Protocol of the Session on November 20, 2013

Für Brandenburg kann das heißen, dass wir vielleicht unsere Effizienz- und Einsparziele anpassen und gegebenenfalls detaillierter aufschlüsseln müssen, etwa indem wir die spezifischen Potenziale im Verkehrs- und Wohnungsbereich noch genauer unter die Lupe nehmen.

Das Zweite ist der Energie- und Technologiemix. Ein Ausbau von erneuerbaren Energien ohne Rücksicht auf Verluste und ein Abschalten von Braunkohlekraftwerken ohne Rücksicht auf Verluste ist gleichermaßen falsch. Vor allem verletzt es einen wichtigen Grundsatz der Energiepolitik: Die Balance der energiepolitischen Ziele, die ein Wert an sich sind.

Wir können nicht den Klimaschutz durch den Ausbau der Betriebe aus dem Bereich der erneuerbaren Energien voranbringen, ohne auf die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft oder die Belastungsfähigkeit der privaten Haushalte Rücksicht zu nehmen.

Daher brauchen wir auf absehbare Zeit einen Energiemix, zu dem beispielsweise Reservekapazitäten gehören: Das werden fossile Kraftwerke sein. Wir brauchen auf absehbare Zeit auch noch die Kohle, denn konventionelle Energien sichern 75 % der Stromversorgung, 25 % der gesicherten Leistung stammen vor allem aus den Erneuerbaren.

Braunkohle sichert in der Lausitz mehr als 10 000 Arbeitsplätze. Das ist deutlich mehr als eine sonst hochgelobte Solarindustrie in ganz Brandenburg, die inzwischen bei 5 000 bis 6 000 Arbeitsplätzen angekommen sein dürfte. Im Jahr 2011 waren es noch 9 000.

Ein Ausstieg aus der Kohle wäre auch deshalb falsch, weil auch die Möglichkeiten ihrer stofflichen Verwertung noch lange nicht ausgeschöpft sind.

Drittens, die regionale Wertschöpfung. Die Energiewende wird nur erfolgreich sein, wenn wir vor Ort einen Nutzen bringen. Es reicht nicht, wenn Investoren von außen große Windparks errichten und dann lediglich Pachteinnahmen für einige Landwirte anfallen, die hohen Netzentgelte jedoch von allen getragen werden müssen. Wir brauchen endlich Beteiligungsmodelle, von denen die Gemeinden im nennenswerten Umfang profitieren. Wir brauchen mehr Bioenergiedörfer.

Mein Wunsch ist: Zusammenarbeit von Bund und Ländern - ja. Aber wir brauchen ein einheitliches europäisches System zur Förderung der erneuerbaren Energien. Experten meinen sogar, dass die Kohle in fünf Jahren das Mineralöl ablösen wird.

(Beifall SPD sowie des Abgeordneten Domres [DIE LINKE])

Der Abgeordnete Bretz hat für die CDU-Fraktion noch eine gute Minute Redezeit.

Ich begrüße Schülerinnen und Schüler des Oberstufenzentrums II Barnim aus Eberswalde. Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg.

(Allgemeiner Beifall)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren der Linksfraktion! Weil Sie vorhin solche Worte in Richtung Schwarz-Gelb sagten, möchte ich wenigstens daran erinnert haben, dass das Land Brandenburg die höchsten Energiepreise in der Bundesrepublik Deutschland hat und

(Zurufe der Fraktion DIE LINKE)

es in Ihrer politischen Verantwortung als Bestandteil dieser Koalition und in Anbetracht der Stellung der zuständigen Minister liegt, dass unter anderem Ihre Fraktion und Ihre Politik die Treiber der Energiepreise in Brandenburg sind.

(Widerspruch bei der Fraktion DIE LINKE)

Es ist schon ein Stück weit politische Schizophrenie, wenn Sie an anderer Stelle sagen: Da die Preise durch Ihr Handeln so hoch sind, müssen wir auf der anderen Seite staatliche Maßnahmen, um diese Preise zu senken.

