Protocol of the Session on January 26, 2012

Die Aktuelle Stunde zur Ostgrenze hat gestern einiges gebracht, der Zoll soll teilweise Aufgaben übernehmen, die bisher die Polizei erfüllt hat. Das war der echte Brüller des gestrigen Tages. Das, was damit erzielt werden kann, sind maximal Abfallprodukte. Das kann ein ganz kleiner Beitrag für mehr innere Sicherheit sein, aber es wird nicht dazu beitragen, die Personalverluste bei unserer Landespolizei auszugleichen.

Neue Strukturen waren notwendig, um die Leistungsfähigkeit der Polizei zu erhalten, Herr Innenminister, das haben Sie eben gesagt. Das ist richtig. Auch die Reform insgesamt wäre gar nicht mal so schlecht, wenn sie nicht ausschließlich dazu diente, den Personalabbau bei der Polizei zu verdecken. Die Beamten, die ich kennengelernt habe, wollen tatsächlich einen ordentlichen Dienst leisten. Sie sind bemüht, die innere Sicherheit zu gewährleisten, wie es von ihnen erwartet wird, sind dazu aber immer weniger imstande, weil sie in den neuen Strukturen zwar angeblich entlastet werden sollen, aber in der Zahl einfach weniger werden, die mit diesen Aufgaben betraut sind, und weniger Leute können am Ende eben auch nur weniger Leistung erbringen.

Die zentrale Anzeigenbearbeitung, die eingeführt werden soll, ist letztlich der Offenbarungseid des Innenministeriums. Das ist eine zentrale Anzeigenbearbeitung für Massen- und Häufigkeitskriminalität, das heißt, es wird darauf hinauslaufen, dass einzelne Delikte, die angezeigt werden - denen sowieso nicht mehr nachgegangen werden kann -, am Ende nur abgeheftet werden und damit wäre dann der jeweilige Fall beendet. Das ist das neue Modell, mit dem hier Kriminalität künftig bearbeitet werden soll.

Wir sind noch gar nicht auf das Raumkonzept eingegangen. Auch da wird es deutliche Veränderungen geben. 32 Reviere sollen nicht mehr ständig besetzt sein. Damit entstehen zusätzliche Kosten; gedacht waren ursprünglich 75 000 Euro pro Revier - das ergibt 2,4 Millionen; die tatsächlichen Kosten sind wesentlich höher. Auch da hätte ich mehr erwartet. Zum weiteren Vorgehen erfahren wir nur, dass neue Dienstzeitmodelle eingeführt werden sollen. Das mag man tun - neue Dienstzeitmodelle bedeuten trotzdem nicht, dass wir am Ende auch nur einen Beamten mehr haben.

Der vorgelegte Bericht suggeriert: Alles wird gut. Die Realität ist anders. Deswegen wird es Ihnen aufgrund der Realität im Lande Brandenburg nicht gelingen, diese positive Sicht zu vermitteln. - Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetz. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Der Abgeordnete Dr. Scharfenberg hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im vergangenen Jahr hat es einschneidende Veränderungen bei der brandenburgischen Polizei gegeben, die letztlich jeden Beschäftigten treffen. Das war von einer intensiven öffentlichen Diskussion begleitet. Ich freue mich, dass es nach starken Kontroversen zu einer zunehmenden Versachlichung gekommen ist. Schließlich konnte der Landtag der erfolgreichen Volksinitiative zu diesem Thema zustimmen. Das ist, denke ich, schon ein deutliches Zeichen gewesen.

Herr Lakenmacher hat heute hier allerdings wieder das übliche Schwarz-Weiß aufgezeigt. Er mag offensichtlich nicht die feine Klinge, sondern eher den Säbel. Ich muss sagen: Wie kann man so schnell Abstand von dem gewinnen, was die CDU hier mitverantwortet hat - das muss man ja mal so sagen: mitverantwortet hat!

(Beifall SPD)

Dazu gehört übrigens die Personalentwicklung einschließlich des Jahres 2012. Also Sie sind noch mittendrin.

(Frau Stark [SPD]: Genau!)

Das ist einfach Fakt, Herr Lakenmacher! Ich erwarte ja, dass Sie als Opposition hier kein Jubellied anstimmen, aber ich denke: Sachlichkeit in der Diskussion kann man schon verlangen.

Die tiefgreifende Polizeistrukturreform ist in wesentlichen Punkten umgesetzt. Diese Umstellung war und ist - ich betone das noch einmal - mit erheblichen zusätzlichen Anforderungen für die Beschäftigten der Polizei verbunden.

