Protocol of the Session on December 17, 2015

So ein Vorschlag ist äußerst fragwürdig. Es ist, als hörten die Altparteien von der biblischen Sintflut und versuchten dann noch schnell, ihre Schuhe zu flicken. Das nenne ich Untergang mit Stil.

Ich erinnere nur an den Vorschlag der SPD, künftig in Super märkten wählen zu können, alles nach dem Motto: „Die Urne kommt zum Wähler.“ Solche Vorschläge gehen komplett an der Realität vorbei. Die Wahlbeteiligung sinkt in Deutschland seit Jahren nicht deshalb, weil die Menschen die Wahlzettel nicht verstehen oder der Weg zum Wahllokal zu weit ist. Die Wahlbeteiligung sinkt, weil die Menschen die Nase voll haben. Sie haben die Nase voll von den politischen Spielchen der Alt parteien. Die Menschen sind nicht so dumm und brauchen nicht Bildchen, damit sie wählen gehen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Ist denn eine Alt partei eine Partei mit lauter alten Männern?)

Die Menschen sind auch nicht zu faul, zur Wahl zu gehen. Die Menschen haben keine Lust mehr auf eine Politik, die sie be lügt und anschließend vergisst.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Dann sollten Sie einfach schweigen!)

Sie haben keine Lust mehr auf Ihr parteipolitisches Kasperle theater.

Meine Damen und Herren von den Altparteien, Sie sind schuld an der Wahlverweigerung in diesem Land. Ihre Glaubwürdig keit ist dahin. Was denken Sie, warum die Menschen der AfD die Türen einlaufen? Sie wollen Alternativen zu dem abgestan denen Einheitsbrei, den Sie bieten. Anstatt hier stundenlang über Nichtigkeiten wie den Sinn von Musterstimmzetteln zu palavern, sollten alle zusammen einmal wirklich darüber re den, wie wir den Karren aus dem Dreck ziehen. Wir sollten einmal jenseits aller Ideologie darüber sprechen, was die Men schen im Lande wirklich bewegt und bedrückt und wie wir ih nen nicht nur helfen, sondern etwas mit ihnen zusammen ver ändern können.

Dazu reicht es aber nicht, mal eben bei der Parteibasis anzu klopfen. Dazu braucht es Ihrerseits Bodenhaftung und Kontakt zu den Menschen. Sowohl das eine als auch das andere haben Sie lange verloren.

Wir von der AfD, liebe Kollegen, stehen bereit, den politischen Misthaufen, den wir mit diesem Antrag antreffen, mit Ihnen gemeinsam zu beseitigen. - Ich danke.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Ab geordnete Nonnemacher.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wohl dem, der solche Probleme hat, möchte man bei diesem sehr kleinteiligen Antrag der BVB/FREIE WÄHLER Gruppe ausrufen. Prinzipiell halten wir alle Überlegungen, die zur Erhö hung der Wahlbeteiligung führen und den Anteil unbeabsich tigter ungültiger Stimmen verringern könnten, für ehrenwert.

Inwieweit solche Überlegungen und Vorschläge dann aber auch sinnvoll und zielführend sind, steht auf einem anderen Blatt. Auch ich habe mich bei erfahrenen Wahlvorständen und unserem Wahlleiter in Falkensee erkundigt. Die Aussagen sind ziemlich eindeutig und lauten: Ungültige Stimmen sind fast ausschließlich durch Schmierereien, Streichungen und Anmer kungen gekennzeichnet. Das heißt, die Wählerinnen und Wäh ler haben sich bewusst für die Abgabe einer ungültigen Stimme entschieden. Das ist als eine demokratische Wahlentscheidung zu akzeptieren und berührt ja auch nicht das Problem der gerin gen Wahlbeteiligung. Diese Wählerinnen und Wähler nehmen ja an der Wahl teil.

Dass versehentlich ungültige Stimmen abgegeben werden, scheint ein eher seltenes Phänomen zu sein bzw. ist dies schwer erkennbar. Wenn bei einer Kommunalwahl nicht kumuliert und panaschiert wird, das heißt statt drei Stimmen nur eine oder zwei abgegeben werden, so kann dies in einem Unverständnis des Wahlverfahrens begründet sein. Es kann aber auch eine willent liche Entscheidung des Wählers bzw. der Wählerin darstellen. Dass sich das eher marginale Problem einer unwissentlich un gültigen Stimmabgabe durch den Abdruck eines Musterwahlzet tels gemeinsam mit der amtlichen Bekanntmachung der Wahl vorschläge beseitigen lässt, erscheint uns sehr zweifelhaft.

