Protocol of the Session on November 9, 2011

Wir haben mittlerweile gemeinsam ein Konzept zur Weiterentwicklung der Lehramtsausbildung im Land Brandenburg in den Ausschüssen für Bildung, Jugend und Sport und im Wissenschaftsausschuss beraten. In Richtung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sage ich sehr deutlich: natürlich nur beraten, nicht abschließend behandelt. Wir nehmen uns sehr viel Zeit für dieses Konzept. Wir haben uns außerparlamentarischen schriftlichen Expertisenrat eingeholt. Das ist eine ganz neue Form. Wir haben eine Art Anhörung gehabt.

Wir sind also auf dem Weg zu einem Lehrerbildungsgesetz. Wir haben aber noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns und müssen uns erst einmal klar werden, wie die künftige Lehramtsausbildung aussehen soll. Diesbezüglich ist das Segment der Inklusionspädagogik und der Sonderpädagogik bzw. der Förderpädagogik ein besonderes, und zwar eines, worauf wir unbedingt unseren Fokus richten müssen. Das ist etwas für alle Kinder. Alle Kinder haben Förderbedarfe. Wir wollen, dass die besondere Professionalität der Sonderpädagogen allen Kindern zugute kommt.

Wir wollen mit diesem neuen Lehrerbildungsgesetz etwas vorlegen, was die Ausbildung der Sonderpädagogen festzurrt. Das gibt neben dem Lehramt der Primarstufe allen Lehramtsstudierenden die Möglichkeit einer inklusionspädagogischen Schwerpunktsetzung, um sich in der grundlegenden inklusionspädagogischen Kompetenz zu qualifizieren, die jeder Pädagoge haben sollte, egal welches Fach er unterrichtet, egal, in welcher Schulstufe er unterrichtet und egal, mit welcher Anzahl von Kindern mit Förderbedarf er es vor Ort zu tun hat.

Anders können wir uns das gar nicht leisten, wenn wir uns die demografische Entwicklung bis 2020 und erst recht bis 2030 ansehen. Da das Lehrerbildungsgesetz wahrscheinlich erst 2013 in Kraft treten kann - jetzt komme ich zur Begründung, warum wir uns selbst beauftragen -, halten wir es für dringend geboten, bereits jetzt die entsprechenden Weichenstellungen vorzunehmen, damit im Wintersemester 2013/2014 mit der Ausbildung begonnen werden kann.

Wer sich im Universitätsbetrieb ein wenig auskennt, weiß, dass die Auflegung eines Studiengangs nicht nur eines Beschlusses bedarf, sondern auch bestimmter, oft zeitraubender Vorarbeiten. Es müssen entsprechende Lehrstühle geschaffen werden. Diese müssen eine inhaltliche Orientierung haben. Es müssen Studienordnungen erarbeitet werden. Die Stellen müssen ausgeschrieben werden.

Die Situation ist derzeit so, dass die Menschen, die einen Lehrstuhl im Bereich der Inklusionspädagogik an unserer Hochschule annehmen wollen, nicht Schlange stehen. Es ist also auch ein Mangel an wissenschaftlicher Kapazität vorhanden, um diesen Ansprüchen zu genügen.

Deswegen müssen wir im Vorgriff auf das Lehrerbildungsgesetz, welches wir erst im nächsten Jahr beschließen werden, der Universität die Sicherheit geben, dass sie beginnen können, damit im Jahr 2013 diese Inklusionspädagogik und Sonderpädagogik gestartet werden kann. Die Berufungskommissionen können nur eingerichtet werden, wenn die Universität sich sicher sein kann, dass wir das wirklich wollen. Wenn das alles - auch diesbezüglich ist die Zeitschiene schon sehr eng - gut und komplikationslos verläuft, brauchen wir dafür ca. ein Jahr bis eineinhalb Jahre.

Rot-Rot hat hier etwas auf den Weg gebracht, was vorher schier unmöglich schien, und ich bitte Sie: Weichen Sie - auch die Oppositionsfraktionen - jetzt nicht vom Weg ab, sondern unterstützen Sie dieses Anliegen, damit wir das, was wir alle wollen, auch auf den Weg bringen.

(Zuruf von der CDU: Machen wir!)

- Wunderbar. - Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD)

Der Abgeordnete Hoffmann setzt für die CDU-Fraktion fort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Ich bin natürlich nicht nur angetreten, um die Nerven von Frau Große zu beruhigen, sondern bin auch hier, um unsere Position ein bisschen zu erklären.

