Protocol of the Session on November 15, 2012

Sie sehen, meine Damen und Herren, wir haben das Thema bereits auf der Agenda.

Aber auch sonst tut sich viel in der politischen Landschaft. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Sommer dieses Jahres zur Bemessung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz war eine schallende Ohrfeige für die Politik in Gänze. Denn immerhin sind die Leistungen seit dem Jahr 1993 nicht mehr angepasst worden und waren somit völlig aus dem politischen Blickwinkel geraten. Dass das höchste deutsche Gericht uns erst sagen muss, dass ein menschenwürdiges Exis

tenzminimum nicht nur Deutschen, sondern gleichermaßen allen Ausländerinnen und Ausländern zusteht, die sich in der Bundesrepublik aufhalten, sollte uns Politikerinnen und Politiker nachdenklich machen.

Deshalb ist es gut, richtig und konsequent, das Asylbewerberleistungsgesetz aufzuheben, weil die regulären Sozialsysteme greifen. Mit dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes gibt es keine Begründung mehr dafür, ein Sondergesetz für Asylbewerber aufrechtzuerhalten und obendrein ein aufwendiges bürokratisches Verwaltungsverfahren zu betreiben.

Danke an die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass wir in der Frage fair zusammengearbeitet haben und in der Septembersitzung dieses Jahres einen entsprechenden Plenarantrag gemeinsam auf den Weg bringen konnten. Vieles ist in Bewegung, vieles ist im Fluss. Das Thema wird uns länger und immer wieder begleiten. Das ist gewollt, und das ist gut so. Herzlichen Dank.

(Frau Stark [SPD]: Sehr schön - Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Büttner spricht für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Recht auf Asyl ist ein Grundrecht unseres Grundgesetzes und ist auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der Europäischen Menschenrechtskonvention und in der Grundrechtecharta der Europäischen Union verankert. Die Genfer Flüchtlingskonvention regelt die Behandlung von Flüchtlingen ausführlicher und gilt in vollem Umfang auch in Deutschland.

Wir als Liberale begrüßen ausdrücklich, dass es dieses Grundrecht gibt, und wir stehen uneingeschränkt hinter diesem Grundrecht. Der Artikel 16a des Grundgesetzes ist für uns Liberale unantastbar. Das Grundrecht auf Asyl ist keine Gnade, sondern ein Recht.

Wissen Sie, als ich in den Jahren 1990/1991 angefangen habe, politisch aktiv zu werden, wurden in Deutschland 450 000 Asylanträge im Jahr gestellt - damals ein Höchststand.

Herr Büttner, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich habe ja noch nicht einmal angefangen. Aber Herr Krause, bitte schön. Was will er denn fragen?

Bitte sehr, Herr Krause.

Vielen Dank, Herr Büttner! Ich bin froh über Ihre klaren Worte gerade zu Beginn Ihres Vortrages. Ich möchte Sie fragen, ob

Sie die Einschätzung oder die Meinung des Abgeordneten Dombrowski teilen, der sagte, dass Menschenrechte bzw. Grundrechte dann verwirkt werden, wenn jemand eine Straftat begeht.

Herr Kollege Krause, ich empfehle Ihnen, gelegentlich das Strafgesetzbuch zu lesen. Ich bin kein Jurist und Sie auch nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Krause [DIE LINKE] - Jürgens [DIE LINKE]: Menschenrechte sind nicht teilbar!)

- Herr Kollege Jürgens, bleiben Sie doch einmal ganz ruhig! Bleiben Sie locker, entspannen Sie sich, beruhigen Sie sich!

(Jürgens [DIE LINKE]: Ich bin völlig entspannt!)

Das Strafgesetzbuch sieht natürlich auch Grundrechtseinschränkungen vor, wie im Übrigen fast jedes Gesetz. Das ist dann auch dort vermerkt.

(Jürgens [DIE LINKE]: Aber nicht die Menschenrechte!)

Das ist das sogenannte Zitiergebot. Herr Kollege Krause, ich habe Herrn Dombrowski nicht so verstanden, dass er gesagt hat: Menschenrechte werden eingeschränkt. - In der Tat sind sie nicht einschränkbar. So hat Herr Kollege Dombrowski das nicht gesagt.

(Zurufe der Abgeordneten Krause und Jürgens [DIE LIN- KE]: Doch, genauso hat er das getan!)

Versuchen Sie nicht, hier etwas auseinanderzudividieren, das wird Ihnen nicht gelingen.

(Beifall FDP und CDU)

Dazu werden wir nachher noch kommen, Herr Kollege Krause. Wenn Sie gestatten, würde ich jetzt gerne fortfahren. Und Herr Jürgens, Sie können sich ein wenig beruhigen?