(Beifall B90/GRÜNE)

Eine ortsübliche Bekanntmachung erfolgt mehrere Wochen vor der Wahl in der Regel im Amtsblatt oder in kleineren Gemein den in Schaukästen. Ob dadurch ein tiefergehendes Verständnis für den Wahlvorgang erzielt oder gar eine mobilisierende Wir kung für die Teilnahme an der Wahl erreicht wird, ist mehr als spekulativ. Für politisch wenig interessierte Mitbürger zählt das Amtsblatt einer Gemeinde im Übrigen auch nicht zur be vorzugten Lektüre.

In meiner Heimatstadt Falkensee ist es üblich, dass die Stimm zettel lange Zeit vorab auf der Homepage der Stadt und in di versen Schaukästen veröffentlicht werden, sofern ihre Länge ein Aushängen überhaupt zulässt.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Zudem hängen die Stimmzettel am Wahltag an den Wahlloka len aus, sodass eine zeitnahe Information vor dem eigentlichen Wahlgang möglich ist.

Wir werden den Vorschlag der Freien Wähler nicht ablehnen, halten aber die Relevanz des Antrags für ausgesprochen über schaubar und auch eine neuerliche Debatte im Innenausschuss nicht für notwendig.

Ich möchte aber noch auf ein größeres Problem hinweisen. Wir sehen in dem relativ neuen Instrument des sogenannten Brief eintrags bei Volksbegehren ein Problem. Dort müssen zwei Unterschriften geleistet werden, zum einen zum eigentlichen Eintrag, zum anderen muss eine eidesstattliche Erklärung un terzeichnet werden. Dabei treten auch nach Aussagen von offi zieller Seite Missverständnisse auf, und in einer größeren An zahl von Fällen wird nur eine Unterschrift geleistet.

Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass es auch in Brandenburg in absehbarer Zeit endlich einmal zur freien Unterschriften sammlung bei Volksbegehren kommen könnte. Bis dahin wäre es sinnvoll, sich die Verordnung über das Verfahren bei Volks begehren im Land Brandenburg nochmals anzuschauen und den Briefeintrag übersichtlicher zu gestalten. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Für die Landesregierung spricht Minister Schröter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ei gentlich hätte ich ja sagen können: Nach dem Vortrag von Frau Nonnemacher ziehe ich meine Wortmeldung zurück. Aber ich habe doch noch einen oder zwei Punkte, auf die ich aufmerk sam machen will.

Schauen wir noch einmal auf das geltende Wahlrecht. Das Wahlrecht des Bundes und des Landes sieht vor, dass die Ge meindebehörden am Wahltag im Eingangsbereich eines jeden Gebäudes, in dem sich ein Wahllokal befindet, neben der Wahlbekanntmachung auch die für den Wahlbezirk maßgeb lichen Musterstimmzettel anbringen. Dies gilt ausnahmslos für alle Parlaments- und Kommunalwahlen. Das wird auch selbst verständlich von den Wahlbehörden so umgesetzt.

Der Wählerservice in den Kommunen beruht vielfach jedoch nicht nur auf der Umsetzung dieser Anordnung. Viele Kommu nen stellen rechtzeitig vor dem Wahltag Musterstimmzettel in ihr Internetangebot ein. Musterstimmzettel werden auch loka len Zeitungen zur Verfügung gestellt. Das kann jedoch erst ab dem Zeitpunkt geschehen, ab dem die Stimmzettel in gedruck ter Form vorliegen. Gedruckt werden können Stimmzettel wie derum erst, nachdem die Wahlbewerberinnen und Wahlbewer ber durch den Wahlausschuss zugelassen worden sind. Der Wahlausschuss hat die Pflicht, die Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber zeitnah nach ihrer Zulassung bekannt zu ma chen. Zu diesem frühen Zeitpunkt können häufig aus tatsäch lichen wahlpraktischen Gründen überhaupt noch keine ge druckten Stimmzettel vorliegen.

