Protocol of the Session on November 18, 2015

Ich wollte Sie nicht unterbrechen, die Frage lasse ich schon zu, wenn es angemessen ist. - Weil Sie jetzt schon eine Pause ge macht haben, nutze ich die Chance, die Mitglieder der Landes regierung aufzufordern, in den Plenarsaal zu kommen. Wir de battieren den Bericht des Petitionsausschusses.

(Allgemeiner Beifall)

Ich denke, er ist auch für die Mitglieder der Landesregierung sehr spannend. Ich fordere die Mitglieder auf, sich wieder hier einzufinden.

Ich lasse jetzt die Zwischenfrage zu. Herr Abgeordneter Petke, Sie haben das Wort.

Ich wollte den Kollegen Wichmann fragen, ob er sich nicht auch, wie ich, freuen würde, wenn die Mitglieder des Kabinetts seinen Ausführungen zur Arbeit im Petitionsausschuss zu hörten.

Ich denke - die Präsidentin hat das auch deutlich gemacht -, dass das auch dokumentiert, dass das, was wir hier besprechen, manche in der Regierung offensichtlich nicht interessiert. Ich fände es traurig, wenn es so wäre, denn das Petitionsrecht - ich habe es anfangs gesagt - ist das älteste Bürgerrecht. Die Preu ßen hatten es schon, und die Brandenburgerinnen und Bran denburger haben es seit 1990 wieder, um sich mit Kritik und Beschwerden, aber auch mit Bitten an die Politik, und zwar nicht nur an das Parlament, sondern auch an die Regierung, zu wenden. Insofern wäre es gut, wenn die Regierungsmitglieder der Debatte folgen würden.

(Beifall CDU)

Herr Abgeordneter, es gibt eine weitere Zwischenfrage. - Sie lassen Sie zu. - Frau Lieske, bitte.

Herr Abgeordneter und Vorsitzender des Petitionsausschusses Wichmann, wir waren beide eine ganze Legislatur lang ziem lich erfolgreich mit dem Petitionsrecht. Deswegen kann ich mich Ihren Ausführungen nur anschließen. Ich möchte jetzt aber die Frage meines Kollegen aufgreifen und fragen: Gerade von der Landesregierung hat der Petitionsausschuss nach mei ner Kenntnis immer ziemlich zeitgerecht tiefgreifende Stel lungnahmen erhalten. Sie hat oft den Ball aus dem Petitions ausschuss aufgenommen, um dann ihre ursprünglichen Stel lungnahmen abzuändern.

(Zuruf: Frage!)

- Die kommt gleich. Einen kleinen Vorlauf brauche ich schon, der sollte mir auch gestattet sein.

Sind Sie der gleichen Auffassung wie ich, dass das auch in der jetzigen Legislaturperiode der Arbeitsstil der Landesregierung und der dazugehörigen Referate ist?

(Genilke [CDU]: Regierungssprecher Wichmann, sagen Sie es mal! - Heiterkeit bei der CDU)

Es ist nicht die Frage, welche Auffassung ich als Vorsitzender des Petitionsausschusses dazu habe, sondern es ist nach unserer Verfassung und dem Petitionsgesetz die Verpflichtung der Lan desregierung, Ersuchen des Petitionsausschusses innerhalb von vier Wochen in schriftlicher Stellungnahme zu beantworten.

(Beifall CDU und AfD)

Das passiert in der Regel, da muss ich der Kollegin Lieske Recht geben. Manchmal passiert es aber auch nicht in der vor gesehen Frist, dann müssen wir Druck machen.

