Protocol of the Session on September 23, 2015

Zum Thema selbst: Das Kommunalabgabengesetz, über das wir heute erneut diskutieren, enthält die wesentlichen Regeln für die Erhebung von Steuern, Beiträgen und Gebühren im Land Brandenburg. Es legt damit unter anderem den Grund stein für die Refinanzierung wesentlicher Investitionstätig keiten in den Kommunen und den von ihnen getragenen Zweckverbänden. Deshalb sollten Änderungen am Kommu nalabgabengesetz mit Bedacht abgewogen werden und unter dem Motto stehen: Bedenke auch die Folgen!

Zu den Vorschlägen im Einzelnen - Drucksache 6/2545, betref fend § 8 Abs. 1 und 2: Sehr geehrte Frau Kollegin Schülzke, Herr Vida, ich greife an dieser Stelle exemplarisch einen Ihrer Formulierungsvorschläge in diesem Punkt Ihrer vorgeschla genen Neufassung auf. Das KAG enthält in der aktuellen Fas sung folgenden Passus:

Beiträge „werden von den Grundstückseigentümern als Gegenleistung dafür erhoben, dass ihnen durch die Mög lichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtungen und An lagen wirtschaftliche Vorteile geboten werden.“

Sie, Frau Schülzke, Herr Vida, schlagen folgende Formulie rung vor: Beiträge werden erhoben, „wenn ihnen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtungen und An lagen wirtschaftliche Vorteile geboten werden.“

Es ist ein kleiner Unterschied, aber er ist tiefgreifend. Zukünf tig könnten Beitragsschuldner also vortragen, dass sie durch die Straße oder sonstige Erschließung gar keinen wirtschaftli chen Vorteil haben, etwa weil sie nicht Auto fahren. Wollen wir das?

Wollen wir in jedem Fall einen Rechtsstreit darüber, ob der wirtschaftliche Vorteil tatsächlich besteht, oder auch um Dinge wie „überbordender Ausbau“ - ich weiß nicht genau, wie Sie es formuliert haben, das können wir nachlesen -, ich glaube, „überkandidelter Straßenausbau“ - ich bin gespannt, wie sich das schreibt - führen? Auf solche Diskussion habe ich eigent lich keine Lust.

Drucksache 6/2546 - betreffend § 8 Abs. 4: Bislang werden die Zuwendungen Dritter für Investitionen der Gemeinden - Herr Vida hat das hier doziert - oder Zweckverbände, etwa durch das Land oder die Landkreise, auf den gemeindlichen Anteil der gesamten Aufwendungen angerechnet, jedenfalls in den meisten Fällen.

Frau Schülzke und Herr Vida schlagen nun vor, die Zuwen dungen Dritter auf den Gesamtaufwand anzurechnen. Erst nach Abzug der Zuschüsse soll eine Kostenverteilung zwi schen Beitragsschuldnern und Gemeinde bzw. Zweckverband erfolgen. - Wenn wir dann die Rede von Herrn Vida nachlesen, werden wir feststellen, dass man die durcheinandergeworfenen Begriffe „Bürger“, „Beitragsschuldner“ und „Allgemeinheit“ ein bisschen aufdröseln muss. Also: Kostenverteilung zwi schen Beitragsschuldnern und Gemeinden bzw. Zweckverbän den. Das bedeutet im Klartext, dass die Zuschüsse Dritter die Beiträge der Grundstückseigentümer entlasten. Im Gegenzug steigt unweigerlich der Anteil der Gemeinden bzw. Zweckver bände in gleicher Höhe.

Das kann man ja wollen - dann muss man es auch deutlich sa gen. Und man wird auf die Frage antworten müssen, wo die Gemeinden und Zweckverbände die höheren Eigenanteile her nehmen sollen. Sie können das aus den allgemeinen Steuern nehmen oder über Gebühren auf alle Nutzer der Anlagen bzw. Einrichtungen umlegen.

Frau Kollegin Schülzke, Herr Vida, was Sie vorschlagen, ist ein landesweites Umverteilungsprojekt mit enormen finanzi ellen Auswirkungen. Die Anrechnung der Zuwendungen Dritter so, wie es jetzt erfolgt, nämlich auf den gemeindlichen Anteil, ist sinnvoll und zielführend, da so die Gemeinde ins gesamt entlastet wird. Setzt sich Ihr Vorschlag durch, werden

Grundstückseigentümer zulasten der Allgemeinheit bevor teilt.

