Protocol of the Session on April 3, 2014

(Zuruf der Abgeordneten Hackenschmidt [SPD])

- Ich habe den Zwischenruf nicht verstanden.

Sie müssen nicht jeden Zwischenruf verstehen.

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Das „Neue Deutschland“ aus dem Westen!)

- Es geht doch nichts über ordentliche Feindbilder - oder?

Also, zurück zum Thema. - Über TTIP wird, wie Sie wissen, geheim verhandelt, mehr als 120 Treffen mit hunderten Konzernlobbisten stehen bislang gerade einmal elf Konsultationen mit 14 Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen gegenüber.

Der Städte- und Gemeindebund, der Vertreter wesentlicher öffentlicher Arbeitgeber, zitiert:

„Für die Heimlichtuerei gibt es einen einfachen Grund: Ein solches Abkommen würde die nationalen Regierungen bis hinunter zu den Kommunalverwaltungen verpflichten, ihre aktuelle und künftige Innenpolitik dem umfangreichen Regelwerk anzupassen. In diesem Abkommen werden auf diplomatischer Ebene ausgehandelte Gesetzesvorhaben festgeschrieben, die nach dem Wunsch der Unternehmen auch viele nicht handelsbezogene Bereiche betreffen, etwa die Sicherheit und Kennzeichnung der Lebensmittel, die Grenzwerte chemischer und toxischer Belastung, das Gesundheitswesen und die Arzneimittelpreise, das Recht auf Privatsphäre im Internet, Energieversorgung und kulturelle Dienstleistungen, Patente und Urheberrechte, die Nutzung von Land und Rohstoffen, die Rechte und die Arbeitsmöglichkeiten von Immigranten, die öffentliche Auftragsvergabe und vieles andere mehr.“

Das heißt, das Chlorhähnchen wird vermutlich nicht kommen, auch kein Hormonfleisch und kein Gen-Food, außer dem, was wir sowieso schon haben.

(Beifall der Abgeordneten Nonnemacher [B90/GRÜNE])

Aber Handelskommissar De Gucht, die Bundesregierung wie übrigens auch die Koalitionsfraktionen im Bundestag erwecken den Eindruck, man könnte mit Verhandlungen auf ausgewählten Feldern, mit Schutzzusagen sozusagen zum Status quo und Zielkriterien, noch die jetzigen guten deutschen und europäischen Standards erhalten.

Ich denke, öffentliche Dienstleistungen sind durch Liberalisierung und Privatisierung von Aushöhlung bedroht, Arbeitnehmerschutzrechte ebenso wie das Vergaberecht, aber der Protest dagegen reicht nicht aus. Worum geht es tatsächlich? TTIP ist meines Erachtens nicht hauptsächlich eine Bedrohung für die Gegenwart, sondern für die Zukunft. Denn selbst, wenn der Status quo praktisch gesichert würde, wäre die Politik, wären demokratische Prozesse, wie wir sie kennen, im ganzen Land obsolet. Die Linke wie auch Teile der gesellschaftlichen Öffentlichkeit behaupten: Das Kernproblem ist: TTIP bedroht die Zukunft und die Demokratie als System, wenn es wie nach der Folie des CETA-Abkommens mit Kanada vorgesehen ausgestaltet würde. TTIP soll als „living agreement“ ausgestaltet werden. Es geht dabei um Schutzrechte für Investoren. Undemokratische Verfahren sollen für immer festgeschrieben werden. Bei jedem neuen Gesetz - egal, auf welcher Ebene - soll vorab geklärt und verhindert werden, dass es Einfluss auf Handelsbeziehungen hat. Klare Folge: EU- und US-Unternehmen müssen ständig vorher einbezogen werden und können ihren Lobbyismus somit ohne Ende ausdehnen. Bei Verstoß haben sie Sonderklagerechte, und die sollen dann vor unabhängigen Schiedsstellen statt vor ordentlichen Gerichten eingebracht werden. Das heißt, undemokratische Verfahren werden etabliert, und die Macht der multinational aufgestellten exportstarken Unternehmen und Investoren soll gesichert werden. Damit wäre bei allen Problemen das Verursacherprinzip auf Dauer ausgehebelt. Die Sonderklagerechte würden bedeuten, dass solche Klagen und Anlässe, die es schon gab, dazu führten, dass die Staaten den Investoren Ersatz zahlen müssten. Vattenfall hat gegen den Atomausstieg und in Hamburg gegen die Verzögerung bei der Inbetriebnahme des Kohlkraftwerkes Moorburg geklagt.