Sie verlangen mit Ihrem Antrag also, meine sehr verehrten Da men und Herren von der Gruppe BVB/FREIE WÄHLER, von den Wahlbehörden nahezu Unmögliches. Diese müssen in einem begrenzten Zeitraum sowieso schon sehr konzentriert die Wahlen vorbereiten, und zwar - das ist wesentlich - anfech tungsfrei. Die fehlerfreie Erstellung der Stimmzettel, insbeson dere zur Wahl der Kommunalvertretungen, ist dabei manchmal eine echte Herausforderung, wie die Erkenntnisse aus vorange gangenen Wahlen zeigen.

Um Ihren Antrag umzusetzen, müssten wir die durch die Wahl gesetze vorgegebenen Fristen für die Bekanntmachung der Wahlvorschläge und der auf ihnen benannten Bewerberinnen und Bewerber ändern. Diese Fristen können aber nur durch Gesetz geändert werden. Eine Änderung der entsprechenden Wahlverordnungen, wie Ihr Antrag es fordert, würde also allein nicht ausreichen.

Im Übrigen sehe ich keinen weiteren Bedarf für eine zusätz liche Veröffentlichung von Musterstimmzetteln im Zusammen hang mit der Bekanntmachung der Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber. Für mich ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, wie damit die Wahlbeteiligung erhöht werden kann.

Im Ergebnis bitte ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, diesen Antrag aus den vorbenannten tatsächlichen und rechtlichen Gründen abzulehnen. In der Tat, verehrte Frau Nonnemacher, gibt es andere Herausforderungen, denen wir uns hier stellen müssen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksam keit.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Das Wort erhält noch einmal der Abgeordnete Vida.

Vielen Dank. - Das Wort erhält der Abgeordnete Vida für die Gruppe BVB/FREIE WÄHLER.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Zu nächst: Ich habe als positiv zur Kenntnis genommen, dass der Weihnachtsgeist in alles ein wenig eingedrungen ist - auch, was die Amplituden der Stimme betrifft. Das ist durchaus posi tiv, ich versuche, dabei zu bleiben.

Der Vorschlag sollte eine Anregung dazu sein, die demokra tische Willensbekundung zu aktivieren oder zu sichern. Wir sind uns der Dimension des Antrags bewusst und wissen, dass damit nicht alle Probleme gelöst werden, dass er nicht das All heilmittel für Brandenburgs Probleme ist.

Ich glaube aber, dass ein zentraler Kritikpunkt schon immer gewesen ist: Wie können wir die Wahlbeteiligung, die Wahlbe reitschaft steigern? Das ist ein demokratischer Wert, und inso fern ist es sinnvoll, jede - auch kleinteilige - Überlegung dazu anzustellen und darüber zu reden. Denn, meine Damen und Herren, die ständigen Beteuerungen, dass man die Wahlbeteili gung erhöhen möchte, da sie zu niedrig sei, sind nichts wert, wenn man jede - auch noch so kleine - Idee im Keim erstickt.

Dass die Ungültigkeitsquoten relativ und absolut zu hoch sind und die Wahlbeteiligung absolut zu niedrig ist, wird niemand bestreiten. Offenbar liegt hier eine Fehldeutung dessen, was im Antrag geschrieben wurde, zugrunde: Es wird nicht bestritten, dass Menschen bewusst ungültige Stimmen abgeben. Wenn aber jemand einem Wahlbewerber bei der Kommunalwahl zwei Stimmen gibt und die dritte Stimme nicht vergibt - nicht, wenn er sie jemand anders gibt -, müssen Sie in aller Regel - auch unserem Antrag liegen Gespräche mit Wahlvorständen, mit fachkundigen Leuten zugrunde - den demoskopischen Er kenntnissen nach davon ausgehen, dass die Stimme aus Verse hen nicht vergeben wurde. Wenn jemand gar keine Stimme vergeben würde, machte es Sinn, aber nicht, wenn er die zweite oder dritte Stimme nicht vergibt.

Wenn der Stimmzettel insgesamt ungültig gemacht wird, kann man nichts dagegen tun. Aber dass Sie bei einem Wahl system mit drei Stimmen mehr ungültige Stimmzettel haben als bei der Landtagswahl mit einer oder zweimal einer Stim me ist evident.

