Kinder müssen heute, hier und jetzt schnell in Kindertagesstät ten und Schulen gebracht werden. Sie müssen heute integriert werden - in der Berufsausbildung, im Studium oder auch in den Arbeitsmarkt, da, wo sie auch selbst ihren Lebensunterhalt erwirtschaften können. Dies alles wird morgen Nachmittag in Berlin auf dem Flüchtlingsgipfel beraten. Erste Vorschläge sind bereits öffentlich gemacht worden. Genau deshalb hätten wir uns gewünscht, nicht nur am Freitag einen Bericht zu hö ren, sondern bereits heute zu hören: Was ist eigentlich unsere Position im Land Brandenburg? Was ist Ihre Position am Don nerstag? Wir sollten nicht nur über die Vergangenheit reden, sondern sagen, was wir eigentlich wollen. Berichte können wir uns auch selbst durchlesen, wir brauchen Ansagen, was im Land Brandenburg getan werden muss.
Wenn ich gerade von Integration spreche, dann sage ich auch ganz klar: Wir müssen vermitteln, nach welchen Regeln das Zusammenleben in diesem Land funktioniert - auf das wir üb rigens auch stolz sind, auf dieses demokratische Land, in dem wir zu Hause sind. Bereits vor einem Jahr habe ich an dersel ben Stelle gesagt, als es um die Anschläge in Paris ging: Zur Grundordnung gehört auch die Religions- und Meinungsfrei heit. Das ist eine klare Ansage an alle, die bei uns leben wollen. Zeichnungen über den Propheten Mohammed sind vielleicht in Deutschland eine Frage des guten Geschmacks, aber auch das ist keine Rechtfertigung für Gewalt, die hier, in Deutschland, ausgeübt werden könnte. Auch die Töchter der muslimischen Familien genießen in Deutschland das Recht, ihren Ehepartner frei zu wählen. Das ist in Deutschland eben keine reine Famili enangelegenheit. Auch hier gilt die Freiheit der jungen Frauen, egal, woher sie kommen.
Ich sage auch: In Deutschland darf jeder schwul oder lesbisch sein und sich hierzu auch öffentlich bekennen, ohne Anfein dungen ausgesetzt zu sein.
Auch die Lehren aus unserer deutschen Geschichte, unser be sonderes Verhältnis zu Israel, die Ablehnung jeder Form von Antisemitismus und das Gedenken an den Holocaust dürfen nicht infrage gestellt werden. Auch dort haben wir einen klaren Kompass.
Es ist an uns, diese Werte zu vermitteln, dafür zu werben und einzustehen. Es ist an uns, den Fanatismus im Namen einer Re ligion strikt und komplett abzulehnen und ihm konsequent zu begegnen. Das alles ist Aufgabe der Integration, die nicht falsch verstanden werden darf. Aber auch hier gehört die Wahr heit auf beide Seiten des Tisches, und dazu müssen wir bereit sein.
Angela Merkel hat Recht, wenn sie sagt: Das Grundrecht auf Asyl kennt keine Obergrenze. Dieser Schutzanspruch ist eben so ein nicht verhandelbarer Wert unserer Gesellschaft 2015.
Das Grundrecht auf Asyl ist ein Kernelement unserer Gesell schaft, die auch nach Krieg und Vertreibung entstanden ist und aus der Geschichte gelernt hat. Ich denke, nahezu jeder von Ih nen bzw. von uns kennt in seiner Familie jemanden, der selbst vertrieben wurde und weiß, was es heißt, Heimat aufzugeben und Angehörige zurückzulassen. Deshalb bekennen wir uns zum Asylgrundrecht - gerade in den Zeiten, in denen es eine große Anstrengung dafür braucht.
Alles andere wäre eine moralische Bankrotterklärung unserer Gesellschaft, und das wollen wir nicht. Wir wollen eine Gesell schaft, die die Dinge anpackt und nach oben hebt. Das Grund recht auf Asyl kennt keine Obergrenze, aber die Integrations kraft eines Landes kennt diese sehr wohl. Klar ist auch: Je mehr Menschen in kurzer Zeit zu uns kommen, desto schwie riger wird es, die täglichen Aufgaben zu bewältigen. Das erle ben wir jeden Tag. Ob Registrierung, Verteilung, angemessene Unterbringung oder soziale Betreuung - wir schaffen das, aber wir schaffen es nicht allein in Deutschland und in Europa. Des halb unterstütze ich ausdrücklich die Worte von Herrn Dr. Woidke. Die Bewältigung der Flüchtlingsbewegung muss eine europäische Aufgabe werden und als solche verstanden werden. Nicht anders wird in Europa Politik gemacht werden können. Daher steht die Europäische Union vor einer viel größeren Be währungsprobe als in den letzten Wochen, Monaten und Jahren, als alle dachten, die Finanzkrisen würden uns beeinträchtigen. Nein, es ist die Frage: Sind wir mehr als eine Wirtschafts- und Währungsunion? Sind wir eine Wertegemeinschaft? Darum geht es, und darauf kann sich alles andere aufbauen lassen.
