Protocol of the Session on November 22, 2013

Nur möchte ich durch diese Verfassungsänderung nicht Dinge einfach unwidersprochen ins Protokoll genommen sehen, die wir alle schon in den Beratungen diskutiert haben, um nicht falsche Erwartungen zu wecken, jedenfalls nicht an meine Fraktion. Ich habe es vorhin schon gesagt: Brandenburg ist ein friedliches Land mit friedlichen Bürgern. Die Bürger sind dankbar dafür, dass wir die Demokratie errungen haben. Diese Demokratie weiter zu erhalten und zu gestalten ist, so meine ich, im Interesse und auch der Wille der meisten Mitbürgerinnen und Mitbürger. Von daher kann ich mit diesen Kampfbegriffen nach wie vor hier überhaupt nichts anfangen.

(Beifall CDU)

Wenn der neue Paragraph heißen wird: „Schutz des friedlichen Zusammenlebens“, dann kann ich nicht verstehen, Herr Scharfenberg, wie man das als antifaschistische Klausel bezeichnen kann. Das ist damit nicht gemeint, nicht von uns und meines Erachtens auch nicht von den meisten, die im Vorfeld an der Verfassungsänderung mitgewirkt haben und zukünftig mitwirken werden.

Wenn es dann so ist, wie Herr Scharfenberg oder Frau Nonnemacher es vortragen, dass es ein Gutachten über die Diskriminierung von Sinti und Roma in den Behörden gibt, dann muss es hier auf den Tisch kommen, wo in Brandenburg von welchen Landes- oder Kommunalbehörden Sinti und Roma diskriminiert werden. Dann kann, nein, dann muss man darüber reden.

(Beifall CDU)

Aber das ist ja nicht geschehen. Ich bin dem Kollegen Goetz dankbar, dass er hier klargestellt hat, dass das ursprüngliche Ansinnen der Initiatoren war, die Verfassung ein Stückchen zum Polizeirecht zu machen, in dem andere Bürger, wenn auch deren Meinung noch so quer kommt, in ihren Rechten, nämlich bei Demonstrationen, eingeschränkt werden könnten. Ich bin froh, dass wir uns dies gemeinsam nicht zu eigen gemacht haben. Denn unsere Demokratie, so hoffe ich jedenfalls, ist stark, die Menschen sind stark. Wir können und wir müssen auch mit den Menschen umgehen, die sich völlig gegen die Mehrheit verhalten und radikales Gedankengut vertreten. Aber damit kann und damit muss eine Demokratie umgehen können. Von daher ist für uns eine Verfassungsänderung in diesem Bereich kein Instrument, um gegen Bürger vorzugehen, sondern um Demokratie zu stärken, um Toleranz zu stärken.

Wenn wir ehrlich sind, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ablehnung von Fremden, von Ausländern geht durch die gesamte Bürgerschaft. Sie geht bis hinein in unsere Parteien, denen wir angehören. Meine Frau war am Dienstag zu einer Weihnachtsfeier von ehemaligen Kolleginnen. Darunter waren auch zwei Mitglieder der Linkspartei, die beide im Jobcenter im Havelland arbeiten. Und was sagen die? - Die regen sich darüber auf, dass die syrischen Flüchtlinge, die hierher kommen, SGB-II-Leistungen bekommen. Wie kann denn das sein?

(Widerspruch bei der Fraktion DIE LINKE - Görke [DIE LINKE]: Was soll das denn jetzt?)

Meine Frau hat das klargestellt. Ich will jetzt damit nicht die Linken besonders ansprechen, das ist reiner Zufall. Das gibt es bei uns ganz genauso. Ich will damit sagen, wer glaubt, dass diese Verfassungsänderung und der Aufruf, der damit an uns alle geht, nur dazu bestimmt sein könnte, die Rechten in ihre Schranken zu verweisen, der irrt. Die Aufgabe geht weiter, nämlich die Stärkung von Toleranz in allen gesellschaftlichen Bereichen, in allen Bereichen der Bürgerschaft. Das ist die Aufgabe.

