Protocol of the Session on December 16, 2009

Bund soll reduzierte Planung für die Kleinmachnower Schleuse vorlegen

Antrag der Fraktion GRÜNE/B90

Drucksache 5/138

Bevor die Abgeordnete Vogdt für die Fraktion der FDP das Wort erhält, begrüße ich sehr herzlich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Projekt „Aktiv für Arbeit“ aus Eberswalde. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Presse war zu entnehmen, dass der Ausbau der Kleinmachnower Schleuse auf 190 m schon Anfang 2010 beginnen soll. Erste Baubegehungen konnte man bereits in den letzten 14 Tagen beobachten.

Der Ausbau der Schleuse ist Teil des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit 17. Dessen Ziel war der Fluss- und Kanalausbau von Magdeburg bis Berlin Osthafen für Schiffe der Wasserstraßenklasse Vb. Die Binnenschifffahrt ist ein besonders umweltfreundliches Transportmittel. Die Entwicklung funktionsfähiger Bundeswasserstraßen ist daher von besonderer Bedeutung. Allerdings mussten zwischenzeitlich die Anfang der 90er Jahre vorgenommenen Schätzungen für die Schiffsverbindungen nach unten korrigiert werden. Die ursprüngliche Prognose ging von nahezu 10 Millionen Tonnen Gütertransport durch die Schleuse für das Jahr 2015 aus. Eine neue Prognose sieht nur noch 2,3 Millionen Tonnen vor. Die heute existierende Kapazität ist für 8,3 Millionen Tonnen im Jahr ausgelegt. In 2008 lag sie bei 1,2 Millionen. Für 2009 werden lediglich 1 Million Tonnen vorhergesagt.

Der Hauptzielhafen am Teltowkanal - der Berliner Osthafen ist zugunsten des Westhafens aufgegeben worden. Der Ausbau der Schleuse im Rahmen des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit 17 basiert somit auf völlig überholten Prognosen. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat bereits am 15.11.2001 beschlossen, dass der Teltowkanal nur noch für die Wasserstraßenklasse IV ausgebaut wird. Damit haben sich die Nutzungsbedingungen massiv verändert. Es sind demnach nur noch Großmotorgüterschiffe bis 85 m Länge und ausnahmsweise auch Großschubverbände bis maximal 125 m Länge zugelassen.

Im April 2008 wurde dies noch einmal auf Anfrage des FDPBundestagsabgeordneten Jan Mücke durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bestätigt. Weiter hieß es in der Antwort: „Baumaßnahmen sollten sich auf ohnehin erforderliche Ersatzinvestitionen beschränken.“ Ein Ausbau der Schleuse auf 190 m ist insofern völlig überdimensioniert und nicht mehr erforderlich. Im Gegenteil: Es wäre ökonomischer und ökologischer Irrsinn, an diesem Projekt festzuhalten. Steuergelder dürfen nicht verschwendet, der Umwelt darf nicht geschadet werden.

Der Ausbau der Kleinmachnower Schleuse würde zu massiven Eingriffen in den Wasserhaushalt, die Natur und das Landschaftsbild führen. Er vernichtet wertvolle Uferlandschaften und raubt bedrohten Arten den Lebensraum. Er würde irrreparable Schäden verursachen. Und das alles vor dem Hintergrund, dass die Landesregierung das Gebiet um die Schleuse an das Bundesumweltministerium und die EU-Kommission zur Aufnahme in das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000 gemeldet hat.

Parteiübergreifend haben sich Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker aus der Region gegen den Ausbau der Schleuse auf

190 m ausgesprochen. Am Donnerstag vergangener Woche wurde in der Gemeindevertretung Kleinmachnow einstimmig der Beschluss gefasst, die Landesregierung und die Bundesregierung mittels Petitionen nochmals aufzufordern, den Ausbau auf 190 m zu verhindern.

Helfen Sie mit, diesen Irrsinn zu verhindern! Vor allem fordere ich die Umweltministerin, Frau Anita Tack, auf: Lassen Sie Ihren Worten aus der Zeit der Opposition nun endlich Taten folgen!

Im Namen der FDP-Fraktion beantrage ich heute eine namentliche Abstimmung zu diesem Punkt. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und GRÜNE/B90 - Zurufe: Keine Überwei- sung?)

