Chancen zur Erhöhung der Wahlbeteiligung und gül tiger Stimmen nutzen: Veröffentlichung von Muster stimmzetteln
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Der vorliegende Vorschlag geht auf eine Anregung, die von mehre ren lokalen Wählergruppen an uns herangetragen worden ist, zurück. Ziel ist, jede Möglichkeit zu ergreifen, die Anzahl gül tiger Stimmen zu erhöhen und einen Beitrag zu leisten, die Wahlbeteiligung zu steigern. Auch wenn es nur ein kleiner Bei trag ist, so ist es doch eine Maßnahme, die Chancen in sich birgt, aber in der Regelung niemandem wehtut.
Wie sieht es mit der Quote der gültigen Stimmen aus? Richtig ist, dass es Menschen gibt, die absichtlich ungültig wählen - das sollen sie auch so tun, das soll jeder selbst entscheiden, und das soll und wird auch so bleiben. Aber es ist ein demokra tisches Defizit und eine demokratische Enttäuschung, wenn dies jemand versehentlich tut. Dass es ein legitimer Wille ist, möglichst viele Stimmen als gültig zu bewahren, sieht man auch an den Schulungen für die Stimmzähler. Dabei wird im mer darauf hingewiesen: Wenn der Wählerwille noch irgend wie erkennbar und interpretierbar ist, solle man die Stimme gültig werten. An diesem Prinzip sollte man anknüpfen und es weiterdenken.
Die Quote der ungültigen Stimmen - 3,6 bzw. 2,8 % bei den Kommunalwahlen entspricht in keiner Weise den empirischen Gegebenheiten. Es ist nicht so, dass dort Protest gewählt und alles durchgestrichen wird nach dem Motto „Ich will alle nicht“. - Gerade bei Kommunalwahlen mit ihrer niedrigen Wahlbeteiligung wird eigentlich nicht Protest gewählt. Wer zur Kommunalwahl geht, wird in den allermeisten Fällen seine Meinung lokal- und personenbezogen zum Ausdruck bringen wollen. Das gilt auch für die nicht abgegebenen Stimmen. Bei
jeder Kommunalwahl werden deutlich weniger Kreuze gezählt, als die gültigen Stimmen mal drei - so viele Stimmen kann man vergeben - ergeben würden.
Wenn also die Quote der ungültigen Stimmzettel 3 % beträgt und noch eine Reihe von Stimmen irrtümlich nicht vergeben wurden, so kommen wir auf eine Anzahl von rund 100 000 un absichtlich untergegangener oder verlorengegangener Stim men bzw. Kreuze, wenn man es genau nimmt. Das ist ein Pro blem, welches man lösen sollte. Man muss darüber nachden ken und wenigstens versuchen, es zu lösen.
Ich bitte Sie daher, diese Zielsetzung und diese Grundsatzüber legung zu teilen. Welche Maßnahmen kann man nun ergreifen? Sie alle wissen, dass die amtlichen Bekanntmachungen eine Auflistung der Bewerber vorsehen. Ich glaube, dass es nicht falsch wäre, wenn dort auch der Stimmzettel zu sehen ist, und zwar mitsamt aller Erläuterungen. Das könnte gerade für Brief wähler hilfreich sein, deren Quote von Jahr zu Jahr weiter steigt. Es gab schon so manche Wahlen, wo ein Viertel der Stimmen per Briefwahl abgegeben wurde. Für diese Wähler kann unser Vorschlag einen Beitrag zur Klarstellung liefern.
Uns ist bewusst, dass wir alle über die Ursachen niedriger Wahlbeteiligung nachdenken und uns Wege und Methoden, diese zu beheben, überlegen müssen. Auch wir haben kein ganzheitliches und vollumfängliches Lösungskonzept. Unser Vorschlag erfordert wenig administrativen Aufwand und kann zumindest einen kleinen Beitrag leisten. Wenn nur eine 2 % höhere Wahlbeteiligung oder 2 % mehr gültige Stimmen er reicht werden, hat es sich bereits gelohnt. Einen Stimmzettel mit dem entsprechenden Wahlbezug abzudrucken, kann, so denken wir, das Interesse steigern oder zumindest eine gewisse Aktivierung auslösen.
