Protocol of the Session on November 14, 2012

Die Erhebung dieser Beiträge ist an konkrete Bedingungen geknüpft. Insofern kann man sie nicht dazu verwenden, um den Haushalt ein wenig schöner zu gestalten. Die Gemeinde muss einen Aufwand für touristische Zwecke haben. Es wird aus

drücklich festgehalten: Für touristische Zwecke muss sie einen Aufwand haben und ihn im Haushalt auch nachweisen können.

Die zahlungspflichtigen Personen und Unternehmen - diejenigen, die Sie gerade verteidigt haben - müssen wirtschaftliche Vorteile vom Tourismus haben, was sich durchaus nachweisen lässt. Zudem muss das keine Gemeinde anwenden. Jede Gemeinde kann sich dafür oder dagegen entscheiden. Sie hat die Möglichkeit, das einmal zu prüfen, muss es letztlich jedoch nicht umsetzen. Die meisten Kur- und Erholungsorte haben dies bisher auch nicht angewendet, hätten es jedoch bereits seit 15 Jahren tun können. Wenn es die Gemeinde aber will, dann muss sie entsprechende Beschlüsse fassen - mit Mehrheiten in den Kommunen. Sie muss eine Satzung erarbeiten, diese öffentlich diskutieren und am Ende beschließen. Das heißt, es gibt eine ganze Menge öffentlicher Mitwirkungsmöglichkeiten, wo selbstverständlich die Unternehmerschaft und die Bürger nach ihrer Meinung zu dem Thema gefragt werden. Das ist kein einfacher Prozess - man beschließt das mal schnell -, sondern man muss sehr sorgfältig berechnen, überlegen, beweisen und am Ende Mehrheiten dafür bekommen.

Dieses Instrument der Fremdenverkehrs- bzw. Tourismusabgabe wird in anderen Bundesländern ebenfalls schon jahrelang erfolgreich angewendet.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Genau!)

Unser Musterländle Sachsen macht das, glaube ich, seit 1993, auch ohne Beschränkung auf bestimmte Kurorte usw., weil man dort genau diese Erkenntnisse gewonnen hat, wie wir sie eben vorgetragen haben.

Auch Wirtschaftsverbände haben im Rahmen der Anhörung dieses Instrument begrüßt. Der DEHOGA oder die TMB sind ja nun keine Verbände, die politisch motiviert sind. Sie sagen: Ja, das ist ein Instrument, eine gerechte Form, um alle Branchen am Erhalt der touristischen Infrastruktur zu beteiligen. So ungefähr hat es der DEHOGA ausgedrückt. Ich sehe das genauso. Das ist eine gerechte Form, um sie zu beteiligen.

Die kommunale Selbstverwaltung wird am Ende gestärkt, und wir trauen den gewählten Abgeordneten in den Kommunen zu meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, im Gegensatz zu Ihnen vermutlich -, vernünftige Entscheidungen vor Ort zu treffen, und das hat die Vergangenheit auch bewiesen.

(Einzelbeifall SPD und DIE LINKE)

Deshalb können wir diesem Gesetzentwurf ganz ohne Besorgnis zustimmen. - Danke schön.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Tomczak spricht für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Potsdam brauchte man 1 Million Euro, um die Pflege der Parkanlage Sanssouci zu finanzieren. Einen Eintrittsobolus, erhoben durch die Stiftung Schlösser und Gärten, wollte die Mehrheit der Stadtparla

mentsvertreter nicht akzeptieren; das ist verständlich. Die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages gemäß KAG § 11 Abs. 5 wäre nur zulässig, wenn die Zahl der Fremdübernachtungen pro Jahr das Siebenfache der Einwohnerzahl übersteigt - für Potsdam nicht anwendbar. Die rettende Idee der rot-roten Koalition: Wir ändern das Kommunalabgabengesetz: erstens - Umbenennung der Fremdenverkehrsabgabe in Tourismusabgabe, zweitens - Streichung der Abhängigkeit der Tourismusabgabe von der siebenfachen Fremdübernachtungszahl.

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Richtig!)

Welch ein Eulenspiegelstreich! Hier werden die privatwirtschaftlich tätigen kleinen und - manchmal auch etwas größeren Gewerbebetriebe für den Erhalt kommunaler Einrichtungen und Veranstaltungen, die eigentlich ihre Mitbewerber sind, zur Kasse gebeten. Die Gewerbesteuer der örtlichen Wirtschaft reicht nicht, es muss noch eine Sondersteuer her. Das ist Mittelstandsförderung à la Rot-Rot in Brandenburg!