Aber ich möchte noch auf eine Sache eingehen, die mir wichtig ist. Sie hat etwas mit unserem neuen Landtagsgebäude zu tun. Am 30. November wird auf dem neu entstandenen Platz neben dem Landtag eine Linde gepflanzt. 2004 war schon einmal eine gepflanzt worden, sie ist durch die Bauarbeiten verschwunden. Und zwar ist das die Bittschriften-Linde. Sie ist vom Großen Kurfürsten einmal gepflanzt worden und hatte bei Friedrich dem Großen große Popularität. Sie stand vor seinem Arbeits zimmer hier im Stadtschloss, und die Brandenburgerinnen und Brandenburger in Preußen, die sich mit einer Bitte an ihren Kö nig wenden wollten, konnten ihre Bitte dem König an der Bitt schriften-Linde vortragen. Er hat dann meistens, wie es in der Monarchie so ist, nach Gutdünken entschieden, nicht nach Recht und Gesetz, wie wir das heute im Petitionsausschuss tun.

Ich habe eine Bitte, die habe ich der Präsidentin auch schon schriftlich mit auf den Weg gegeben. Wir werden am 30. No vember den Baum pflanzen. Im nächsten Jahr werden die Peti tionsausschussvorsitzenden der deutschen Länder hier in Pots dam tagen. Vielleicht gelingt es uns gemeinsam mit der Stadt verwaltung von Potsdam, bis dahin eine Hinweistafel an dieser

Bittschriften-Linde anzubringen, die auf die Historie dieses Baumes hinweist, aber auch die aktuellen Bezüge zum Petiti onsrecht in angemessener Weise darstellt. Ich denke, es wäre im Sinne unseres Ausschusses, aber auch der Brandenburge rinnen und Brandenburger, wenn wir dieses Anliegen gemein sam angehen. Ich denke, wir können es gemeinsam schaffen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, AfD, DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Herr Wichmann, für Ihren engagierten Redebei trag. - Ich appelliere noch einmal an die Mitglieder der Landes regierung, sich möglichst bald hier einzufinden, sonst unterbre che ich die Sitzung. Es gehört sich einfach nicht, dass sämt liche Regierungsbänke leer sind.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Wir setzen die Debatte mit der Abgeordneten Dr. Liedtke fort. Sie spricht für die SPD-Fraktion.

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren Abge ordnete! Liebe Gäste! Ich kann dort gleich anknüpfen; denn Bittschriften gibt es seit der Antike, aber eine BittschriftenLinde gibt es nur in Potsdam. Der Große Kurfürst hat gleich vier davon aus Holland geholt, um entsprechend viele Bitt schriften entgegenzunehmen. Es gibt die Anekdote - ob es stimmt, weiß ich nicht -, dass der Urenkel, also Friedrich II., in seinem Arbeitszimmer drei Spiegel hatte, um immer im Auge haben zu können, was gerade an der Bittschriften-Linde pas siert.

Die Linde erlebte bis 1949 eine sehr wechselvolle Geschichte. Am 30. November um 12 Uhr sind Sie alle herzlich eingela den, am Otto-Braun-Platz die Pflanzung einer neuen Linde zu erleben.

(Frau Lehmann [SPD]: Gut!)

Dieser neue Baum ist schon gut 20 Jahre alt, acht Meter hoch, 70 Zentimeter Umfang hat er schon. Der Standort wurde nach einem demokratischen Politiker benannt, Otto Braun. Es ist ei ne demokratische Zeit, die diese Linde umgeben wird. Und Linden können bis 1 000 Jahre alt werden.

Worum geht es heute im Petitionsausschuss, und - viel wich tiger - was kann der Ausschuss konkret erreichen, wie hat er gearbeitet? 476 Petitionen sind abgeschlossen. Das ist eine ganze Menge. Ich denke, auch der Zeitumfang, den eine Petiti on in Anspruch nimmt, ist gegenüber dem Petenten vertretbar. Es gibt eine ganze Reihe von Vor-Ort-Terminen, die wir wahr nehmen, und viele Bürgersprechstunden auch in den unter schiedlichsten Regionen unseres Landes.

Die Petition der Schüler der Potsdamer Voltaire-Gesamtschule zeigt, dass man im Ausschuss etwas erreichen kann, auch wenn es bei unserem ersten Besuch vor Ort, Herr Wichmann, gar nicht so gut ausgesehen hat.

