Protocol of the Session on December 16, 2009

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gern.

Bitte, Frau Teuteberg.

Herr Minister, ist Ihnen bewusst, dass die Nicht-Geltung der 5%-Hürde auf kommunaler Ebene gerade aufgrund der Rechtsprechung deshalb besteht, weil man anders als im Landesoder Bundesparlament nicht auf stabile Regierungsmehrheiten angewiesen ist, also deshalb keine 5%-Hürde auf kommunaler Ebene zulässig ist? Es ist sozusagen verfassungsrechtlich erst

recht ein Argument dafür, auch nicht zu hohe Anforderungen an Fraktionsgrößen zu stellen. Wenn also die 5%-Hürde nicht gilt, kann man an die Fraktionsgröße nicht noch höhere Anforderungen stellen.

(Beifall FDP und GRÜNE/B90)

Ich sehe anders als Sie dazwischen gar keinen Zusammenhang; das ist der Unterschied. Das ist eine politische Bewertung, die können Sie für sich so vornehmen. Sie ist aber nach meiner Einschätzung mehr interessengeleitet, als dass sie irgendwo verfassungsrechtlich abgeleitet wäre. Ich will Ihnen da aber nicht zu nahe treten.

(Beifall SPD)

Insofern gibt es bei dieser Frage verschiedene Sichten. Wir haben heute zwei Sichten intensiver diskutiert. Das eine ist die Frage von großen und kleinen Fraktionen oder von großen und kleinen Wählergruppen, die ihre Meinung über die Wahl zu Kreistagen, Stadtverordnetenversammlungen, Gemeindevertretungen äußern. Wir haben nicht über das Verhältnis von Hauptverwaltungsbeamten zu den Vertretungen geredet; das wäre noch ein dritter Punkt.

Zur Frage der Politikverdrossenheit, verehrte Abgeordnete Nonnemacher, die Sie ansprachen, kann man bezüglich dessen woher sie kommt: ob sie davon kommt, dass es große Parteien gibt oder dass es eine Zersplitterung der politischen Landschaft gibt, auch verschiedener Meinung sein. Da will ich nicht den Richter spielen, wie Sie es hier getan haben, und einen Zusammenhang herstellen. Den sehe ich in der Form überhaupt nicht. Deswegen schließe ich mich der Aufforderung des ehemaligen Bürgermeisters von Rheinsberg an. Wir sollten die Wirkung dieses Gesetzes ein bisschen intensiver betrachten und nicht mit Schnellschüssen arbeiten. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Wir sind damit am Ende der Debatte. Die FDP-Fraktion hat namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Schriftführer, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Namentliche Abstimmung)

Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Es haben 12 Abgeordnete mit Ja gestimmt, 64 mit Nein, und es gab drei Enthaltungen. Damit ist der Gesetzentwurf mehrheitlich abgelehnt.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 247)

Ich begrüße unsere Gäste, Schülerinnen und Schüler aus der Voltaire-Gesamtschule in Potsdam. Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg und einen spannenden Nachmittag für euch!

(Allgemeiner Beifall)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Gesetz über die elektronische Ausfertigung und Verkündung von Gesetzen und Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Ausferti- gungs- und Verkündungsgesetz - BbgAusfVerkG)

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 5/81

1. Lesung

Es wurde vereinbart, keine Debatte zu führen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist bei wenigen Enthaltungen ohne Gegenstimmen angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Gesetz zur Überprüfung der Abgeordneten des Landtags Brandenburg auf eine hauptamtliche oder inoffizielle Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit oder dem Amt für Nationale Sicherheit

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU

Drucksache 5/89

1. Lesung

Wir beginnen mit dem Redebeitrag der CDU-Fraktion, für die der Abgeordnete Dombrowski spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat Ihnen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Überprüfung der Abgeordneten des Landtags Brandenburg auf eine hauptamtliche inoffizielle Mitarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit oder dem Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen DDR regeln soll.

