Protocol of the Session on April 30, 2015

Wichtigstes Gesetz für den Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Deutschland ist das VIII. Sozialgesetzbuch. Es gilt grundsätzlich auch für ausländische Kinder und Jugendliche. So sind insbesondere bei der Inobhutnahme die Vorschriften im gleichen Maße anzuwenden wie bei deutschen Kindern und Jugendlichen.

Anders ist es hingegen bei der Hilfe zur Erziehung. Hier sieht das SGB eine Sonderregelung vor. Danach können ausländische Kinder und Jugendliche Leistungen nur dann beanspruchen, wenn sie rechtmäßig und aufgrund einer ausländerrechtlichen Duldung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Ebenfalls findet sich hier die bereits auf die UN-Kinderrechtskonvention abgestellte Forderung wieder, in der es heißt:

„Alle Vertragsstaaten sind verpflichtet, bei Maßnahmen, die Kinder betreffen, das Wohl des Kindes als vorrangigen Gesichtspunkt zu berücksichtigen. Dafür sollen Familienangehörige ausfindig gemacht werden, um eine Familienzusammenführung zu ermöglichen. Von der Familie getrennt lebende Kinder haben einen Anspruch auf den besonderen Schutz und den Beistand des Staates.“

Dies ist in § 42 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII bereits Gesetzeslage. Das wiederum, sehr geehrte Kollegen von den Grünen, bedeutet auch eine gleichwertige Unterbringung und medizinische Versorgung.

Die Forderung nach einem bundesweit einheitlichen Clearingverfahren ist zu begrüßen. Da die kommunalen Jugendämter jeweils unterschiedliche Abläufe anwenden, wird eine fundierte Evaluation erschwert. Dass Kinder und Jugendliche bereits nach dreimonatigem Aufenthalt schulpflichtig werden, ist ebenfalls für alle Beteiligten eine große Herausforderung.

Hier habe ich einmal einen kleinen Kritikpunkt, weil Sie ja an unseren Anträgen auch immer Details kritisieren. In Ihrem Antrag steht, nach „maximal wenigen Tagen“ sollten die Jugendlichen an andere Stellen weitergeschickt werden. Nach wenigen Tagen, was meint das? Das kann eine Woche sein, das können aber auch sechs Monate sein.

(Widerspruch des Abgeordneten Domres [DIE LINKE])

Neben den tatsächlichen Flüchtlingskindern haben wir es allerdings auch mit einer anderen Realität zu tun. Ich weiß, liebe Kollegen von den Grünen, dass es Ihnen schwerfällt, diese Realität zur Kenntnis zu nehmen. Doch wir dürfen die Tatsache nicht verschweigen oder beschönigen, dass ein nicht geringer Teil insbesondere der Kinder und Jugendlichen eben nicht einreist, weil sie von unserer Gesellschaft Hilfe benötigen, also diejenigen, die im Sprech Ihres Parteifreundes Volker Beck vielleicht mal einen Schokoriegel klauen. Nicht wenige von ih

nen werden von organisierten Verbrecherbanden dazu missbraucht, Straftaten zu begehen, die nach einer Verhandlung zu irritierenden Urteilen führen. Insbesondere im Drogenhandel werden Minderjährige oder minderjährig erscheinende Jugendliche von organisierten Kriminellen eingesetzt, da das Risiko für strafunmündige oder strafunmündig erscheinende Jugendliche bekanntlich deutlich minimiert ist.

Darum ist es richtig, das Alterseinschätzungsverfahren nicht der Tageslaune von Jugendamtsmitarbeitern zu überlassen,

(Beifall AfD)

sondern auch hier klare bundeseinheitliche Regelungen zu schaffen. Es wäre aber falsch, sich den Realitäten zu verschließen und dem faktischen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch organisierte Kriminelle auch noch dadurch Vorschub zu leisten, dass das Verfahren zur Alterseinschätzung faktisch aufgegeben wird, wie es die Grünen in ihrem Antrag jetzt haben ja die Rot-Roten mitgemacht - offensichtlich fordern. Durch die Forderung, diskriminierungsfreie Verfahren durchzuführen, soll eigentlich Selbiges vollkommen verhindert werden; so sieht das zumindest unsere Fraktion. Liegt hierin die eigentliche Absicht Ihres Antrags verborgen?