Ich möchte daran erinnern, welche Themen Sie hier im Landtag aufgerufen haben, als Schwarz-Gelb gefordert hat, die EEG-Einspeisevergütung für erneuerbare Energien zurückzuführen. Ich bitte Sie herzlich um eins: Wenn Sie Politik machen, dann tun Sie das bitte konsequent, und machen Sie keine Rosinenpickerei nach dem Motto: Für die hohen Strompreise sind andere zuständig, und Sie für das Verteilen. Nein, in Brandenburg tragen Sie Verantwortung, und daran möchte ich Sie bitte schön erinnern. - Danke.

(Beifall CDU)

Der Wirtschaftsminister möchte die Redezeit der Landesregierung überziehen. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Bretz, Sie haben mich animiert, noch einmal an das Mikrofon zu gehen, um noch einige Bemerkungen zu machen. Erstens. Ich denke, dass der Ministerpräsident deutlich gemacht hat, dass das Land Brandenburg und diese rot-rote Landesregierung zu einer sozialverträglichen Energiewende stehen, die Versorgung sicher und preisbewusst durchführen und damit einen Grundsatz beherzigen werden. Die Energiewende in Deutschland ist derzeit ein Solitär. Wenn es uns nicht gelingt, den Nachweis zu führen, dass es möglich ist, dass sich eine hochindustrielle Gesellschaft auch weiterhin als sozialverfasster Staat entwickeln kann und dabei eine Energiewende vollzieht und Industrieland bleibt - und das zu Kosten, die gesellschaftlich tragfähig sind -, wird diese Energiewende ein Solitär bleiben und nicht in der Lage sein, sowohl wertschöpfende Potenziale als auch Beschäftigungspotenziale zu erschließen.

Herr Bretz, ich kann Ihre Situation verstehen, aber wissen Sie, was ich nicht nachvollziehen kann? Dass Sie nach einer fast dreijährigen Debatte zur Energiestrategie 2030, nach einer fast dreijährigen Auseinandersetzung, nach einer dreijährigen Operationalisierung der Energiestrategie 2030, nach mehr als drei Jahren intensiven Bemühungen im Bundesrat auf die Idee kommen, dass die Fraktion bzw. die Partei DIE LINKE daran schuld sei, dass wir hier eine Kostensteigerung im Land Brandenburg haben. Ich finde das anmaßend. Ich weise das zurück, und ich fordere Sie auf: Reden Sie mit Ihren Kollegen sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch mit Ihren Kollegen der CSU in Bayern! Die Grünen fordere ich auf: Reden Sie mit Ihren Kollegen in Baden-Württemberg! Die hohen Strompreise, die wir hier haben - der Ministerpräsident hat das erwähnt - resultieren im Wesentlichen aus dem Kostenblock des Netzausbaus im 110-kV-Bereich,

(Beifall SPD und DIE LINKE)

und es ist so, dass die Parteien im Süden Deutschlands, einschließlich Baden-Württemberg, bis jetzt im Bundesrat sämtliche Initiativen blockiert haben, die de facto einen bundesweiten Umwälzungsmechanismus ermöglichen würden. Bei den Tatsachen wollen wir bleiben, auch wenn Sie auf Bundesebene gerade in Koalitionsverhandlungen stehen und ich Ihre Situation hier im Land durchaus nachvollziehen kann. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Das Wort erhält jetzt noch einmal der Herr Abgeordnete Ness für zwei Minuten, die er um zwei Minuten wegen der Überziehung aufstocken darf.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe heute Morgen gesagt, dass es eine aktuelle Debatte ist und es eine spannende Debatte wird, und das ist sie in der Tat geworden. Ich denke, zum Schluss ist es fast an der Zeit, eine kleine Bilanz zu ziehen:

Was wir festhalten können, ist, dass wir nach zweieinhalb Jahren Diskussion über die Energiewende eine Fokusverschiebung haben: Am Anfang stand die Debatte über den Ausstieg aus der Atomenergie, am Anfang stand die Debatte über Klimaschutzziele. Jetzt, nach zweieinhalb Jahren, stellen wir fest, es sind zwei andere Themen in den Fokus gerückt. Da haben die Grünen insbesondere zwei blinde Flecke, nämlich: Beim Thema Versorgungssicherheit haben sie schlicht und ergreifend den Schuss nicht gehört. Wer Versorgungssicherheit für den Industriestandort Deutschland gewährleisten will, braucht einen Energiemix.