(Beifall SPD)

Und die Allgemeinheit, BVB/FREIE WÄHLER, das sind die Bürger.

(Zuruf des Abgeordneten Genilke [CDU])

- Auch, aber sie sind doch auch Bürger oder nicht? Auch Allge meinheit!

Drucksache 6/2547, betreffend § 8 Abs. 7: Hier geht es um die Verjährungsregeln. Auch dazu haben wir viel gehört. Die Bei tragspflicht entsteht nach jetziger Rechtslage mit dem An schluss an ein Grundstück und dem Inkrafttreten einer wirk samen Satzung. Die jetzige Regelung im Gesetz ist richtig und muss beibehalten werden. Denn eine Beitragspflicht setzt eben neben der tatsächlichen Vorteilslage, nämlich der Herstellung des Anschlusses oder der Einrichtung der Anlage, auch die Rechtsgrundlage, nämlich die rechtswirksame Satzung, vo raus.

Zur Einführung von Musterverfahren, Drucksache 6/2548, be treffend § 12 Abs. 1: Hierüber ist - ich war nicht dabei, aber ich habe es nachgelesen - in der 5. Wahlperiode mehrfach und aus führlich beraten worden, viermal allein im Innenausschuss, dreimal im Plenum.

(Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Und was be deutet das?)

(Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Natürlich!)

Musterverfahren konnten bereits zum damaligen Zeitpunkt der Debatte und können unverändert nach jetziger Rechtslage durchgeführt werden. Die Begründung hierzu ist im Plenarpro tokoll nachzulesen. Der damalige Minister Holzschuher führte dort aus, dass in der Praxis davon selten Gebrauch gemacht werde.

(Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Es wird nicht zugelassen!)

In den Anhörungen zu dieser Fragestellung wurde deutlich, dass die Sachverhalte jeweils zu unterschiedlich waren, als dass sie geeignet gewesen wären, sie zusammen abzuhandeln. Nun ist also das Ergebnis der Anhörung in diesem Hohen Hau se etwas anderes als das, was Herr Vida behauptet. Es ist eben doch streitig, dass die Fälle alle gleichgelagert sind.

Drucksache 6/2549, betreffend §§ 19 und 20: Hier geht es um die Verjährungshemmung und die Rückzahlung von Beiträgen, was quasi eine rückwirkende Nichterhebung von Altanschlie

ßerbeiträgen zur Konsequenz hätte. Diese zehnjährige Verjäh rungshemmung war im Gesetzentwurf der Landesregierung 2013 vorgesehen und ist auch nach umfangreichen Anhö rungen im Innenausschuss so beschlossen worden. Wer will, kann die Begründung auf Seite 10 und 11 des Gesetzentwurfs - Drucksache 5/7642 - nachlesen.

Und: Es geht um die Rückzahlung bereits entrichteter An schlussbeiträge. Auf die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Lastenumverteilung habe ich bereits verwiesen. Diese Kosten sind den Gemeinden und Zweckverbänden unzweifel haft entstanden. Mit der Beitragserhebung erfolgt eine ange messene Kostenbeteiligung der Grundstückseigentümer. Des halb erscheint eine Rückzahlung weder sachgerecht noch leist bar. Darüber hinaus wurde die Erhebung dieser Beiträge als rechtmäßig und zweckmäßig eingeschätzt.

(Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Das ist schon gemacht worden!)

Meine Damen und Herren, ich vermute, dass die Einreicher aus gutem Grund zu keinem einzigen dieser Gesetzentwürfe die Auswirkungen auf die Haushalte der Kommunen und Zweck verbände vorgelegt haben. Jedoch auch eine noch so grobe Schätzung - jede Schätzung - hätte das Ausmaß dieser Umver teilung zulasten der Gemeinschaft und zugunsten Einzelner deutlich gemacht.

Die Fraktion der SPD hält die von mir vorgetragenen Beden ken für ausreichend, um dem Gesetzesvorhaben nicht zuzu stimmen und ihm hier eine klare Absage zu erteilen. - Herz lichen Dank.