Meine Damen und Herren, sofern Sie diese Überlegungen tei len, können wir das - der Antrag sieht es ja vor - auch für die Landtagswahl so beschließen. Wenn Sie sie nicht teilen, dann haben Sie die Möglichkeit, im Innenausschuss nachzujustie ren; für diesen Fall ist die Überweisung beantragt worden.
Auf jeden Fall, meine Damen und Herren, ist jeder Schritt, der für eine demokratische Stimme mehr sorgt oder eine de mokratische Stimme bewahrt, es wert, gegangen zu werden. Daher sollte die Landesregierung gebeten werden, die Ver ordnungen zu ändern. Ich bitte Sie, dieser Bitte zu folgen. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Die Präsidentin und die Musiker haben uns heute früh beim gemeinsamen Singen von Weihnachtslie dern gebeten, die heutige Sitzung in möglichst versöhnlichem Ton zu bestreiten. Ich will mich bemühen, dazu einen Beitrag zu leisten. Daher sage ich zunächst einmal der einreichenden Gruppe herzlichen Dank.
Unstreitig ist es wichtig, zu überlegen, ob und, wenn ja, wie wir den Anteil der ungültigen Stimmen bei den Wahlen in Brandenburg senken können. Ich sage Dank auch für die Be gründung der im Antrag enthaltenen lobenden Worte in Bezug auf das brandenburgische Kommunalwahlsystem.
Die weiteren Ausführungen in der Begründung sind - ich will das betont versöhnlich formulieren - mit Fragen behaftet. Die Antragstellerin trägt vor, dass von Teilen der Wählerschaft bei den Kommunalwahlen bestehende Möglichkeiten des Kumu lierens und Panaschierens nicht immer richtig gehandhabt wer den und dadurch ungültige Stimmen entstehen. Es widersprä che beispielsweise jeder empirischen Logik, dass, wer gültig wählt, nicht alle drei Stimmen abgibt. Wer einen Kandidaten mit zwei Stimmen wählt und ihm seine dritte Stimme nicht gibt, werde das wohl irrtümlich getan haben.
Auch bei der Landtagswahl ist die Zahl der ungültigen Stim men trotz des vergleichsweise einfachen Wahlsystems bemer kenswert hoch. Dazu führt die Antragstellerin aus, dass es nicht den demoskopischen Gegebenheiten entspreche, dass die ent sprechenden Quoten in Gänze auf bewusste Ungültigmachung zurückzuführen sei, auch wenn sie einräumt - das hat Kollege Vida soeben nochmals gesagt -, dass manche Wähler vorsätz lich ungültig wählen. Ich rate hier - auch das will ich versöhn lich formulieren - zur Zurückhaltung bei der Beurteilung der Fähigkeiten und Absichten der Wählerinnen und Wähler in Brandenburg.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe in den letz ten Tagen mit einigen Wahlvorständen und Wahlleitern telefo niert. Deren Einschätzungen decken sich mit meinen eigenen Erfahrungen aus den Tagen als Wahlhelfer. Ja, es gibt eine er kennbar große Anzahl von Menschen, die absichtlich ungültig wählen. Oft lesen wir - gleichsam als Begründung dafür - auch noch einen Kommentar auf dem Stimmzettel. Da sind wir - auch das sage ich versöhnlich - nicht ganz einer Meinung, Herr Kollege Vida. Daneben gibt es noch wirkliche Fehler, und es gibt Wählerinnen und Wähler, die eben nicht alle ihnen zur Verfügung stehenden Stimmen abgeben wollen. Das haben wir weder zu bewerten noch zu kritisieren, und das ist nach meiner festen Überzeugung auch kein demokratisches Defizit, wie be hauptet wird.
