Protocol of the Session on January 20, 2010

Wir haben erläutert, warum wir die Einrichtung einer Kommission zur Polizeistruktur 2020 prinzipiell richtig finden. Ich hatte auch unsere Bedenken erläutert, dass wir fürchten, es würde eine reine Sparkommission geben, und es würde wenig inhaltlich gearbeitet. Darüber hinaus hatten wir unsere Bedenken gegen die Zusammensetzung der Kommission dargelegt, speziell gegen die Nichtbeteiligung relevanter Gewerkschaftsgruppen.

Wir befürworten eine umfassende Strukturkommission mit Ausrichtung auf das Jahr 2020. Diese Kommission hat sich ein halbes Jahr für ihre Arbeit vorgenommen. Auch das halten wir für einen angemessenen Zeitraum. Deshalb werden wir den Antrag der Koalitionsfraktionen unterstützen, weil wir es für wenig zielführend halten, Teilaspekte, nämlich ein fünfjähriges Wachenkonzept, bis zum 01.07. vorzulegen. - Danke schön.

(Beifall GRÜNE/B90)

Innenminister Speer spricht für die Landesregierung.

Auch ich kann es kurz machen. Nur als Erwiderung: Es ist sinnvoll, erst nachzudenken, dann zu reden und zu entscheiden. Das ist der Weg, für den wir uns entschieden haben, und er ist logisch.

Ich habe im Haus, Herr Petke, ein Wachenkonzept vorliegen. Darin ist der entscheidende Satz enthalten, dass es sich verbietet, über die Legislaturperiode hinaus zu denken. Diese Ansicht teile ich nicht. Wir beginnen auch über diese Legislaturperiode hinaus zu denken; die Auswirkungen, die wir jetzt durch Strukturentscheidungen treffen, werden über eine Legislaturperiode hinaus spürbar sein. - Danke.

(Beifall SPD)

Das Wort erhält noch einmal der Antragsteller. Herr Abgeordneter Ludwig, haben Sie Bedarf? - Herr Abgeordneter Petke, haben Sie noch einmal Bedarf? - Damit sind wir am Ende der Debatte angelangt, und wir kommen zur Abstimmung.

Der Antrag in der Drucksache 5/291 der Koalitionsfraktionen Öffentliche Sicherheit durch bedarfsgerechte Personal- und Strukturplanung der Polizei gewährleisten - steht zur Abstimmung. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Antrag mehrheitlich angenommen.

Der Antrag in der Drucksache 5/286 der CDU-Fraktion - Wachen- und Strukturkonzept für die Polizei des Landes Brandenburg - steht zur Abstimmung. Wer ihm Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Damit schließe ich Tagesordnungspunkt 12 und rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Illegaler Grenzverkehr - Einschleusungen von Ausländern an der deutsch-polnischen Grenze

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 5/287

Für die CDU-Fraktion beginnt der Abgeordnete Petke die Debatte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Situation an der deutsch-polnischen Grenze hat uns in der vergangenen Legislaturperiode sowohl hier im Landtag als auch in der Öffentlichkeit mehrfach beschäftigt. Ich habe versucht, für die CDU-Fraktion in der Aktuellen Stunde heute Morgen deutlich zu machen, was für uns die Knackpunkte bei der geplanten Reform der Polizei sind, und ich habe unter achtens einen Punkt benannt: die bessere Zusammenarbeit mit der Republik Polen im Bereich der inneren Sicherheit.

Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode hierzu mehrfach Debatten geführt. Der Wegfall der Personenkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze und an den Außengrenzen der Europäischen Union hat unsere Polizei natürlich vor neue Herausforderungen gestellt. Eine habe ich benannt: die Kenntnis der polnischen Sprache, aber auch der anderen Sprachen Osteuropas.

Es geht aber nicht allein um die Verbesserung der Sprachkenntnisse, sondern auch und insbesondere um die rechtliche Absicherung der Zusammenarbeit, zum Beispiel was die Nachteile betrifft. Wir hatten uns das ehrgeizige Ziel gestellt, dass wir eine ähnliche oder genauso gute Zusammenarbeit der Länderpolizeien hinbekommen, wie sie an der deutsch-französischen und an der deutsch-niederländischen Grenze seit Jahren erfolgreich praktiziert wird.