(Beifall FDP)

Diese nun vorliegende Änderung des KAG lehnen wir Liberalen aus folgenden Gründen ab:

Erstens. Die Tourismusabgabe belastet Investitionsprojekte, den Lohnfonds und die Steuerkraft der Touristikunternehmen, der Kreativwirtschaft sowie Handel, Handwerk, Dienstleister und freie Berufe der eigenen Kommune.

Zweitens. Die Verwaltungsbürokratie muss zur Eintreibung der sich zum Teil selbst verzehrenden Tourismusabgabe erweitert werden.

Drittens. Der Datenschutz der Zahlungspflichtigen ist nicht gesichert, wenn sensible Firmenkennzahlen wie Nettoumsätze, Honorare und Gewinne an die Verwaltung gemeldet werden müssen.

Viertens. Die ausschließliche Verwendung der Tourismusabgabe für touristische kommunale Projekte ist eben nicht zwingend gesichert, Beispiel Potsdam: Zahlung an die privatwirtschaftliche Stiftung Schlösser und Gärten.

Fünftens. Die Tourismusfinanzierung ist keine Pflichtaufgabe der Kommune. Bei Hochverschuldung, Haushaltssicherungskonzepten oder unausgeglichenen Haushalten wird die Tourismusabgabe zur Haushaltssanierung herangezogen. Die Verwendung für Tourismuszwecke wird ausgehebelt. Dazu gibt es Unterlagen und Auskünfte des Finanzministeriums. Lieber Herr Ludwig, lies doch mal nach!

(Heiterkeit bei der SPD)

Sechstens. Das KAG ermöglicht die Einbindung von freien Berufen in den Kreis der Abgabepflichtigen. Das lehnt die FDPFraktion vollständig ab.

(Beifall FDP)

Nach aktueller Aussage ist gegenwärtig auch dem Potsdamer Oberbürgermeister, Herrn Jakobs, klargeworden, dass ein erheblicher Teil der ab 2013 von Potsdamer mittelständischen Unternehmen einzuziehenden Tourismusabgabe für den Verwal

tungsaufwand draufgeht - Zitat von ihm -: „Es ist unklar, was netto am Ende herauskommt.“

Da stellt sich die spannende Frage, wie verantwortlich die Gremien der kommunalen Selbstverwaltung, und zwar nicht nur in Potsdam, mit dieser von Ihnen, SPD und Linke, vorgeschlagenen Änderung des KAG umgehen werden. Ich frage Sie: Ist es von Ihnen, der rot-roten Koalition, gewollt, dass die örtlichen Händler, Dienstleister, Handwerker, Ärzte, Anwälte, Landwirte und viele Kleingewerbetreibende diese Gewerbesteuererhöhung „durch die Hintertür“ bezahlen müssen? Wir sagen Nein.

(Beifall FDP)

Ich frage Sie: Ist es gewollt, dass der bürokratische Aufwand in den Verwaltungen aufgeblasen wird, um die Tourismussteuer selbst teilzuverzehren? Wir sagen Nein. Ich frage Sie: Ist es gewollt, dass die Erhöhung der Abgabenlast durch die Tourismusabgabe Gewerbebetriebe und somit Arbeitsplätze vor Ort gefährdet? Wir sagen Nein. Ist es gewollt, dass die Tourismusabgabe als negativer Ansiedlungsfaktor Gründung und Neuansiedlung von Unternehmen in der Tourismusbranche und damit neue Arbeitsplätze verhindert? Wir sagen abermals Nein. Sie, verehrte Damen und Herren der Regierungskoalition, werden vermutlich Ja sagen zu Ihrem Gesetzesänderungsantrag, zu dieser Mogelpackung. Ich hoffe, dass Ihnen die kollektive Weisheit, auf die Sie ja bauen, der Brandenburger Gremien der kommunalen Selbstverwaltung, denen Sie mit dieser Gesetzesänderung eine Stärkung versprochen haben,

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Richtig!)

eine kräftige Abfuhr erteilt. Die FDP-Fraktion stimmt Ihrem Änderungsantrag nicht zu, aber ich danke Ihnen für Ihre wohlwollende Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Die Abgeordnete Nonnemacher setzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Zunächst ein Wort zu Herrn Homeyer: Herr Homeyer, wir möchten als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf keinen Fall den Eindruck der Wirtschaftsfeindlichkeit erwecken, wenn wir hier unsere Innenpolitikerin sprechen lassen. Es ist vielleicht mehr unsere sehr flexible Gestaltung der Zuständigkeiten, die mich hierher treibt.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen der Intention dieses Gesetzentwurfes weiterhin positiv gegenüber. Wir finden es richtig, den Städten und Gemeinden zur Bewältigung ihrer Aufgaben auch die richtigen Instrumente zur Verfügung zu stellen und ihre Handlungsfähigkeit zu verbessern. Dies ist umso wichtiger, je mehr das Land aus finanziellen Gründen sein Engagement in verschiedenen Handlungsfeldern, die auch für Kommunen wichtig sind, zurückschraubt.