Frau Abgeordnete, Sie haben Ihre Redezeit schon überzogen.

Das ist total schade.

Ich frage trotzdem, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen und dann mit der Antwort Schluss machen.

Ich lasse die Zwischenfrage zu, entschuldige mich und beende dann meinen Redebeitrag.

Sehr geehrte Kollegin, vielen Dank. - Ich möchte zum Thema der Aktuellen Stunde zurückkommen und Ihnen eine Frage stellen. Ich lese gerade im Newsticker, DIE LINKE fordert für Deutschland 5 000 Mindestlohnkontrolleure. Meine Frage lautet: Wie viele von diesen 5 000 Mindestlohnkontrolleuren wer

den Sie als rot-rote Landesregierung in Brandenburg einsetzen und wann wird das geschehen?

(Zuruf: … um Sie einmal an den Taten zu messen - neben den ganzen Quacksalbereien! - Heiterkeit CDU und FDP)

Sehr geehrter Herr Kollege, erstens haben Sie mit dieser Zwischenfrage gerade bestätigt, wessen Lobbyist Sie sind.

(Heiterkeit beim Abgeordneten Bretz [CDU])

Zweitens: Dass diese Mindestlohnkontrolleure gefordert werden, habe ich noch nicht gelesen. Aber dass der Mindestlohn als Lohnuntergrenze und nicht als Lebenslohn eingeführt wird, bestätigt, wie notwendig er ist, sonst hätte eine CDU/SPD-Regierung sich nicht darauf verständigt.

(Bretz [CDU]: Wie viele werden es in Brandenburg sein?)

Drittens möchte ich Ihnen sagen: Mit all dem, was mit dem TTIP-Abkommen auf europäischer Ebene geplant ist, werden wir künftig - auch in diesem Landesparlament - nicht mehr mitzureden haben, wenn es um die Rahmenbedingungen für gute Arbeit in Europa und im Land geht. Das ist ein Skandal.

(Beifall DIE LINKE, B90/GRÜNE sowie der Abgeord- neten Baer und Bischoff [SPD])

Damit haben wir die Aktuelle Stunde hinreichend überzogen und das Thema erschöpft. Ich stelle den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen in der Drucksache 5/8809 zur Abstimmung. Wer ihm folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen mehrheitlich angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 1 und rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde

Drucksache 5/8804 Drucksache 5/8742

Die Fragestunde ist heute nur eine halbe Fragestunde. Die mündlichen Anfragen 1560 und 1587 wurden von den Fragestellern zurückgezogen.

Wir beginnen mit der Dringlichen Anfrage 89 (Anstehende Novellierung des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Ener- gien [EEG]), die der Abgeordnete Bischoff stellt.

Am Dienstag dieser Woche fand der sogenannte Energiegipfel der Bundeskanzlerin gemeinsam mit den Ministerpräsidenten statt. Ich frage in dem Zusammenhang die Landesregierung: Welche konkrete Position vertritt das Land Brandenburg in den Verhandlungen zur Novellierung des Gesetzes für den Vorrang erneuerbarer Energien?

Die Antwort gibt uns der Ministerpräsident.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Abgeordneter Bischoff, es ist eine Binsenweisheit: Ohne wettbewerbsfähige Wirtschaft gibt es keine vernünftig bezahlte Arbeit - um auf das Thema der Aktuellen Stunde zurückzukommen -, es gibt keine Wertschöpfung, keinen Wohlstand und keine Perspektiven für unsere Kinder und Enkel. Es gibt aber noch eine zweite elementare Grundregel, und die lautet: keine Ökonomie ohne Energie. Energiepolitik ist daher immer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik zugleich. Wie sich unser Land in Zukunft entwickelt, hängt entscheidend davon ab, welchen energiepolitischen Kurs wir heute einschlagen. Der Energiewende kommt also eine absolute Schlüsselstellung zu. Werden hier die Weichen für unser Land und Deutschland insgesamt richtig gestellt, dann werden wir auf lange Zeit die Grundlagen unseres Gemeinwesens sichern. Stellen wir die Weichen aber grundlegend falsch, werden wir an den Folgen unserer Irrtümer noch Jahrzehnte zu leiden haben. Deshalb ist die aktuelle Diskussion über die Novelle des ErneuerbarenEnergien-Gesetzes weit mehr als eine Debatte unter Fachleuten. Sie betrifft uns alle, sie betrifft im Kern die Zukunft unseres Landes.