Mit dem von uns geforderten Bericht können wir uns heute auseinandersetzen. Sie erinnern sich: Der Landtag hat die Änderung des Polizeigesetzes im Dezember 2010 nicht als Blankoscheck verstanden - das ist damals als Befürchtung geäußert worden -, sondern mit einem Begleitbeschluss versehen. In diesem Beschluss haben wir grundsätzliche Vorgaben für die Umsetzung der Polizeireform formuliert, unter anderem auch den Auftrag für den vorliegenden Zwischenbericht. Damit sollte die Beteiligung des Parlaments am Umsetzungsprozess gesichert werden. Und hier will ich auch noch einmal daran erinnern: Wir hatten schon einmal eine Polizeireform, und das hat hier im Landtag kaum eine Rolle gespielt! Das, was wir jetzt vollziehen, ist von einer ganz anderen Qualität der parlamentarischen Begleitung und öffentlichen Diskussion.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich sage Ihnen: Der Unterschied besteht schon darin, dass damals in nichtöffentlichen Ausschusssitzungen bei diesem Thema abgeruht werden konnte. Das ist heute nicht mehr möglich, heute müssen sich alle dieser öffentlichen Diskussion stellen.

(Beifall DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Es ist folgerichtig, dass die Landesregierung ihrem Bericht die Schwerpunkte des Landtagsbeschlusses zugrunde gelegt hat. Dazu gehören als qualitative Vorgaben - auch das muss man noch einmal sagen -: die Aufrechterhaltung der Polizeipräsenz in der Fläche des Landes, die Sicherung der Kriminalitätsbekämpfung auf dem bisherigen Niveau und ein frühzeitiges Kommunizieren der mit der Strukturreform verbundenen Veränderungen mit allen Beteiligten sowie eine bürgernahe Öffentlichkeitsarbeit. Ich möchte hier meinen Respekt gegenüber dem Innenminister zum Ausdruck bringen, wie er diese Aufgabe ausfüllt. Er sucht mit einer Vielzahl von Vor-Ort-Besuchen den unmittelbaren Kontakt und er stellt sich der Diskussion, und ich meine, dass das ein Teil dessen ist, was diese Reform inhaltlich ausfüllt.

Mit der Bildung des neuen Polizeipräsidiums, der vier Polizeidirektionen und der 16 Polizeiinspektionen sind die geplanten Strukturänderungen im Wesentlichen abgeschlossen. Es gibt noch offene Punkte bei der landesweiten Einrichtung der Reviere. Hier ist zweifellos der Anspruch einer intensiven Abstimmung mit den Kommunen am größten, einer Berücksichtigung der spezifischen örtlichen Situation. Die einzige Schließung einer Polizeiwache im Land, der Wache Babelsberg, ist noch nicht vollzogen. Hier ist der Abstimmungsprozess mit der Landeshauptstadt über die künftige Form der Polizeipräsenz noch im Gange.

Die Kriminalpolizei wurde in die neue Struktur eingeordnet; hier gibt es noch Abstimmungsbedarf. Wichtig ist auch die künftige Ausgestaltung der Polizeibeiräte. Bisher hat es zwei Polizeibeiräte gegeben, wir hatten schon einmal sechs Polizeibeiräte, und ich meine: Mit der jetzt gewählten Form von vier Polizeibeiräten kommt man dem Anspruch der Ortsnähe - und das sollte Polizeibeiräte auszeichnen - viel besser entgegen, als das bisher der Fall war.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus den Angaben zum Personalentwicklungskonzept geht eindeutig hervor, dass sich die angekündigte Reduzierung der Personalstellen schrittweise vollziehen wird. 2016 sollen es 7 900 Stellen sein. Insofern kann gegenwärtig aufgrund der noch relativ hohen Personalausstattung, aber auch wegen der geringen praktischen Erfahrungen noch nicht zuverlässig eingeschätzt werden, wie sich die neue Struktur letztlich bewährt. Das schließt natürlich immer auch den Vorbehalt ein, dass gegebenenfalls nachgesteuert werden muss, um die eingangs genannten Vorgaben einhalten zu können.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Das sagen nicht nur wir, das hat auch der Innenminister vor Ort schon deutlich zum Ausdruck gebracht.

Herr Abgeordneter Scharfenberg, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ja, ich will dann abschließend hier zum Ausdruck bringen, dass wir den Umsetzungsprozess natürlich aktiv weiter begleiten werden, und ich hoffe, dass zunehmend mehr Sachlichkeit in diesen Diskussionsprozess einzieht. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg.

Wir setzen mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Die Abgeordnete Nonnemacher hat das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Vermutlich werde auch ich mich dem Vorwurf der Unsachlichkeit aussetzen, da ich nicht alles so paletti finde, wie Frau Stark das hier angedeutet hat.

Am 16.12.2010 hat dieser Landtag das Polizeistrukturreformgesetz „Polizei 2020“ angenommen. Um nach erbitterten landesweiten Diskussionen die bittere Pille etwas zu versüßen, haben uns die Koalitionsfraktionen dazu den Entschließungsantrag „Sicher leben in unserem Land - Maßgaben für eine Polizei Brandenburg 2020“ quasi als Trostpflaster verpasst. Danach soll unter anderem die Polizeipräsenz in der Fläche aufrechterhalten, Streifendienst im bisherigen Umfang gewährleistet werden, sollen die Interventionszeiten sich nicht verschlechtern, alle Einsatzaufgaben der Schutz- und Kriminalpolizei zeitnah und effektiv bewältigt werden, die Kriminalitätsbekämpfung auf bisherigem Niveau gesichert, auf kriminalpolizeiliche Herausforderungen im grenznahen Raum reagiert, weiterhin spezielle Präventions- und Beratungsarbeit geleistet werden, die kriminalistische Aus- und Fortbildung intensiviert und das gesamte Meldewesen im Jahre 2011 hinsichtlich Effizienz evaluiert werden.