Meine Damen und Herren, ich weiß, wovon ich spreche. Meine Fraktion und ich insbesondere sind besonders den Menschen verpflichtet, die unschuldig verfolgt werden. Das betrifft zum Glück nicht die Verfolgung in unserem Land, weil wir so etwas bei uns nicht kennen. Diejenigen, die Schutz bei uns suchen, die zu uns kommen, die wir stärken und schützen können, haben diesen Schutz verdient. Daher habe ich auch im vorigen Jahr, als ich Fraktionsvorsitzender wurde, Eisenhüttenstadt besucht und habe hier sofort gesagt, was dort umgehend geschehen muss. Das war gestern hier Thema gewesen. Seit 35 Jahren habe ich persönlich an jedem Tag irgendetwas mit Menschen zu tun, die irgendwo auf der Welt in Not oder verfolgt sind. Das tue ich auch weiterhin jeden Tag. Dieses Engagement muss nicht jeder an den Tag legen, aber es reicht auch nicht aus, an hohen Feiertagen die Fahne hochzuziehen,

(Frau Große [DIE LINKE]: Das ist eine böse Unterstel- lung!)

sondern die Aufgaben stellen sich für uns jeden Tag. Machen wir es uns nicht zu einfach, meine Damen und Herren, wir alle sind aufgefordert, unseren Teil beizutragen.

Wenn wir die Verfassung schon früher geändert hätten, muss man sich auch kritisch die Frage stellen: Was hätten wir dann in den 20 Jahren vorher anders gemacht? Hätte Innenminister Alwin Ziel zum Beispiel den rechtsradikalen V-Mann Piato nicht verpflichtet? Natürlich nicht, dafür gab es andere Erwägungen.

Abschließend, meine Damen und Herren, auch bei diesen kritischen Worten von mir, die der Klarstellung dienen sollten, möchte ich betonen: Die CDU-Fraktion steht vollständig hinter dieser Verfassungsänderung. Aber ich möchte daran erinnern: Lassen Sie uns die Aufgaben, die daraus entstanden sind, nicht einfach beiseitelegen, sondern angehen.

(Beifall CDU - Frau Kaiser [DIE LINKE]: Ach, hätten Sie geschwiegen!)

Es besteht das Bedürfnis des Abgeordneten Ness, seine fünf Minuten Redezeit, die er noch hat, nicht auszuschöpfen, sondern nur einen Satz zu sagen.

Ich will nur betonen, dass ich sehr froh bin, dass es uns gelungen ist, diese Verfassungsänderung zum Abschluss zu bringen. Unsere Fraktion hat in der heutigen Debatte kein großes Bedürfnis, Abgrenzungsrituale zu pflegen.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Schlussabstimmung. Denken Sie bitte daran, dass wir eine Zweidrittelmehrheit benötigen.

Zur Beschlussfassung liegt Ihnen die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses zur 2. Lesung, Drucksache 5/8173 vor. Wer dieser Empfehlung folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Daher kann ich feststellen, dass mehr als die erforderliche Zweidrittelmehrheit erreicht worden ist. Dafür danke ich Ihnen herzlich.

(Allgemeiner Beifall)

Ich schließe mich den Vorrednern insoweit an, als ich Sie alle bitte, dafür zu sorgen, dass diese Änderung nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch in Brandenburg gelebt wird.

(Allgemeiner Beifall)

Damit schließe ich Tagesordnungspunkt 1 und rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde

Drucksache 5/8219

Wir beginnen mit der Dringlichen Frage 85 (Ausländerbehör- de erklärt minderjährige Flüchtlinge für volljährig), die die Abgeordnete Nonnemacher stellt.

„Ausländerbehörde erklärt minderjährige Flüchtlinge für volljährig.“ Nach aktuellen Presseinformationen soll die Ausländerbehörde in Eisenhüttenstadt minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen nach ihrer Ankunft Papiere mit neuen Geburtsdaten ausgestellt haben. Mindestens 14 Flüchtlinge, die in den letzten zweieinhalb Monaten in Eisenhüttenstadt angekommen sind, sollen dabei entgegen ihrer eigenen Angaben für volljährig erklärt worden sein. Obwohl einige von ihnen ihre Geburtsurkunden vorlegen konnten, wurden diese von der Ausländerbehörde offenbar nicht anerkannt. Dabei bedürfen insbesondere minderjährige Flüchtlinge eines besonderen Schutzes.

Daher frage ich die Landesregierung: Wie bewertet sie im Falle einer Bestätigung der Vorwürfe das Vorgehen der Ausländerbehörde, Geburtsdaten von schutzsuchenden jugendlichen Flüchtlingen willkürlich so festzulegen, dass Volljährigkeit besteht?