(Beifall SPD)

Es ist mir eine Nachfrage angezeigt worden. Möchten Sie diese beantworten?

Ich möchte sie nicht beantworten.

(Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Feigling!)

Ich bitte Sie, Herr Kollege Schulze - Sie kennen sich im parla mentarischen Spielfeld aus -, solche Einwürfe und ein solches Vokabular zu unterlassen und sich hier entsprechend der Wür de dieses Hauses zu äußern.

(Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Entschuldi gung, seit wann ist das Wort Feigling eine Beschimp fung?)

Wir kommen zum nächsten Redner. Der Abgeordnete Wich mann spricht für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde, das Thema ist für die Bürgerinnen und Bürger zu wich tig, als dass wir hier diese zwischen den Fraktionen gerade

stattfindenden Streitigkeiten austragen sollten. Es geht immer hin darum, dass wir die Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger vernünftig finanziert und geregelt bekommen. Es geht um Straßen, um Trinkwasser, um Abwasser, es geht um den gesamten Bereich der Abfallentsorgung. All diese Dinge müssen von unseren Kommunen und kommunalen Zweckver bänden für die Bürgerinnen und Bürger vorgehalten und finan ziert

(Beifall CDU)

und am Ende von den Bürgerinnen und Bürgern durch Beiträge und Abgaben bezahlt werden.

Wir haben in den letzten Jahren erlebt, vor allem bei dem großen Streit um die Altanschließerbeiträge, dass es für viele Menschen nicht ganz nachvollziehbar ist, was wir in unserem Kommunalabgabengesetz geregelt haben. Insofern bin ich froh, dass wir diese Debatte heute hier führen.

Die Freien Wähler haben gleich fünf Gesetzentwürfe einge bracht. Man hätte es - da gebe ich Kollegen Kurth durchaus Recht - mit einem Artikelgesetzentwurf oder einem normalen Gesetzentwurf erledigen können. Es wäre nicht nötig gewesen, ein so großes Paket einzureichen. Sie haben, glaube ich, den Bürgerinnen und Bürgern damit auch keinen Gefallen getan.

(Beifall des Abgeordneten Kurth [SPD])

Sie sehen, wie die Debatte läuft. Es wird im Ergebnis wahr scheinlich nicht das herauskommen, was Sie vielleicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger bezweckt haben.

Wir haben uns als CDU-Fraktion Gedanken gemacht, wie man zwischen der Position der SPD, die sagt, sie lehne dies schlicht weg ab - Herr Scharfenberg wird sicherlich gleich in dieselbe Richtung argumentieren - und den teilweise sehr weitgehen den, ich will nicht sagen radikalen, aber doch sehr weitgehen den Vorschlägen der Freien Wähler einen vernünftigen Kom promissvorschlag vorlegen und vielleicht auch eine Verfah rensweise beschließen kann, sich mit dem Thema der Moderni sierung unseres Kommunalabgabengesetzes in dieser Wahlpe riode als Parlament einmal vernünftig und gewissenhaft zu be schäftigen.

(Beifall CDU und AfD)

Denn dass es an der einen oder anderen Stelle Modernisie rungs- und Änderungsbedarf gibt, das wissen Sie alle aus Ihren Wahlkreisen, wenn Sie direkt gewählte Abgeordnete sind, so wieso, aber auch die anderen aus ihren Gesprächen mit den Bürgern. Sie wissen also, dass es Dinge gibt, die nicht ganz nachvollziehbar sind. Dieses Gesetz ist ja auch schon viele Jahre alt.

Aber wir als CDU-Fraktion - darauf legen wir Wert - haben in unserem Entschließungsantrag auch deutlich gemacht, dass man diese Dinge behutsam und mit Bedacht angehen muss - da gebe ich Herrn Kurth ausdrücklich Recht - und man sie ge meinsam mit der kommunalen Familie, mit den Verantwort lichen vor Ort vernünftig vorbesprechen und vorbereiten muss, dass man hier keine Schnellschüsse machen kann.

(Beifall CDU)

Nun möchte ich auf die einzelnen Punkte eingehen, die die Freien Wähler in ihren fünf Gesetzentwürfen vorgelegt haben.