Die FDP hat schriftlich vorgelegt, dass sie nicht auf eine Überweisung besteht, sondern über den Antrag namentlich abstimmen lassen will. So werden wir verfahren.

Wir setzen die Debatte entsprechend der Rednerliste fort. Für die Fraktion GRÜNE/B90 erhält Herr Abgeordneter Jungclaus das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Ausbau der Kleinmachnower Schleuse im Rahmen des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit 17 ist ein Überbleibsel aus einer Zeit überzogener Wachstumsvorstellungen und Prognosen von gigantischen Güterfrachten durch Ostdeutschland per Binnenschiff. Wie viele Prognosen aus der Nachwendezeit haben sich auch diese nicht erfüllt. Die Havel und die angrenzenden Wasserstraßen sind heute vorwiegend Naherholungsgebiete für die Menschen und Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen, und das ist auch gut so. Wer dennoch an den Ausbauplänen von gestern festhält, ist verantwortlich für den Verlust von Natur- und Erholungsräumen sowie für eine gigantische Steuerverschwendung.

Die dem Projekt und dem Ausbau der Kleinmachnower Schleuse zugrunde liegenden Daten stammen aus den Jahren 1992 und 1995. Damals wurden etwa so viele Güter auf dem Teltowkanal transportiert wie heute, nämlich 1 Million Tonnen jährlich. Die Prognosen damals sahen eine Verdreifachung der Mengen voraus. 3 Millionen Tonnen sollten hier jedes Jahr transportiert werden. Diese Zahlen sind aber inzwischen über 15 Jahre alt. Trotzdem orientieren sich die Planer an ihnen, auch wenn das jetzt von den Regierungsmitgliedern bestritten wird.

Erst durch beharrliche Anfragen an die Bundesregierung hat die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm jetzt die aktuellen Prognosezahlen für das Jahr 2025 erfahren. Sie wurden in diesem Sommer für das Bundesverkehrsministerium errechnet und blieben wohl aus gutem Grund in den Schubladen liegen. Laut dieser Zahlen geht die Bundesregierung davon aus, dass die Gütermenge auf dem Teltowkanal in den kommenden 15 Jahren auf unter 300 000 Tonnen zurückgeht. Die Güterzahlen dritteln sich also, statt sich wie prognostiziert zu verdreifachen. Man fügt zwar hinzu, dass das nur für den Fall

gälte, dass nicht in den Ausbau investiert würde, aber mit steigenden Gütermengen sollte man vor diesem Hintergrund wohl nicht mehr rechnen.

In diesem Sommer hat die Bundesregierung schließlich den Ausbau des Teltowkanals aufgegeben, zumal auch der Berliner Osthafen nicht mehr als Zielhafen in Betracht kommt. Man will nur noch „ertüchtigen“. Das heißt, auf dem Teltowkanal werden auch in Zukunft nur Güterschiffe bis 85 m Länge fahren, wie für die jetzige Wasserstraßenklasse IV zugelassen. Schubverbände können auch bis 125 m lang sein. Aber mit Sicherheit wird es auf dem Teltowkanal keine Schiffe mit gigantischen 185 m Länge geben.

Warum braucht man dann noch eine Schleuse von 190 Metern? Das ist ungefähr so, wie wenn Sie von Ihrer Grundstückseinfahrt zur Garage eine sechsspurige Autobahn planen würden. Da sagt die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, sie habe das geprüft, eine kleinere, 115 m lange Schleuse verbrauche viel mehr Uferlandschaft, man müsse dann nämlich an jeder Seite Entkoppelungsstellen vorbauen, dort hätten die überlangen Schubverbände genug Platz zum Entkoppeln. An dieser Stelle muss man aber fragen: Welche zusätzlichen Schubverbände sollen das bitte sein, und wo sollen diese auf einmal herkommen? Die jetzige Schleuse ist 85 m lang, und aktuell fährt noch nicht einmal ein einziger Schubverband, der entkoppelt werden muss, pro Woche durch diese Schleuse. Entgegen der Darstellung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung funktioniert das zurzeit ohne Probleme. Glaubt man den aktuellen Zahlen, wird die Menge solcher Schubverbände auch zukünftig nicht ansteigen. Die Argumentation für zusätzliche Entkoppelungsstellen entbehrt also jeglicher Grundlage. Trotzdem spricht man sich nicht gegen den überdimensionierten Ausbau aus.

