Mit dem vorgelegten 10. Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes sollen keine neuen Befugnisse ge
schaffen werden. Es geht vielmehr darum, die Vorschriften über den Datenabruf nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu konkretisieren.
Nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Jahr begründet das bundesrechtlich geregelte Telekommunikationsgesetz allein noch keine Auskunftspflicht der Anbieter gegenüber den Sicherheitsbehörden. Hierzu ist nach Ansicht des höchsten deutschen Gerichts nunmehr zusätzlich eine landesrechtliche Regelung erforderlich.
Bisher hatte man sich immer auf Bundesrecht bezogen, nicht nur in Brandenburg, sondern in allen deutschen Bundesländern. Eine solche Regelung soll klarstellen, gegenüber welchen Behörden die Anbieter konkret zur Datenübermittlung verpflichtet sind. Dieser Forderung wird mit der vorgelegten Novelle des Landespolizeigesetzes entsprochen. Die Bestandsdaten spielen im Bereich der Gefahrenabwehr eine entscheidende Rolle. Sie helfen vor allem bei der Suche nach möglicherweise suizidgefährdeten, hilflosen oder vermissten Personen.
Das hat also - das möchte ich an dieser Stelle betonen, weil bei so einem Thema derzeit gleich alle zusammenzucken - nicht ansatzweise und nicht das Geringste etwas mit dem zu tun, was wir derzeit bundesweit, ja weltweit über geheimdienstliche Eingriffe in die Telekommunikation hören. Es ist nicht die NSA, sondern die Brandenburger Polizei, um die es geht. Es geht um einen ganz, ganz anderen Vorgang. Es geht darum, Bestandsdaten wie Name, Anschrift, Bankverbindung und Rufnummer, unter bestimmten Umständen auch die PIN und PUK, abzufragen. Die helfen dann in ganz konkreten und begründeten Ausnahmefällen. Das bezieht sich auf Einzelfälle, insbesondere auf Fälle, in denen Gefahr für Leib oder Leben einer Person besteht. Von der bisher bundesrechtlich geregelten Möglichkeit hat das Land Brandenburg in der Vergangenheit nur außerordentlich zurückhaltend Gebrauch gemacht und wird dies so auch in Zukunft tun.
Im Jahr 2011 waren das insgesamt sieben Fälle im Land und im Jahr 2012 sogar nur drei. Dabei ging es in acht Fällen um Suizidankündigungen, bei einem Fall um eine Bedrohung und einmal um die Ankündigung eines Amoklaufes. Dies belegt und ich hoffe, Sie sind mit mir einer Meinung -, dass die Brandenburger Polizei mit diesen Mitteln außerordentlich verantwortungsbewusst umgeht. Die Fälle zeigen aber auch, wie notwendig und lebensrettend eine solche Regelung im Einzelfall sein kann. Deswegen hoffe ich, dass wir das gesetzlich umsetzen können.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegin Stark! Der vorliegende Gesetzentwurf betrifft das Handwerkszeug der polizeilichen Arbeit, nämlich die polizeilichen Eingriffsgrundlagen und die Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes. Das ist nötig, weil das Bundesverfassungsgericht - der Innenminister hat es schon erwähnt
hier spezifische Erhebungsbefugnisse für unsere Landespolizei fordert und das ohne eine entsprechende landesgesetzliche Ermächtigungsgrundlage, zum Beispiel eine manuelle Bestandsdatenauskunft, nicht mehr möglich ist. Der Grund dafür ist, dass das Telekommunikationsgesetz seit dem 11. Juli 2013 für die Maßnahmen der Landespolizei Brandenburg nicht mehr als Eingriffsgrundlage dient.