Darauf antwortet Innenminister Holzschuher.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Nonnemacher, vielleicht doch zunächst eine Vorbemerkung zur Überschrift Ihrer Anfrage. Die lautet ja „Ausländerbehörde erklärt minderjährige Flüchtlinge für volljährig“. Diese Überschrift ist - Sie haben das möglicherweise dem Presseartikel entnommen - so, wie sie da steht, falsch. Sie hat mit den tatsächlichen Abläufen und Vorgängen in der Zentralen Ausländerbehörde nichts zu tun. In keinem Fall hat die Ausländerbehörde in Brandenburg Geburtsdaten von Flüchtlingen eigenständig oder gar willkürlich festgelegt. Sie hält sich an die Gesetze und Rechtsvorschriften.

Nun zum Einzelnen: Die Zentrale Ausländerbehörde stellt überhaupt keine rechtlich erheblichen Dokumente aus, die etwas über das Geburtsdatum eines Flüchtlings aussagen. Das einzige, was erfolgt, ist die Ausstellung eines Heimausweises. Dieser Heimausweis hat nur eine Bedeutung, nämlich darzulegen, dass der Inhaber berechtigt ist, das Gelände zu betreten. Mehr Bedeutung hat dieser Heimausweis nicht. Bei der Ausstellung des Heimausweises, in dem ein Geburtsdatum zwar auftaucht, aber in diesem Zusammenhang keine rechtliche Bedeutung hat, bezieht sich die Zentrale Ausländerbehörde auf Feststellungen anderer Behörden. Das können etwa das zuständige Bundesamt, die Bundespolizei oder auch Jugendämter sein.

Die Aufenthaltsgestattung, die den Aufenthaltsstatus während des Asylverfahrens absichert, wird ausschließlich vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erteilt. Nur da wird ein rechtlich erhebliches Ausweispapier erstellt. Bei den in der

„tageszeitung“ vom 19.11.2013 genannten Fällen handelt es sich bis auf eine Person um Flüchtlinge, die aus anderen Bundesländern auf Brandenburg verteilt wurden. Die Altersangaben wurden bereits dort - konkret in Hamburg und Bayern - festgestellt und bei der Ausstellung des Heimausweises in der ZABH lediglich übernommen.

Eine weitere in dem Artikel erwähnte Person kam direkt nach Eisenhüttenstadt. In diesem Fall hat die ZABH korrekterweise das Jugendamt des Landkreises Oder-Spree eingeschaltet, um das Alter zu ermitteln. Bis heute liegt - zumindest mir - kein Ergebnis vor.

Solange das Alter eines Flüchtlings ungeklärt ist, werden bei uns die Angaben des Flüchtlings übernommen und höchstens später - gegebenenfalls - abgeändert. Im konkreten Fall ist der junge Mann nach seinen Angaben fast 17 Jahre alt; so wurde es auch im Heimausweis dargestellt. So wird in allen vergleichbaren Fällen verfahren.

Ich bin dem Thema nachgegangen und möchte jetzt vorsorglich auf das eingehen, was heute in der „tageszeitung“ zu lesen war. In der Tat wurde offensichtlich in mehreren Fällen - nicht hier bei uns, sondern in Hamburg und Bayern - der Tag, an dem man Flüchtlinge nach Brandenburg geschickt hat, als Tag der Volljährigkeit in ihre Papiere eingetragen. Das ist nicht in Brandenburg veranlasst worden und nicht von uns zu verantworten. Ich räume ein, dass das nach den Umständen des Falles nicht hätte erfolgen sollen - vielleicht nicht hätte erfolgen dürfen. Der Grundsatz lautet, und so ist es auch gängige Rechtsprechung: Wenn der Geburtstag ungeklärt ist, aber Angaben über das Geburtsjahr vorliegen, ist der 31.12. des angegebenen Geburtsjahres als spätestmöglicher Geburtstag einzusetzen. Das ist in diesen Fällen nicht erfolgt - aber, wohlgemerkt, nicht unsererseits, sondern vonseiten der Behörden der Bundesländer, die die Flüchtlinge zu uns nach Brandenburg überstellt haben.

Ich habe veranlasst, dass in den Fällen, in denen Flüchtlinge vor Ort gegenüber Mitarbeitern der ZABH mitteilen, dass es Probleme hinsichtlich der Altersfeststellung gibt, das Jugendamt informiert wird, das dann kraft Gesetzes verpflichtet ist, weitere Feststellungen zu treffen. Das ist der Stand. Rechtlich verbindlich ist ausschließlich das Bundesamt zuständig; dieses muss von sich aus Veranlassungen treffen. Dort werden gegebenenfalls Bescheide erteilt, die rechtsmittelfähig wären - nicht die ZABH des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt.

