Protocol of the Session on November 21, 2013

Allein die Verwendung des Wortes „Beute“ in einem Vermerk der Ministerialverwaltung ist bezeichnend und unverantwortlich gegenüber den Betroffenen.

(Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Zum damaligen Zeitpunkt besaß der Bund jedoch noch die Möglichkeit, die an das Land übergegangenen Bodenreformgrundstücke in Besitz zu nehmen. Das ist jetzt ausgeschlossen; denn durch den Staatsvertrag über die abschließende Aufteilung des Finanzvermögens der ehemaligen DDR, der in diesem Landtag Mitte des Jahres ratifiziert wurde, kann das Land uneingeschränkt und eigenverantwortlich mit den entsprechenden Grundstücken umgehen. Genau diese neue Rechtslage ist die Voraussetzung und der Anlass für den eingebrachten Gesetzentwurf.

Durch den Gesetzentwurf soll zum einen die Ungleichbehandlung von Bodenreformerben vor und nach dem Stichtag 2. Oktober 2000 beseitigt werden. Zum anderen geht es darum, die materiellen Verluste durch den Entzug des Eigentums und durch Verfahrens- und Gerichtskosten so weit wie möglich zu heilen. Eine gesetzliche Regelung, die versucht, ein höchstrichterlich festgestelltes Fehlverhalten des Landes zu korrigieren, ist ein redliches Ziel, dem sich ein verantwortungsvolles Parlament nicht verschließen darf.

Die CDU-Fraktion hält den vorgelegten Entwurf für einen guten Vorschlag, der zunächst in den Fachausschüssen konstruktiv und intensiv beraten werden sollte. Eine ernsthafte und ergebnisoffene Beratung in diesem Landtag ist allein schon aus Respekt vor den meist älteren Betroffenen geboten, die schmerzhafte finanzielle Einschnitte durch den Verlust ihres Familienbesitzes erleiden mussten. Wir werden deshalb einer Überweisung an die Fachausschüsse zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Danke, Herr Abgeordneter Eichelbaum. - Wir setzen mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Frau Abgeordnete Mächtig hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem aber auch: Liebe Gäste! Als einzi

ge Partei hat die Partei des Demokratischen Sozialismus von Anbeginn gegen die Abwicklung der Bodenreform nach Artikel 233 §§ 11 ff. des Einführungsgesetzes des Bürgerlichen Gesetzbuches gestritten. Dies belegen rund 30 Initiativen meiner Partei im Bundestag und in ostdeutschen Landtagen.

Der Grund dafür war, dass mit der von Union und FDP 1992 initiierten Gesetzgebung das DDR-Bodenreformgesetz vom 6. März 1990, nach dem Bodenreformeigentum ohne Wenn und Aber zu Volleigentum wurde, umgedeutet wurde. Es wurde darauf hingewirkt, dass in Fällen, in denen Erben nicht in der Landwirtschaft waren, das Land nach der Besitzwechselverordnung in den Bodenfonds zurückzuführen war.

Das jedoch geschah nicht, weil Behörden nicht tätig waren. Deshalb wurde eine vereinfachte Nachzeichnung des abgeschafften Unrechts eingeführt. Damit sollte ein sogenannter sozial unannehmbarer Zufallsgewinn verhindert werden. In der Folge mussten rund 20 % der Bodenreformerben ihre Grundstücke zugunsten des Landesfiskusses auflassen. Das haben wir Linken niemals akzeptiert.

Nach dem Modrow-Gesetz war jeder, der am 16.03.1990, dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes, ein Bodenreformgrundstück besaß, Eigentümer, wenn er nach dem Zivilgesetzbuch erbberechtigt war, und das unabhängig davon, ob er nach der abgeschafften Besitzwechselverordnung berechtigt gewesen wäre - oder eben nicht -, und unabhängig davon, ob er im Grundbuch stand - oder eben nicht.

Im Vordergrund dieses Agierens von CDU und FDP stand damals, marktwirtschaftsfähiges Privateigentum zu schaffen. Immerhin handelte es sich um eine Zäsur, einen Übergang von einer Gesellschaftsepoche in eine andere, und wie bei jedem geschichtlichen Umbruch gab und gibt es Gewinner und Verlierer.

Liebe bündnisgrüne Kolleginnen und Kollegen, bei aller Sympathie für Ihr Anliegen kommt es auch in der Politik darauf an, Ort, Zeit und Bedingungen politischen Handelns zu bestimmen. Das heißt eben auch, zum richtigen Zeitpunkt Rückgrat zu haben. Diesen Zeitpunkt haben Sie bzw. Ihre Parteigenossen verpasst. Im Übrigen gilt das auch für Sie, liebe Kollegen der CDU und Herr Eichelbaum; denn das, was Sie hier vorhin beschrieben haben, geschah - das wissen Sie - in der Zeit Ihrer Mitregierungsverantwortung hier in Brandenburg.