Die jahrelange Erfahrung hat gezeigt, dass das manuelle Auskunftsverfahren über Telekommunikationsbestandsdaten in der Praxis der polizeilichen Gefahrenabwehr dringend notwendig ist und dass wir hier in Brandenburg auf dieses Instrumentarium nicht verzichten können. Die Möglichkeit einer polizeilichen Abfrage von Bestandsdaten bei Telekommunikationsdienstleistern kann - Sie haben es erwähnt - im Einzelfall Leben retten. Sie kann Schäden verhindern, und sie ist ein Instrument gegen die Vollendung von schweren Straftaten und auch gegen geplante Anschläge.
Mit dem heute hier vorgelegten Gesetzentwurf soll unter anderem die vom Bundesverfassungsgericht eingeforderte hinreichend bestimmte landesrechtliche Ermächtigungsgrundlage geschaffen werden, die ganz unmissverständlich und eindeutig regelt, welche Behörden berechtigt sind, die Daten von den Anbietern übermittelt zu bekommen. Es ist also notwendig, eine Spezialnorm zu schaffen, weil die Generalklausel nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nicht mehr ausreichend und viel zu unbestimmt ist.
Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion ist klar: Wir benötigen die Gesetzesänderung im Polizeigesetz, weil wir auf die Maßnahmen, die unseren Ermittlungsbehörden ohne diese Änderung wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage nicht mehr zur Verfügung stehen würden, in der polizeilichen Praxis nicht verzichten können. Gerade im Zeitalter von Internet, Smartphones, digitalen sozialen Netzwerken und des umfassenden digitalen Datentransfers benötigen wir die Möglichkeit der Datenabfrage, welche mit dieser Gesetzesänderung geschaffen oder - man kann sagen - aufrechterhalten bzw. wiederbelebt werden soll.
Alles andere würde nur eines bedeuten: riesige Freude bei Kriminellen, die ihre Taten innerhalb eines Sicherheitslochs, welches entstehen würde, teilweise unbehelligt begehen könnten, wenn wir diese Maßnahmen nicht mehr hätten. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang bitte noch eines anmerken: Im Hinblick auf den stetig anwachsenden Bereich der Internetund Multimedianutzung ist eine ganz neue Ebene der Kriminalität entstanden, die sogenannte Internet- bzw. Cyberkriminalität. Das ist ein Phänomen, bei dem bisherige Ansätze und Methoden von Polizeiarbeit oft überholt, schlicht nicht mehr zeitgemäß sind. Wir kommen hier schnell an den Punkt, dass wir ehrlich überprüfen müssen - das sage ich auch in Ihre Richtung, Herr Innenminister -, ob unsere Sicherheitsbehörden hier in Brandenburg für dieses Phänomen der Internet- bzw. Cyberkriminalität hinreichend gut aufgestellt sind. Das betrifft zum einen die gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen, aber es betrifft auch den Personalbestand und die Ressourcen. Denn klar ist, dass gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen allein nicht zum Erfolg führen, wenn dafür im Ergebnis das Personal nicht zur Verfügung steht, um diese Maßnahmen auch durchführen zu können. Das ist ein Erfordernis, dem wir uns und dem gerade Sie sich, Herr Minister, auch innenpolitisch stellen müssen. Das duldet keinen Aufschub.
Ich halte abschließend zum Gesetzentwurf fest, dass die Änderungen und die normierten Eingriffsgrundlagen und Maßnahmen notwendig und unverzichtbar sind. Dadurch, dass die Maßnahmen nun nicht mehr durch den unmittelbaren Zugriff auf das Bundesrecht gedeckt sind, bedarf es der Normierung im Landesrecht und der Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes. Deshalb ist es ganz klar, dass wir der Überweisung an den Innenausschuss zustimmen und das Thema dort tiefgehend - ein paar Probleme hatte ich ja schon angerissen diskutieren müssen. Ich freue mich auf die Beratung. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine beiden Vorredner haben schon sehr ausführlich die Notwendigkeit dieser vorgelegten Änderung - es handelt sich um die 1. Lesung des Brandenburgischen Polizeigesetzes - dargelegt. Es ist die zehnte Änderung des Polizeigesetzes. Sie haben es ausreichend beschrieben. Es geht darum, dass uns das Bundesverfassungsgericht beauflagt hat, Änderungen in einem Spezialgesetz, in diesem Fall in unserem Polizeigesetz, zu formulieren, die bis jetzt im Telekommunikationsgesetz geregelt sind. Im Weitesten geht es jetzt - wie es bereits im Detail beschrieben wurde - um die Speicherung und Verwendung von Kommunikationsdaten.
