Protocol of the Session on December 12, 2012

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich,

dass wir bei diesem Thema hier heute nicht in jedem Detail, aber doch in der Hauptstoßrichtung einen Konsens haben.

Ich möchte aber kurz auf Sie, Herr Innenminister, eingehen: Wenn Sie sich hier hinstellen und so evident behaupten, die Quellenfreiheit sei gegeben, sage ich Ihnen, was der von mir vorhin schon angesprochene Gutachter Dollinger zu dieser Frage sagt - auf dieses Gutachten stützt sich der CDU-Innenminister Schünemann in Niedersachsen -: Die Quellenfreiheit sei eine nicht in allen Details und im Ergebnis zu beantwortende Frage. Ich habe mit CDU-Innenministern gesprochen, die den Verbotsvorstoß hier unterstützen, wie bekannt ist. Auch sie haben mir gesagt, im Ergebnis könne es natürlich Fehlerquellen geben. So evident, wie Sie das hier wieder behaupten, kann man es nicht darstellen. Da sind mir viel zu sehr alle Risiken vom Tisch gewischt. So einfach ist es leider nicht.

(Beifall CDU - Zuruf von Minister Dr. Woidke)

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass allein mit einem Verbot die Herausforderungen, was den Rechtsextremismus in der Gesellschaft anbelangt, nicht bewältigt sind. Das zu glauben wäre naiv. Deshalb möchte ich - das haben auch Sie getan - vor einer Überhöhung des Verbots warnen. Es muss klar sein: Ein Verbot kann nur ein Mosaikstein sein, wenn man manifeste extreme Überzeugungen in der Gesellschaft beseitigen will

(Frau Lehmann [SPD]: Wovor haben Sie nur Angst?)

übrigens extreme Überzeugungen jeglicher Couleur. Auch Linksextremismus muss hier genannt werden. Deshalb fordern wir in unserem Antrag die Landesregierung dazu auf, an den Brandenburger Schulen die Unterschiede zwischen einem Leben unter einer totalitären Gewalt- und Schreckensherrschaft und einem Leben in Freiheit und Demokratie noch viel intensiver und viel bewusster zu vermitteln. Ich muss Ihnen, meine Damen und Herren von der Landesregierung, sagen: Da hat Brandenburg noch erheblich Luft nach oben. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Scharfenberg für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Chancen für ein Verbot der NPD waren noch nie so hoch wie jetzt. Deshalb sollte jetzt gehandelt und ein klares Signal an alle Menschen in der Bundesrepublik ausgesandt werden. Als sich im September am Potsdamer Hauptbahnhof die NPD aufstellte und durch die Innenstadt marschieren wollte, hat eine starke Gegendemonstration diesen Aufmarsch verhindert. Aber viele haben die Frage gestellt, warum diese Neonazis unter dem Schutz der Polizei so unverschämt auftreten können. Diese Frage wird immer wieder gestellt.

Die NPD ist eine verfassungsfeindliche, demokratieverachtende Partei, die nicht länger vom Parteienprivileg profitieren darf.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

13 Abgeordnete der Landtage Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen, etwa 330 Kommunalvertreter bundesweit - auch im Land Brandenburg - nehmen ihr Mandat für die NPD wahr. Die NPD erhält etwa 40 % ihrer Einnahmen vom Staat.

Wir wollen nicht länger dulden, dass eine Partei mit Steuergeldern unterstützt werden muss, die die humanistischen Grundlagen der Bundesrepublik abschaffen will und Geschichtsrevisionismus pur betreibt. Es gibt eine klare Positionierung - das ist hier schon mehrfach dargestellt worden - aller Länder in der Innenministerkonferenz und in der Ministerpräsidentenkonferenz. Was wollen wir mehr?

Diese breite Zustimmung fußt auf einem umfangreichen Material, das nach Einschätzung von Experten ausreichend belastbar ist. Das gilt auch und vor allem unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus dem gescheiterten Verbotsverfahren von 2003. Gerade vor diesem Hintergrund finde ich es richtig, dass die Risiken eines solchen Verfahrens nicht ausgeblendet werden. Man kann sie nicht wegdrücken. Selbstbewusstes, energisches Vorgehen sollte nicht mit Selbstsicherheit verwechselt werden. Die Hürden für ein Parteienverbot sind richtigerweise sehr hoch gesetzt, sodass ein leichtfertiger willkürlicher Umgang damit nicht möglich ist und verhindert werden soll.