Wir verzeichnen an der Grenze ganz spezielle Kriminalitätsbzw. Deliktsformen. Ein besonders kritischer Bereich ist die Schleuserkriminalität. Dabei geht es um nicht weniger als um das Geschäft mit der Ware Mensch. Die organisierte Kriminalität - im Wesentlichen ist es organisierte Kriminalität - zieht aus der Schleusung von Menschen aus meist ärmeren Ländern enorme Profite. Dabei wird das Risiko in Kauf genommen, dass diese Menschen verletzt werden oder sogar ums Leben kommen.

Den vorliegenden Zahlen nach zu urteilen ist die Schleuserkriminalität, zumindest soweit sie bekannt geworden ist, gestiegen, obwohl die Personenkontrollen an der Grenze entfallen sind. Man hätte das Gegenteil erwarten können, dass nämlich die entsprechenden Zahlen zurückgehen, wenn an der Grenze nicht mehr 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr kontrolliert wird. Noch einmal: Das Gegenteil ist der Fall. Die Zahlen sind gestiegen.

Deswegen regen wir an, dass die Landesregierung bis zum 1. März einen Bericht über die Entwicklung, die Situation und

die Bekämpfung der Schleusungskriminalität an der deutschpolnischen Grenze vorlegt. Uns ist es wichtig, dass in diesen Bericht die Zusammenarbeit mit der Bundespolizei ebenso einbezogen wird wie die Zusammenarbeit mit anderen Behörden wie dem Zoll und natürlich mit den Dienststellen auf der polnischen Seite, aber auch mit der entsprechenden Behörde auf der Ebene der Europäischen Union.

Unser Antrag hat einen aktuellen und sehr ernsten Hintergrund. Ich würde mich freuen, wenn wir hierfür Zustimmung, aber zumindest die Überweisung an den Innenausschuss erwarten könnten. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Die Abgeordnete Stark spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Petke, Ihr Antrag ist weder aktuell, noch rechtfertigen ihn die vorliegenden Zahlen. Wenn Sie in unsere Polizeiliche Kriminalstatistik schauen, können Sie genau ablesen, wie sich die sogenannte Schleusungskriminalität in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Es ist deutlich erkennbar, dass im Zeitraum 2004 bis 2009 die Fallzahlen massiv zurückgegangen sind. Der Anteil an der Gesamtkriminalität des Landes Brandenburg liegt lediglich bei 1,4 %.

Sie agieren wieder einmal - ich sage: leider - im antieuropäischen Geist. Ich erinnere mich an die Debatten im Jahr 2007. Ihr Innenminister Schönbohm hat sich immer in wohltuender Weise von dem, was Sie eingebracht hatten, distanziert. Sie suggerieren, seit der Erweiterung der EU-Außengrenzen und der Öffnung der Binnengrenzen sei die Kriminalität auf allen Feldern permanent gestiegen. Die Zahlen sprechen eine deutlich andere Sprache. Ich frage mich: Warum tun Sie das? Warum verbreiten Sie „falsche Fakten“?

Ihr Antrag ist höchst überflüssig, weil Sie alle Zahlen, die Sie von der Landesregierung erfahren wollen, schon heute in der entsprechenden Statistik nachlesen können. Ich empfehle, den Antrag abzulehnen.

In diesem Sinne vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Goetz spricht für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Sehr geschätzter, sehr geehrter Kollege Petke, FDP und CDU sind in Fragen der inneren Sicherheit in vielen Fällen - das wird bei der Polizeistrukturreform und anderen Fragen deutlich einer Meinung. Aber es gibt Themenbereiche, in denen das anders ist. Ein solcher Themenbereich liegt auf dem Tisch.

Der erste Grund für unsere Ablehnung ist formaler Natur: Wenn ein Bericht zu Kriminalitätsbelastungszahlen vorgelegt werden

soll, dann ist das eher ein Thema für eine Kleine Anfrage. Es bedarf keiner Behandlung hier im Plenum. Man stellt die Anfrage, bekommt eine Antwort und hat diese im Zweifel sogar schneller als einen Bericht, der bis zum 1. März vorgelegt werden soll.

(Beifall GRÜNE/B90)

Der zweite Grund ist inhaltlicher Natur. Schleuserkriminalität von Polen nach Deutschland scheidet inzwischen begrifflich ebenso aus wie Schleuserkriminaliät von Frankreich nach Deutschland. Auch von Sachsen nach Brandenburg kann nicht geschleust werden. Das funktioniert an dieser Stelle nicht.