Es gibt Nachfragen; zunächst die Nachfragestellerin; Frau Nonnemacher, bitte schön.

Ich stelle drei Fragen en bloc, damit ich nicht wie Herr Wichmann gestern formale Probleme bekomme.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Erstens möchte ich wissen, wie Sie, Herr Minister, dazu stehen, dass in der Dienstanweisung Asylverfahren des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge steht:

„... die Zuständigkeit für die Festlegung des fiktiven Alters liegt grundsätzlich bei den Landesbehörden [...] Das Bundesamt geht in diesen Fällen bei der Bearbeitung des Asylantrages regelmäßig von dem durch die zuständigen Landesbehörden festgelegten fiktiven Alter aus.“

Zweitens frage ich die Landesregierung, wie sie dazu steht, dass der Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge der Ansicht ist, allein die Aussage der Betroffenen, sie seien minderjährig, müsse Aktivitäten des Jugendamtes auslösen?

Warum werden - drittens - 16- und 17-jährige Flüchtlinge in Brandenburg grundsätzlich in Gemeinschaftsunterkünften für Erwachsene untergebracht statt in der Jugendhilfe?

Die Bescheide erstellt das Bundesamt. Aber in Deutschland sind bei Zweifeln über das Alter eines Betroffenen die Jugendämter zuständig; auch bei der Frage, ob jemand volljährig ist oder nicht. Die Jugendämter sind zuständig, aber nicht in dem Sinne, dass sie Bescheide ausstellten, sondern sie - nicht die ZABH - übernehmen die Altersfeststellung. Im Zweifel ziehen sie Sachverständige hinzu. Bescheide erteilen also weder Jugendämter noch Landesbehörden. Ich gebe Ihnen absolut Recht, dass bei Zweifeln bezüglich des Alters eine Feststellung geboten ist. Das entspricht einem rechtsstaatlichen Verfahren und der Praxis im Land Brandenburg.

Nun zu den Gemeinschaftsunterkünften: Das Asylverfahrensgesetz bestimmt die Praxis. Die 16- und 17-Jährigen haben eigenständige Rechte. Das heißt aber nicht - das ist in Brandenburg auch nicht so -, dass sie nicht trotzdem von Jugendämtern betreut würden. Es heißt auch nicht, dass, wenn bestimmte Umstände dazu treten, 16- und 17-Jährige in anderen Einrichtungen untergebracht werden können. Es gibt in Brandenburg in Fürstenwalde - eine Einrichtung, wo Jugendliche unter 16 Jahren, aber auch solche mit besonderem Betreuungsbedarf untergebracht werden.

Im Übrigen werden 16- und 17-Jährige nach dem Gesetz wie erwachsene Flüchtlinge behandelt. Sie haben eigenständige Ansprüche und Rechte und werden, sofern es dem Alter und der Entwicklung der Jugendlichen entspricht, in Flüchtlingsunterkünften untergebracht. Sie werden allerdings nicht regelmäßig über alle Städte und Kreise des Landes verteilt; einige Einrichtungen sind auf die Unterbringung 16- und 17-Jähriger besonders vorbereitet.

Das alles ist Ausfluss des Bundesrechts; daran haben wir uns auch im Land grundsätzlich zu halten - wohlgemerkt, immer mit der Maßgabe, dass die Jugendämter hinschauen. Für 16und 17-Jährige wird auch selbstverständlich immer ein Vormund bestellt; die Flüchtlinge müssen nicht alleine agieren. Ein Vormund wird bestellt, der in Abstimmung mit den Flüchtlingen handeln kann.

Der Abgeordnete Krause hat auch eine Nachfrage.

Der Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge hat heute in der „taz“ angekündigt, dass er eine Studie veröffentlichen wird, in der beklagt wird, dass 16- oder 17-Jährige in diesen Gemeinschaftsunterkünften untergebracht worden sind. Die Kinderrechtskonvention regelt in Artikel 22, dass Kinder bis zum 18. Lebensjahr dem Jugendhilfesystem des Staates, in dem sie sich befinden, zuzuführen sind; dessen Möglichkeiten müssen ihnen offenstehen.