Besonders hervorheben möchte ich hier - auch wenn es sich in den letzten Minuten nicht so angehört hat - die große parteiübergreifende Übereinstimmung auf Länderebene.
Für einen neuen Anlauf in Karlsruhe haben sich SPD-regierte Länder wie Brandenburg - mit Ministerpräsident Platzeck - und Berlin stark gemacht. Darunter sind aber auch CDU-regierte Länder - zum Beispiel unser Nachbarland Sachsen-Anhalt, aber auch Niedersachsen - und, Frau Nonnemacher, das grün-regierte Baden-Württemberg mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Sie alle haben sich klar für ein Verbot dieser Partei ausgesprochen. Auch - man höre und staune! - das CSU-regierte Bayern vertritt seit langem die Position, dass die NPD verboten gehört, übrigens im Gegensatz zum Bundesinnenminister, der derselben Partei angehört wie der Ministerpräsident des Freistaates Bayern.
Nach einem langen, sorgfältigen Prozess der Abwägung aller Argumente und Fakten sind die Länder zu einem klaren Ergebnis und einer ebenso klaren Entscheidung gekommen. Sie sind dafür, dass die Verfassungsorgane Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung eine Antragstellung für ein NPD-Verbot vor dem Bundesverfassungsgericht vorbereiten. Ich will es für unsere Landesregierung hier im Landtag betonen: Das ist die richtige Entscheidung. Brandenburg ist klar für ein Verbot der rechtsextremistischen NPD.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was sind die Gründe für den Verbotsantrag? Die Innenminister haben sich Ihre Meinungsbildung wahrlich nicht leichtgemacht. Seit April wurde eine umfangreiche Materialsammlung zusammengestellt, um die Verfassungsfeindlichkeit der NPD eindeutig und umfassend belegen zu können. Auf dieser Grundlage hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einen Bericht zur Prüfung der Erfolgsaussichten eines neuen Verbotsverfahrens erstellt.
Die Innenminister der Länder sind auf der Grundlage dieser Analysen, Auswertungen und sonstigen Materialien zu der folgenden klaren Einschätzung gekommen - ich zitiere aus dem Beschluss der Innenministerkonferenz, die in der vergangenen Woche in Rostock getagt hat -:
„Die Ziele der NPD sind mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes unvereinbar. Die NPD zielt darauf ab, die freiheitliche demokratische Grundordnung in aggressiv-kämpferischer Weise zu beeinträchtigen.“
Auf dieser Grundlage wurde die Entscheidung für ein neues Verbotsverfahren getroffen. Selten waren sich die Länder in einer wesentlichen politischen Frage einiger als in dieser.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Länder sehen sich für ein neues Verbotsverfahren gut gerüstet. Sie haben aus den - von den Vorrednern schon zitierten - Fehlern der Vergangenheit gelernt. Wie Sie wissen, scheiterte das Verbotsverfahren im Jahr 2003 nicht aus inhaltlich-materiellen Gründen, sondern an der V-Mann-Problematik, also an formalen Gründen. Das wird und darf uns nicht noch einmal passieren. Dieses Verfahrenshindernis besteht heute auch nicht mehr. Zum Ersten wurden alle V-Männer in Führungsgremien der NPD zum 1. April 2012 abgeschaltet. Zum Zweiten beziehen sich die Länder heute ausnahmslos auf quellenfreies Material, um die Verfassungsfeindlichkeit der NPD eindeutig nachzuweisen. Damit sind wesentliche Hürden für ein erfolgversprechendes Verfahren in Karlsruhe beseitigt. Dieses Material werden wir
den Mitgliedern des Landtags zur Verfügung stellen. Wir bereiten gemeinsam mit der Landtagsverwaltung momentan einen Raum zur Einsichtnahme in diese Materialien vor. Ich denke, die Einsichtnahme wird zeitnah vorgenommen werden können.
Summa summarum sind wir dieses Mal deutlich besser vorbereitet als im Jahr 2003. An der Tatsache der fanatischen Verfassungsfeindlichkeit der rechtsextremen NPD wird hier im Saal niemand Zweifel haben. Gleichwohl ist festzustellen, dass der erneute Weg nach Karlsruhe sowohl in der Politik als auch in der Öffentlichkeit umstritten ist. Ich will feststellen, dass ich durchaus Respekt und Verständnis für jene habe, die einem solchen Weg skeptisch oder kritisch gegenüberstehen und dafür ebenfalls bedenkenswerte Argumente ins Feld führen.
Um die Risiken eines neuen Verbotsverfahrens so weit wie möglich zu minimieren, ist es ratsam, auf Bedenken und Gegenargumente einzugehen. Ich möchte daher einige Punkte kurz ansprechen.
Zum einen wird angeführt, dass die NPD keine akute Gefährdung der Demokratie in Deutschland darstelle; Frau Nonnemacher hat dazu einige Zahlen genannt. Sie sei, so heißt es häufig, eine „sterbende“ - manchmal findet man auch den Begriff „dahinsiechende“ - Partei. Dafür spricht manches. Manches spricht aber auch dagegen.
Wir streben an, vom Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der NPD feststellen zu lassen. Das ist eine qualitative, keine quantitative Kategorie. Eine Partei ist entweder verfassungswidrig, oder sie ist nicht verfassungswidrig. Sie ist nicht umso verfassungswidriger, je mehr Wählerstimmen sie gewinnt, und sie ist nicht weniger verfassungswidrig, wenn sie an Zustimmung verliert.
