Protocol of the Session on September 29, 2011

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Dann werden wir sehen, wie ernsthaft Sie Politik betreiben oder ob es billigster Populismus ist, diesen Widerspruch aufzumachen.

(Zurufe von der Fraktion GRÜNE/B90 - Görke [DIE LINKE]: Die bilden ja nicht die Regierungsmehrheit!)

Wir müssen zwar in diesen sauren Apfel beißen, aber ich kann Ihnen nur empfehlen, diesem Staatsvertrag zuzustimmen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Es geht in der Aussprache weiter mit dem Beitrag der CDUFraktion. Herr Abgeordneter Eichelbaum hat das Wort.

(Holzschuher [SPD]: Aber vorsichtig; ich weiß, es könnte auch Rot-Schwarz geben! - Heiterkeit bei SPD und DIE LINKE)

Na ja, in der JVA Heidering hätten wir dann genügend Platz, vor allen Dingen für SPD-Landräte, Herr Holzschuher.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich werden wir heute mit diesem Gesetzentwurf schon vor vollendete Tatsachen gestellt. Wir reden hier über vergossene Milch, denn der entsprechende Staatsvertrag wurde bereits am 25. August von den beiden Landesregierungen unterzeichnet. Wir würden uns deshalb auch wünschen, dass das Mitspracherecht des Parlaments an dieser Stelle erweitert wird und vor allem auch die Fachausschüsse in die Erarbeitung von Staatsverträgen frühzeitig eingebunden werden.

(Beifall CDU sowie vereinzelt FDP und GRÜNE/B90)

Insofern können wir heute natürlich nur eine nachträgliche Bewertung vornehmen.

(Frau Wöllert [DIE LINKE]: Aber Sie hätten das vorher ändern können!)

Und da verwundert mich schon die Kritik des Justizministers bezüglich der Errichtung der JVA Heidering, denn die Linke und die SPD in Berlin haben den Bau dieser JVA maßgeblich vorangetrieben und dies auch im Berliner Koalitionsvertrag festgeschrieben. Richtig ist, dass der Bau der JVA Heidering in beiden Ländern stark umstritten war und ist. Es ist der Bevölkerung auch kaum erklärbar, dass das Land Berlin in Brandenburg für 120 Millionen Euro ein neues Gefängnis baut, während Brandenburg über freie Haftkapazitäten verfügt.

Aber zur Wahrheit gehört eben auch, dass es zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Bau der JVA Heidering eine ganz andere Ausgangssituation im Strafvollzug gegeben hat, und zwar in beiden Ländern. Herr Minister Dr. Schöneburg, Sie werden mir sicherlich Recht geben: Wenn man eine realistische Prognose für die zukünftige Auslastung von Haftkapazitäten treffen will, dann kann man das nur über einen Zeitraum von fünf Jahren machen.

Schauen wir uns einmal Folgendes an: In Brandenburg waren 2005 lediglich 10 % der Haftplätze nicht belegt, es gab also damals nicht genügend freie Kapazitäten für die Aufnahme von Berliner Gefangenen. Trotzdem senkte die damalige Justizministerin Beate Blechinger in ihrem damaligen Vollzugsentwicklungskonzept die Anzahl der Haftplätze von 2 700 auf 2 365 und später auf 2 123. Außerdem wurde dann noch der geschlossene Vollzug in der JVA Spremberg beendet. In der Rückschau kann man also heute sagen: Das war eine völlig richtige Entscheidung der damaligen Justizminister.

(Beifall CDU)

Auf ein solches Vollzugskonzept von Ihnen, Herr Minister Dr. Schöneburg, warten wir schon seit Jahren. Den damaligen Justizministern heute Untätigkeit vorzuwerfen ist schon unredlich. Die Justizminister Kurt Schelter, Barbara Richstein und Beate Blechinger haben mit einem beispiellosen Modernisierungsprogramm die Gefängnisse in Brandenburg sicherer gemacht, sie haben die Arbeitsbedingungen der Justizbeschäftigten maßgeblich verbessert und den Strafvollzug in Brandenburg menschenwürdig gemacht,

(Zurufe der Abgeordneten Görke und Frau Wehlan [DIE LINKE])

ja, sie haben damit das „Reisebüro Bräutigam“ geschlossen.

(Beifall CDU)

Dafür gebührt ihnen unser Dank, unser Respekt und unsere Anerkennung. Dagegen herrschten und herrschen in Berlin bis heute ganz andere Verhältnisse. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Bau der JVA Heidering im Jahr 2007 gab es in Berlin ein Allzeithoch von 5 600 Gefangenen, und man prognostizierte einen jährlichen Anstieg der Gefangenenzahlen von 3 %. Überbelegung und zu kleine Zellen führen seit Jahren dazu, dass in Berlin Gefangene rechtswidrig und teilweise auch verfassungswidrig untergebracht werden. Wer sich davon selbst ein Bild machen möchte, sollte einmal die JVA in Tegel besuchen.

Von daher war zum damaligen Zeitpunkt die Entscheidung über den Bau der JVA Heidering nachvollziehbar. Doch dann ereignete sich die einmalige Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen rund um die JVA Heidering: Erst stieg der Baukostenrahmen von 85 Millionen Euro auf 118,5 Millionen Euro, dann verzögerte sich der Baubeginn, es gab Altlasten im Boden und auch noch einen Baustopp wegen eines Rechtsstreits um die Ausschreibung, sodass dann vor einem Jahr selbst der Berliner SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Müller das Projekt infrage stellte.

