Protocol of the Session on August 30, 2012

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das eine ist, zu behaupten, dass Anträge nicht im luftleeren Raum entstehen, und das andere ist die Wirklichkeit, dass es doch so ist.

Lieber Kollege Homeyer, wir haben vor einiger Zeit hier das Vergabegesetz beraten und uns die Entscheidung dazu nicht leicht gemacht. In dem ganzen Zeitraum haben wir keinen einzigen Änderungsantrag bekommen, sondern nur das wilde Gestammel vernommen, dass das alles so nicht hinhaue. Eine ernsthafte Beschäftigung mit diesem Gesetzentwurf gab es nicht.

Jetzt, nicht einmal ein halbes Jahr, nachdem das Gesetz in Kraft ist, ist die CDU der Meinung, dass das alles nicht funk

tioniert. Es gibt keine Fakten, die das belegen, gar nichts. Inzwischen haben Sie wenigsten mitbekommen, dass man Gesetze nicht beantragt, sondern nur mittels eines ändernden Gesetzes ändern kann. Insofern durften wir es nicht vor der Sommerpause besprechen, sondern mussten es noch einmal verschieben. Jetzt liegt der Gesetzentwurf zur Beratung vor.

Es gibt derzeit keine Gründe, dieses Gesetz zu ändern. Wir haben im Entschließungsantrag, den wir damals mit dem Gesetz verabschiedet haben, eine Evaluierung vorgesehen. Die werden wir abwarten. Wenn es dazu kommt, dass wir nachsteuern müssen, werden wir das mit Sicherheit tun. Derzeit gibt es dazu keinen Grund.

Eines vielleicht noch: Die beste Möglichkeit, in Brandenburg eine Veränderung des Vergabegesetzes herbeizuführen, wäre, wenn Sie Ihre Haltung gegen einen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland aufgäben.

(Beifall der Abgeordneten Bischoff [SPD] und Domres [DIE LINKE])

Dazu sage ich: Ändern Sie hierzu Ihre Meinung! Kämpfen Sie mit uns für den gesetzlichen Mindestlohn! Dann können wir das Vergabegesetz in Brandenburg wieder abschaffen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kosanke. - Es gibt vom Abgeordneten Homeyer die Anmeldung einer Kurzintervention. Sie haben auch noch Redezeit, Herr Homeyer. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Kosanke, Sie haben hier ausgeführt, dass wir uns bei der damaligen Verabschiedung des Gesetzes parlamentarisch mit wie sagten Sie es? - Gestammel verhalten hätten. Ich weise Ihre Ausdrucksweise, Herr Kollege Kosanke, namens der CDUFraktion und meiner eigenen Person ausdrücklich zurück.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Ich finde es unangemessen, dass Sie hier einen Gesetzentwurf der CDU-Fraktion mit solchen Verbalinjurien belegen. Ich möchte Ihnen deutlich sagen, Herr Kollege Kosanke: Wir als CDU-Fraktion haben damals in der heftigen Diskussion hier im Parlament und in den Ausschüssen sehr ernsthaft auch in Zusammenarbeit mit den Verbänden und den Kommunen eine Entscheidung getroffen. Die Entscheidung lautete, dass wir dieses Gesetz, das Sie vorgelegt haben, ablehnen - nicht mehr und nicht weniger. Das ist das eine.

Das andere ist, Herr Kollege Kosanke: Ich habe Ihnen inhaltlich vorgetragen, worum es uns geht. Ich stelle hiermit fest, Herr Kollege Kosanke, dass Sie nicht einen einzigen Grund genannt haben, warum Sie unser Gesetz inhaltlich ablehnen.

(Beifall CDU)

Sie haben mit keinem einzigen Grund darauf hingewiesen, wa

rum sich Ihre Fraktion nicht auseinandersetzt mit dem Votum der Handwerkskammer, den Industrie- und Handelskammern im Lande, mit den Verbänden, die alle für dieses Gesetz und für die Veränderungen sind. Das zeigt nur eines, Herr Kollege Kosanke: dass Sie derjenige sind, der nicht bereit ist - auch nicht Ihre Fraktion -, auf Wünsche der Unternehmerschaft und der sie tragenden Verbände im Land einzugehen. Ich glaube hier sagen zu dürfen: Das ist ein Armutszeugnis. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Homeyer. - Es gibt die Möglichkeit, darauf zu reagieren, Herr Kosanke. - Davon möchten Sie nicht Gebrauch machen.

Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Tomczak erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Anfang dieses Jahres ist das Brandenburgische Vergabegesetz in Kraft getreten und damit auch der Mindestlohn durch die Hintertür ein Vergabegesetz, das wir Liberale nach wie vor strikt ablehnen. Was haben wir für heftige politische Kontroversen in der öffentlichen Anhörung, in der politischen Debatte geführt. Was uns und damit den Steuerzahler das Ganze am Ende kosten wird, kann bis heute wirklich niemand einschätzen.

Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, ein Gesetz, das wir für grundlegend falsch halten, werden wir nicht unterstützen und weiter ausbauen. Das wäre auch für uns eine indirekte nachträgliche Zustimmung zum Vergabegesetz.

Ihren Gesetzentwurf sehen wir kritisch. Ich sage Ihnen auch, warum. Die Einführung eines Unterschwellenrechtsschutzes kann zu Investitionsverzögerungen führen. So hat zum Beispiel die Evaluierung des Sächsischen Vergabegesetzes gezeigt, dass schon allein im Oberschwellenbereich viele Vergaben durch die Einleitung von Nachprüfungsanträgen von Bietern hinausgezögert wurden. Das kann nicht unser aller Ziel sein. Es ist angesichts der möglichen Anzahl potenzieller Fälle im Unterschwellenbereich auch nicht notwendig, solch einen Unterschwellenrechtsschutz einzuführen. Oberstes Ziel muss vielmehr sein, von Beginn an ordnungsgemäße Vergabeverfahren durchzuführen. Daran muss gearbeitet werden. Dann bedarf es auch nicht solch einer Gesetzesänderung.

Meine Damen und Herren, ich sage es hier zum wiederholten Mal: Wir sind für die Stärkung der kleinen und mittleren Unternehmen. Für Kostensteigerungen in den Unternehmen aufgrund einer unkalkulierbaren Zunahme von Bürokratie stehen wir nicht zur Verfügung. Zu nichts anderem wird dieser Gesetzentwurf führen.

Mit unserem Ziel einer Verschlankung des Vergaberechts sowie eines Abbaus von Bürokratie ist die geplante Ausdehnung des Rechtsschutzes zumindest nicht vereinbar. Aus den vorgenannten Gründen lehnen wir deshalb den Gesetzentwurf der CDUFraktion ab. - Danke schön.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Tomczak. - Für die Fraktion DIE LINKE setzt der Abgeordnete Domres die Aussprache fort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Opposition hier im Landtag behauptet, dass mit dem Brandenburgischen Gesetz über Mindestanforderungen für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen das Vergabeverfahren durch die Wertungs- und Zuschlagskriterien anfälliger für Vergabeverstöße geworden sei. Sie stellt - wie so oft in diesen Tagen - Behauptungen auf, ohne diese mit Fakten zu belegen. Damit tut sie sich und den Unternehmen, um die es der Union angeblich geht, keinen Gefallen. Nicht nur mit der Ablehnung des Gesetzes und der völlig überzogenen Kritik, sondern auch mit dem Aufstellen von Behauptungen trägt die CDU Verunsicherung ins Land. Das hat Brandenburg nicht verdient.

Als wir vor einem Jahr hier im Landtag das Vergabegesetz verhandelten, beschränkte sich die CDU-Fraktion auf Fundamentalkritik. Änderungsanträge von ihrer Seite waren damals Mangelware, wie sie auch heute noch eigene Ideen und Vorschläge für verzichtbar hält. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, das Vergabegesetz ist seit dem 01.01.2012 in Kraft. Dass Ihnen die ganze Richtung nicht passt, wissen wir. Aber wenigstens - das macht der vorgelegte Antrag dann doch deutlich - erkennen Sie das Vergabegesetz als gültiges Regelwerk an.

Für die Brandenburger CDU ist ein bundesweit geltender Mindestlohn immer noch Teufelszeug. Andere CDU-Landesverbände sind zum Glück weiter.

Für die rot-rote Koalition war und ist der Mindestlohn ein zentrales Thema. Deshalb ist die Landesregierung auch im Bundesrat aktiv. Ich fordere die Brandenburger CDU erneut auf, endlich ihre Blockadehaltung gegen einen Mindestlohn aufzugeben.

Ziel der Koalition war es, die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass öffentliche Aufträge nur dann vergeben werden können, wenn eine im Gesetz festgelegte Lohnuntergrenze eingehalten wird. Mit dem beschlossenen Gesetz ist diese Aufgabenstellung erfüllt und der Einstieg in die Festlegung von Lohnuntergrenzen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge realisiert.

Das von Ihnen abgelehnte Gesetz ist ein Schritt auf einem Weg, an dessen Ende die Feststellung stehen muss: Brandenburg ist kein Billiglohnland mehr. Gute Arbeitsbedingungen und faire Entlohnung sind zentrale Voraussetzungen, um im Wettbewerb der Regionen um Fachkräfte bestehen und damit die breite Mitte unserer Gesellschaft stärken zu können. Ich kann bei Ihnen nur immer wieder dafür werben, sich genau dieser Debatte zu stellen und sich einzubringen.

(Beifall DIE LINKE)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat die Landesregierung aufgefordert, im I. Quartal 2014 einen Evalu

ierungsbericht vorzulegen. Darin soll auch die von Ihnen behauptete Problemlage analysiert werden. Bis dahin sollten wir gemeinsam die Gespräche über die Auswirkungen des Vergabegesetzes führen und so die Debatte über den Evaluierungsbericht vorbereiten.

