Protocol of the Session on November 15, 2012

Wir setzen mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Der Abgeordnete Dombrowski spricht.

Ich begrüße unsere Gäste, Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums in Potsdam-Hermannswerder. Einen spannenden Vormittag wünsche ich euch; herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde zur Flüchtlingspolitik und zum Umgang mit Asylbewerbern ist durchaus zu begrüßen, da es wichtig ist, über diesen Personenkreis möglichst objektiv aufzuklären und den Interessen der Flüchtlinge Gehör zu verschaffen.

Das Grundgesetz verpflichtet uns aufgrund der Erfahrungen der NS-Zeit, Menschen, die Opfer staatlicher Verfolgung werden, Schutz und Heim zu bieten, wenn sie es wünschen und beantragen. Auch die zweite deutsche Diktatur hat Menschen mit staatlicher Verfolgung belegt, aber viele hatten Glück und konnten in den freien Teil Deutschlands flüchten; und jene, die bleiben mussten, haben Freiheit und Selbstbestimmung mit dem Fall der SED-Diktatur erlangt. Diese Erfahrungen, die wir Deutschen haben machen müssen, sollten uns besonders sensibel für die Nöte anderer Menschen machen und uns auch mahnen, politische Scharmützel nicht auf dem Rücken der Hilfe- und Schutzsuchenden auszutragen.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, FDP und GRÜNE/B90 - Zuruf DIE LINKE: Genau!)

Als CDU stehen wir dafür, dass der Schutz des Grundgesetzes Menschen, die staatlicher Verfolgung ausgesetzt sind, uneingeschränkt zur Verfügung steht. Jeder Asylbewerber hat das Recht auf ein faires Verfahren. In Brandenburg wie anderswo wird dabei jedem schon bei der Erstaufnahme - hier in Eisenhüttenstadt - ein Rechtsbeistand seiner Wahl angeboten. Die Entscheidungen und das gesamte Asylverfahren sind in Deutschland vor ordentlichen Gerichten überprüfbar, und das ist gut so. Dem Urteil der Gerichtsbarkeit beugt sich auch der Staat.

Wer jedoch die Gastfreundschaft unseres Landes durch kriminelle Taten oder Tricksereien ausnutzt, hat den Schutz des Grundgesetzes verwirkt, das möchte ich an dieser Stelle auch klarstellen.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Deutschland ist ein wirtschaftlich und demokratisch starkes Land. Vor dem Hintergrund unserer eigenen Geschichte, aber auch als christlich geprägtes Land haben wir eine Verpflichtung, jedem Antragsteller objektiv und offen gegenüberzutreten und ihn vor allem als Menschen zu behandeln. Angemessene Unterkünfte und Rücksichtnahme auf familiäre, religiöse oder andere Aspekte sind kein Luxus, sondern sollten selbstverständlich sein. Die letzte Bruchbude irgendwo hinterm Wald ist nicht das, was für Schutzsuchende die erste Wahl und erst recht nicht die Regel sein sollte.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, FDP und GRÜNE/B90)

Von daher, meine Damen und Herren, geht der Entschließungsantrag von SPD und Linken, der hier vorliegt, zwar in die richtige Richtung, aber er ist zu unbestimmt, weil er die Dinge nicht klar genug beim Namen benennt.

Am vergangenen Montag habe ich mich, wie die Kollegin schon sagte, in Eisenhüttenstadt von der Qualität der Einrichtung überzeugen können. Ich sage: Die Einrichtung dort ist gut geführt. Frau Fortunato, ich sage aber auch: Das Asylrecht in Deutschland ist kein Einwanderungs- bzw. Zuwanderungsrecht, wenngleich unter den Menschen, die hier Schutz suchen, viele sind, die wir gut gebrauchen könnten.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE: Aha!)

Das ist eine andere Baustelle. In Eisenhüttenstadt sind einige Verbesserungen nur deshalb noch nicht geschehen, weil sich Landesverwaltungen nicht oder noch nicht einig sind.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, Sie wollen die Aufenthaltsdauer in der Erstaufnahmeeinrichtung Eisenhüttenstadt auf drei Monate beschränkt wissen. Das ist gut und schön. Eine gesetzliche Regelung dafür gibt es bereits; sie wird von den Fachleuten als ausreichend angesehen. Diese Regelung muss aber auch umgesetzt werden. Das Problem ist, dass sechs Landkreise in Brandenburg - übrigens alle mit SPD-Landräten - ihre Aufnahmeverpflichtungen nicht erfüllt haben, weder in diesem noch im vergangenen Jahr. Dadurch kommt es in Eisenhüttenstadt zu einem Stau, das heißt, dass die Menschen dort länger als drei Monate sind. Von daher ist auch das Land gefordert, insbesondere der Innenminister, die Landkreise, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, deutlich darauf hinzuweisen, dass das nicht in deren freiem Ermessen steht, sondern dass es sich um eine pflichtige Aufgabe handelt, genauso wie die Ausreichung von Sozialleistungen und viele andere Dinge mehr. Da wir wissen, dass die Asylbewerberzahlen - die Landkreise und kreisfreien Städte sind informiert - deutlich steigen werden, nämlich von 5 000 auf 9 000 in Brandenburg, ist vorhersehbar: Wenn hier keine Änderung erwirkt wird, wird sich das Problem potenzieren, und alle werden überrascht sein. Aber wir müssten es nicht. Wir müssen einfach nur ein eindeutiges Verwaltungshandeln zwischen Land und unteren Landesbehörden sicherstellen.