(Beifall DIE LINKE)

Dass der Antrag der Grünen populistisch ist, tut mir leid; aber die historischen Wahrheiten zeigen es.

Erstens gehörte Ihre Partei in der 1. Wahlperiode 1990 bis 1994 zur Landesregierung, und damals wäre es geboten gewesen, gegen die 1992 eingeführte Bodenreformabwicklung aufzutreten. Es tut mir leid, das haben Ihre Kolleginnen und Kollegen nicht getan.

Zweitens gab es 2004 - das wissen Sie, die Kollegen haben darauf aufmerksam gemacht - die Entscheidung der Kleinen Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zugunsten der Neubauernerben. Damit war das Fenster offen für eine Korrektur. Ihre Partei, Herr Vogel, hat dieses Tor jedoch mit zugeschlagen; denn die rot-grüne Bundesregierung legte

ohne Not Revision ein, und auch die sonst so forsche Renate Künast, damals Agrarministerin, hatte nichts dagegen. Das Resultat ist bekannt, wir haben es heute mit ihm zu tun.

Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entschied 2005, dass das Abwicklungsgesetz eben nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße.

Drittens. Mit diesem Gesetzentwurf stellen Sie sich gegen geltendes Recht des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, und Sie dürften wissen, dass dies auch für Deutschland gilt.

Ich sage es deutlich: Auch wenn uns Linken dieses Urteil nicht gefällt - die Linken akzeptieren es, und schon deshalb kann man Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen; aber auch deshalb nicht, weil Ihre Argumentation, dass das Land als nunmehriger Eigentümer der aufgelassenen Grundstücke Regelungen treffen könne, die das Bundesgesetz von 1992 in sein Gegenteil verkehren, der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung entgegensteht. Falls überhaupt eine Änderung möglich wäre, dann allein durch den Bundesgesetzgeber. Das Land ist hier der falsche Adressat.

Viertens. Sie wollen jenen Erben die Grundstücke zurückgeben, die bis zum Ablauf der Verjährungsfrist, dem 02.10.2000, ihre Grundstücke auflassen mussten, und diese mit jenen anonymen Erben gleichstellen, die nach dem Gesetz keine Berechtigten sind und nur infolge des rechtswidrigen Handelns des Landes Anspruch auf die Grundstücke hätten. Es sollte bekannt sein, dass im Konflikt zwischen Recht und Gerechtigkeit das Recht auch den Vorrang hat, wenn es inhaltlich ungerecht ist.

(Görke [DIE LINKE]: Das ist der Punkt!)

Aber genau das ist nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte eben nicht gegeben.

Fünftens lehnen wir eine Insellösung - mein Kollege von der SPD sagte es bereits - für Brandenburg ab. Sie steht dem Anspruch der Initiatoren auf Herstellung von Gerechtigkeit deutlich entgegen. Es geht nicht, dass wir in unserem Land aufgelassene Grundstücke zurückgeben, und im übrigen Deutschland bleibt alles beim Alten.

Den Gästen hier im Saal, die betroffen sind, sage ich: Eine Rückabwicklung wird es aus heutiger Sicht nicht geben. Wir Linken bedauern das sehr, aber zur Redlichkeit gehört es, keine falschen Hoffnungen zu machen. Sie, Kollege Vogel, instrumentalisieren die Hoffnungen dieser Menschen für Ihren populistischen Gesetzesvorschlag. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Mächtig. - Es gab die Anmeldung einer Kurzintervention. Herr Abgeordneter Dombrowski hat dazu Gelegenheit.

Frau Kollegin Mächtig, Sie müssen irgendetwas falsch verstanden haben. In diesem Antrag steht nichts davon, dass irgendetwas rückabgewickelt werden soll. Darum geht es überhaupt nicht. Es geht schlicht und ergreifend um die mit Nachteilen belasteten Bodenreformerben, die sich in dem Urteil des Bundesgerichtshofes, das der Kollege Eichelbaum zitiert hat, wiederfinden und gemeint waren. Dem Land Brandenburg wurde mit diesem Urteil ein sittenwidriges Verwaltungshandeln, das eines Rechtsstaates nicht würdig ist, ins Stammbuch geschrieben.

Ich habe jetzt auch verstanden, dass Sie der Meinung sind, dass die CDU seit 20 Jahren nicht nur den Bildungsminister, sondern auch den Finanzminister gestellt habe und in der Zeit ihrer Verantwortung auch noch andere Fehler gemacht habe. Aber auch darum geht es nicht. Denn im Grunde genommen kann das niemand ernst nehmen, wenn Ihre Fraktion das immer vorträgt, als hätte die CDU in Brandenburg seit 23 Jahren alleine regiert.