Vorgestern haben die Ministerpräsidenten der Länder die anstehenden Fragen mit dem Bundeswirtschaftsminister und der Bundeskanzlerin diskutiert. In der kommenden Woche wird die Bundesregierung ihren Entwurf zur EEG-Novelle vorlegen. Für mich war und ist in dieser Diskussion zunächst vor allem eines wichtig: Die Energiewende muss weiter vorangebracht und zum Erfolg geführt werden. Der Ausstieg aus der Kernenergie muss unumkehrbar sein.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie vereinzelt B90/GRÜNE)

Den erneuerbaren Energien, meine sehr verehrten Damen und Herren, gehört die Zukunft. Zugleich müssen wir aber beachten, dass die Kosten für die Energiewende mittlerweile immens hoch sind. Allein in der EEG-Umlage betragen sie mittlerweile pro Jahr über 20 Milliarden Euro. Da die bundesgesetzlich garantierten Zahlungen für 20 Jahre gelten, kann man sich leicht das ungefähre Gesamtvolumen ausrechnen. Deshalb war und ist es mir wichtig, die Dynamik des Kostenanstiegs zu brechen. Denn steigende Kosten lassen am Ende auch die Akzeptanz der Energiewende sinken. Ohne breite Akzeptanz wird es aber wiederum kaum möglich sein, die uns bevorstehenden Aufgaben zu bewältigen.

Die Landesregierung war und ist für verbindliche Ausbaupfade bei den erneuerbaren Energien. Die Landesregierung ist für die Degression der Einspeisevergütung und die Einführung des Ausschreibungsmodells. In den vergangenen Wochen gab es aus mehreren Bundesländern - Sie werden es gelesen haben von Nord nach Süd auch andere Stimmen. Daher bin ich am Dienstag vor dem Hintergrund dieser öffentlichen Diskussion nicht mit allzu großem Optimismus nach Berlin gefahren. Ich will aber ausdrücklich eines dazu sagen: Schon in den Vorgesprächen wurde deutlich, dass vonseiten der Länder der klare Wille bestand, sich mit der Bundesregierung gemeinsam auf eine einvernehmliche Lösung zu einigen.

Ich will klar die Rolle der Bundeskanzlerin und des Bundeswirtschaftsministers würdigen. Angela Merkel und Sigmar Gabriel haben klug verhandelt. Am Ende dieser wirklich sehr komplexen und schwierigen Debatte konnte eine gemeinsame Lösung mit den Ministerpräsidenten gefunden werden.

Ich bin überzeugt, dass der Zeitplan - man kann sagen: der anspruchsvolle Zeitplan - für die Novellierung des ErneuerbarenEnergien-Gesetzes eingehalten werden kann. Wir werden mit dem neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz den Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich besser steuern können. Genau dafür habe ich mich eingesetzt.

In den Gesprächen haben wir besonders auf drei Punkte hingewiesen:

Erstens brauchen wir diese schnelle Einigung, um im Bereich der erneuerbaren Energien wieder Investitionssicherheit zu haben. Auch vor dem Hintergrund der laufenden Debatten gab es große Verunsicherung.

Zweitens sind klar geregelte und verbindliche Ausbaupfade wichtig. Es ergibt schlicht keinen Sinn, Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien ungebremst auszubauen und sich daran zu berauschen, dass inzwischen knapp 40 % der installierten Leistung zur Stromerzeugung auf Wind- und Solaranlagen entfallen, der Anteil dieser Anlagen an der tatsächlichen Stromerzeugung allerdings lediglich 14 % beträgt. Bei diesen rechnerischen - 14 % muss man wiederum berücksichtigen, dass Solaranlagen keinen Strom liefern, wenn die Sonne nicht scheint - das ist insbesondere nachts der Fall -, und Windkraftanlagen keinen Strom liefern, wenn der Wind nicht weht. Deswegen bin ich sehr froh darüber, dass es gestern klare Verabredungen zu den Ausbaupfaden gegeben hat. Wir haben hinsichtlich der Stromerzeugung durch Windkraft auf See und an Land sowie durch Biogas die Pfade nachjustiert; im Kern aber sind die Vorschläge des Bundeswirtschaftsministers bestätigt worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weil häufig vom „Bremsen“, „Ausbremsen“ oder „Totmachen“ der Energiewende die Rede ist, stelle man sich einmal vor, dass die vereinbarten Pfade zum Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland höher sind als die in den vergangenen Jahren erreichten Ausbauziele, von einem einzigen Jahr abgesehen. Wir haben Pfade von 2,5 Gigawatt allein für Windkraft an Land vereinbart. In den vergangenen Jahren ist diese Richtlinie nur einmal überschritten worden.