Deshalb hoffe ich, dass wir heute Abend - nach einem anderen Gipfel - hier einen Schritt weitergekommen sind. Zumindest die Nachrichten des gestrigen Tages lassen dies hoffen und ver muten. Wir brauchen dringend ein gleiches EU-Asylrecht, wir brauchen in der EU eine gemeinsame Liste mit sicheren Her kunftsländern, und wir brauchen eine faire und anteilige Vertei lung der Flüchtlinge in Europa.
Meine Damen und Herren, dann heißt es eben auch: Wir kön nen nicht jedem sagen: Du kannst nach Deutschland kom men. - Nein, auch in Polen und Frankreich, in Spanien und an derswo gibt es Asylrecht. Die Hauptsache ist, wir geben den Menschen Schutz, die Schutz suchen. Das ist eine europäische Aufgabe, daran darf sich Europa nicht zerstreiten, sondern muss gemeinsam die Dinge anpacken und dafür einstehen.
Das alles ist viel mehr, als die Dinge manchmal eine Rolle spielen. Es kann gelingen, wenn die Europäische Union ge meinsam diesen europäischen Traum lebt und das Geld nicht in den Vordergrund gestellt wird. Wichtig ist ein gemeinsames Vorgehen, auch, um den Ursachen von Flucht und Vertreibung auf dieser Welt zu begegnen. Deutschland und Brandenburg müssen sich fragen, was wir dazu beitragen können, um wieder Frieden in Syrien zu schaffen bzw. um bis dahin sichere Schutzzonen für Flüchtlinge zu errichten. Auf uns wird die Entscheidung zukommen, uns stärker in Afrika zu engagieren und die teilweise unwürdigen Zustände in den Flüchtlingsla gern dieser Welt zu ändern. Deshalb auch herzlichen Dank an Herrn Gabriel, der gestern dazu ein klares Signal gegeben hat.
Wir müssen stärker die Nöte in den Herkunftsländern dieser Welt in den Blick nehmen. Wir brauchen ganz einfach eine ge rechtere Welt, in der wir zu Hause sind.
Ja, die hohe Zahl an Flüchtlingen wird etwas verändern. So wie sich Deutschland und Brandenburg in den letzten 25 Jahren verändert haben, so wird es auch in den nächsten 25 Jahren Veränderungen geben; und die Tugenden der letzten 25 Jahre brauchen wir dann: Wir brauchen Mut, uns auf Veränderungen einzulassen. Wir brauchen die Entschlossenheit, sie zu gestal ten, und wir brauchen Optimismus, um die Dinge anzunehmen.
Meine Damen und Herren, es geht nicht nur darum, was war, sondern auch darum, was sein wird, was wir wollen und anpa cken wollen. Die Kraft ziehen wir aus dem Stolz auf das Er reichte. Wir schaffen das, weil wir es schon einmal geschafft haben. - Vielen herzlichen Dank.
Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lie be Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste, die in Potsdam Zu flucht gefunden haben. Herzlichen Dank, dass Sie an unserer heutigen Sitzung teilnehmen.
Ja, wir feiern in diesen Tagen 25 Jahre Brandenburg. Heute Abend werden wir einen Festakt im Nikolaisaal begehen, am Sonnabend wird es ein großes Bürgerfest geben. Die Medien berichten umfassend darüber. Es ist eine Zeit des Innehaltens, auch, um daraus Kraft zu schöpfen. Deshalb war ich ein wenig verwundert über Diskussionsbeiträge der CDU in den vergan genen Tagen und auch heute, wonach es unangemessen sein soll, diese beiden Themen zu verknüpfen. Ich glaube, unser Ministerpräsident hat mit seiner Regierungserklärung heute eindeutig bewiesen, dass sie wunderbar zu verknüpfen sind,
dass es Sinn macht, sich über 25 Jahre Land Brandenburg Ge danken zu machen, gleichzeitig in die Zukunft zu schauen und aus den Erfahrungen der letzten 25 Jahre Lösungsansätze zu entwickeln.
Der Kollege Senftleben hat zum Schluss die Kurve gekriegt, als er sagte: Ja, wir können in der Tat aus den Erfahrungen, die wir in den letzten 25 Jahren gesammelt haben, Kraft ziehen und Erfahrungen einbringen, die uns helfen, die Flüchtlingskri se in den Griff zu kriegen. Deshalb halte ich es für richtig, dass wir uns auch selbst vergewissern, dass wir uns mit unserer ei genen Geschichte auseinandersetzen, wir sie uns vor Augen halten und wahrnehmen, was unter ganz schwierigen Bedin gungen geleistet worden ist.