Es geht schlicht und ergreifend darum, zu prüfen, ob wir den Handlungsspielraum, den wir jetzt im Übrigen erstmalig durch Bundesgesetz erhalten haben, nutzen können. Deshalb werben wir dafür, diesen Antrag zu überweisen, um ihn nicht gleich von Ihnen von vornherein plattmachen zu lassen, sondern um uns wirklich auszutauschen. Der Kollege Eichelbaum hat erklärt, dass wir es den Bürgerinnen und Bürgern, die teilweise schon ein sehr hohes Alter erreicht haben, schon aus Respekt schuldig sind, dass wir uns zumindest ernsthaft der Erörterung nähern. Ob wir eine gemeinsame Lösung finden, sei dahingestellt.

Sie tun jetzt so, als ob nur wir in Brandenburg jetzt als Einzige etwas tun wollten. Es ist nun einmal so, dass nur wir in Brandenburg ein solches Urteil kassiert haben und kein anderes Bundesland. Von daher haben wir zumindest die Verpflichtung, zu versuchen aufzuklären. Ob der Europäische Gerichtshof sich genau darauf bezieht, kann ich jetzt nicht so schnell überprüfen. Fakt ist, wir haben als Land jetzt erst einmal die Möglichkeit, zu reagieren und vielleicht ein wenig Wiedergutmachung zu leisten. Ob das geht, werden wir sehen. Dass Sie offenbar nicht bereit sind, darüber überhaupt zu beraten, beschämt mich. - Danke schön.

(Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Abgeordnete Dombrowski. - Frau Abgeordnete Mächtig, Sie haben die Möglichkeit, darauf zu reagieren. Möchten Sie davon Gebrauch machen? - Bitte schön.

Herr Kollege Dombrowski, ich verstehe doch Ihr Anliegen, dass Sie, wenn Betroffene im Saal sind, deutlich machen wollen, wie wichtig Ihnen die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger sind.

(Zuruf von der CDU: Auch wenn sie nicht im Saal sind!)

Mein wirkliches Problem ist: Zu dem Zeitpunkt, wo Sie wirklich Verantwortung tragen, tun Sie es nicht. Und wenn Sie keine Verantwortung haben, reden Sie darüber. Aber es heißt: Tue Gutes und rede darüber. Das eine ohne das andere wird zum Fehler, auch wenn man noch so lange darüber labert.

(Beifall DIE LINKE - Widerspruch bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Mächtig. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Beyer hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der vorliegenden Materie, den Folgen der Bodenreform, handelt es sich um einen sehr komplexen Sachverhalt, der eine lange Vorgeschichte hat; viele Redner sind darauf eingegangen.

Frau Kollegin Mächtig, es hat mich bei Ihren Ausführungen eben ein bisschen durchzuckt, ob ich nicht ganz auf den Anfangspunkt dieser Vorgeschichte zurückgehen sollte, auf den Ursprung aller Enteignungen. Aber ich habe mich dagegen entschieden. Wir müssen hier nicht die ganz große Geschichte aufarbeiten.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Aber das ist die Grund- lage!)

Ich denke, allein schon die jüngere Geschichte, über die wir heute reden, ist es wert, dass wir uns ihr mit aller Sachlichkeit widmen. Denn in der Tat, 21 Jahre nach dem sogenannten Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz muss in aller Deutlichkeit festgestellt werden: Der Umgang mit dem Bodenreformeigentum im wiedervereinigten Deutschland ist gründlich missglückt.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Das ist so! Unbestritten!)

- Sehen Sie, da sind wir doch wenigstens, was die jüngere Vergangenheit angeht, einer Meinung, bei der älteren wahrscheinlich nicht.

Inzwischen besteht unter den Fachjuristen, die sich intensiv mit dem Thema beschäftigen, weitgehend Konsens, dass der Gesetzgeber seinerzeit ein gigantisches Enteignungsgesetz auf den Weg gebracht hat.

Ja, es stimmt, kein anderes ostdeutsches Bundesland ist unnachgiebiger gegen die Besitzer von Bodenreformflächen vorgegangen. Ja, es ist wahr, kein anderes ostdeutsches Bundesland hat sich in einem derartigen Ausmaß über die Interessen und Rechte der Betroffenen hinweggesetzt.

Der vorliegende Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN versucht, im Nachgang zu den Diskussionen in der Enquetekommission Gerechtigkeit für die sogenannten Neusiedlererben herzustellen. Keine Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das ist ein absolut ehrenwertes Anliegen. Bei den Anhörungen im September in der Enquetekommission wie auch in dem gemeinsamen Fachgespräch aller Oppositionsfraktionen im Dezember 2012

wurde deutlich, dass viele Betroffene durch eine Vielzahl zum Teil jahrelanger Gerichtsverfahren an den Rand der Privatinsolvenz getrieben wurden und teilweise immer noch werden. Den Glauben an den Rechtsstaat haben viele dieser unverschuldet in Not geratenen Menschen längst verloren.

Fraglich ist nun allerdings, ob ein Bodenreformwiedergutmachungsgesetz für Brandenburg den besten Weg darstellt, den Betroffenen schnell und unbürokratisch zu helfen und - soweit das überhaupt möglich ist - Gerechtigkeit wiederherzustellen.