Fazit zur Haltung der Bundesregierung: Es gibt zwar eigentlich keine Argumente mehr dafür, aber man hat sich festgelegt, und vielleicht braucht man ja die 190 m lange Schleuse irgendwann in ferner Zukunft. Folglich bleibt uns nichts anderes übrig, als auf die Landesebene zu setzen.

Die Betroffenen vor Ort befürchten zu Recht den Verlust von großen Uferbereichen und wertvollen alten Baumbeständen. Auch das Ortsbild wird stark in Mitleidenschaft gezogen, und nicht zuletzt sollen hier, obwohl es offensichtlich keinen Bedarf für eine Schleuse von 190 m gibt, 40 Millionen Euro Steuergelder verbaut werden.

Herr Abgeordneter Jungclaus, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ludwig von der Fraktion DIE LINKE zu?

Nach folgendem Satz.

Jetzt sagen einige Politiker, dass beim Nichtausbau der Schleuse die 40 Millionen Euro für Brandenburg verloren wären. Ich denke aber, lieber sinnvoll 40 Millionen Euro außerhalb von Brandenburg einsetzen, als dies sinnlos innerhalb von Brandenburg zu tun. Die Steuerzahler jedenfalls würde es freuen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Bitte die Zwischenfrage.

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass sich über diese Wasserstraße eben nicht nur der gar nicht mehr existente Berliner Osthafen erreichen lässt, sondern Berlins und Brandenburgs größter Binnenhafen, der mit Abstand mehr als alle anderen Binnenhäfen in Berlin und Brandenburg zusammen umschlägt, nämlich der mit viel EU-Geld durch das Land geförderte Hafen in Königs Wusterhausen?

Das ist mir bekannt. Aber dort wurde es ja bisher auch nicht geschafft, die Schubverbandanzahl pro Woche oder pro Monat auf ein Maß zu steigern, das den Ausbau solch einer Schleuse nötig machte.

Auch die Menschen in der Region haben ihren Willen eindeutig formuliert. Über 100 Persönlichkeiten aus Stahnsdorf, Teltow, Kleinmachnow und Umgebung haben sich im letzten Jahr mit einem „Appell der Vernunft“ an die Bundes- und die Landesregierung gewandt, die übertriebenen Ausbauplanungen aufzugeben, unter ihnen Politikerinnen und Politiker aller Parteien auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Wie deutlich kann ein Votum noch sein!

Und was tut die Landesregierung? Nichts. Dabei ist es mitnichten der Fall, dass dieses Projekt bei den Regierungsparteien immer auf ungeteilte Zustimmung stieß. Bereits 2004 hatten zwei hochrangige Vertreter der Landesregierung dem damaligen Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe die Alternative einer 115 m langen Schleuse vorgeschlagen. Einer von ihnen war der damalige Verkehrsminister, der andere ist unser damaliger und jetziger Ministerpräsident Platzeck. Leider hat der Ministerpräsident seinen Vorschlag von 2004 anscheinend inzwischen vergessen - wir aber nicht, und wir freuen uns darüber, dass wir seit kurzem nun auch auf parlamentarischer Ebene die Möglichkeit haben, bei solchen kleinen Gedächtnisverlusten auszuhelfen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Interessant ist auch, dass Jörg Vogelsänger, Staatssekretär im Infrastrukturministerium, die Schleuse Kleinmachnow in der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ vom 19. November 2009 bei der Aufzählung wichtiger Investitionen in brandenburgische Bundeswasserstraßen nicht mit aufführt. Dieses kleine Hoffnungszeichen reicht uns aber nicht aus. Denn noch gibt es keine konkreten Äußerungen der Landesregierung zur Kleinmachnower Schleuse, auch wenn es im Landtag in letzter Zeit scheinbar nur noch ein einziges Thema gab: Geschichtsaufbereitung und -aufklärung sind sicherlich wichtig, Regierungshandeln ist es aber mindestens genauso.

Wir fordern daher, dass sich Landtag und Landesregierung deutlich zum Thema Schleusenausbau positionieren und dies jetzt nicht endlos in Ausschüssen diskutieren. Die Landesregierung muss jetzt handeln, sie muss sich für das Land, die Region und die Menschen einsetzen.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Wir sind für eine stärkere Nutzung der Binnenschifffahrt. Sie ist ein wichtiger Transportzweig, ökologisch und ökonomisch sinnvoll. Aber: Eine moderne, konkurrenzfähige Binnenschifffahrt zwischen Elbe und Spree ist auch heute schon ohne gravierende Eingriffe in

Natur, Wasserhaushalt und Landschaft möglich. Es geht also auch anders. Wir sind gegen überdimensionierte Großprojekte, die Natur- und Erholungsräume zerstören und bei minimalem Nutzen Unsummen von Steuergeldern verschlingen.

