Protocol of the Session on June 7, 2012

Die elektronische Fußfessel ist sicherlich eine gute Möglichkeit der Überwachung - der Minister hat es gesagt, Herr Eichelbaum auch -, aber, wie ich hoffe, auch der Resozialisierung. Sie ist aber nicht die einzige Möglichkeit. Man sollte nicht zu hohe Erwartungen an die elektronische Aufenthaltsüberwachung richten.

Wir als SPD-Fraktion stimmen selbstverständlich zu. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kuhnert. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Die Abgeordnete Teuteberg hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Januar 2011 können Gerichte eine verurteilte Person, die unter Führungsaufsicht steht, anweisen, ein technisches Mittel der

elektronischen Aufenthaltsüberwachung - besser als „Fußfessel“ bekannt - mit sich zu führen. Wie Herr Eichelbaum schon sagte: Der Bundesgesetzgeber hat damit letztlich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zur nachträglichen Sicherungsverwahrung reagiert. Neben den Regelungen zur Therapieunterbringung und zur Beschränkung der Anlasstaten der Sicherungsverwahrung ist die weitgehende Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vereinbart worden. Zudem ist die gesetzliche Grundlage für den Einsatz der elektronischen Aufenthaltsüberwachung geschaffen worden.

Dabei legen wir großen Wert auf die Feststellung, dass es sich eben nicht um eine anlassunabhängige, permanente Echtzeitbeobachtung handelt. Auch ist die elektronische Fußfessel kein Ersatz für die geschlossene Unterbringung. Zudem findet keine unbegrenzte Speicherung der GPS-Daten statt. Die Daten sind nach zwei Monaten zu löschen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Am 8. Mai 2012 hat das Kabinett endlich dem Staatsvertrag und auch der Verwaltungsvereinbarung zur Umsetzung der Gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder - kurz GÜL genannt - zugestimmt; heute befassen wir uns im Parlament mit dem Zustimmungsgesetz.

Um es gleich vorweg zu sagen und deutlich zu machen: Wir Liberale unterstützen die Teilnahme Brandenburgs an der Gemeinsamen Überwachungsstelle.

Hessen hat schon lange Erfahrungen mit der elektronischen Fußfessel gesammelt, von denen Brandenburg profitieren kann. Außerdem ist eine lokale Lösung nicht sinnvoll, da nicht mit einer Vielzahl von Anwendungsfällen zu rechnen ist.

Weiterhin wird durch die länderübergreifende Lösung sichergestellt, dass die Behörden angemessen auf die Tatsache reagieren können, dass die jeweiligen Probanden sich über Ländergrenzen hinweg bewegen. Wie ich der Presse entnehmen konnte, geht Herr Minister Schöneburg von etwa 15 Fällen im Jahr aus.

Genauso deutlich will ich aber auch sagen, dass wir schon sehr verwundert waren, dass Brandenburg sich als mit Abstand letztes Bundesland anschickt, dem Staatsvertrag beizutreten. Sehr geehrter Herr Minister Schöneburg, ein bisschen weniger Ankündigung und mehr schnelles Handeln wären hier angebracht.

(Beifall FDP und CDU)

Wir Liberale sind uns jedenfalls bewusst, dass die elektronische Fußfessel kein Allheilmittel darstellt - wie übrigens kaum eine rechtspolitische Maßnahme mit dem Anspruch verbunden sein sollte, ein Allheilmittel zu sein.

(Beifall FDP)

Aber durch das hohe Entdeckungsrisiko ist durchaus zu erwarten, dass die Fußfessel eine Vielzahl von Straftätern davon abschreckt, weitere Straftaten zu begehen. Vor allem durch die Bestimmung von Gebots- und Verbotszonen kann die Sicherheit der Bevölkerung und einzelner besonders gefährdeter

Opfergruppen verbessert werden, zum Beispiel durch das Verbot, sich Kindergärten, Schulen oder auch besonders kriminalitätsanfälligen Bereichen wie Bahnhöfen zu nähern.

Meine Damen und Herren, in den Ausschussberatungen werden wir folgende Themen näher zu beleuchten haben: die finanziellen Auswirkungen - laut Königsteiner Schlüssel von 2011 fallen Grundkosten pro Jahr in Höhe von 30 970 Euro und einmalige Kosten in Höhe von 7 963 Euro an -, die technischen Fragen der Umsetzung sowie die Frage eines Probebetriebes - ist ein solcher Probebetrieb geplant, wie lange und wo - und natürlich die Frage, wie lange die Polizei braucht, wenn ein Alarm bei der gemeinsamen Überwachungsstelle eingeht. - Ich freue mich auf konstruktive Beratungen in den Ausschüssen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Wir kommen nun zu dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Frau Abgeordnete Mächtig erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst sei gesagt: Ganz so ist es nicht, Frau Teuteberg. Berlin und Sachsen haben meines Wissens diesen Vertrag noch nicht unterschrieben. Das ist aber nicht das Hauptproblem, mit dem wir umgehen sollten.