Es geht um Straßen, Wasserrohre und Gebühren, um Gerüche

von Schweinemastanlagen und Lärm von Motorrädern, um Haftbedingungen und Rehabilitationen, um Pflegestufen und Arztwahl, um Situationen, die man sich nicht wünscht, in die der Petent - wie auch immer - geraten ist. Es geht um individu ell erfahrenes oder empfundenes Unrecht, Unverhältnismäßig keit von Behördenentscheidungen, um Kritik an Gesetzen und Anordnungen, auch aus diesem Haus.

Es ist schön, helfen zu können, wenn der Petent doppelt und zu Unrecht zahlen musste, wenn sich eine Lösung findet für den bilateral Studierenden in Frankfurt (Oder) und Paris oder für die Rentnerin mit der nur halben Rundfunkgebühr im Wochen endhaus.

Oft regen Petitionen zu Anfragen im Parlament an, sie sind Teil großer Problemkreise, die noch diskutiert werden.

Ich danke ganz herzlich allen Petenten dafür, dass sie uns, den Ausschussmitgliedern - die man gar nicht persönlich kennt, wir haben uns oft vorher noch nicht gesehen -, ihr Vertrauen schen ken, uns Einblick in oft missliche Lebenslagen oder kompli zierte Verwaltungsvorgänge geben.

Die Arbeit des Petitionsausschusses nimmt unmittelbar Anteil an den Sorgen und Nöten der Menschen in Brandenburg.

Ich danke den Mitarbeitern des Petitionsausschusses, die manches Behördenlabyrinth durchdringen und kreative Kontakte aufnehmen, um zu helfen. Ich danke den IT-Experten, die uns online die Petitionsarbeit ermöglichen.

Die Arbeitsweise im Ausschuss ist sehr konstruktiv, sehr kolle gial, sehr genau im Studium der Petitionen, sehr gut beraten von den Ausschussmitarbeitern - immer zuerst aus der Sicht des Petenten betrachtet. Dieses Klima entsteht nicht zuletzt auch dank der Ausschussleitung durch Herrn Abgeordneten Henryk Wichmann, der Petitionen zu seiner Herzensangele genheit macht.

Wo kann nachgesteuert werden? Ich könnte jetzt meine The men herausgreifen: Hochschulzulassungsregelungen haben Lücken, wenn sie die Mobilität der Studenten nicht befördern. Oder: Die Rundfunkgebührenordnung ist offenbar zu unbe kannt. Oder: Die Anerkennung von Pflegestufen muss besser prüfbar sein. Schon sind wir bei Themen der Landes- und Bun despolitik, die gerade behandelt werden.

Was wünsche ich mir an Verbesserungen? Na ja. Die Antwort auf eine Petition muss juristisch fundiert sein, sie sollte aber auch verständlich sein. Der psychologische Aspekt fehlt mir bei all der Juristerei gelegentlich. Es sind Menschen, die sich an uns wenden.

Welche Rolle spielt nun eigentlich diese Linde am Otto-BraunPlatz? Vom Anpinnen der Petitionen halten gute Gärtner ver mutlich nichts. Man könnte nun verwaltungskonform verschie dene Briefkästen anbringen, sodass die Themenkreise schon sortiert sind. Aber alles das wird wohl nicht kommen. Einen Kummerkasten wünschte ich mir schon und die E-Mail des Pe titionsausschusses ebenfalls. - Danke.

(Beifall SPD sowie der Abgeordneten Frau Nonnenma cher [B90/GRÜNE], Frau Schülzke [BVB/FREIE WÄH LER Gruppe und Wichmann [CDU])

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache mit Herrn Abgeord neten Dr. Bernig fort. Er spricht für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolle ginnen und Kollegen! Werter Gast! Als ich gefragt wurde, ob ich im Petitionsausschuss mitarbeiten würde, wusste ich ei gentlich, worauf ich mich eingelassen hatte, weil ich in der ver gangenen Wahlperiode schon an einigen Sitzungen teilnehmen konnte. Aber Vertretung ist doch etwas anderes.

(Domres [DIE LINKE]: Das stimmt!)