Ich habe gelernt, dass es immer schwierig ist, in Deutschland anhand einer Statistik zu argumentieren. Da wird gesagt: So ist die Gesamtstatistik, bei mir war es aber anders. - Das ist dann das Gegenargument. Das habe ich auch heute sehr oft gehört: In Potsdam ist es anders, in Brandenburg an der Havel ist es anders. - Das glaube ich Ihnen, deswegen habe ich auch nur die totalen Zahlen angeführt. Und dass bei einer Kommunalwahl deutlich mehr ungültige Stimmen vorhanden sind als bei Land tagswahlen, ändert sich nicht dadurch, dass Sie sagen: Ja, bei uns vor Ort ist es aber anders. - Wir reden hier vom Gesamt schnitt im Land Brandenburg, und darauf baut dieser Vorschlag auf.

Herr Minister, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass es 2014 eine Änderung des Kommunalwahlgesetzes dahin gehend gab, dass die Wahlvorschläge viel früher einzureichen sind. Inso fern haben wir sehr wohl eine stärkere Flexibilität und einen sehr großen Abstand zum eigentlichen Wahltag, und es kann selbstverständlich noch Veröffentlichungen geben.

Meine Damen und Herren, wenn 10 000 Stimmen verloren ge hen, ob nun irrtümlich oder aus Versehen, wenn Fehler ge macht werden, ist jede Verbesserung eine Hilfe. Das ist kein marginales, sondern ein zentrales Problem. Es ist auch ein Pro blem, dass es in Brandenburg höhere Ungültigkeitsquoten gibt als in anderen Bundesländern. Deswegen ist es vernünftig, das anzugehen.

Meine Damen und Herren, wir verlangen von Ihnen nicht, heu te eine Änderung zu beschließen, oder dass Sie Ihren Willen ändern, sondern wir meinen - wie es auch der Abgeordnete Kurth gesagt hat -, dass der Vorschlag mit Fragen behaftet ist und man darüber nachdenken muss. Das haben auch Herr Scharfenberg und Frau Nonnemacher gesagt.

Genau das, mit Fragen behafteter Beratungsbedarf, ist nichts anderes als eine Ausschussberatung. Was wir hier vorschlagen und worüber wir abstimmen werden, ist nichts anderes als eine Überweisung an den Ausschuss, wo man das gerne anreichern kann. Aber bitte sehen Sie mir nach, dass ich nicht akzeptieren kann, wenn Sie sagen: Das ist so kleinteilig, das lohnt sich nicht. - Dann reichern Sie es an! Auch wir haben noch andere Vorschläge, völlig klar. Dafür braucht es aber einen intensiven,

ausführlicheren Debattenrahmen, und den gibt es nun einmal im Ausschuss.

Inhaltlich gemeinsames Vorgehen - das hat Herr Scharfenberg gesagt - funktioniert eben nur, wenn man einen bestehenden Vorschlag aufgreift, ihn optimiert oder erweitert. Deswegen geht es nur um die Überweisung an den Innenausschuss. Ge ben Sie sich zumindest dazu einen weihnachtlichen Ruck. - Danke und frohe Weihnachten!

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Vielen Dank. - Ich schließe die Debatte und wir kommen zu den Abstimmungen.

Zuerst stimmen wir über den Antrag der Gruppe BVB/FREIE WÄHLER auf Überweisung ihres Antrags „Chancen zur Erhö hung der Wahlbeteiligung und gültiger Stimmen nutzen: Veröf fentlichung von Musterstimmzetteln“, Drucksache 6/3139, an den Ausschuss für Inneres und Kommunales ab. Ich darf Sie fragen: Wer möchte diesem Überweisungsantrag zustimmen? - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag abgelehnt.

Wir stimmen jetzt über den Antrag der Gruppe BVB/FREIE WÄHLER „Chancen zur Erhöhung der Wahlbeteiligung und gültiger Stimmen nutzen: Veröffentlichung von Musterstimm zetteln“, Drucksache 6/3139, in der Sache ab. Wer möchte die sem Antrag zustimmen? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 15 und rufe Tagesordnungs punkt 16 auf: