Aber auf der anderen Seite erwachsen natürlich auch genau aus diesen hohen Flüchtlingszahlen Bedenken und Unsicherheit. Die Brandenburgerinnen und Brandenburger haben in den letz ten 25 Jahren viele Veränderungen erlebt. Manch einer hat die se Veränderungen auch durchlitten. Vieles hat sich in dieser Zeit zum Besseren entwickelt, aber nicht alle haben davon gleichermaßen profitieren können. Natürlich fragen sich die Menschen nach diesen 25 Jahren der Veränderung, wo sie ei gentlich dachten, sie seien angekommen und könnten ihr Le ben jetzt genießen: Wie viel Veränderung verträgt mein Leben an dieser Stelle noch? Was kann ich in den nächsten Jahren noch an Veränderungen mitgestalten? Was wird aus meinem Dorf, meiner Arbeit, der Schule meiner Kinder und meiner En kelkinder?
Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt: Wir kön nen diese Aufgaben meistern, aber wir müssen darauf auch vernünftige Antworten geben können. Wir müssen den Leuten, die Sorgen haben, sagen: In jeder Veränderung steckt eine Chance. In jeder Veränderung ist auch ein Vorteil zu sehen, die Dinge besser machen zu können. Wir sollten auch sagen: Die anderen müssen lernen, dass nicht jede Angst vor Veränderung reaktionär ist.
Meine Damen und Herren, wir in der Politik sind gefordert, ei ne Sprache zu finden, die diese Ängste nicht verdammt und die Herausforderungen ernst nimmt.
Ich kann den Worten des Ministerpräsidenten nur herzlich bei pflichten: Wir haben viel Verständnis. Aber wir haben kein Verständnis dafür, wenn sich Neid, Missgunst und stumpfe Fremdenfeindlichkeit in Brandenburg - wie beispielsweise am Wochenende in Neuhardenberg - Bahn brechen wollen. Es gibt in Deutschland und darüber hinaus keine Rechtfertigung für Gewalt und Verunglimpfung von Schutzsuchenden, meine Da men und Herren!
Deswegen weiß ich, dass es viele Fraktionsgrenzen gibt und gab. Aber ich sage eines klar und deutlich: Wir Demokraten in diesem Haus dürfen uns nicht von anderen die Dinge aus der Hand nehmen lassen. Wir müssen uns vor die Opfer stel len, seien es Flüchtlinge oder Helfer. Wir haben die Ver pflichtung das ist auch unsere Geschichte, die wir haben -, dort zu helfen.
Wir schaffen das - aber nur, wenn Bund, Länder und Kommu nen an einem Strang ziehen, statt einander, wie jetzt manchmal geschehen, den Schwarzen Peter zuzuschieben. Wir schaffen es dann, wenn die Parteien in der Lage sind, gemeinsam die richtigen Antworten zu finden. Deshalb begrüße ich es aus drücklich, dass der Bund zugesagt hat - ich habe auch schon gelesen, dass er weitere Zusagen machen wird, auch am mor gigen Tag -, weitere Finanzhilfen für Länder und Kommunen bereitzustellen.
Allerdings, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, empfand ich die Tonlage Ihrer Äußerungen am vergangenen Wochenende in diesem Zusammenhang als etwas unangemessen, wenn nicht sogar unkollegial. Es gibt eben gegenwärtig kein Thema, das für Eigenprofilierung weniger geeignet ist als die Bewältigung der Flüchtlingskrise. Deswegen sollten manche Worte in dieser Form auch unterbleiben, meine Damen und Herren.
Hier sollten sich diejenigen, die in den nächsten Wochen und Monaten die Hauptlast zu tragen haben, nicht noch öffentlich gegenseitig Knüppel zwischen die Beine werfen. Stattdessen sollte das Land Brandenburg das Geld, das der Bund zur Verfü gung stellt, eins zu eins an die Kommunen, an unsere kommu nale Familie, weiterreichen, denn diese brauchen es dringender denn je für ihre Aufgaben vor Ort.
Wir schaffen das, wenn wir unsere Ressourcen und unsere Möglichkeiten auf Menschen mit einer Perspektive zum Hier bleiben konzentrieren und all jene, deren Asylanträge rechts kräftig abgelehnt wurden, in ihre Heimatländer zurückbringen. Ich glaube, es war ein Fehler, dass Brandenburg im Frühjahr dieses Jahres im Bundesrat nein zur Anerkennung weiterer Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer gesagt hat.
Denn eine neue Studie des Instituts für Weltwirtschaft belegt: Wenn Länder als sichere Herkunftsländer eingestuft werden, verkürzt dies nicht nur die Dauer der Asylverfahren. Es verrin gert sich auch die Zahl der Antragsteller aus diesen Staaten er heblich, wenn wir diesen Menschen keine Illusionen machen.
Vom Januar bis zum August dieses Jahres stieg die Zahl der Asylanträge aus den nicht als sicher eingestuften Staaten Alba nien, Kosovo und Montenegro von 8 500 auf über 70 000.
Das ist eine Steigerung um über 700 % im Vergleich zum Vor jahr. Dagegen steigerte sich die Zahl der Anträge aus den sicheren Herkunftsländern Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien in diesem Zeitraum nur um 30 % auf knapp 20 000 Personen.
Sie müssen aber in den nächsten Tagen Ihre Verantwortung wahrnehmen und sagen: Wir sind dafür, diese Herkunftsländer weiter auszuweiten, meine Damen und Herren.
Brandenburg muss sich morgen entscheiden; Brandenburg muss morgen ja oder nein sagen. Herr Woidke, aus unserer Sicht könnten Sie zur Ausweitung der sicheren Herkunftslän der Ja sagen. Ich glaube auch, Sie müssen morgen an dieser Stelle Ja sagen, auch im Interesse Deutschlands und Branden burgs.
Gleiches gilt übrigens auch für die Hürden, die wir uns selbst geschaffen haben, also die rechtlichen und formalen Hürden beim Thema Rückführung. Im vergangenen Jahr wurden von mehr als 3 000 rechtskräftig abgelehnten Asylbewerbern in Brandenburg gerade einmal 100 zurückgeführt. Damit ist Brandenburg in dieser Statistik ein Schlusslicht.
Im Juli dieses Jahres weist das Ausländerzentralregister mitt lerweile knapp 4 500 Ausreisepflichtige für Brandenburg aus. Diese Plätze, so bitter es auch für jeden einzelnen persönlich Betroffenen ist, benötigen wir dringend für Flüchtlinge aus Kriegsgebieten und andere, die hier auch eine Perspektive ha ben werden.
Meine Damen und Herren, das ist bitter, aber es ist eine Wahr heit, und vor dieser können wir uns auch nicht verschließen.
Deshalb haben wir bereits Anfang dieses Jahres hier im Land tag gefordert, dass die Ausländerbehörde des Landes den Krei sen diese verwaltungsrechtlich sehr komplexe Aufgabe ab nimmt. In der jetzigen Struktur wird Rückführung in Branden burg nicht funktionieren können. Wenn Sie mit den Landräten und Bürgermeistern sprechen, hören Sie deren Wahrheit. Das sind auch Ihre Kommunalexperten, und auf diese sollten wir hören. So wie es momentan ist, funktioniert es nicht und kön nen wir es daher auch nicht lassen, meine Damen und Herren.
Natürlich ist auch das in der Regierung nicht einfach auszuhal ten. Trotzdem gilt auch hier: Wir müssen die Anreize für Leute aus sicheren Herkunftsländern entsprechend reduzieren.
Wir als Union stehen in der aktuellen Zeit nicht unbedingt im Verdacht, den Innenminister Schröter hier im Landtag und darüber hinaus zimperlich zu behandeln. Aber seinen Vor schlag, im Erstaufnahmebereich wieder mehr auf Gutscheine statt auf Bargeld zu setzen - dahinter steckt ja auch eine Pra xiserfahrung -, haben wir für richtig empfunden. Ich hätte mir hier an dieser Stelle wesentlich mehr Rückendeckung der Ko alition für Ihren Innenminister gewünscht, meine Damen und Herren.
Ich weiß: Regieren ist nicht einfach. Aber aktuell zeigt sich doch, dass dieser Vorschlag auch in Berlin zwischen CDU, CSU und SPD vereinbart wurde. Auch hier zeigt sich: Dieser Vorschlag scheint wohl Früchte getragen zu haben, auch mit Unterstützung der SPD. Deswegen hätten Sie gut daran getan, zu sagen, dass das ein sinnvoller Vorschlag ist und dass Sie mit dabei sind, meine Damen und Herren.
Wir schaffen das, wenn wir hier und jetzt schnell die bundes- und landesrechtlichen Bestimmungen flexibel anpassen. Die CDU hat Ihnen dazu, Herr Ministerpräsident, in den letzten Ta gen, Wochen und Monaten die volle Kooperation angeboten. Klar ist: Die Unterschiede bleiben auch in diesem Politikfeld vorhanden, aber es gibt auch Gemeinsamkeiten. Darüber habe ich auch mit den Fraktionskollegen der anderen Parteien ge sprochen.
Allerdings möchte ich nicht verhehlen, dass ich schon ent täuscht bin, dass wir heute nur Ankündigungen hören. Wir hät ten heute und hier die Gelegenheit gehabt - auch vor dem he rannahenden Winter in diesem Jahr -, Entscheidungen zu tref fen. Wir hätten heute hier beraten können - nicht die Ankündi gung eines Aufnahmegesetzes, das irgendwann kommt, son dern wir hätten hier und heute, abweichend von allen parla mentarischen Regeln, auch in der Frist, beraten und entschei den und es damit unseren Kommunen in die Hand geben kön nen, die Dinge auch anders zu gestalten.
Manchmal muss man Dinge eben schneller entscheiden, als sie vielleicht vorausgedacht waren, deswegen hätten wir es hier be raten und etwas verändern können. Gleiches gilt übrigens auch für die Brandenburgische Bauordnung. Darin gibt es nun einmal Hürden für den Bau von Unterkünften in diesem Land. Auch hier müssen wir schnell handeln, deshalb unser Angebot - denn wenn es heute und morgen nicht funktioniert, ist es aus unserer Sicht im November zu spät: Lasst uns eine Sitzung im Oktober einberufen und dann gemeinsam Dinge in die Hand nehmen, Veränderungen besprechen und beschließen - vor allem schnell, damit den Menschen vor Ort geholfen werden kann.
Meine Damen und Herren, wir dürfen uns keine Illusionen ma chen. Viele - ich behaupte sogar, ein Großteil - der Flüchtlinge mit Perspektive zum Hierbleiben werden auch dauerhaft in Deutschland bleiben. Das halte ich persönlich für eine gute Entscheidung.
Sie werden hier leben, hier arbeiten, hier Steuern bezahlen, Fa milien gründen, sich in Vereinen engagieren. Sie werden sich in unserer Gesellschaft wiederfinden, und das müssen wir auch wollen. Dazu müssen wir auch Ja sagen, meine Damen und Herren.
und sich in die Gesellschaft einzubringen, der wird und kann in Brandenburg, in Deutschland eine neue Heimat finden. Dazu werden wir alles Mögliche tun. Aber es ist auch unsere Erfah rung, dass wir heute bereits mit einer besseren Integration be ginnen, als dies in manch anderen Bereichen der Fall war. Wir müssen damit frühzeitig, also jetzt und heute beginnen. Des halb sage ich ganz klar: Schalten wir um und klagen nicht dort, wo Brandenburg schrumpft, sondern packen wir dort an, wo Brandenburg wächst. Das lohnt sich allemal mehr, als andere Dinge anzupacken. Packen wir also an, wo Brandenburg wach sen kann, auch mit Flüchtlingen aus anderen Ländern!