Es gibt nach meiner festen Überzeugung keinen Zusammen hang zwischen der Kompliziertheit der Wahl und der Anzahl der ungültigen Stimmen. Lassen Sie mich beispielhaft die Kommunalwahl in Potsdam im Jahr 2014 anführen: Es gab zwölf Listen und 1,7 % ungültige Stimmen. Bei der Kommu nalwahl in Brandenburg an der Havel gab es bei acht Listen 2,6 % ungültige Stimmen. Selbst bei absolut unkomplizierten Wahlen ohne die Möglichkeit des Kumulierens oder Pana schierens - zum Beispiel bei der Wahl des Bürgermeisters in Eberswalde im Jahr 2014 mit nur drei Bewerbern - gibt es un gültige Stimmen. In Eberswalde hatte jeder, der an der Bürger meisterwahl teilnahm, ein einziges Kreuz zu machen. Ergeb nis: 2,3 % ungültige Stimmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich folge also nicht der Grundannahme, wonach die überwiegende Zahl der ungül tigen Stimmen auf ein Versehen oder Unkenntnis zurückzufüh ren ist. Selbst wenn es so wäre, wäre doch die Frage: Ändern wir das dadurch, dass wir Musterstimmzettel amtlich bekannt machen, also in Amtsblättern und Tageszeitungen abdrucken sowie in Schaukästen aushängen? Sie erinnern sich sicherlich
an die Stimmzettel von diesem großen Format - es ist schon mit einer gewissen Herausforderung verbunden, diese so in ei ne Tageszeitung zu bekommen, dass sie noch lesbar sind, also größer als 6-Punkt-Schrift.
Bereits heute werden bei Landtags- und Kommunalwahlen - das erscheint mir erwähnenswert - sowie bei Bundestags- und Europawahlen am Wahltag an den Wahllokalen die jeweiligen Musterstimmzettel angebracht - das ist Vorschrift. Wählerinnen und Wähler haben also vor ihrer Wahlhandlung ausreichend Zeit, die Namen der Bewerberinnen und Bewerber und die auf den Stimmzetteln abgedruckten Hinweise zur Anzahl der abzu gebenden Stimmen - wie viel links, wie viel rechts, wie kumu lieren und wie panaschieren - zu studieren.
Die Mitglieder der Wahlvorstände werden im Rahmen der Schu lungen durch die Wahlbehörden darauf hingewiesen, dass sie Fragen von Wählerinnen und Wählern zum Wahlsystem nicht nur beantworten dürfen, sondern es vielmehr auch eine ihrer zentralen Aufgaben ist, auf Nachfrage Erklärungen zu geben.
Die allermeisten von uns werden aus ihrer kommunalen Tätig keit bestätigen können, dass Musterstimmzettel oft auch auf den Internetseiten der Gemeinden und Landkreise lange vor der Wahl eingestellt werden. Die Informationen, die die Wäh lerinnen und Wähler brauchen, um gut informiert zur Wahl zu schreiten, stehen also ausreichend und rechtzeitig zur Verfü gung. Aber die Freiheit, seine Stimme abzugeben, ist eben auch die Freiheit, seine Stimme nicht abzugeben, ungültig zu machen oder nur teilweise abzugeben. Ich sehe daher insge samt keinen Bedarf, durch Landesrecht vorzuschreiben, dass zukünftig Musterstimmzettel öffentlich bekanntgemacht wer den müssen. Den Antrag werden wir daher ablehnen. - Herz lichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns ernsthaft mit dem Antrag auseinandergesetzt und kommen zu dem gleichen Ergebnis wie mein Vorredner. Wir sind uns nicht sicher, dass die Veröffentlichung tatsächlich in der beschriebenen oder in einer anderen Art und Weise zur Ver besserung der Situation, was Wahlbeteiligung oder was den Anteil oder das Verhältnis von gültigen und ungültigen Stim men betrifft, führen wird. Deswegen werden wir den Antrag ebenfalls ablehnen.