Der Nachweis für die Verfassungsfeindlichkeit der NPD kann mit vielen konkreten Fakten untersetzt werden. Mich wundert schon, dass die CDU, die in anderen Zusammenhängen nahezu blindes Vertrauen in den Verfassungsschutz entwickelt, jetzt die Bedenken bündelt. In Mecklenburg-Vorpommern haben Sie sich ganz eindeutig gemeinsam mit SPD, Grünen und Linken für ein Verbot der NPD ausgesprochen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Herr Lakenmacher, was Sie gesagt haben, hat mich etwas gewundert. Sie haben vor kurzem - noch am 03.12.2012 - ganz deutlich gesagt, Sie sähen gute Erfolgsaussichten für ein neues NPD-Verbotsverfahren. Wörtlich sagten Sie:

„Ich gehe davon aus, dass ein neues Verfahren gründlich vorbereitet ist.“

Das ist Ihre Einschätzung. Da kann ich von Bedenken, wie Sie sie hier geäußert haben, nichts erkennen.

(Frau Lehmann [SPD]: Er hat jetzt mit Innenministern darüber gesprochen. Das ist nun etwas anderes!)

Herr Goetz, wollen Sie darauf warten, bis die NPD, bis die Neonazis kurz vor der Machtübernahme stehen?

(Oh! bei der CDU)

Das kann doch nicht wahr sein! Wir haben mit den heutigen Bedingungen zu tun. Wir haben uns mit den Möglichkeiten, die wir heute haben, damit auseinanderzusetzen. Allein die Auftritte der NPD-Vertreter in den Landtagen Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen liefern überzeugende Belege für den verfassungsfeindlichen Charakter dieser Partei.

Aus den Ländern ist verlautbart worden, dass der Nachweis ohne den Einsatz von V-Leuten möglich ist. Der brandenburgische Innenminister hat frühzeitig mitgeteilt, dass das Land Brandenburg diese vom Bundesverfassungsgericht vorgegebe

ne Voraussetzung für ein erfolgreiches Verbotsverfahren erfüllt. Nun kann man das infrage stellen, aber wofür sind Innenminister da?

(Zuruf von der CDU: Gute Frage!)

Wofür sind die entsprechenden Experten in einem Land da? Wir brauchen keine Informationen von V-Leuten, um die Verfassungswidrigkeit der NPD nachweisen zu können.

(Beifall DIE LINKE, SPD, von Ministerpräsident Platz- eck und Minister Dr. Markov)

Indem wir uns als Land Brandenburg eindeutig für ein Verbot der NPD aussprechen, verbinden wir das mit der Erwartung, dass sich der Bundestag und die Bundesregierung einem solchen Verfahren anschließen. Auch dazu soll das, was wir heute hier diskutieren, und das Signal, das wir aussenden wollen, beitragen.

Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg eines Verbotsverfahrens ist ein gemeinsames Vorgehen der demokratischen Kräfte. Meine Damen und Herren, indem wir uns für ein Verbot der NPD aussprechen, sagen wir zugleich, dass mit der NPD der Rechtsextremismus nicht beseitigt wird. Wir sind doch nicht blauäugig! Wir können uns nicht zurücklehnen, wenn die NPD nicht mehr offen auftreten kann. Die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in seinen verschiedenen Formen muss auch in Zukunft kontinuierlich geführt werden. Das ist unstreitig.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE sowie von Mi- nister Dr. Markov)

Ich denke, darin sind wir uns einig. Das ist hier zum Ausdruck gebracht worden. Wir haben in diesem Land gute Voraussetzungen, um diese Auseinandersetzung zu führen. Das hat auch etwas mit selbstbewusstem Umgang zu tun, den wir pflegen sollten.