Richtig ist: Es gibt Schleusungen von außerhalb der EU in diese hinein, die möglicherweise erst in Deutschland festgestellt werden. Entsprechende Belastungszahlen haben wir weiterhin. Aber das ist keine Schleuserkriminalität, die an der deutschpolnischen Grenze, sondern an den Außengrenzen des Schengen-Raumes auftritt, zum Beispiel an der polnisch-ukrainischen Grenze. Wenn dort keine Feststellungen getroffen werden - die Polen sind übrigens recht fit in dieser Beziehung -, gelangen Ausnahmefälle bis nach Deutschland und werden dann hier festgestellt.

Sehen Sie es uns bitte nach: In diesem Punkt haben wir eine unterschiedliche Auffassung. Es ist nicht zutreffend, dass dieser Antrag gebraucht werde. Wir lehnen ihn ab.

(Beifall FDP und vereinzelt SPD)

Die Abgeordnete Fortunato spricht für die Linksfraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestern hat eine unabhängige Kommission über das Unwort des Jahres entschieden.

(Zuruf von der CDU: Stasi!)

Den zweiten Platz belegte das Wort „Flüchtlingsbekämpfung“, geprägt von der Bundesvorsitzenden der CDU und Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel. Ich hoffe, dass dieses Unwort nicht die Intention des Antrags war.

Mit dem Beitritt der Republik Polen und anderer Länder Osteuropas zum Schengen-Raum ist ein Europa entstanden, in dem jetzt knapp 400 Millionen Menschen ungehindert reisen können. Genau diese Öffnung hatten der damalige Innenminister und die Linke begrüßt - ein einmaliger Vorfall, was den innenpolitischen Bereich in der vergangenen Legislaturperiode betrifft.

Mit dieser erfreulichen Entwicklung verbindet die Linke die Forderung, keine Festung Europa zu zementieren. Es muss darum gehen, die Welt als Ganzes zu begreifen, als Ganzes zu denken und dementsprechend zu handeln. Dieser hohe Anspruch ist nur unter einer Voraussetzung zu erfüllen: ein friedlicher Umgang mit allen entstehenden Konflikten und Widersprüchen.

Es ist richtig, wie bereits 2007 vermutet wurde, dass die illegalen Grenzübertritte zugenommen haben. Fakt ist aber, dass die

von gewissen Kreisen geschürten Ängste und Befürchtungen nicht in diesem Umfang eingetreten sind. Genau diese Ängste, sehr verehrte Damen und Herren der CDU, versuchen Sie mit Ihrem Antrag weiter auszubauen.

Hier ein Beispiel für europäische Aktionen: Die Deutsche Presseagentur berichtete am 6. Oktober 2008 von einer europaweiten Polizeiaktion zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung und der Schleuserkriminalität, an der 20 Staaten beteiligt waren und die vom 24. bis 29. September 2008 dauerte. Dabei wurden laut Pressemeldungen durch die Bundespolizei 149 Ausländer gefasst, die unerlaubt eingereist waren oder sich illegal im Land aufhielten. Zudem deckte man Diebstähle, Schwarzfahren, Körperverletzung usw. auf. In der Bundesrepublik Deutschland wurde die Aktion durch das neugeschaffene Bundespolizeipräsidium in Potsdam koordiniert. Insgesamt waren 11 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundespolizei beteiligt. Schleuser seien damals nicht gefasst worden, sagte der Sprecher der Bundespolizei.

Verstehen Sie uns richtig: Wir negieren nicht das Problem, verwahren uns aber gegen seine Instrumentalisierung. In der „Märkischen Allgemeinen“ vom 14.12.2009 wurde festgestellt, dass illegale Einwanderungen seit der Grenzöffnung zugenommen hätten.

„Im Jahr 2007 vor dem Beitritt wurden im Zuständigkeitsbereich der Frankfurter Staatsanwaltschaft 781 Illegale aufgegriffen. Ein Jahr später ohne Grenzkontrollen waren es 1 027.“

Die Beamten der Republik Polen und die auf deutscher Seite arbeiten in vorbildlicher Weise zusammen. Es gibt umfangreiche Kontrollen der deutschen und der polnischen Polizei und der Zollbehörden im Grenzgebiet. Das kenne ich besonders aus meiner Heimat, dem Landkreis Märkisch-Oderland. Dort werden gemeinsame Kontrollen und Streifengänge beiderseits der Oder durchgeführt. Es gibt Sicherungspläne und Veranstaltungen zum Erfahrungsaustausch. Die deutschen Kollegen haben Intensivkurse für polnische Sprache absolviert. Das sollte Ihnen, Herr Petke, auch aus dem Innenausschuss bekannt sein.