Aber ich betone noch einmal, was ich vorhin schon ausgeführt habe: Wir sind offen für Debatten über Dinge, die die Wahlbetei ligung tatsächlich erhöhen können. Eine Debatte darüber, wie wir mehr Menschen an die Wahlurnen bekommen, lohnt sich.
Dass diese kleinteilige Geschichte, die diesem Antrag zugrun de liegt, ein wirklicher Beitrag ist, wagen wir zu bezweifeln. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich meinem Vorredner Daniel Kurth vollinhaltlich anschließen.
Herr Vida, Sie sprechen ein Problem an, das uns alle bewegen muss. Ich finde es gut, dass Sie das hier zur Diskussion stellen. Man kann, denke ich, gar nicht genug dafür tun, Menschen in diesem Land zu ermutigen, ihr Wahlrecht zu nutzen, ja, es auch wirksam zu nutzen. Wir Abgeordnete leben ja davon, dass wir eine möglichst hohe Legitimation durch die Wähler haben. Deshalb lohnt sich das in jedem Fall.
Die Entscheidung für diese Form des Wahlrechts, für dieses Wahlsystem wurde ganz bewusst getroffen. Sie ist schon zu DDR-Zeiten gefallen. Das Wahlsystem fand bereits bei den Kommunalwahlen 1990 Anwendung. Ich hatte die Möglichkeit, im Vorfeld mit darauf Einfluss zu nehmen, und kann nur sagen: Den Anspruch, von einer reinen Listenwahl Abstand zu nehmen und zu dieser starken Personenwahl überzugehen, muss man sehr hoch halten, insbesondere bei Kommunalwahlen.
Herr Vida, ich muss Ihnen in einem Punkt widersprechen. Wir haben uns einmal die Mühe gemacht, zu recherchieren, wie hoch der Anteil der ungültigen Stimmzettel gewesen ist. Im Jahr 2003 betrug der Anteil landesweit 4,18 %. Im Jahr 2008 lag die Quote bei 3,6 % und 2014 bei 2,8 %. Sie ist also rück läufig. Ich glaube, das ist ein Ausdruck dafür, dass vor Ort eine Menge dafür getan wird, deutlich zu machen, worin die He rausforderung dieses Wahlsystems besteht. Wir alle sind aufge rufen, unseren Anteil dazu zu erbringen.
Ihr Vorschlag ist meines Erachtens nicht geeignet, um hier ei nen deutlichen Fortschritt zu erreichen. Lassen Sie uns ge meinsam inhaltlich vorgehen. - Diesem Antrag werden wir nicht zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie sprechen von falsch ausgefüllten Wahlscheinen oder ungül tigen Stimmen. Die Wahlverdrossenheit unterschlagen Sie da bei. Aber wir von der AfD sind immer dafür, das Bildungsni veau im Land zu heben.
- Frau Mächtig, ich spreche von Bildung und nicht von Erzie hung. Darüber können wir uns später unterhalten.
… damit die Menschen das Wahlsystem verstehen, nehmen wir eben Bildchen? Bildchen als Chance zur Vermeidung von un gültigen Stimmen und zur Erhöhung der Wahlbeteiligung, wie Sie es tun, liebe Kollegen von der BVB/FREIE WÄHLER Gruppe? Das erinnert mich an den kurzsichtigen Jäger: auf den Hirsch gezielt und den Misthaufen 150 Meter davon entfernt getroffen. - Aber knapp daneben ist halt auch vorbei.
So ein Vorschlag ist äußerst fragwürdig. Es ist, als hörten die Altparteien von der biblischen Sintflut und versuchten dann noch schnell, ihre Schuhe zu flicken. Das nenne ich Untergang mit Stil.