Wie ich eingangs bereits sagte, ist dies ein Thema, dass wir mit besonderer Sensibilität behandeln müssen, was uns aber nicht dazu verleiten darf, den Rechtsstaat zu schwächen. Meine Fraktion beantragt daher die Überweisung in den Sozial- und in den Innenausschuss. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Es spricht der Abgeordnete Vida für die BVB/ FREIE WÄHLER Gruppe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich beteilige mich ja sonst nicht an den pädagogischen Ausführungen, aber Herr Königer, ich muss wirklich sagen: Bei einem solchen Antrag, bei dem es darum geht, hier ein Zeichen zu setzen, wie wir mit minderjährigen Flüchtlingen umgehen, von Drogenhandel und in solchen Vokabeln zu sprechen, das ist wirklich entwürdigend.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe, DIE LINKE und B90/GRÜNE - Königer [AfD]: Ich habe von Missbrauch gesprochen!)

Das passt in keinerlei Weise in diese Diskussion. Wissen Sie, man kann gerne darüber reden, wenn es Probleme gibt, und man kann Straftaten nach der Strafprozessordnung verfolgen.

(Königer [AfD]: Da müssen Sie mal zuhören! Ich habe von Missbrauch gesprochen!)

Aber heute geht es hier darum, dass das Land Brandenburg ein Zeichen setzt. Deswegen ist es richtig, dass wir in dieser Frage fachlich korrekt vorgehen und auch vorausschauend handeln. Zwar betrifft dies insgesamt nur eine geringe Zahl - noch -, aber es wäre gut, wenn wir diesmal vorbereitet an die Sache

herangehen, erstens weil absehbar ist, dass die Zahlen steigen, und zweitens - das ist sowohl im Ausgangsantrag als auch im Neudruck gut dargestellt -, weil es hier spezifische Anforderungen gibt.

Wir müssen die jüngsten Einschätzungen des Ministeriums hierzu in fachlicher Hinsicht zur Kenntnis nehmen, und gerade deswegen darf man hier nicht tatenlos bleiben. Die Erfahrungen zeigen, dass die Zusammenarbeit mit und die Arbeit von ALREJU sehr positiv sind. Aus meiner Tätigkeit im Migrationsrat des Landes Brandenburg kann ich sagen: Es ist eine sehr gute Zusammenarbeit in den Gremien, aber auch darüber hinaus. Wie dort mit den Jugendlichen umgegangen wird, mit Sport, Austausch, Kulturprojekten und weiteren Veranstaltungen, das gibt ihnen Mut. Die Diakonie leistet hier wirklich eine wertvolle Arbeit. Aber es sind konzeptionell weitere Schritte nötig.

Die Unterbringung nach der UN-Kinderrechtskonvention sollte sich von selbst verstehen, und es ist auch richtig, dass infrastrukturelle Anbindungen an dieser Stelle in spezifischer Art benötigt werden, nicht nur allgemein, weil infrastrukturelle Anbindung immer etwas Wichtiges und Richtiges ist, sondern weil es hier besonders für die soziale Entwicklung vonnöten ist, um die besonderen, altersbedingten Bedürfnisse zu erfüllen.

Ebenso ist es wichtig, Minderjährige so kurz wie möglich in Eisenhüttenstadt unterzubringen. Nach meiner mathematischen Interpretation sind „wenige Tage“ nicht sechs Monate, sondern so kurz wie möglich. Wir wissen ja, welche Bemühungen es gibt, den Aufenthalt zu verkürzen, damit sich Flucht- und Ausgrenzungserfahrungen nicht verstetigen, denn gerade im jungen Alter ist dies besonders traumatisch. Deswegen muss hier durch entsprechend kurze Aufenthaltsdauer vorgebeugt werden.

Meine Damen und Herren, auch Ausbildungs- und Bildungsoptionen spielen eine ganz besondere Rolle. Wir erleben, dass viele junge Flüchtlinge spezifische Fremdsprachenkenntnisse mitbringen und deswegen auch eine besondere Motivation verspüren; dieser muss man eine Chance geben. Wir erleben auch in den Gesprächen immer wieder, dass Ausbildungschancen oder die Anerkennung von Berufsabschlüssen als zentraler Wunsch benannt werden. Deswegen ist auch eine dahin gehende Bekräftigung in dem hier vorliegenden Antrag richtig, denn dadurch werden auf der einen Seite Integration und auf der anderen Seite Akzeptanz gesteigert.