Das ist aber auch das Interessante am Petitionsausschuss: Ne ben den immer wiederkehrenden Problemen aus Bereichen wie Justizvollzug, Natur und Umwelt, Rechtspflege, Gnadenge suche, Schulwesen, Gebühren und Beiträge, Bauplanungs recht - um nur die ersten sechs von 40 verschiedenen Themen feldern zu nennen - kommen auch immer wieder neue und an dere Sachverhalte auf den Tisch. Sie sind durch die Verwaltung immer auf das Beste und Gründlichste vorbereitet, und als Be richterstatter und Mitglied des Ausschusses hat man jederzeit die Möglichkeit, Vorschläge zu unterbreiten. Dazu muss man allerdings die Berichtsvorlage und meist auch die Petition gele sen haben - und das macht ganz schön Arbeit.

(Heiterkeit des Abgeordneten Domres [DIE LINKE])

Umso mehr freut man sich, wenn der eigene Vorschlag, doch noch mal den zuständigen Fachausschuss zu befragen, fruchtet und nach zähem Ringen der Verwaltungen und dem Hin- und Herschieben der Zuständigkeiten dann doch eine Entscheidung zustande kommt, sei es nur die gerechte Preisgestaltung des Essens in der Fachhochschule oder aber die Anrechnung von Vordienstzeiten auf die Pension. Hier haben Regierungsmit glieder und ihre Mitarbeiter reagiert.

Dann kommen die Fälle, die richtig wehtun: wenn sich ein äl teres Ehepaar kurz vor dem Ruhestand vermeintlich ein Wohn haus kauft, das sich dann als Ferienhaus herausstellt, in dem man nicht ständig wohnen darf. Obwohl sich alle Beteiligten mit der Schaffung von Übergangsregelungen fünf Jahre lang bemüht haben, den Flächennutzungsplan doch noch zu ändern, hat es nicht geklappt. Das ist bitter, nicht nur für die Betrof fenen, sondern auch für die Beteiligten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hatten vor Kurzem in un serer Bundestagsfraktion einen Erfahrungsaustausch von Mit gliedern der Petitionsausschüsse. Ich muss sagen, ich hätte nicht gedacht, dass es in der Bundesrepublik so viele Unter schiede gibt. Aber es ging natürlich runter wie Öl, als festge stellt wurde, dass die Brandenburger bei der Bearbeitung mit die Fleißigsten sind, besonders auch, weil jede Petition auf den Tisch kommt. Beim Bund gibt es bekanntlich - oder auch nicht bekannt - eine gewisse Vorauswahl. Hier gibt es zunächst eine Antwort der Verwaltung an den Petenten, und erst, wenn der nicht einverstanden ist, kommt der Petitionsausschuss ins Spiel. Allerdings muss man auch wissen, dass den Petitions ausschuss des Bundestages zwischen 16 000 bis 22 000 Petiti onen erreichen.

Deutlich wurde auch, dass in anderen Ländern Petitionen Ge genstand der politischen Konfrontationen und Auseinanderset zungen sind und Kampfabstimmungen erfolgen. Da lobe ich mir die sachbezogene Atmosphäre in unserem Petitionsaus schuss, wie sie hier schon geschildert wurde, wobei natürlich unterschiedliche politische Positionen deutlich werden, aber im Vordergrund die Hilfe für den Petenten steht und gegebe nenfalls auch klare Worte fallen, wo sie angebracht sind. Im merhin gibt es auch höchst unangenehme Zeitgenossen, um es diplomatisch auszudrücken.

Es gibt auch eine Menge Diskussionsbedarf in Deutschland, so zur Frage der Entwicklung bei öffentlichen Petitionen oder dem Umgang mit privaten Internetpetitionsplattformen wie change.org, petition24.de oder openpetition.de. Ich finde es richtig, dass wir als Petitionsausschuss zunächst der Verwal tung den Auftrag erteilt haben, zu prüfen, wie weiter mit elek tronischen Möglichkeiten des Einreichens und der Bearbeitung von Petitionen umzugehen ist, und bin gespannt auf das Ergeb nis.