Die Feststellung im Gesetzentwurf der CDU-Fraktion, dass die Unternehmen im Land Brandenburg nicht die Leidtragenden einer fehlerhaften oder gar missbräuchlichen Anwendung des Gesetzes sein dürften, teile ich ausdrücklich, Herr Kollege Homeyer. Gerade deshalb sollten wir entsprechende Erfahrungen sammeln und in den Evaluierungsprozess einbringen.

Für Änderungen im Sinne des CDU-Gesetzentwurfs sehen wir im Moment keine Notwendigkeit. - Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Domres. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzt der Abgeordnete Vogel die Aussprache fort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich war gespannt, wie Herr Homeyer, der noch in der 1. Lesung des Gesetzentwurfs diesen hier im Hause als „Bürokratiemonster“ bezeichnete, heute die Kurve kriegen würde, um zu begründen, warum dieses Bürokratiemonster weiter angereichert werden müsse. Zum Begriff „Bürokratiemonster“: Wir teilen ausdrücklich die Auffassung, dass hier unsinnige Aufgabenverteilungen stattfinden. Insbesondere kritisieren wir, dass die Wahrnehmung der Kontrollpflicht so dezentral ausgestaltet ist; es wäre günstiger, möglichst unbürokratisch eine zentrale Kontrollinstanz einzurichten.

Herr Homeyer hat nicht „gestammelt“, sondern eine Rede gehalten, die seinem Anliegen entspricht. Er hat auch einige sehr gute Argumente gebracht. Ich möchte zumindest auf eines rekurrieren: Herr Homeyer hat in der 1. Lesung hier vorgetragen und dokumentiert -, dass laut Vergabeportal lediglich 11 von 709 Vergaben durch dieses Gesetz erfasst würden; bei der 3. Lesung waren es 8 von 777 Vergabeverfahren, also lediglich 1 bis 2 % aller Fälle. Unsere eigene Schätzung ging dahin, dass ungefähr 10 % aller Vergabefälle im Land Brandenburg davon erfasst würden.

Die Frage, wie viele Fälle tatsächlich erfasst werden, kann heute niemand beantworten. Wir hatten das Thema im Wirtschaftsausschuss. Dort sagte Herr Heidemanns, es gebe keine Berichtspflichten, weshalb es auch das Ministerium nicht wisse. Ich denke, das verdeutlicht das Problem.

Herr Kosanke, wenn Sie sagen, es gebe keinen Beleg für die Aussage, dass das Gesetz nicht funktioniere, dann entgegne ich Ihnen: Es gibt sehr wohl einen Beleg, nämlich den Stand der Bewilligungen im Zusammenhang mit dem Mittelabfluss und der Inanspruchnahme von Ausgaberesten gemäß § 18 Abs. 2 des Haushaltsgesetzes mit Stand vom 30. Juni 2012. Sie wissen, dass für Erstattungen an die Kommunen für die Anwendung dieses Gesetzes 9,7 Millionen Euro eingestellt wurden. Wie ist denn der Stand der Bewilligungen am 1. Juli 2012 ge

wesen? Null Euro! Das heißt doch: Es wird momentan nicht umgesetzt.

Wenn Staatssekretär Heidemanns im Wirtschaftsausschuss sagt, das Gesetz befinde sich in der Umsetzung, dann ist das nur eine Umschreibung dafür, dass es nicht angewandt wird. Dass dies nicht geschieht, hat auch damit zu tun, dass keine Verordnung vorliegt, die regelt, in welchem Ausmaß die Kommunen überhaupt abrechnen können.

Wenn Herr Heidemanns schließlich sagt, es handele sich hier nicht um eine Muss-, sondern nur um eine Kannbestimmung, und das sei nicht prioritär, dann heißt das auch: Diese Landesregierung nimmt sehendes Auge in Kauf, dass ihr eigenes Gesetz nicht zur Anwendung kommt.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Von daher lohnt es sich sehr wohl, über diesen Gesetzentwurf zu diskutieren und ihn nicht einfach beiseite zu schieben. Entscheidend ist, dass die Fallpauschalen endlich geregelt werden. Es muss Grund in die ganze Sache hineinkommen. Wir können nicht zwei Jahre warten, bis endlich die Evaluation stattgefunden hat. Die Landesregierung ist vielmehr aufgefordert, insoweit in die Puschen zu kommen.

Sie von der CDU-Fraktion schlagen in Ihrem Gesetzentwurf noch weiter reichende Informationspflichten vor, als sie gegenwärtig schon bestehen. Sie setzen dem von Ihnen so bezeichneten „Bürokratiemonster“ noch ein kleines „Monsterchen“ obendrauf. Ich werte Ihren Vorschlag so, dass Sie zu einer noch stärkeren Verunsicherung der Vergabestellen beitragen wollen.

(Beifall GRÜNE/B90)