Meine Fraktion wird sich deshalb hartnäckig für den Stopp des überdimensionierten Ausbaus der Schleuse einsetzen. Der Landtag kann das Projekt noch stoppen. Wir werden alles daran setzen, dies zu erreichen, und tun das gern auch gemeinsam mit allen anderen Fraktionen. - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jungclaus. - Das Wort erhält die Fraktion der SPD. Frau Abgeordnete Kircheis, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will nicht allzu viel sagen; denn ich gehe davon aus, dass über den Antrag der Fraktionen SPD und DIE LINKE später abgestimmt wird. Das heißt, wir würden den Antrag gern an den zuständigen Fachausschuss überweisen und dort zu einer sachlichen Diskussion kommen wollen. Ich hoffe, dass es dann eine rege Diskussion wird.

(Beifall GRÜNE/B90)

Auf einige Dinge möchte ich hinweisen. Seit 2001 besteht an der Kleinmachnower Schleuse Baurecht. Für den Ausbau der Nordkammer der Schleuse Kleinmachnow hat das Bundesverkehrsministerium die europaweite Ausschreibung gestartet; bis Mitte Februar 2010 wird eine Baufirma gesucht, die unter anderem die geplanten Veränderungen der Schleusen-Nordkammer von jetzt 82 m auf später 190 m umsetzt. Bei der Schleuse an sich besteht akuter Sanierungsbedarf, welcher durch diesen Ausbau gedeckt werden würde. Von drei Schleusenkammern ist eine bereits nicht mehr nutzbar. Die 190 m lange Schleuse macht Warte- und Kopplungsstellen überflüssig. Der Schleusenausbau ist eine Ersatzinvestition für die nächsten ca. 80 Jahre und erhält - wie auch von den Kleinmachnowern gewünscht - die Kleinmachnower Schleuse als Denkmal.

Liebe Abgeordnete der FDP-Fraktion, ich bitte Sie, über Folgendes nachzudenken und verweise auf den Verkehrsfortschritt und auf die bereits durchgeführten Beteiligungsverfahren: Es wurden zwei Varianten als Ersatzinvestitionen geprüft. Es besteht kein Zusammenhang mit dem Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 17. Ich möchte Sie daran erinnern, dass Sie im Bund für ein Gesetz zum Bundeswasserstraßenausbau gestimmt haben, und bitte Sie, nun einen größeren Zusammenhang herzustellen und umweltpolitische Ziele wie die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene und das Wasser - je nach Transportgut - in den Blick zu nehmen.

Herr Jungclaus, wenn man will, dass sich Verkehr verlagert, müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Das geht letztendlich nur mit dem Ausbau der Schleuse in Kleinmachnow. Ich gebe Herrn Ludwig Recht, dabei müssen wir die Belange von Berlin berücksichtigen.

Insofern freue ich mich auf die Arbeit im Ausschuss. - Danke schön.

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kircheis. - Das Wort erhält die CDU-Fraktion. Es spricht Abgeordneter Genilke.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da ich weit genug von Kleinmachnow entfernt wohne, kann ich sagen, dass ich das Thema nicht aus der Perspektive eines Politikers, der lokal Verantwortung trägt, betrachte. Es überrascht mich, wie im Landtag mit diesem Thema umgegangen wird.

Der Ausbau der Schleuse in Kleinmachnow beschäftigt das Hohe Haus seit geraumer Zeit. Soweit ich es zurückverfolgen kann, gingen die bisherigen Widerstandsaktivitäten vorrangig von der Linkspartei aus. Von daher bin ich doch recht zufrieden, wenn ich heute aus der Presse erfahre, dass Andreas Bernig mittlerweile einen - wie er es nennt - Erkenntnisprozess durchlaufen hat. Er gibt zu, dass er sich darüber auch schon vor den Protesten hätte erkunden können. Aber es ist ja noch nicht zu spät. Von daher denke ich, ist das in Ordnung.