Es zeichnet sich eine fraktionsübergreifende Zustimmung zu dem Gesetzentwurf ab, sodass ich mir viele Ausführungen sparen kann. Deshalb nur vier Bemerkungen.

Erstens. Die elektronische Überwachung ist - darin sind wir uns hoffentlich alle einig - kein Ersatz für Resozialisierungsmaßnahmen in der Gesellschaft. Den Sozialstaatscharakter hat mein Kollege von der SPD-Fraktion bereits hervorgehoben. Sie ist auch kein Ersatz für die Unterstützung eines tatsächlich straffreien Lebens durch Sozialarbeiter und ähnliche Helfer, weil sie eben nur scheinbar Sicherheit schafft.

Eine elektronische Überwachung verhindert keinesfalls Straftaten. Lediglich kann sie die Hemmschwelle erhöhen. Darüber sollten wir uns als Gesellschaft klar sein. Stimmen wir heute diesem Staatsvertrag zu, tun wir das auch in dem Wissen darum, dass es eine Einschränkung des normalen Lebens ist. Die Diskussion bei uns ist weiß Gott noch nicht beendet, ob eine Fußfessel mit der Würde des Menschen vereinbar ist.

Schon deshalb sage ich, Herr Kollege Eichelbaum: Einer Ausweitung der Fußfesseln nach dem Motto, es könnte ja sein, dass jemand straffällig wird, wie Sie das hier in Bezug auf mögliche Fußballfans deutlich gemacht haben - so jedenfalls habe ich Sie verstanden, sonst korrigieren Sie mich nachher -, werden wir auf keinen Fall zustimmen. Wir legen ausdrücklich Wert darauf, dass bei einer Ausweitung dieses Gesetzes ohne Landtagsbeschluss hier nichts erfolgt.

Außerdem bitten wir darum - das halten wir für notwendig -, dass eine kurzfristige regelmäßige Evaluierung dieses Gesetzes mit Blick auf die angestrebte Aufsicht und die Kontrolle im Rahmen von Artikel 2 des Grundgesetzes zu erfolgen hat. Wir

glauben, es sollte sich zunächst erweisen, ob wir mit der Fußfessel tatsächlich den von allen gewollten Erfolg erzielen werden.

Gestatten Sie mir abschließend den Hinweis: Ich glaube, dass einige von uns meinen, dass sie einen erzieherischen Charakter hat. Wir sollten aufpassen, dass wir uns nicht einem Placebo hingeben.

(Beifall DIE LINKE und der Abgeordneten Lehmann [SPD])

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Mächtig. - Wir sind jetzt beim Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Abgeordnete Niels erhält das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Irgendwie stehe ich wohl auf dem Schlauch oder habe einige Zwischenthemen überhört oder die Kolleginnen und Kollegen denken sich, dass wir die immer noch offenen Fragen in der Anhörung klären werden.

Zum ersten Punkt. Sowohl zu Herrn Minister Dr. Schöneburg, der zu den Modellversuchen sprach, als auch zu den nachfolgenden Rednern möchte ich anmerken: Alles, was bisher evaluiert wurde, betrifft nicht den Täterkreis - wir sprechen hier über die elektronische Überwachung - , um den es beim Staatsvertrag geht. Man hat Erkenntnisse darüber, wie die elektronische Überwachung auf Menschen wirkt, die im Arrest sind, und wie sie auf Personen wirkt, die aus der Sicherungsverwahrung entlassen wurden, aber nicht darüber, wie sie auf Menschen wirkt, die als Täter schwerer Straftaten mit immer noch vorhandenem Potenzial als rückfallgefährdet eingestuft werden. Darin besteht ein großer Unterschied.

In den bisherigen großen internationalen Untersuchungen hat man sich Straftäter angesehen, die einen stark eingegrenzten Bewegungsspielraum hatten. Die Fußfessel hat gemeldet, wenn derjenige, der sie trägt, den vorgegebenen Raum verlassen hat. Das genau ist aber das Gegenteil dessen, was wir hier wollen. Wir wollen jemanden überwachen, der sich frei bewegen kann und dem wir mehrere Gebiete vorschreiben - mit der Software kann man nur bis 100 Orte speichern -, an denen er sich nicht aufhalten darf. GPS ist gar nicht so genau verfügbar, dass wir wissen, wann jemand im Kindergarten oder in der Schule ist, wenn wir zum Beispiel über Sexualstraftäter reden.