Wie war die Situation 1990? Die DDR gab es nicht mehr. Viele Menschen waren in einer Phase sehr großer Verunsicherung, hatten Angst um ihren Arbeitsplatz, hatten Sorge, ob sie über morgen ihre Wohnung noch bezahlen können, hatten Angst vor Restitutionsansprüchen, gerade hier im Berliner Umland. Es war eine Situation der Verunsicherung. Da ist es ein kleines Wunder, dass sich in dieser Situation der Verunsicherung, wo viele Menschen ihren Arbeitsplatz verloren haben, eine Bran denburgidentität herausbildete.
Das war nicht selbstverständlich. Als nach der deutschen Wie dervereinigung die fünf neuen Bundesländer entstanden sind, war es für viele offensichtlich, dass die Sachsen und die Thü ringer eine hohe Identität, die sie sich auch in der Zeit der DDR bewahrt haben, sofort wieder ausleben können. Dass das in Brandenburg passieren würde, war nicht selbstverständlich. Ich glaube, man muss an dieser Stelle an die hohen Verdienste insbesondere unseres Gründungsministerpräsidenten Manfred Stolpe, aber auch die Regine Hildebrandts erinnern, die Bran denburger Identität wachzurufen. Ich glaube, das hat viel dazu beigetragen, dass wir nach der Wende eine Stabilität entwickelt und unser Land vorangebracht haben.
Ich bin 1991 nach Brandenburg gekommen, das ist mittlerwei le 24 Jahre her. Ich war begeistert, wenn ich übers Land fuhr, wie viele Brandenburgfahnen in den Vorgärten hingen. Die hängen vielerorts auch heute noch da. Das zeigt, dass Branden burg für die Menschen ein Bezugspunkt ist, dass sie die Zeit nach der Wende als einen Anfangspunkt betrachtet haben und trotz der vielen Probleme etwas voranbringen wollten. Das ist in der Tat das kleine Wunder der Brandenburger Identität, das Manfred Stolpe und Regine Hildebrandt hervorgerufen haben.
Die Situation war in der Tat schwierig. Es gab Betriebsschlie ßungen an allen Ecken und Enden in diesem Land. Menschen sind zu Zehntausenden arbeitslos geworden, und es ist etwas passiert, an das wir uns heute erinnern sollten, nämlich dass Menschen den Mut hatten, sich im Zuge aktiver Arbeitsmarkt politik wieder einzubringen und einen Neuanfang zu starten. Diese Politik war nach der Wende im Übrigen auch für den da maligen Bundeskanzler Helmut Kohl und die CDU ein großer
Schritt. Ich kann mich erinnern, dass Helmut Kohl vor 1989 jegliche Form aktiver Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik für Teufelswerkzeug hielt. Als dann im Verlauf des Transfor mationsprozesses in Ostdeutschland, auch in Brandenburg, massenhaft Menschen - Hunderttausende - arbeitslos wurden, weil große Werke geschlossen wurden, haben wir diese Gesell schaft in Ostdeutschland auch darüber stabil gehalten, dass Menschen eine neue Perspektive aufgezeigt wurde, und zwar nicht nur durch ABM, sondern auch durch Weiterbildung und Qualifizierung.
Das ist damals im Kern über die Sozialversicherung finanziert worden, hat aber geholfen, dass das, was der Ministerpräsident vorhin beschrieben hat, dass 80 % der Ostdeutschen nach der Wende einen anderen Job ausübten als vor der Wende, reali siert werden konnte. Ich glaube, deshalb macht es Sinn, sich angesichts der aktuellen Herausforderungen mit dem Thema 25 Jahre Brandenburg auseinanderzusetzen. Es gibt uns einen guten Hinweis, vor welcher Herausforderung wir stehen. Die Zahlen sind genannt worden. In diesem Jahr kommen 25 000, vielleicht 30 000 Menschen nach Brandenburg; im Jahr zuvor waren es 6 000. Diese 25 000 bis 30 000 Menschen werden nicht alle dauerhaft bei uns bleiben. Vielleicht erhalten 15 000, 20 000 oder 25 000 einen dauerhaft gesicherten Aufenthaltssta tus. Das heißt nicht automatisch, dass sie in Brandenburg ver bleiben. Aber unterstellt, 15 000 oder 20 000 bleiben in Bran denburg, dann muss es unser gemeinsames Interesse sein - die Truppen rechts außen nehme ich einmal aus -, dass wir sie gut integrieren, dass sie Teil unseres Arbeitsmarktes werden, dass sie eben nicht in die Sozialversicherung „einmarschieren“, wie es von rechts außen unterstellt wird, sondern gleichberechtigte Brandenburger Bürger werden, die mit uns gemeinsam am Aufbau des Landes arbeiten.
Dafür können und müssen wir etwas leisten. Das, was uns nach der Wende in den 90er-Jahren mit Millionen Menschen in Ost deutschland gelungen ist, kann eine Folie und ein Hinweis sein, wie wir es auch jetzt packen können, voranzukommen. Ja, wir werden möglicherweise mit privaten Bildungsträgern, aber auch mit den Industrie- und Handelskammern Kurse auflegen müssen für Menschen, die Deutsch lernen müssen und die eine berufliche Anpassungsqualifizierung brauchen. Unsere Ar beitsministerin Andrea Nahles hat gesagt, 10 % von denen, die zu uns kommen, sind direkt in den Arbeitsmarkt integrierbar. Das heißt im Umkehrschluss - das gehört zur Ehrlichkeit -: 90 % brauchen möglicherweise erst einmal Unterstützung. Die müssen wir ihnen geben - im Interesse der betroffenen Men schen, aber auch in unserem eigenen Interesse. Wenn wir nicht wollen, dass Sorgen und Nöte von Menschen Wirklichkeit wer den, müssen wir uns jetzt um Integration kümmern. Wir müs sen uns darum kümmern, dass Syrer, Afghanen, Iraner bei uns eine neue Heimat finden, dass sie gleichberechtigter Teil un serer Gesellschaft, Bürger unseres Landes, gute Brandenburger werden.
Dass wir das leisten können und zu Solidarität fähig sind, ha ben wir in den vergangenen 25 Jahren gelernt und erlebt. Wir Brandenburger haben Solidarität erlebt und gleichwohl Solida
rität gezeigt. Wann haben wir Solidarität erlebt? Natürlich durch die Hilfe aus Westdeutschland, vor allem unseres Part nerlandes NRW, haben wir nach der Wende Solidarität erlebt. Zum einen erlebten wir eine starke finanzielle Hilfe. Zum an deren sind Menschen aus NRW hierhergekommen, sie haben zum Teil auch in Brandenburg eine neue Heimat gefunden. Wir haben aber auch selbst Solidarität erlebt und gegeben, zum Beispiel bei den Hochwasserkatastrophen; Menschen aus allen Teilen Brandenburgs und Deutschlands sind in die Krisenregi on gekommen und haben geholfen, Sandsäcke zu befüllen, um weitere Katastrophen zu verhindern. Wir haben eine Kraft ge zeigt, die das von Ingo Senftleben angesprochene und von An gela Merkel geforderte „Das-schaffen-wir“ glaubhaft macht. Wir haben bewiesen: Wir können die Solidarität der eigenen Bevölkerung mobilisieren. Wir können es schaffen, die Men schen, die zu uns kommen, zu unterstützen, weil wir sie brau chen und wollen, dass sie gute Bürger werden.
30 000 Menschen sind eine große Herausforderung, aber es ist eine zu schaffende Aufgabe. Ich habe die Zahlen vorhin ge nannt. Wenn man davon ausgeht, dass 15 000 oder 20 000 dau erhaft hierbleiben, so ist das eine leistbare Aufgabe. Davor braucht man keine Angst zu haben. Wir haben in den vergange nen 25 Jahren das Know-how entwickelt, um Integrationsar beit zu leisten. Wir erleben heute, dass unglaublich viele Men schen - der Ministerpräsident hat darauf hingewiesen - zu hel fen bereit sind. Die SPD-Fraktion hatte vor einigen Tagen in ihrem Fraktionssaal ein Treffen mit Willkommensinitiativen organisiert. Es ist - ich kann es nicht anders sagen - Wahnsinn, was viele Menschen derzeit leisten. Es macht mich stolz auf mein Land, wie viele Menschen, und zwar aus allen sozialen Schichten, etwas zu leisten bereit sind.
Es sind nicht nur Aktivisten aus Parteien oder Kirchen, es sind Bürger, die zum Teil selbst erst vor wenigen Jahren nach Bran denburg, in das Berliner Umland, gezogen sind, die sagen: Wir sind Teil unserer Gemeinde, wir wollen einen Beitrag leisten, dass die neuen, die zu uns kommen, schnell Teil unserer Ge sellschaft werden.
Große Anstrengungen werden unternommen - ob Hilfe bei Sprachkursen oder anderes. Das alleine wird nicht ausreichen. Man darf auch nicht sagen: Ehrenamtler müssen alles leisten, sie sind jetzt Profis für Integrationsarbeit. - Nein, wir brauchen ein Zusammenwirken von staatlichen und zivilgesellschaft lichen Institutionen.