(Beifall CDU und FDP)

Meine Damen und Herren! Der Umstand, dass die Asylbewerberkinder in der Zeit, in der sie in Eisenhüttenstadt sind, nicht zur Schule gehen dürfen, ist von den Abläufen her zwar nachvollziehbar, aber angesichts der Länge des Aufenthalts dort mittlerweile nicht mehr akzeptabel. Diejenigen, die sich vor Ort kundig gemacht haben, wissen, dass bei dem Thema Schulunterricht das zuständige staatliche Schulamt bzw. das Bildungsministerium auf der Bremse steht. Ich glaube, das muss nicht sein.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Ich komme zum Ende und darf die Regierungsfraktionen herzlich bitten, dem Entschließungsantrag von CDU, FDP und Grünen zuzustimmen. Dieser kommt Ihrem Antrag sehr nahe, wird aber konkreter. Wir könnten mit der Zustimmung in diesem Landtag ein Zeichen des guten Willens setzen. - Danke.

(Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90)

Die Abgeordnete Lehmann spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Herr Görke, hat sich in der vergangenen Woche das Übergangswohnheim für Asylbewerber in Hennigsdorf angesehen. Von der Situation der Einrichtung zeigte er sich entsetzt - so beschreibt es der „Oranienburger Generalanzeiger“. Das mag durchaus ein Grund für das Thema der heutigen Aktuellen Stunde sein, beantragt von der Linksfraktion.

Richtig ist: Dieses Thema hat in der politischen Diskussion Fahrt aufgenommen - natürlich auch bei uns in Brandenburg. Ende November wird der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Ralf Holzschuher, die Zentrale Ausländerbehörde in Eisenhüttenstadt besuchen, um sich vor Ort selbst ein Bild zu machen.

(Zuruf von der CDU: Doch schon?)

In unserer Fraktion hat die innenpolitische Sprecherin, meine Kollegin Britta Stark, die Situation in Eisenhüttenstadt sehr anschaulich beschrieben und sehr dafür geworben, diese unhaltbaren Zustände schnellstens zu beheben.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Im Gleichschritt von Innen- und Sozialpolitikern ist es uns gelungen, im Doppelhaushalt 2013/2014 die ersten finanziellen Vorkehrungen zur Verbesserung der baulichen Situation der zentralen Aufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt zu treffen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

- Richtig, auch Herr Goetz. Der Innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion hat in seinen Redebeiträgen hier im Hause sehr oft die unbefriedigende Situation der Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt angesprochen.

Ich will damit nur deutlich machen: Bei den Themen Asylbewerber, Flüchtlinge sowie Spätaussiedler vernehme ich großen

Einklang über alle fachpolitischen Bereiche hinweg und ohne jegliche parteipolitische Einfärbung. Diese respektvolle Art der politischen Auseinandersetzung empfinde ich als sehr wohltuend. Sie ist dem Thema und vor allem dem Personenkreis auch angemessen. Diese Qualität sollten wir uns bewahren mit der Hoffnung, dass sie auch die Bundespolitik erreichen möge.

Die Zahl der Asylbewerber steigt derzeit; das stellt Bund, Länder und Kommunen vor neue Herausforderungen. Es ist völlig inakzeptabel, wie Bundesinnenminister Friedrich diese Situation für sich nutzt und alle Asylsuchenden in puncto Sozialhilfemissbrauch unter Generalverdacht stellt und Drohgebärden formuliert.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Welche Menschen kommen denn zu uns? Es sind in der Regel Flüchtlinge, die vom Krieg geschädigt und oftmals hochtraumatisiert sind. Sie verlassen ihr Land, weil sie diskriminiert bzw. verfolgt werden. Wer sich in den Flüchtlingsstatus begeben muss, verliert seine Identität und benötigt eine besondere Behandlung. Diese Menschen verlieren psychisch und kulturell ihren Halt; sie verlieren im wahrsten Sinne des Wortes ihre Wurzeln. Es sind Menschen wie du und ich. Sie haben Gedanken und Gefühle wie wir. Über schöne Dinge können sie sich freuen. Schicksalsschläge machen sie traurig - da geht es ihnen wie uns. Nur die Herkunft unterscheidet uns.