(Beifall des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Wir haben hier schon einige Male zu diesem Thema diskutiert, und es waren in der Regel sehr emotionale Debatten, in denen es hin und her ging. Das liegt natürlich daran, dass wir insgesamt zu dem Thema sehr unterschiedliche Vorstellungen über die Herangehensweise haben. Aber bei allen Unterschieden sind wir uns natürlich in einem Punkt einig: dass wir auf jeden Fall Sorge dafür tragen müssen, dass wir für ein inklusives Bildungssystem die notwendigen Ressourcen bereitstellen können, um damit tatsächlich allen Schülern gerecht werden zu können. Dazu gehört an vorderster Stelle, dass man das Fachpersonal, das man dafür braucht, zur Verfügung stellen kann.

Völlig unabhängig davon, ob man jetzt - wie Rot-Rot und die Grünen - die Förderschulen in Brandenburg schnellstmöglich abschaffen oder sie auch in einem inklusiven Bildungssystem als wichtigen Baustein erhalten will - so wie wir, die CDU in Brandenburg, und übrigens auch die SPD und die Grünen in Bayern -, sind wir uns, glaube ich, darüber einig, dass wir schon heute zu wenig Sonderpädagogen in unseren Schulen haben.

Meine Vorrednerin hat es angesprochen: Die Aufgabe eines eigenen Angebots - ein grundständiges Sonderpädagogikstudium war aus heutiger Sicht sicherlich ein Fehler, das muss ich an dieser Stelle selbstkritisch einräumen. Trotzdem wird sich dieser Mangel im Hinblick auf die Herausforderung, vor die uns diese Aufgabe Inklusion stellt, noch einmal deutlich verschärfen, und wir sehen uns dort auch einer verschärften Situation gegenüber. Weil wir uns an dieser Stelle einig sind, stimmen wir auch mit Ihrem Antrag, mit dem Anliegen überein. Jawohl, wir brauchen einen solchen Studiengang. Allerdings möchte ich an der Stelle auch noch einmal darauf verweisen, dass nach unserer und auch nach Ansicht vieler Fachleute aus der Praxis eine solche Ausbildung, in der jetzt die förderpädagogische Ausbildung mit der Ausbildung für ein nicht auf Förderpädagogik bezogenes Lehramt verschränkt wird, nicht das Gleiche ist wie die Sonderpädagogikausbildung, die wir bisher kannten und hatten. Das muss man einfach sagen, zumal es sich hier lediglich um die Einbettung der Kompetenzen im Bereich LES handelt. Das heißt im Klartext, dass wir auch mit diesem Studiengang längst nicht alle Sonderpädagogen, die wir brauchen, in Brandenburg selbst ausbilden. Das muss man dazu sagen.

Dass der Bedarf an diesen anderen Sonderpädagogen - jener mit der herkömmlichen Ausbildung - tatsächlich so gering ist, wie im Lehrerbildungskonzept behauptet, wage ich zu bezweifeln, zumal: Wenn man die UN-Konventionen wirklich ernst nimmt - ich gehe davon aus, dass Sie das natürlich machen -, dann betrifft das eben nicht nur die Kinder mit dem sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich LES,

(Frau Große [DIE LINKE]: Alle!)

sondern auch die im Bereich geistige Entwicklung und was da noch alles ist, und deshalb brauchen wir auch zukünftig Sonderpädagogen - im Prinzip kann man sagen: alter Schule. Auch da müssen wir uns Gedanken machen, und da müssen wir auch Vorsorge treffen.

Ganz zum Schluss möchte ich noch kurz anmerken, dass mir aufgefallen ist, dass Frau Ministerin Kunst im Ausschuss die finanzielle Größenordnung für die Umsetzung laut Protokoll auf etwa 3,5 Millionen Euro jährlich beziffert hat und Sie in der Begründung des Antrags von mindestens 3 Millionen Euro im Haushalt 2013/2014 sprechen. Ich hoffe, dass Sie die 3 Millionen Euro nicht auf die beiden Haushaltsjahre aufteilen wollen, sondern dies die jährliche Finanzierung ist. Da hätten Sie ruhig auch in der Begründung konsequent sein und sagen können, dass die notwendigen finanziellen Ressourcen bereitgestellt werden, denn es wäre schade, wenn Sie jetzt schon in der Begründung anfangen, wieder umzufallen, denn der Antrag ist sinnvoll und hätte das nicht verdient. Und weil der Antrag sinnvoll ist, stimmen wir ihm auch zu. - Danke schön.

(Vereinzelt Beifall CDU und DIE LINKE - Zuruf von der SPD: Das ist doch mal ein Wort!)

Der Abgeordnete Büttner spricht für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Große, ich sage es Ihnen gleich vorweg: Das, was Sie hier ausgeführt haben, das, was Sie gesagt haben, ist alles richtig - also weitestgehend, ein bisschen einschränken muss ich das schon. Wir werden dem Antrag auch zustimmen. Sie haben allerdings nicht mit einem Wort erklärt, warum wir diesen Antrag eigentlich benötigen.