Damit stehen der Antrag und vor allem die in ihm enthaltenen Erwägungen im Einklang mit der jüngsten Stellungnahme des Bundesfachverbandes für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, mit ihrer Forderung zur Initiierung von Kompetenzzentren, um die qualitativ angemessene Unterbringung im Rahmen der Jugendhilfe leisten zu können.

Richtig ist auch, einheitliche Standards im Clearingverfahren zu fordern. Sie sind jedoch nicht so einfach definierbar; deswegen muss dies konzeptionell angegangen werden. Richtig ist auch, in diesem Zusammenhang die Gruppe der 16- und 17Jährigen zu betonen. Zwar hat die Bundesregierung meines Wissens vor fünf Jahren ihre letzten Vorbehalte zur vollumfänglichen Geltung der UN-Kinderrechtskonvention zurückgenommen. Allerdings ist für diese Gruppe die gesetzliche und praktische Gleichstellung noch nicht in vollem Umfang umgesetzt.

Eine Bitte habe ich noch an die Antragseinreicherin, die ja noch einmal sprechen wird. Sie nehmen Bezug auf die Kommunen und bitten sie, für die Unterbringung in Jugendhilfeeinrichtungen zu sorgen und bestimmte Qualitätsstandards einzuhalten. Hier muss noch einmal ein ganz klares Zeichen gesetzt, bitte eine ganz klare Erklärung gegeben werden.

Die Bürgermeister, Landräte und Amtsdirektoren leisten derzeit landauf, landab wirklich das Bestmögliche, wenn es darum geht, Einrichtungen für Flüchtlinge zu schaffen, seien sie minderjährig oder nicht, und sie stoßen dabei wirklich an die Leistungs- und die Kapazitätsgrenze, entsprechende Gebäude und Einrichtungen überhaupt zu finden. Deswegen ist es mir, wenn wir hier diesen Beschluss fassen, sehr wichtig, dass das Land auch noch einmal eine Brücke baut und in der Kommunikation erneut deutlich macht, dass wir sie hier nicht allein lassen, schon allein bei der Suche nach Gebäuden; so muss man es wohl sagen.

Deswegen denke ich: Konzeptionelle und kompetente Vorbereitung beugt stumpfer Ausgrenzung vor. In all den Erwägungen, Planungen und Diskussionen muss die Menschenwürde über allem stehen. Ich freue mich, dass die Regierungsfraktionen hier keine argumentativen Verrenkungen anstellen, sondern diesmal zustimmen und durch die Mitunterzeichnung des Antrags auch deutlich gemacht haben, dass sie hier gemeinsam und mit weitestgehend einheitlicher Stimme sprechen und deswegen auch von uns die Zustimmung erhalten. - Vielen Dank.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe, SPD, DIE LIN- KE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Baaske zu uns.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Königer, wir reden über Jungs und Mädels, die aus vielen Teilen dieser Welt kommen. Wir haben heute Morgen gehört, dass es weltweit momentan 50 Millionen Flüchtlinge gibt. Ein paar ganz, ganz wenige von ihnen kommen auch nach Deutschland. Wir haben derzeit ungefähr 3 000 Kinder und Jugendliche von 1 bis 18 Jahren hier bei uns im Land. Ein Drittel davon, 1 000 Kinder, geht in Kitas, und zwei Drittel, also 2 000 Kinder und Jugendliche, gehen in unsere Schulen.

Wenn Sie jetzt kommen und sagen, klar, wir haben diese Jungs und Mädels hier, und es ist auch richtig so, dass sie hier sind das habe ich bei Ihnen so herausgehört -, dann aber gleich wieder abrutschen und sagen, sie wären kriminell, dann ist es schlicht und ergreifend eine pure AfD-Theorie, zu unterstellen, dass Ausländer kriminell sind.

(Galau [AfD]: Hören Sie doch einfach einmal zu! Das hat er so nicht gesagt! Sie unterstellen doch ständig Dinge, die überhaupt nicht stimmen!)

- Das hat er so gesagt. Entschuldigung!

(Galau [AfD]: Um Himmels willen!)

Das war genau die Verbindung, die Sie hergestellt haben, und dagegen kann man sich nur wehren. Es ist nachgewiesen, dass genau die Jungs und Mädels, die aus dem Ausland herkommen, weniger kriminell sind als die, die hier wohnen.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Das ist ein Fakt, und Sie rücken die gleich wieder in die Ecke. Mein Gott, das ärgert mich!