Ich denke, in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit ist es jetzt nicht geboten, dass ich die Argumente meiner beiden Vorredner wiederhole. Es ist die 1. Lesung. Wir werden uns im Detail im Innenausschuss mit diesen Fragen auseinandersetzen und dann sicherlich zu einer einvernehmlichen Lösung kommen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Stark. - Wir setzen mit dem Beitrag des Abgeordneten Goetz für die FDP-Fraktion fort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Bei dem vorgelegten Gesetzentwurf handelt es sich um Grundrechtseingriffe. Eingegriffen wird in das Post- und Fernmeldegeheimnis, eingegriffen wird auch in das Grundrecht auf Datenschutz. Die Notwendigkeit dafür muss in jedem Einzelfall belegt werden. Ich räume ein, dass das Land Brandenburg im Jahr 2012 - Sie bzw. Ihr Amtsvorgänger berichteten ja regelmäßig - relativ sparsam mit den gegebenen Möglichkeiten umgegangen ist. Es gab 2012 141 Versuche, Handys zu orten. Es gab zwei Fälle des Einsatzes eines IMSI-Catchers. Beides war damals im Ergebnis leider erfolglos. Die Gesuchten wurden zwar gefunden, aber zu spät.
Im Moment fehlt die rechtliche Grundlage für solche Maßnahmen. Insofern wird es schon Bestandteil einer Befassung im
Innenausschuss sein, wie das Land gegenwärtig damit umgeht und wie gegenwärtig gehandelt wird, wo doch die Rechtsgrundlage fehlt. Es stellt sich die Frage, ob es nicht auch ohne Rechtsgrundlage geht, weil offensichtlich gegenwärtig trotz fehlender Rechtsgrundlage das Land nicht untergeht und trotzdem die erforderlichen Maßnahmen von der Polizei ergriffen werden. Dazu wüssten wir gern mehr; das aber im Innenausschuss.- Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte es auch kurz machen. Wir reden hier über ein Gesetz in 1. Lesung, mit dem eine rechtliche Anpassung an veränderte bundesrechtliche Bedingungen vorgenommen werden soll. Es werden damit keine neuen Befugnisse für die Polizei geschaffen. Das muss man hier eindeutig feststellen. Ich bestätige die Einschätzung des Innenministers, dass mit diesen Rechten in der Vergangenheit sehr verantwortungsbewusst umgegangen worden ist. Unter dieser Voraussetzung können wir uns im Innenausschuss verständigen. - Danke schön.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie vielleicht nicht wundern, dass ich es nicht kurz machen möchte, weil wir Bündnisgrünen uns den Anliegen von Datenschutz und Bürgerrechten immer sehr verbunden fühlen und uns deshalb hier auch Sorgen machen.
Das Sammeln von Daten hat in letzter Zeit Hochkonjunktur. Nicht nur die NSA kennt keine Grenzen. Auch der Bundesinnenminister würde gern an die Mautdaten herangehen - natürlich alles im Sinne der Sicherheit. So ist es auch hier. Um Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abwehren zu können, sollen Bestandsdaten - das heißt Namen, Anschrift, Bankverbindung, Rufnummern, Passwörter, PIN und PUK und Verkehrsdaten, beispielsweise Rufnummern von anrufenden und angerufenen Personen, Beginn und Ende der jeweiligen Verbindung - von der Polizei genutzt werden können. Dabei wird auch vor IP-Adressen nicht haltgemacht. Auch im Internet ist niemand mehr sicher. Die Landesregierung möchte zudem auf Daten von Chat- und Forenanbietern zurückgreifen, wobei die Landesregierung laut ihrem Gesetzentwurf negative Auswirkungen auf Bürgerinnen und Bürger nicht erwartet. Ein bisschen Überwachung im Sinne der Sicherheit tut ja auch nicht weh.
