertrauen darauf, dass sie ihnen gehören, verkauft - und mussten das Geld abliefern - oder planten mit diesem Land eine Zukunft, die sie nie hatten.
Mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz und abhän gig von der Umsetzungspraxis in den Ländern standen dann also allzu viele vor dem Nichts. Mehr noch: Im Vertrauen auf ihre Eigentümerposition wurde häufig der Rechtsweg beschritten; am Ergebnis änderte dies in der Regel nichts - bis auf die zusätz liche finanzielle Last durch entsprechende Verfahrenskosten.
Wie im aktuellen Fall des umgangssprachlich sogenannten Alt anschließerurteils, mit dem vor dem 31.12.1999 ergangene und beklagte Beitragsbescheide der Abwasserzweckverbände für ungültig erklärt wurden, drohen auch hier die auf den Rechts staat vertrauenden Bürger den Kürzeren zu ziehen. Während die Gutachter der Landesregierung im Fall der Altanschließer die Wahrung des Rechtsfriedens als Gemeinwohlbelang einstufen und die Rückzahlung aller Beiträge empfehlen, konnte sich die Landesregierung bei den Neusiedlererben nicht zum Durchschlagen des Gordischen Knotens durchringen.
Wenn wir unseren Gesetzentwurf aus der letzten Legislaturpe riode heute modifiziert erneut einbringen, so hat das mehrere Gründe:
Erstens: Die Enquetekommission zur Aufarbeitung der DDRVergangenheit hat in ihrer Handlungsempfehlung V.2. die Rückgabe aller vom Land angeeigneten Neusiedlerflächen an die Erben empfohlen.
Zweitens: SPD und Linke haben in ihrer Koalitionsvereinba rung für diese Legislaturperiode festgelegt, dass sie sinnvolle und finanzierbare Empfehlungen der Enquetekommission um setzen wollen.
Drittens: Anfang des Jahres wurde ein gemeinsamer Antrag der Koalition, der CDU und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Umgang mit den Empfehlungen der Enquetekommission verabschiedet. Das Thema des weiteren Umgangs mit dem Bo denreformland wurde ausdrücklich ausgeklammert und eine spätere Beratung im Parlament vereinbart.
Viertens: Durch den im Jahr 2013 in Kraft getretenen Staats vertrag stehen die Bodenreformflächen in uneingeschränkter Verfügungsgewalt des Landes Brandenburg. Der Vertrag sieht weder eine Rückgabe- noch eine Verwertungspflicht des Lan des für diese Flächen vor. Nachdem die anderen Bundesländer laut Mitteilung des Finanzministeriums ein gemeinsames Vor gehen abgelehnt haben, steht es allein im Belieben des Landes Brandenburg, wie mit diesen Flächen verfahren wird.
Fünftens: Nach der Berichterstattung des Finanzministers vom Mai 2015 sind die meisten Bodenreformflächen unverändert in Landesbesitz. Eine Veräußerung fand und findet nur in unbe deutendem Maße statt.
Sechstens: Ein Verkauf dieser Flächen darf nach Artikel 40 Abs. 1 der Brandenburger Verfassung nur nach Maßgabe eines Gesetzes erfolgen. Dazu zählt nach bisheriger Praxis auch die unentgeltliche Übereignung von Grundstücken. Das wird übli cherweise ins Haushaltsgesetz aufgenommen.
Wir haben das zum Anlass genommen, gemeinsam mit den Freien Wählern einen modifizierten Gesetzentwurf erneut in den Landtag einzubringen, mit dem die Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen sogenannter Neusiedlererben beendet werden soll. Um Rechtsfrieden herzustellen, sollen alle Neu siedler bzw. ihre Erben im Gegensatz zur bisherigen Praxis - unabhängig davon, ob sie zu einem rechtlich vorgegebenen Stichtag in der Landwirtschaft gearbeitet haben oder nicht, ob sie Mitglied der LPG waren oder nicht - ihre früheren Bodenre formflächen zurückerhalten. Darüber hinausgehende Entschä digungszahlungen soll es nicht geben, sodass die Kosten für das Land überschaubar bleiben. Durch die Rückgabe der Flä chen muss zudem die Brandenburgische Bodengesellschaft nicht länger als Geschäftsbesorger mit deren Verwaltung be auftragt werden; die dadurch derzeit anfallenden Kosten entfal len.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Rechtsfrieden, Vertrauen in den Rechtsstaat - das sind hohe Güter. Das gilt nicht nur bei den Anschlussbeiträgen, sondern auch beim Bodenreform land. Ich bitte daher die Vertreter von Rot-Rot, der Überwei sung des Gesetzentwurfs zur weiteren Beratung in die Aus schüsse zuzustimmen. Bei den anderen Fraktionen habe ich Zuversicht, dass sie zustimmen werden. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Schmidt für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf hat mich gezwungen, mich tiefer mit der Problematik der Bodenreform auseinanderzuset zen. Ich gebe gern zu, dass ich Mühe hatte, die Entwicklung nachzuvollziehen und die darin liegende Problematik zu er kennen. Manchmal helfen die Protokolle dieses Hauses weiter. Der Landtag bzw. der Ausschuss für Haushalt und Finanzen haben sich mit dem Thema Bodenreform beschäftigt. Zusätz lich gab es einen Untersuchungsausschuss, und auch die En quetekommission 5/1 war damit befasst. Ich denke, dass dies den Betroffenen und auch der Wichtigkeit des Themas gerecht wurde.
Allerdings werden durch viele Debatten und Abstimmungen die Ergebnisse nicht anders. Tatsachen ändern sich nicht. Rechtsprechung allerdings kann sich ebenso ändern wie eine Rechtsauffassung.
Aber in unserem Fall gibt es keine neue Rechtsprechung und zum vorliegenden Gesetzentwurf zumindest in meiner Fraktion auch keine neue Rechtsauffassung. Der Entwurf ist nahezu identisch mit der Vorlage, über die der Landtag am 21. Novem ber 2013 debattiert hat. Damals wurde der Gesetzentwurf mehrheitlich abgelehnt.
Meine Damen und Herren, auch die Mitglieder des Petitions ausschusses hatten sich aufgrund von Eingaben mit dem The ma Bodenreform beschäftigt. Die Drucksache 5/9187 wurde am 26. Juni 2014 behandelt: In dem Bericht wurde unter ande rem sinngemäß ausgeführt, dass in keiner der Petitionen eine fehlerhafte Vorgehensweise der Behörden zu erkennen war. Auch hatte sich an der Rechtslage in Bezug auf diese Fälle seit her nichts geändert. Weiter wurde ausgeführt:
„Der Ausschuss gibt daher zu bedenken, dass bei jeder neuen Diskussion des Themas Bodenreform in zahl reichen Fällen Hoffnungen geweckt werden, die nicht er füllt werden können.“