Ich will nur Folgendes sagen: Ich bin sehr dankbar für den Antrag, Frau von Halem. Ich bin auch dankbar, dass er an einigen Stellen noch einmal geändert wurde, denn in der Ursprungsfassung hätten wir den Kommunen etwas vorschreiben müssen, was wir ihnen nicht vorschreiben dürfen. Wir wollen in der Tat mit den Kommunen verhandeln, wie der beste Weg zur Unterbringung alleinreisender Jugendlicher ist. Vorhin sagte ich bereits, 3 000 sind derzeit im Land, und 122 sind vorheriges Jahr alleinreisend nach Brandenburg gekommen - das ist wirklich eine relativ kleine Zahl -, aber wir wissen, es werden mehr werden. Hamburg und Bayern waren diesbezüglich im Bundesratsverfahren, und es wird auch eine Gesetzesänderung geben, wonach wir als Land steuernd wirken können. Ich möchte es aber, wie gesagt, den Kommunen nicht vorschreiben. Man sollte auch einmal gemeinsam mit den Landräten und kreisfreien Städten diskutieren, wie die Struktur am sinnvollsten gestaltetet werden kann. Die positiven Erfahrungen von ALREJU wurden hier von allen Vorrednern sehr deutlich beschrieben. Es ist ein Weg, den wir gehen wollen.

In Fürstenwalde, wo die Kinder und Jugendlichen in der Spreeschule beschult werden und auch Ausbildungsmöglichkeiten vor Ort vorhanden sind, funktioniert das. Dort wurden sowohl im schulischen als auch im berufsbildenden Bereich viele Erfahrungen gesammelt. Da kann man aufsatteln, und dafür müssen wir Strukturen finden. Das ist aber nicht in jeder kleineren Stadt möglich, weil dort zum Beispiel Schulen überfordert wären und keine Ausbildungsmöglichkeiten vorhanden sind, aber man findet durchaus eine ganze Reihe von Regionen in Brandenburg, in denen es funktioniert. Größenordnungen wie in Potsdam wären wunderbar, aber auch die Erfahrungen aus Fürstenwalde machen deutlich, dass dort Integration, bis hin zur beruflichen Integration, möglich ist.

Ich freue mich, dass ich mit diesem Antrag die Rückendeckung bekomme, mit den Kommunen in diesem Sinne reden zu können. Ich hoffe, dass wir im Bildungsausschuss regelmäßig darüber berichten können, denn in der Tat gehe ich davon aus, dass nächstes Jahr wesentlich mehr alleinreisende Jugendliche zu uns kommen werden, und dann wollen wir hoffen, dass wir das so gut hinkriegen wie mit denen, die wir in den letzten Jahren aufgenommen haben. Ich setze darauf, dass das mit Ihnen und den Kommunen zusammen ganz gut werden kann. - Danke schön.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Herr Königer hat den Wunsch nach einer Kurzintervention angezeigt. Bitte, Herr Königer.

(Königer [AfD]: Kann ich nicht von vorn sprechen?)

Sie können auch vorn sprechen, selbstverständlich.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man hier schon so beschimpft und missverstanden wird - und das mit Absicht -, muss man auch von hier vorn antworten.

(Ness [SPD]: Sie werden nicht missverstanden!)

Sehr geehrter Herr Vida! Sehr geehrter Herr Minister Baaske! Am 30. November 2014 war in der des Rechtsextremismus unverdächtigen Zeitung „Die Welt“ folgende Schlagzeile zu lesen: „Polizei kapituliert vor kriminellen Flüchtlingskindern.“ Ich frage mich, wie Sie das mit der Realität in Einklang bringen wollen. Mir geht es nicht darum zu sagen, dass Kinder und Jugendliche hier herkommen und kriminell werden, sondern dass sie gezielt von kriminellen Banden missbraucht werden, weil sie nämlich, beispielsweise wenn sie Drogen verticken, nicht unter das Erwachsenenstrafrecht, sondern das Jugendstrafrecht fallen. Dann kommen die Grünen mit ihrem Antrag um die Ecke und wollen verhindern, dass Jugendliche, die über 18 Jahre alt sind, als solche identifiziert werden können. Wenn diese Jugendlichen sich bei der polizeiärztlichen Untersuchung mit einem Mal diskriminiert fühlen, werden sie nicht mehr untersucht - dann glaubt man ihnen, dass sie erst 16 Jahre alt sind, und sie können nicht mehr verurteilt werden. Ist das Ihre Zielführung? Ich glaube nicht. - Herzlichen Dank.

(Beifall AfD)