(Krause [DIE LINKE]: Doch! - Vereinzelt Beifall GRÜ- NE/B90)

- Nein. - Sie haben hier darüber geredet, dass die Universität Potsdam eine Planungsgröße brauche, dass sie wissen müsse, was passiert. Ich lese Ihnen einmal die Stellungnahme der Universität Potsdam für das gemeinsame Fachgespräch des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport und des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur, an dem Sie teilgenommen haben, das letztes Jahr im November stattgefunden hat, vor:

„Das neue Curriculum …“

- Wir reden hier gerade über Inklusions- und Sonderpädagogen.

„… wird gegenwärtig erarbeitet. Die Vorbereitungen sind im Zeitplan. Wenn alle Fragen zum Konzept und Curriculum geklärt werden können, kann die Ausbildung von Inklusionspädagogen im Wintersemester 2012/13 beginnen, ansonsten im Wintersemester 2013/14.“

Und so geht es weiter.

Frau Kollegin Große, dieser Antrag ist ein Schaufensterantrag. Es tut mir leid, anders kann ich ihn nicht verstehen. Ja, wir stimmen ihm zu. Sie alle wissen, dass wir diesem Konzept zustimmen, dass wir es wollen. Wir wissen, dass wir Inklusions- und Sonderpädagogen brauchen. Aber ganz offensichtlich - nur so kann ich mir die Genese dieses Antrags erklären - kann sich Ihre Wissenschaftsministerin nicht gegen den Finanzminister durchsetzen,

(Vereinzelt Beifall FDP)

und deswegen brauchen Sie jemanden, nämlich die Regierungsfraktionen, die dann am Ende den Auftrag ans Wissenschaftsministerium geben, damit der Finanzminister gebunden ist. Anders kann ich es mir nicht erklären, Frau Große;

(Vereinzelt Beifall CDU und GRÜNE/B90)

insofern tut es mir leid. Wir wollen es. Wir wollen Sonder- und Inklusionspädagogen. Machen Sie es doch einfach! Es steht seit zwei Jahren in Ihrem Koalitionsvertrag. Ich wäre froh, wenn andere Dinge, die in Ihrem Koalitionsvertrag stehen, so lange dauern würden; das wäre besser für das Land. Aber dieser Antrag und das Lehrerbildungskonzept kommen zwei Jahre zu spät.

Traurig ist - da haben Sie völlig Recht -, dass Brandenburg keine Sonderpädagogen ausbildet, wir viel zu lange keine ausgebildet haben und so der Zug selbstverständlich auch ein Stück weit an uns vorbeifährt, wenn wir nicht schnell umsteuern. Wenn wir 2013/14 - also in zwei Jahren - mit der Ausbildung anfangen und dann noch die Ausbildungszeit hinzurechnen sieben, acht, neun Jahre, bevor wir die Sonder- und Inklusionspädagogen haben -, sind wir zu spät. Stellen Sie es selbst für sich fest: Sie sind einfach zwei Jahre zu spät. Sie wissen seit längerem, dass Brandenburg entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention auch ein inklusives Schulsystem einführen wird, und ich gebe dem Kollegen Hoffmann absolut Recht, das heißt natürlich nicht, dass wir die Förderschulen alle abschaffen wollen, auch wenn Sie uns das hier immer wieder suggerieren.

Wir arbeiten seit zwei Jahren daran. Ich habe es Ihnen gerade vorgelesen, wir haben es in den Ausschüssen gehabt. Insofern hat mich Ihr Antrag völlig überrascht, und ich habe nicht verstanden, warum Sie ihn stellen.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Wenn er zu spät kommt, kann er Sie doch nicht überraschen!)

- Frau Kaiser, Sie müssen es auch mal verstehen. Ich kann es nicht ändern, wenn Sie es nicht verstehen.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Der kann doch nicht überra- schen!)

Dann hätten Sie diesen Antrag nicht zu bringen brauchen.

Wir stimmen dem Antrag zu. Alles ist gut. Vielleicht klappt es ja dieses Mal. Ich hoffe, Sie bringen uns nicht im nächsten Jahr noch einmal einen Antrag, dass wir dringend einen Antrag stellen müssen, um Inklusions- und Sonderpädagogen einzuführen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU und GRÜNE/B90)

Die Abgeordnete von Halem spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Zuruf der Abgeordneten Große [DIE LINKE] - Weitere Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

- Bitte keine Aufregung! Freut euch lieber über das große Einvernehmen im Saal.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich trage gern dazu bei. Wer an der Regierung ist, glänzt gern mit Tatendrang, das wissen wir alle. Schließlich will man sich des vom Wahlvolk entgegengebrachten Vertrauens würdig erweisen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Genau!)

Beherzt geht man die Probleme des Landes an und bringt es mit stolzgeschwellter Brust zügig über die Bühne.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)