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Hört, hört!)

Es ist richtig, Gemeinden, bei denen der Tourismus eine hohe Bedeutung hat, in die Lage zu versetzen, ihre konkreten Aufwendungen dafür über einen Beitrag derjenigen mitfinanzieren zu lassen, die vor Ort davon profitieren. Der Tourismus ist eines der Wachstumsfelder in Brandenburg. Davon profitieren die Städte mit Potsdam an der Spitze genauso wie der ländliche Raum, der sich auf den sanften Naturtourismus konzentriert. Damit wird deutlich, dass die Möglichkeit, einen Tourismusbeitrag zu erheben, sicherlich für eine große Zahl Brandenburger Städte und Gemeinden eine interessante Option darstellt. Dies wird sicher zu intensiven Diskussionen vor Ort führen, wenn es darum geht, wie die Kosten umgelegt und die Gebühren verteilt werden sollen.

An dieser Stelle sehen wir die Landesregierung in der Pflicht, den Gemeinden mit Informationen und Beratung zur Seite zu stehen, damit rechtssichere Satzungen entstehen und aus einer lokalen Tourismusabgabe kein bürokratisches Monster entsteht, in das am Ende auch noch die freien Berufe einbezogen werden.

(Frau Lehmann [SPD]: Genau!)

In meiner Rede zur 1. Lesung dieses Gesetzentwurfes habe ich die Frage aufgeworfen, ob ein solcher freiwilliger Beitrag für Kommunen mit Haushaltssicherungskonzept nicht plötzlich zu einer Pflicht werden könnte. Die Antwort des Innenministeriums auf meine entsprechende Anfrage im Innenausschuss hat diese Befürchtung bestätigt, auch wenn Herr Ludwig das eingangs nicht so gesehen hat. Das Innenministerium geht explizit davon aus, dass betroffene Gemeinden prinzipiell zu einer Beitragserhebung verpflichtet werden können, um alle Ertragsmöglichkeiten zur Erreichung eines ausgeglichenen Haushalts zu nutzen. Aus einer zusätzlichen Möglichkeit für die Städte und Gemeinden würde also eine Pflicht.

Wenn wir heute diesen Gesetzentwurf beschließen, sind wir Abgeordnete in der Pflicht, genau hinzuschauen, wie hiermit in der Praxis umgegangen wird. Ist ein solcher Tourismusbeitrag zweckmäßig? Erfolgt die Erhebung möglichst unbürokratisch? Werden am Ende gar finanzschwache Kommunen gegen ihren Willen dazu verpflichtet, einen Tourismusbeitrag zu erheben? In der Abwägung der Argumente sagen wir von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Ja zu diesem Gesetzentwurf, weil wir einen praktischen Nutzen in den vorgeschlagenen Regelungen sehen und wir prinzipiell für eine Stärkung der Handlungsfähigkeit der Kommunen sind. Wir werden aber auch genau beobachten, wie diese Regelungen angenommen werden und ob sie erhebliche Folgeprobleme aufwerfen. Und wir werden es nicht unwidersprochen hinnehmen, wenn die Landesregierung mit Verweis auf dieses Gesetz meint, sie könne sich bezüglich der Verantwortung für die touristische Infrastruktur dieses Landes gänzlich vom Acker stehlen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Das macht sie doch nicht!)

Beim Bau und Erhalt touristischer Fahrradwege zum Beispiel sehen wir sie weiterhin in der Pflicht.

Ohne übermäßige Euphorie werden wir nach gründlicher Abwägung der Beschlussvorlage zustimmen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Minister Woidke spricht für die Landesregierung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werter Herr Homeyer! Liebe Kollegen der CDUFraktion! Woher kommt Ihr tiefes Misstrauen gegenüber der kommunalen Selbstverwaltung in Brandenburg?

(Jürgens [DIE LINKE]: Jawohl! - Beifall SPD und DIE LINKE)

Das ist eine Frage, die ich mir schon seit geraumer Zeit stelle, da dies immer wieder zum Vorschein kommt. Dass Sie es offensichtlich den kommunalen Vertretern nicht zutrauen, regional, kommunal, örtlich gut angepasste Regelungen für ihre eigenen Angelegenheiten zu finden, macht mich traurig.