Ein weiterer Punkt ist mir wichtig: Wir müssen in Deutschland zu einer besseren Systemintegration der erneuerbaren Energien kommen. Das Anreizsystem darf nicht mehr allein auf Zubau ausgerichtet sein, sondern es muss dahin steuern, dass die Erneuerbaren mit höherer Verlässlichkeit Strom liefern. Was bedeutet das? Wenn die Erneuerbaren stärker in die Energiewende integriert werden sollen, müssen sie zuverlässig, das heißt rund um die Uhr, Strom liefern können. Dafür brauchen wir zum Ersten gut ausgebaute, klug geplante Netze und zum Zweiten Technologien, mit denen die Speicherung von Windoder Solarenergie möglich ist. Wenn es mit der Zuverlässigkeit von Wind- oder Solarenergie nicht klappt, werden wir auf alle Zeiten zwei parallele Energieerzeugungssysteme in Deutschland vorhalten müssen: ein System, das rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr funktioniert und gegebenenfalls einspringen

kann, und ein anderes System, das Energie liefert, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht. Von entsprechenden technischen Möglichkeiten sind wir noch meilenweit entfernt. Das ist übrigens der zentrale Grund, weshalb die konventionellen Energieträger Gas und Kohle bis auf Weiteres unverzichtbar bleiben.

Aus aktuellem Anlass füge ich hinzu: Unter diesen Energieträgern ist die Braunkohle der einzige Energieträger, den wir in Deutschland in großen Reserven besitzen. Hier - und nur hier sind wir unabhängig: nicht nur von Weltmarktpreisen, sondern auch - das sage ich vor dem Hintergrund der Ereignisse in den letzten Wochen - von geopolitischen Entwicklungen. Was Systemintegration und Speicherfähigkeit der Erneuerbaren angeht, hat die Bundesregierung darauf verwiesen, dass es demnächst eine Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes und eine Fortschreibung der Bundesnetzplanung geben werde. Wir werden uns auch in die Beratungen über diese Gesetzesnovellen unter Berücksichtigung der genannten Zielstellungen einbringen.

Abschließend komme ich auf einen Punkt zu sprechen, der für unser Bundesland wie für alle Bundesländer in Deutschland immens wichtig ist, der aber wegen der noch laufenden Gespräche mit der Europäischen Kommission nicht detailliert besprochen werden konnte: die besondere Ausgleichsregelung für energieintensive Industrien und die Eigenstromversorgung. Seit ich das Amt des Ministerpräsidenten übernommen habe, habe ich eine Vielzahl Brandenburger Unternehmen besucht. Überall war die Sorge um die Entwicklung der Energiepreise zentrales Thema. Wenn die Kosten der Energiewende weiter steigen, verhindern sie kurzfristig Investitionen und stellen langfristig die Wettbewerbsfähigkeit einer ganzen Reihe von Industriebetrieben in Frage. Im Klartext: Gefährdet sind dann nicht nur Standorte und Arbeitsplätze, sondern auch der soziale Frieden in unserem Land - ich füge hinzu: auch der Fortgang der Energiewende.

Das dürfen wir nicht zulassen. Deshalb bestehe ich darauf, dass die in dem Koalitionsvertrag auf Bundesebene niedergelegten Vereinbarungen eins zu eins umgesetzt werden. Es bedarf europarechtskonformer Lösungen hinsichtlich der besonderen Ausgleichsregelung sowie des Vertrauensschutzes bei der Eigenstromerzeugung. Die sich abzeichnenden Lösungsvorschläge scheinen in die richtige Richtung zu weisen. Sobald sie schriftlich vorliegen, schauen wir sie uns genau an.

Ich betone: Unsere Messlatte ist der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Brandenburger Betriebe.

(Beifall des Abgeordneten Senftleben [CDU])