Im Landtag besteht mittlerweile Einigkeit darüber, dass ein Gesetz diese Überprüfung regeln soll. Das ist auch gut so; das ist ein Fortschritt. Jedoch gibt es unterschiedliche Auffassungen dazu, mit welchem Ziel das Überprüfungsverfahren, das dann durch den Landtagspräsidenten bei der zuständigen Behörde in Gang gesetzt wird, wirken soll. Hier unterscheiden sich die Auffassungen deutlich. Um gleich auf den Kern zu kommen: Es geht um die Frage, ob die Überprüfung, wenn bei einer oder einem Abgeordneten festgestellt wird, dass eine Belastung in der vorgenannten Form vorliegt, nur der Aufklärung dienen oder für den Abgeordneten Konsequenzen haben soll. Das steht zur Diskussion und infrage.

Die CDU-Fraktion ist ganz klar der Auffassung, dass, wenn die rechtsstaatlich abgesicherte Überprüfung von Abgeordneten zu Tage bringt, dass eine Kollegin oder ein Kollege für eine der genannten Behörden oder die Abteilung 1 der Kriminalpolizei tätig war, dies nach einer entsprechenden Einzelfallprüfung auch vor dem Hintergrund zu prüfen ist, ob die Unwürdigkeit zur Wahrnehmung eines Mandats vorliegt. Dass Brandenburg bezüglich dieser Überprüfung im Gegensatz zu anderen Ländern hintansteht, macht die Sache so besonders. Brandenburg ist kaum noch mit anderen neuen Bundesländern vergleichbar, da es dort Regelungen gibt, in Sachsen mit einer Verfassungsverbindung, was sogar den Ausschluss des Betroffenen zur Folge hat, in Thüringen mit der Möglichkeit, ohne Verfassungsinanspruchnahme Abgeordneten bei Feststellung der Unwürdigkeit zur Wahrnehmung eines Mandats im Landtag das Mandat abzuerkennen. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es zum Beispiel die Regelung im Landesbeamtengesetz, dass man mit einer solchen Belastung nicht einmal Bürgermeister oder Landrat bzw. im Landesdienst tätig werden kann. Deshalb ist die Ausgangslage für uns komplizierter.

Es gibt zwar im Landtag Brandenburg Fälle, die ich nicht einzeln bewerten will und auch nicht kann, eines ist jedoch für uns klar: Fakt ist, dass hier im Landtag große Einmütigkeit darüber besteht, dass der eine oder andere Kollege sein Landtagsmandat aufgeben sollte. Nun können wir da alle appellieren. Die große Mehrheit - vermutlich 95 % -, mit Ausnahme der Betroffenen - ist der Meinung, sie sollten das Mandat niederlegen, jedoch tun es die Betroffenen nicht. Deshalb ist ernsthaft zu prüfen, ob im Rahmen einer gesetzlichen verfassungskonformen Regelung der Versuch unternommen werden kann, solchen Abgeordneten, die selbst die Kraft nicht finden, die Entscheidung für sich zu treffen, die die anderen Abgeordneten und auch die Bürger überwiegend erwarten, diese Entscheidung abzunehmen. Das ist die zu klärende Frage.

Wenn Sie so freundlich sind, unseren Antrag zu überweisen, werden wir die Erfahrungen und Bewertungen im Zusammenhang mit dem anderen in Beratung befindlichen Gesetzentwurf am 13. Januar in einer Sachverständigenanhörung von kompetenten Bürgern zur Kenntnis nehmen können. Ich hoffe, dass dann vielleicht auch die zu erwartenden Vorbehalte meiner Nachredner, dass das alles verfassungsrechtlich nicht möglich sei, zerstreut werden können und wir in einer ernsthaften Abwägung beraten, ob es nicht doch einen Weg gibt, mehr zu tun als aufzuklären, nämlich Konsequenzen zu ziehen.

Urteile anderer Bundesländer und anderer Verfassungsgerichtsentscheidungen kennen wir auch aus vielerlei Bereichen. Wenn man da genauer hinschaut, stellt man fest, dass es nicht den Kern dessen betrifft, was wir derzeit in Brandenburg beraten, da bei uns andere rechtliche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen gelten.