Dieser Entschließung vom Dezember 2010 verdanken wir auch den vorliegenden Zwischenbericht, der uns aber keine Antworten gibt. Man hat den Eindruck, die im Bericht der Aufbaustäbe vom März 2011 und im Bericht zum Stand des Behördenaufbaus vom Mai 2011 verwendeten Textbausteine wurden mit dem Zufallsgenerator neu gemischt, Organigramme und Standortskizze inklusive. Der Erkenntniszuwachs liegt unterhalb der Nachweisgrenze. Was hat denn zum Beispiel die Evaluation der Effizienz des Melde- und Berichtswesens ergeben? Bezüglich der Liegenschaften heißt es im Bericht an den Innenausschuss vom Mai 2011:

„Im Rahmen der Neuorganisation wurden die Auswirkungen auf die durch die Polizei genutzten Liegenschaften bestimmt und ein erstes Liegenschaftsentwicklungskonzept erarbeitet.“

Jetzt lesen wir:

„Die Auswirkungen der Neuorganisation auf die Unterbringung der Polizeidienststelle wurden mit untersucht und ein erstes Liegenschaftskonzept erarbeitet.“

Aha! Es sind Abstimmungsverfahren eingeleitet oder es zeichnen sich erste Lösungsansätze ab. Bei der Prävention werden Multiplikatoren außerhalb der Polizei wichtiger werden. ZENTRAB ist noch immer im Projektstadium. Die Reviere müssen sicherheitstechnisch besser ausgestattet werden. Nein, diesen Bericht als Pflichtübung hätten wir uns sparen können.

(Beifall GRÜNE/B90 und FDP)

Herr Dr. Scharfenberg hat früher und auch heute wieder darauf hingewiesen, dass die Reform aufmerksam begleitet wird. Fehlentwicklungen müssten erkannt und gegebenenfalls müsse nachgesteuert werden. Die öffentliche Sicherheit müsse landesweit gewährleistet sein.

Wenn jetzt, wie wir gestern in der Aktuellen Stunde diskutiert haben, drei Einsatzhundertschaften für drei Monate in die Grenzregion geschickt werden, um den Ermittlungsdruck zu erhöhen, könnte man dies gerade als Indiz dafür werten, dass die normale Kriminalitätsbekämpfung nicht mehr auf bisherigem Niveau gesichert werden kann und man den kriminalpolizeilichen Herausforderungen nicht mehr gewachsen ist. Die Kräfte, die dort eingesetzt werden, stehen anderweitig - gerade für außergewöhnliche Lagen - nicht zur Verfügung.

In diesem Zusammenhang beunruhigt mich besonders, dass die Neonaziszene in Brandenburg wieder Aktionen angekündigt hat. So sind jetzt schon Kundgebungen in Cottbus, Frankfurt (Oder) , Nauen und Wittstock angemeldet.

Fragen werfen für uns weiterhin die Vorkommnisse und Ausschreitungen am Rande eines Hallenfußballturniers am 27.12. in Frankfurt (Oder) auf. Dort wurden Anhänger des Berliner Vereins Tennis Borussia von Hooligans aus dem Umfeld von FFC Viktoria 91 antisemitisch beschimpft und bedroht. Entsprechende Befürchtungen waren vorher von der Ermittlungsgruppe „Hooligans“ der Berliner Polizei geäußert worden. Über Umfang und Schnelligkeit der Polizeipräsenz gehen die Angaben von Betroffenen und Polizeiführung auseinander. Ohne diesen Vorfall dramatisieren zu wollen, muss anhand solcher Vorkommnisse geprüft werden, ob Polizeipräsenz und Interventionszeiten angemessen sind, zumal es sich hier um eine Lage mit Voransage gehandelt hat.

Weitere Zwischenberichte zur Umsetzung der Polizeistrukturreform sollten sich mehr an der Frage orientieren, ob die sich erneuernden Strukturen den Aufgaben gerecht werden. Wir wollen wissen, ob in den Bereichen der organisierten Kriminalität, der Internetkriminalität, der Jugend- und Rockerkriminalität noch ordentlich ermittelt wird.

Frau Abgeordnete Nonnemacher, auch Ihre Redezeit ist zu Ende.

Die Aussage, dass sich vereinzelt Lösungsansätze abzeichnen, bietet uns keine Grundlage zum Gegensteuern. - Danke.

(Beifall GRÜNE/B90 und FDP)

Vielen Dank. - Das Wort erhält noch einmal die Landesregierung. Herr Minister Dr. Woidke wird die Aussprache beenden.

Nicht? Gut. Dann sind wir am Ende der Aussprache angelangt. Damit ist der Zwischenbericht, Drucksache 5/4555, zur Kenntnis genommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Zahlung einer Lärmrente am Flughafen Berlin Brandenburg

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 5/4544