Ich bin der Auffassung, dass die Bedingungen für eine solche Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Auffassungen nach einem NPD-Verbot nicht schlechter, sondern besser werden. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir uns heute in diesem Haus über ein Verbot der NPD verständigen und uns als Landtag gemeinsam mit der Landesregierung für ein solches Verbot einsetzen. Wir verbinden das selbstverständlich mit der klaren Forderung, dass das Verfahren mit Sorgfalt und Konsequenz auf den Weg gebracht und frühere Fehler ausgeschlossen werden.

Ich sage hier aber auch: Der Vorschlag, den Sie, CDU und FDP, für eine Entschließung eingebracht haben, geht von dem Ausgangspunkt aus, dass noch geprüft werden muss. Da unterscheiden wir uns. Wir sind klar in der Absicht, dieses Verbot herbeizuführen.

(Bischoff [SPD]: Richtig! - Beifall SPD, DIE LINKE und von Minister Dr. Markov)

Ich finde es wenig hilfreich, dass Sie Ihre Entschließung mit einer Gleichsetzung der beiden Diktaturen des 20. Jahrhunderts verbinden. Diese Betrachtungsweise teilen wir nicht. Ich finde es gerade in diesem Zusammenhang verfehlt, einen solchen Ausgangspunkt zu wählen. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Der Abgeordnete Senftleben hat eine Kurzintervention angemeldet.

(Frau Lehmann [SPD]: Sie machen es immer noch schlim- mer!)

Frau Lehmann, Sie können es ruhig laut sagen. Sie haben gerade gesagt, ich solle es nicht noch schlimmer machen. Ich weiß gar nicht, was Sie damit meinen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine lieben Kollegen! Genau das ist das Problem, das ich in dem Redebeitrag von Herrn Dr. Scharfenberg gerade gehört habe. Wissen Sie, Herr Dr. Scharfenberg, wenn Sie sagen, die Bundesregierung solle dem beitreten, müssen Sie dieser Bundesregierung auch die Gelegenheit geben, intensiv zu prüfen, was vorliegt, statt einem Beschluss einfach blind zu folgen. Die Bundesregierung muss sagen können: Wir wägen genau diese Entscheidung, ob wir uns dem Verbotsverfahren anschließen oder auch nicht, intensiv ab. Das ist auch den Erfahrungen von vor über zehn Jahren geschuldet.

Herr Dr. Scharfenberg, wir setzen nicht Diktaturen gleich. Wir weisen aber darauf hin, dass Diktaturen Diktaturen sind, die immer gegen die Freiheit der Menschen in dem Land, in dem sie leben, gerichtet sind. Das ist das Thema, das wir an den Schulen in Brandenburg deutlich vermitteln müssen.

(Beifall CDU)

Ich finde es sehr interessant - Herr Innenminister, Sie haben auf das Thema hingewiesen -, dass Sie einen solchen Verbotsantrag auf der Grundlage des Grundgesetzes prüfen und einbringen wollen. Ich würde nur einmal den Hinweis geben wollen, zu untersuchen, was Ihr Koalitionspartner genau zu diesem Grundgesetz des Öfteren öffentlich verkündet hat. Da haben Sie eine gute Basis. - Danke schön.

(Beifall CDU - Zurufe von SPD und DIE LINKE)

Es gibt keinen Grund zur Aufregung, aber die Möglichkeit für Herrn Dr. Scharfenberg, zu reagieren. - Er verzichtet darauf.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD)

Eine halbe Minute Redezeit steht dem Innenminister noch zu. Er möchte sie in Anspruch nehmen.

Zu dem, was Herr Senftleben gesagt hat, möchte ich anmerken: Es ist nicht so, dass der Bund in der letzten Woche das erste Mal Kenntnis davon bekommen hätte, was die Länder hier getan und gesammelt haben. Der Bund sitzt von der ersten Minute an mit dabei. Er saß mit in einer Arbeitsgruppe, die die Materialien gesammelt, geprüft und analysiert hat. Diese Arbeitsgruppe - ich bitte einmal nachzufragen - wurde geleitet von einem Ihrer Parteifreunde, von Herrn Stahlknecht, Innenminister

aus Sachsen-Anhalt. Deswegen kann ich Ihre Vorbehalte überhaupt nicht verstehen. Es ist eine sehr gute und detaillierte Arbeit geleistet worden. Die Zurückhaltung des Bundes ist für mich nach wie vor nicht nachvollziehbar.