(Minister Holzschuher: Die Polizei, nicht die Landesre- gierung soll auf die Daten zugreifen können!)
Immerhin erkennt auch die Landesregierung, dass sie durch dieses Gesetz in Grundrechte eingreift, nämlich in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes und in das Recht auf Datenschutz aus Artikel 11 Landesverfassung. Mir fehlt hier noch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Artikel 2 Abs. 1 i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes, das vom Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil von 1983 herausgearbeitet wurde.
Mein Hauptkritikpunkt ist, dass die Eingriffsschwelle für die Befugnisse zu niedrig ist. Es reicht jede Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person aus. Dies aber ist sehr weit gefasst, denn es gibt ganz abstrakte Gefahren, die vielleicht irgendwann zu einem Schaden führen können. Für polizeiliche Maßnahmen ist aber das Vorliegen einer konkreten Gefahr Voraussetzung. Das sollte auch so im Gesetz stehen.
Da wir da wohl einer Meinung sind, kann man das in dem Gesetz auch so formulieren. Deshalb haben wir gleich einen Änderungsantrag eingebracht, der die Regelung im wahrsten Sinne des Wortes konkretisiert.
Ebenfalls nicht klar genug ist mir die Regelung zum Zugriff auf Endgeräte oder Speichereinrichtungen. Hier soll eine Auskunft nur verlangt werden können, „wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nutzung der Daten vorliegen“. Ich frage mich, welche Voraussetzungen das sind. Die Begründung ist hier nur wenig erhellend. Woher sollen Polizeibeamte wissen, was sie dürfen und was sie nicht dürfen? Darüber hinaus frage ich mich, ob Polizeibeamte wissen, dass diese Befugnisse seit dem 1. Juli 2013 gar nicht mehr angewendet werden dürfen, weil die Rechtsgrundlage nur bis zum 30. Juni 2013 galt. Nun ja, ich kann nur hoffen, vielleicht lohnt sich auch hier für meine Fraktion ein näheres Nachhaken.
Nur so nebenbei bemerkt: Es wundert mich etwas, dass in anderen Ländern die Gesetze über den Verfassungsschutz gleich mit geändert wurden - nicht so in Brandenburg. Ich gehe also davon aus, dass der Verfassungsschutz das alles nicht darf? Auch darüber werden wir uns unterhalten. Das kann interessant werden, Herr Petke.
Was mich etwas beruhigt, ist: Die betroffenen Personen müssen unterrichtet werden. In der schriftlichen Anordnung sind die tragenden Erkenntnisse für das Vorliegen der Gefahr und die Begründung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme anzugeben. Liebe Richterinnen und Richter, schauen Sie also bitte genau hin! Wir werden ebenfalls genau hinschauen, denn der Innenausschuss erhält jedes Jahr einen Bericht zu allen Maßnahmen, getreu dem Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Nicht besonders überraschen wird es Sie, dass wir weiterhin Diskussionsbedarf sehen. Wir kündigen schon einmal an, dass wir im Innenausschuss eine Anhörung beantragen.- Vielen Dank.
Herr Präsident! Frau Nonnemacher und alle, die sich beteiligt haben: Danke, dass es eine sehr sachliche Debatte war.
Frau Nonnemacher, ich möchte nur auf etwas hinweisen. Was den Verfassungsschutz angeht, ist das in der Tat derzeit in der Diskussion und in der internen Abstimmung im Haus. Es wird dort voraussichtlich eine Änderung geben, die genau darauf zielt. Das aber ist aus technischen Gründen zurückgestellt.
Vielen Dank. - Damit sind wir am Ende der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt angelangt. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 5/8015 an den Ausschuss für Inneres. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um Handzeichen.- Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Zur Information: Der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist damit mit überwiesen.