Wir sind der Auffassung, dass diese Partei der Hetzer eine verfassungswidrige Partei ist. Darum geht es am Ende, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Weiterhin wird gemahnt, in einer gefestigten Demokratie wie der unsrigen mit dem Instrument des Parteiverbots äußerst sparsam und zurückhaltend umzugehen. Das ist richtig. Bislang hat es in Deutschland lediglich zwei - erfolgreiche - Parteiverbotsverfahren gegeben; das letzte liegt über 50 Jahre zurück. Man wird vor diesem Hintergrund nicht behaupten können, dass unser Land leichtfertig mit der Option eines Parteiverbots umgegangen wäre.
Wir halten es aber für richtig, dem politischen Extremismus mit allen politisch und rechtlich gebotenen Mitteln entgegenzutreten. Das schließt äußerstenfalls ein Parteiverbot ein. Das Instrument des Parteiverbots ist - und muss es auch bleiben Teil der wehrhaften Demokratie in unserem Land. Es ist in un
serem Grundgesetz verankert - übrigens auch, um gegebenenfalls gegen Verfassungsfeinde zur Anwendung gebracht zu werden. Genau das wollen wir tun.
Ein Parteiverbot ersetzt nicht die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem rechten Extremismus. Diese Auseinandersetzung müssen wir weiter mit hoher Intensität führen.
Wir müssen die Zivilgesellschaft weiter stärken. Wir müssen Kommunen, Schulen, Organisationen, die engagierten Mitglieder unserer Gesellschaft in ihrem Kampf gegen rechten Extremismus weiterhin unterstützen. Brandenburg hat, was das anbetrifft, in den letzten Jahren sehr große Erfolge erzielt. Ich denke, dass dieser Weg mit dem Verbot der NPD nicht zu Ende sein wird und auch nicht zu Ende sein darf. Wir wollen durch die Maßnahmen, die wir ergreifen, die engagierten Akteure gegen Rechtsextremismus unterstützen. Ich bin Frau Fortunato sehr dankbar, dass sie aus ihrer eigenen Erfahrung zahlreiche Beispiele gebracht hat.
Es wird schließlich davor gewarnt, dass der parteiförmige Rechtsextremismus sich im Falle eines erfolgreichen Verbotsverfahrens in neuen Strukturen organisieren könne. Das ist ein Argument, das nie ganz von der Hand zu weisen ist. Aber das ist nicht so einfach, wie manche es sich vorstellen. Die rechte Szene in Deutschland ist intern vielfach verfeindet, zerstritten, gespalten. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass etwa NPDAktivisten dann in Summe mit wehenden Fahnen zu einer neuen Partei, genannt „Die Rechte“, überlaufen. Nein, ein Verbot der Partei wird die Anhänger der NPD vor ganz erhebliche Probleme stellen.
Diese Frage stellt sich übrigens immer, auch bei Verboten von Vereinen der rechten Szene. Es ist aber noch nicht gefordert worden, dann doch lieber von einem solchen Verbot Abstand zu nehmen. Wie Sie wissen, habe ich zuletzt den „Widerstand Südbrandenburg“ und im Jahr 2011 die „Freien Kräfte TeltowFläming“ verboten. Ich habe noch niemanden gehört, der das für falsch gehalten hätte - außer vielleicht die Betroffenen selbst.
Vor diesem Hintergrund möchte ich betonen, dass es nicht sein darf, dass Rechtsextremisten dann tabu sind, wenn sie sich das Schild „Partei“ um den Hals hängen. Das Parteienprivileg gilt nicht schrankenlos. Das Verbot einer Partei ist Ultima Ratio, aber als solches legitim und in diesem Fall vollauf gerechtfertigt.
Noch andere Gründe sprechen für ein Verbot der NPD: Die NPD missbraucht systematisch die Institutionen der parlamentarischen Demokratie mit dem Ziel, eben diese abzuschaffen. Ich erinnere an ein berüchtigtes Zitat von Goebbels aus dem Jahr 1928, das übrigens auch von der NPD des Öfteren benutzt wird:
„Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale. Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir!“
So hält es heute auch die NPD. Wer dafür Belege sucht, kann sie in Sachsen und in Mecklenburg-Vorpommern überreichlich finden. Soll und muss die Demokratie in Deutschland das noch weiter hinnehmen? Die Bundesländer sind der klaren Auffassung: Nein! Jetzt muss mit diesem systematischen politischen Missbrauch Schluss sein!
Rund 40 % der Einnahmen der NPD stammen aus öffentlichen Mitteln, aus Geldern der Steuerzahler. Ich halte das für einen unerträglichen Zustand.
Es kann doch nicht sein, dass wir jenen, die unsere freiheitliche demokratische Grundordnung abschaffen wollen, dafür auch noch großzügig Mittel in die Hand geben.
Meine Damen und Herren, alles in allem sprechen aus meiner Sicht sehr gute Argumente dafür, jetzt einen neuen Anlauf für ein Verbot der NPD zu starten. Es wäre auch das richtige Signal, wenn alle drei antragsberechtigten Verfassungsorgane diesen Weg gemeinsam gehen würden. Die Bundesregierung und der Bundestag zögern noch. Entscheidend wird es dabei auf die Haltung der schwarz-gelben Koalition im Bund ankommen.
Wir haben uns viel Zeit genommen. Es gibt keine neuen Argumente, die ein weiteres Zögern rechtfertigen könnten.
Es ist nun an der Zeit, Herr Goetz, klar Ja oder klar Nein zu sagen. Und das kann man auch vom Bund zu Recht erwarten.
Ich denke, das ist die klare Erwartung, die alle Bundesländer auch an die Bundesregierung und den Bundestag haben.
Die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren sind günstig. Nie war ein solches Verbotsverfahren besser vorbereitet als heute. Deswegen sagt Brandenburg klar Ja zu einem Verbot der NPD. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Bischoff [SPD]: Bravo! - Beifall SPD und DIE LINKE so- wie von Ministerpräsident Platzeck und Minister Dr. Mar- kov)