Man muss auch Verweildauern festlegen. Ich kann nicht verbieten, dass jemand an Schulen und Kindergärten vorbeiläuft. Wir in Brandenburg haben Gott sei Dank noch Städte, in denen diese Orte tatsächlich so dicht beieinanderliegen, dass das Gefahrenpotenzial für die Überwachungsstelle in Hessen nicht erkennbar ist.

Es gibt ein weiteres Problem. Bei 13 zu Überwachenden gab es täglich 50 bis 70 Meldungen. 90 % der Meldungen, die eingegangen sind, waren technischen Desastern wie der viel zu knappen Laufzeit der Akkus geschuldet. Es ist bis jetzt noch gar nicht geklärt, wie man die Leute so ausbilden und die Polizisten so schulen will, dass der Fußfesselträger nicht ständig

Besuch bekommt und man eine Intensivbetreuung hat, die wahrscheinlich nicht notwendig ist. Ich muss daran erinnern, dass es in Amerika den Fall gab, dass jemand eine Fußfessel trug und trotzdem zum Straftäter wurde. Er hat eine Frau drangsaliert, während er die Fußfessel trug. Man kann Straftaten damit also nicht unbedingt verhindern.

Ich komme zum nächsten Punkt, warum ich sehr darauf setze, dass wir in der Anhörung noch mehr Erkenntnisse gewinnen. Es wurde vorgetragen, man vermute, das Tragen einer Fußfessel könne moralisierend, sozusagen abschreckend wirken. Woher wird diese Erkenntnis genommen? Erstens ist das nicht nachgewiesen. Zweitens wissen wir, dass zum Beispiel das zu erwartende Strafmaß auf Straftäter bei Begehen einer Straftat überhaupt nicht abschreckend wirkt. Deswegen erhöhen die Politiker, wenn sie vernunftbegabt sind, nicht das Strafmaß höchstens, wenn die Öffentlichkeit in dem einen oder anderen Land, zum Beispiel in den Niederlanden, aufschreit. Man weiß längst: Das wirkt nicht abschreckend. Auch die Gefahr, erkannt zu werden und dem Täter auf die Schliche zu kommen - die Trefferquote ist sehr hoch -, wirkt nicht abschreckend. Die Menschen werden trotzdem straffällig.

Warum bitte soll durch Tragen einer Fußfessel tatsächlich ein Fall verhindert werden? Ich habe eher den Eindruck, dass sich im politischen Raum - es gibt verschiedene Datenschutzfragen; Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, mit dem sich das Bundesverfassungsgericht befasst; ich habe so wenig Zeit - einfach niemand zu sagen traut: Die Fußfessel ist im Moment noch wirkungslos. Lasst uns da ganz vorsichtig sein und a) evaluieren, b) im Land festlegen, dass immer der Landtag zustimmen muss, wenn wir den Einsatz erweitern, und c) lasst uns eine Option schaffen, dass wir aus dem Staatsvertrag austreten können. Wo ist denn die Debatte? Haben Sie alle Angst davor, dass die Öffentlichkeit schreit, sie sei in Gefahr, wenn die Fußfessel nicht angewandt wird? Irgendwie ist mir das schleierhaft.

In anderen Bundesländern gab es mehrere Anhörungen, zum Beispiel in Sachsen. Da wurden diese vielen ungeklärten Fragen gestellt, auch zum Beispiel, warum kein psychologisches Gutachten notwendig ist, bevor der Richter bei jemandem das Tragen einer Fußfessel anordnen kann.

Jetzt bin ich mit meinen Ausführungen weit vor Ende meiner Redezeit fertig. Ich hätte noch eine Minute, aber ich habe alles geschafft. - Danke schön für die Aufmerksamkeit.

(Beifall GRÜNE/B90 und der Abgeordneten Lehmann [SPD])

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Niels. - Die Landesregierung hätte noch einmal das Wort. - Sie verzichtet.

Bevor wir jetzt zur Abstimmung kommen, möchte ich unter uns Schülerinnen und Schüler vom Bohnstedt-Gymnasium in Luckau ganz herzlich begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren Abgeordnete, wir kommen zur Abstimmung über das Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungs

stelle der Länder. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 5/5312 - Neudruck - an den Hauptausschuss - federführend - und an den Rechtsausschuss. Wer dieser Überweisung Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? Damit ist einstimmig überwiesen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Erstes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Krankenhausentwicklungsgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

1. Lesung

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Frau Ministerin Tack, Sie erhalten das Wort.