Wenn in einem Bundesland über irgendeine Angelegenheit rechtlich - sei es durch ein Verfassungs- oder Verwaltungsgericht - anders geurteilt wird, heißt das noch lange nicht, dass auf Grundlage von Brandenburger Recht genauso entschieden worden wäre. Es geht um die Frage, ob in Bezug auf Abgeordnete, die vom Landtag überwiegend als nicht würdig, diesem Landtag anzugehören, angesehen werden, Sanktionsmöglichkeiten geschaffen werden sollen. Nach unserem Gesetzentwurf hat der Betroffene selbstverständlich die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, wie sich das in einem Rechtsstaat gehört, und am Ende kann das Verfassungsgericht entscheiden, ob die

mit Zwei-Drittel-Mehrheit getroffenen Entscheidungen der Gremien und des Landtags - das ist unsere Bedingung - Bestand haben oder nicht.

Im Deutschen Bundestag hat eine Überprüfung schon lange stattgefunden. Sie wird auch fortgeführt. Ich möchte den Kollegen Wiefelspütz zitieren, der in einer Rede vor dem Bundestag formulierte:

„Wer das eigene Volk bespitzelt und unterdrückt hat, wer es hintergangen, verraten und betrogen hat oder wer all dies zu verantworten hatte, gehört nicht in den Bundestag […].“

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, das ist die Grundfrage, um die es dabei geht. Diese Entscheidung kann und sollte uns auch niemand abnehmen.

Zusammenfassend für die erste Runde - ein wenig Zeit habe ich ja später noch; ich warte einmal ab, was die Kolleginnen und Kollegen sagen - sei gesagt: Wir begrüßen, dass es schon einen Gesetzentwurf gibt und dass alle Abgeordneten, ob sie es wollen oder nicht, überprüft werden können. Wir sind jedoch der Meinung, es sollte nicht nur bei der Aufklärung bleiben. Dieser Landtag sollte auch die Kraft haben - wenn eine ZweiDrittel-Mehrheit davon überzeugt ist, dass sich ein Kollege unmoralisch und verwerflich verhalten hat -, gegenüber dem betroffenen Abgeordneten Konsequenzen auszusprechen.

Das werden wir diskutieren müssen. Heute findet die 1. Lesung unseres Gesetzentwurfs statt. Ich bitte um faire Betrachtung sowie darum, nicht aus Koalitionsabsichten auf Kollegen Rücksicht zu nehmen. Hier geht es um eine sehr ernste Angelegenheit, die dem Land Brandenburg insgesamt schon geschadet hat.

Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es von der Öffentlichkeit aufgenommen würde, wenn gemäß Gesetzesbeschluss überprüft, beraten und aufgeklärt würde, dann jedoch keine Konsequenzen folgten. Dann werden wir ähnliche Überschriften in den Zeitungen haben wie in den vergangenen Wochen. Das würden wir uns anders wünschen. Von daher bitten wir - wie gesagt - um eine faire Betrachtung unseres Antrags. Wir freuen uns auf die Debatte dazu. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Holzschuher.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Dombrowski, Sie haben zu Recht gesagt, dass großer Konsens dahin gehend herrscht, dass wir gemeinsam eine Überprüfung mit dem Ziel herbeiführen wollen, zu klären: Gibt es hier ehemalige Stasi-Mitarbeiter, Stasi-Informanten?

Es gibt auch großen Konsens dahin gehend, dass diejenigen, die zu DDR-Zeiten anderen Menschen Schaden zugefügt haben und sich bisher nicht zu ihrer Vergangenheit bekannt haben, moralisch keine geeigneten Repräsentanten in diesem Landtag sein sollten.

Einen darüberhinausgehenden Konsens, was Ihren Gesetzentwurf angeht, kann es aber nicht geben.

Herr Dombrowski, werte Vertreter der CDU-Fraktion! Juristen sind normalerweise vorsichtig, was Wertungen angeht; ich bin es auch, weil ich weiß, dass man über alles juristisch streiten kann. Deswegen spricht man als Jurist gern im Konjunktiv. In dem Fall tue ich es nicht.

Der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion ist, was die Frage der Aberkennung des Mandates angeht, mit dem Grundgesetz unvereinbar. Er ist mit der Brandenburgischen Landesverfassung unvereinbar.