(Zuruf des Abgeordneten Vogel [B90/GRÜNE])

Zu diesem Energiemix leisten wir in Brandenburg wichtige Beiträge, und ich glaube, die sollten wir akzeptieren. Wir sollten aufhören, bei diesem Energiemix die eine Energie gegen die andere auszuspielen. Wir brauchen den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, wir werden aber auf absehbare Zeit die Braunkohle brauchen, um damit Strom herzustellen und Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das Thema Preis ein immer gewichtigeres wird. Da, Herr Bretz, haben Sie sich soeben ein Ei gelegt: Sie wissen genau, dass die ostdeutschen Länder aufgrund der Netzkosten deutlich höhere Strompreise haben. Das betrifft nicht nur Brandenburg, sondern auch unser Nachbarland Sachsen, das aufgrund der Netzkosten sogar noch höhere Strompreise hat als wir - die sind genauso betroffen. Wir brauchen einen Regulierungsmechanismus, und die künftige Bundesregierung muss zusammen mit dem Bundesrat gewährleisten, dass der Ausbau der alternativen Energien, der in den ostdeutschen Ländern stattfindet, nicht dazu führt, dass Strom hier teurer ist. Dann wird nämlich die Akzeptanz für erneuerbare Energien sinken. Wir brauchen also eine Ausgleichsregulierung, wie Minister Christoffers erwähnt hat, die dafür sorgt, dass die Leistungskosten umgelegt werden, sodass dann in der Konsequenz in NRW, Baden-Württemberg und Bayern der Strompreis steigt und bei uns sinkt. Das ist in unserem gemeinsamem Interesse, dafür sollten wir uns gemeinsam einsetzen.

Ich glaube, die heutige Debatte hat uns ein Stück vorangebracht, weil jetzt in der Tat bewusst geworden ist, es gibt zwei neue Themen, um die wir uns kümmern müssen: Wir wollen Industrieland bleiben, und deshalb brauchen wir Versorgungssicherheit. Wir können uns kein Blackout in der großen Industriemetropole Deutschland leisten - das hätte fatale Auswirkungen. Daran müssen wir konsequent arbeiten, und wir müssen auch konventionelle Energieträger akzeptieren, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Außerdem müssen wir das Thema Preise stärker in den Fokus nehmen, wenn wir die Akzeptanz der Energiewende aufrechterhalten wollen.

Wie gesagt, ich habe Ihnen vorhin die Zahlen genannt, und die Zahlen sind Fakten. 1998 hatte ein Dreipersonenhaushalt 600 Euro Stromkosten im Jahr, jetzt hat er 1 000 Euro im Jahr. - Das kann nicht so weitergehen, denn dann wird diese Energiewende, die vor zweieinhalb Jahren im großen Konsens gestartet worden ist, an Akzeptanz verlieren - das kann niemandes Interesse sein. - Besten Dank.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE)

Es folgt eine Kurzintervention der Abgeordneten SchulzHöpfner.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Ness, ja, wir wollen eine Energiewende, und wir wollen die Energiewende unter Beteiligung aller Bürgerinnen und Bürger. Sie haben soeben proklamiert, dass Sie gerade die Energieträger und die Menschen nicht aufeinander losjagen wollen, aber ich habe den Eindruck, dass Sie genau das tun. Sie tun es immer wieder, das haben Sie schon in Ihrem ersten Beitrag gemacht.

(Beifall B90/GRÜNE)

Ich kenne ein altes chinesisches Sprichwort: Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen. - Sie gehören zu denen, die Mauern errichten. Sie haben auch heute alle in Ihren Beiträgen nicht einmal wirklich die Betroffenen in den Fokus genommen, Sie sind

diesem Thema immer ausgewichen. Sie müssen in dieser Debatte immer bedenken, was Sie da tun. Wenn Sie sagen, dass Sie immer mehr Kohle verstromen wollten, dann sagen Sie den Menschen, es geht in der Lausitz so weiter wie bisher. Und wenn Sie das unter Energiewende verstehen, werden Ihnen viele Bürger nicht mehr folgen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Eines kann ich Ihnen sagen: Auch wir wollen den Dialog zur Energiewende, nicht gegen die Menschen, gegen die Energiewende, sondern für eine Energiewende und für die Menschen in dieser Region, denn die Menschen wollen da bleiben, die wollen da leben. Sie können mir nicht erzählen, dass Sie das weiter so vorantreiben wollen wie bisher, und dann auch noch so vermessen sind zu sagen: Ja, die paar da. - Irgendjemand soll wohl in einem Ausschuss auch gesagt haben: Da muss man bestimmte Flächen oder Gegenden einfach einmal vergessen. Das mag vielleicht aus Potsdamer Sicht so aussehen, wenn man in die Kohle-Lausitz schaut. Für die Menschen dort sieht es ganz anders aus. Die wollen da leben, aber mit Energiewende und auch mit den Kumpels.