Wenn sie zu uns kommen müssen, möchten sie leben dürfen. In Gemeinschaftsunterkünften wünschen sie sich eine Privatsphäre; das ist nachvollziehbar. Es wäre auch für uns ganz wichtig. Wie bei uns stehen auch bei den Flüchtlingsfamilien die Kinder im Mittelpunkt. Sie sollen behütet aufwachsen, vor allem spielend. Berechtigte Wünsche!

Nur verantwortungslose und ungehobelte Politiker sprechen hier von „Sozialschmarotzern“ und setzen damit wissentlich auf Populismus und Stimmungsmache.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Zu uns kommen Flüchtlinge mit für uns unvorstellbaren Lebenserfahrungen. Da ist die vergewaltigte Frau, die sich nunmehr mit rüden Behördenmitarbeitern auseinandersetzen muss. Oder der Vater, der als Familienoberhaupt, geprägt durch eine patriarchalische Kultur, jetzt zum Bittsteller gegenüber dem Sozialamt wird. Dann kommen noch die Sprachbarrieren hinzu. All das führt unweigerlich zu Konflikten und verursacht Spannungen auf beiden Seiten.

Heimatverlust ist immer etwas Schlimmes. Krieg und Vertreibung haben jedoch die Ansprüche und die Bedürfnisse der Asylsuchenden in den letzten Jahren verändert. Wir stehen hier vor neuen Herausforderungen.

Im April 2011 hat die Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN mit einem Plenarantrag die menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern thematisiert und somit die seither intensive Diskussion in Brandenburg eingeleitet. Dass sich die Lebenssituation für Asylbewerber und Flüchtlinge auch in Brandenburg ändern und verbessern muss, war sofort klar. Darin bestand Konsens.

Für uns in der Koalition war dabei von Bedeutung, diesen Pro

zess von Anfang an auf breite Füße zu stellen. Wichtig waren uns hierbei vor allem die Flüchtlingsorganisationen und die kommunalen Spitzenverbände. Aber auch der Landesintegrationsbeirat und Betreiber von Einrichtungen sollten hier eingebunden werden. Genau um diese Punkte haben wir den Antrag der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN konkretisiert bzw. erweitert.

Seit Beginn dieses Jahres liegt uns von der Landesregierung ein sehr umfangreicher Bericht mit Empfehlungen zur Verbesserung der Lebenssituation von Asylbewerbern und Flüchtlingen vor. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften sowie auf der sozialen Betreuung und Beratung. Dieser Bericht ist unter Hinzuziehung der von uns geforderten Partner entstanden und spiegelt die unterschiedlichen Interessenlagen wider. Er macht aber auch den Meinungsbildungsprozess sehr transparent, sodass es uns, den Abgeordneten, gut möglich war, schnell und tief in die Materie einzusteigen. Dafür möchte ich mich im Namen der SPD-Fraktion beim Sozialministerium, Minister Baaske, aber vor allem auch bei der Arbeitsgruppe herzlich bedanken.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Bericht und ein Fachgespräch im Fachausschuss haben zu dem Ergebnis geführt, dass uns die Landesregierung bis März des nächsten Jahres eine Unterbringungskonzeption für Asylbewerber und Flüchtlinge vorlegen wird.

Für die SPD darf ich an dieser Stelle sagen, dass wir nicht die Abschaffung der Gemeinschaftsunterkünfte verlangen. Wir sehen hier durchaus einen wichtigen und sinnvollen Übergang, gerade auch in der sozialen Beratung und Betreuung. Aber es sollte ein Übergang sein. Wir sagen: Das Wohnen in den Gemeinschaftsunterkünften sollte im Regelfall zwölf Monate und bei Personen mit besonderer Schutzbedürftigkeit sechs Monate nicht überschreiten. Die Gegebenheiten in Gemeinschaftsunterkünften sollten zudem so beschaffen sein, dass sie dem Leben in einer Wohnung möglichst nahekommen. Den Bewohnerinnen und Bewohnern sind Schutz und Privatsphäre zu ermöglichen, und sie sollten weitestgehend selbstbestimmt leben können.

Einen weiteren Schwerpunkt sehen wir in der qualifizierten Beratung und Betreuung. Hier muss vor allem die psychosoziale und medizinische Versorgung von Flüchtlingen stärker in den Blick genommen werden.

Neben der Unterbringungskonzeption ist die Landesregierung auch aufgefordert, die Landesintegrationskonzeption aus dem Jahr 2005 entsprechend zu aktualisieren und zu überarbeiten.

(Zuruf von der SPD: Gut!)

Sie sehen, meine Damen und Herren, wir haben das Thema bereits auf der Agenda.