(Jürgens [DIE LINKE]: Ich bin völlig entspannt! - Hei- terkeit bei der SPD)

- Ja, das merkt man bei Ihnen nicht. Ich habe immer das Gefühl, ich muss Ihnen Beruhigungstabletten geben.

(Lachen bei SPD und DIE LINKE)

Ich kann mich noch gut an den Anfang der 90er Jahre erinnern, als es hieß: Das Boot ist voll. - Ich möchte Ihnen sehr deutlich sagen, meine Damen und Herren: Das Boot kann überhaupt nicht voll sein, weil es darum geht, Menschen in Existenznot, Menschen, die in Lebensgefahr sind, zu retten, ihnen eine schützende Heimat in diesem Land zu geben.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich komme nun zu Punkt 1, zur Residenzpflicht. Die Residenzpflicht ist bundesgesetzlich geregelt. Eine Abschaffung der Residenzpflicht in Gänze ist daher auf Landesebene nicht möglich. Aber mit der Neufassung des § 58 Abs. 6 des Asylverfahrensgesetzes wurde den Bundesländern ein Instrument zur Erweiterung des Aufenthaltsbereiches

in die Hand gegeben. Ich möchte ausdrücklich anerkennen, dass es richtig war, dass wir in Brandenburg die Residenzpflicht, in der Form, wie es uns laut Gesetz möglich ist, aufgehoben haben. Das ist ein richtiger Schritt. Und ich bin froh darüber, dass es ein Abkommen mit dem Land Berlin gibt, damit die Möglichkeit besteht, sich in diesen beiden Bundesländern frei zu bewegen.

Allerdings fällt mir auch auf - das ist eine Frage, die sich insbesondere an die Verantwortlichen vor Ort richtet -, dass seit diesen Änderungen die Zahl der Mitwirkungspflichtverletzer plötzlich ansteigt und diese dann

(Görke [DIE LINKE]: Ja!)

trotzdem nicht die Befreiung von der Residenzpflicht wahrnehmen können. Ich sehe das als ein Problem an. Wenn Sie aus einem Land kommen, in dem Sie in Lebensgefahr sind, und dann aufgefordert werden, zu der Botschaft eben jenes Landes zu gehen, um sich einen Pass ausstellen zu lassen, kann ich mir nicht vorstellen, wie das funktionieren soll. Ich halte das im Prinzip für eine zweite Viktimisierung, die dort stattfindet, meine Damen und Herren.

(Zuruf der Abgeordneten Fortunato [DIE LINKE])

- So viel Zeit habe ich hier leider nicht.

Jetzt komme ich zu den vorliegenden Entschließungsanträgen. Frau Fortunato, ich fühle mich schon etwas komisch bei dem, was Sie gesagt haben. Wir sind uns in der grundsätzlichen Richtung doch völlig einig, dass wir - gemäß Ihres Entschließungsantrages - in Eisenhüttenstadt etwas ändern wollen. Aber dann müssen Sie es doch auch konkret ausformulieren. Das haben Sie nicht gemacht. Sie haben dann gesagt, das beträfe den Innenminister, die Härtefallkommission und wahrscheinlich noch einige andere Bereiche.

Ich beziehe mich auf Punkt 3 Ihres Entschließungsantrages, wo es heißt:

„Insbesondere Kinder und Jugendliche sollen in der Erstaufnahmeeinrichtung Bildungsangebote, insbesondere zum Erwerb der deutschen Sprache, erhalten.“

- Absolut richtig, aber dann muss es doch auch konkretisiert und ausformuliert werden!

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Was wollen wir denn eigentlich? Deswegen ist es doch richtig zu sagen: Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport soll diese Bildungsangebote umsetzen. Wir können doch als Gesetzgeber die Landesregierung konkret auffordern,

(Frau Stark [SPD]: Das läuft doch schon! Die machen das doch schon!)

wir müssen doch nicht immer warten, bis die Landesregierung uns etwas vorlegt. Wir sind diejenigen, die den Souverän in diesem Land vertreten.

(Beifall FDP, SPD und GRÜNE/B90 - Frau Muhß [SPD]: Er soll sich einmal entspannen! - Heiterkeit bei SPD und DIE LINKE)

- Das ist mittlerweile ein Treppenwitz.

Sie, von den Linken, reklamieren dieses Thema als Ihr ureigenes Thema, und es ist jetzt die Opposition, die Sie schieben muss. Wir schieben Sie ja gerne.

(Görke [DIE LINKE]: Blödsinn! - Frau Stark [SPD]: Das ist doch wohl verlogen!)

- Nein, das ist kein Blödsinn. Das ist genau das, was passiert. Wie war das denn bei der Frage der Mindeststandards? Es waren BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, die Ihnen einen Antrag vorgelegt haben, der konkret war. Sie haben ihn ausgehöhlt und einen Antrag vorgelegt, nur weil Sie dem Antrag von FDP und Grünen nicht zustimmen wollten, meine Damen und Herren.