Wir bieten den Dialog an, denn Sie sagen die Unwahrheit, wenn Sie immer wieder behaupten, es sei nur ein Gegeneinander. Sie sagen den Kumpels: Ausstieg aus der Kohle sofort. Das verlangt niemand, die Energiewende braucht in der Tat Zeit, und sie braucht auch Linien - da gebe ich dem Antrag sogar Recht -, aber dann gestalten Sie doch diese Linien mit den Menschen, mit der Region, und das dauert seine Zeit. Senden Sie nicht das Signal, es bleibe alles so, wie es ist. Es wird nicht so bleiben; der Hauch der Veränderung weht in der Lausitz schon lange. - Danke schön.

(Beifall FDP und B90/GRÜNE)

Der Abgeordnete Ness hat die Möglichkeit, zu reagieren. - Er will nicht. - Besteht bei den übrigen Fraktionen Bedarf, die zwei Minuten Überziehung in Anspruch zu nehmen? - Herr Beyer, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst, Herr Minister: Grundsätzlich Respekt! Die Empathie in dem Vortrag ist genau das, was ich mir von der Führung des Ministerpräsidenten gewünscht habe. Deshalb kann ich Ihnen bezüglich des Inhalts sagen: Ja, für die Preisschraube, die Preishöhe ist das Land nicht verantwortlich. Das sind Regelungen, die primär auf der Bundesebene liegen - da sind wir uns einig, das müssen wir hier auch nicht glattziehen. Aber das ändert doch nichts daran, dass Führung sich nicht darin erschöpft, eine Strategie zu entwickeln - wohlgemerkt: abgesehen von wenigen Ausnahmen -, eine Strategie, die auch ich nicht als ganz schlecht bezeichne -, sondern die Landesregierung ist auch für die Umsetzung zuständig. Umsetzen heißt: die Ziele, die man definiert hat, operativ angehen. Dort höre ich, seit wir diese Strategie haben, relativ wenig, oder - um es genau zu sagen -, so gut wie nichts. Es gilt, die Chancen wahrzunehmen, endlich für den brandenburgischen Mittelstand die Systemintegration voranzutreiben, dafür zu sorgen, dass Erzeugung dort, wo sie entsteht, auch zum Verbrauch führt. Das sind doch die Chancen, die un

sere mittelständischen Unternehmen haben. Da wünsche ich mir klare Signale in der Mittelstands- und der Wirtschaftspolitik, und dazu hätte ich in der Aktuellen Stunde gern Aussagen gehabt. Darum geht es. - Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Es folgt Herr Bretz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister, selbstverständlich tragen Sie die Verantwortung für die Energiepolitik im Land Brandenburg. Ich möchte darauf hinweisen, dass Ihr entscheidendes Abstimmungsverhalten das des Landes Brandenburg - im Bundesrat, angesichts der Vorschläge, die auch vonseiten der Bundesregierung auf dem Tisch lagen, bekannt ist. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass es auch darum geht - wir haben diese Debatte hier mehrfach geführt -, dass Sie einen rein quantitativen und keinen qualitativen Ausbau alternativer Energieformen betrieben haben. Vor allem haben Sie Devisen ausgegeben, die sich an strategischen Zielstellungen orientieren. Eine zum Beispiel lautet: 2 % der Landesfläche ist für die Windenergie vorzusehen. - Das kann doch nicht das Ergebnis einer klugen und intelligenten Energiepolitik sein!

Weil Sie auf diese Ausbauziele gesetzt und den Bereich Systemintegration vernachlässigt haben, weil Sie eben nicht auf die kompletten Wertschöpfungsketten innerhalb der Energieversorgung geachtet haben, stehen wir vor der derzeitigen Situation. Dafür tragen Sie - mit Verlaub - die politische Verantwortung. Das ist so, das wird so bleiben, und Sie können sich da auch nicht herausreden. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)