Zu diesem Zeitpunkt war dann auch klar, dass Brandenburg über genügend freie Haftkapazitäten, auch für Berliner Gefangene, verfügt. Deshalb war Ihr Angebot richtig, dass Berlin Haftkapazitäten in Brandenburg nutzen sollte. Doch damit begann leider auch ein Trauerspiel zwischen der Berliner Justizsenatorin und dem Brandenburger Justizminister. Berlin und Brandenburg fanden im Strafvollzug leider keinen Weg zueinander und auch keine Lösung füreinander.

(Beifall CDU)

Die Wortwahl und der Umgang der Beteiligten sprechen da schon Bände. Ich möchte hier einmal nur eine Äußerung der Berliner Justizsenatorin wiedergeben. Sie sagte:

„Jetzt kommt Brandenburg wie Kai aus der Kiste und macht dieses Angebot. Ich finde es schade, dass die guten Beziehungen, die Berlin und Brandenburg auf dem Gebiet des Justizvollzuges pflegen, hierdurch gestört werden.“

(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Das hätte Jahre früher ge- schehen müssen, Herr Eichelbaum!)

Beendet wurde dieses Trauerspiel dann mit einem Machtwort vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit. Das ist oder war die traurige Realität der Zusammenarbeit zweier rot-roter Landesregierungen. Man kann nur hoffen, dass mit der neuen Regierungskoalition in Berlin ein Stück Normalität auch in der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Rechtspolitik einziehen wird.

(Beifall CDU sowie vereinzelt FDP und GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Eichelbaum. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Ziel hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich gebe zu, es ist schwierig zu erklären: Auf der einen Seite sind Haftplätze in Brandenburg frei, und auf der anderen Seite muss Berlin Haftplätze bauen.

Ich möchte aber noch ein wenig zurückgehen. In den Anfangsjahren nach der Wende hatten wir bei weitem nicht ausreichend Haftplätze in Brandenburg. Die Haftplätze, die wir hatten, waren sogar zu einem großen Teil menschenunwürdig; selbst wenn es um Haftgefangene geht, muss man das sagen dürfen. Wir haben alle Kraft darangesetzt, Haftplätze bei uns im Lande zu schaffen. Erst etwa ab dem Jahr 2002 - da ging Cottbus/Duben ans Netz - war es so, dass man sagen konnte: Jetzt haben wir uns so weit verbessert, dass wir ausreichend Haftplätze haben, aber bei weitem nicht zu viele.

Dass wir zu viele Haftplätze hatten, zeigte sich etwa erst im Jahr 2008, eventuell auch bereits im Jahr 2007; darüber möchte ich nicht richten. Eines muss jedoch klar sein: Auf dieser Tabelle - das ist eine Grafik, die ich mitgebracht habe

(Der Abgeordnete Ziel zeigt eine Grafik.)

und die ein kluger Mensch aus dem Justizministerium, glaube ich, verfasst hat - kann man deutlich erkennen, dass dieser beträchtliche Überhang erst etwa ab dem Jahr 2008 festzustellen ist.

Nun kommt die Berliner Seite: Die Berliner hatten im Jahr 2008 weitgehend alle Verträge - sie bauen das im Rahmen von Public Private Partnership -, mit denen, die dort bauen und errichten sollten, abgeschlossen. Dazu sage ich: Kommen Sie aus diesen Verträgen erst einmal heraus! Schließlich gilt: Pacta sunt servanda - Verträge gelten eben.

Dennoch würde ich den Berlinern keine Vorwürfe machen, dass Sie dieses Ziel weiterverfolgt haben und weiterverfolgen mussten. Wenn sie aus den Verträgen aussteigen, haben sie Millionen in den brandenburgischen Sand gesetzt. Das kann nicht richtig sein. Wenn sie den Vertrag aufrechterhalten, ist das Land Brandenburg da und sagt: Jetzt sind wir in der Lage, euch Haftplätze anzubieten.

In Zukunft kann man sicherlich besser verfahren, aber nun ist die Situation einmal so, dass der Staatsvertrag vorliegt. Meines Erachtens wären wir nicht richtig beraten, wenn wir sagten:

Das interessiert uns ab heute nicht mehr. Wir werden mit den Berlinern im Schulterschluss vermutlich noch viele Probleme der Zukunft lösen müssen. Insofern hoffe ich, dass wir das besser tun werden, als es bisher der Fall gewesen ist. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ziel. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Teuteberg erhält das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute über den Staatsvertrag zu einer Einrichtung, deren Planung und Bau von Anfang an unter keinem guten Stern standen. Seit Mitte der 90-er Jahre wird über den Bau einer Berliner Justizvollzugsanstalt in Großbeeren diskutiert. Die Planungen liefen schon unter dem damaligen Justizsenator Ehrhart Körting auf Hochtouren, später wurden sie kurzzeitig auf Eis gelegt, und nach der Ausschreibung im Jahr 2007 folgte dann die Ankündigung, dass sich die Gesamtkosten für den Bau der neuen Justizvollzugsanstalt statt der angekündigten 80 Millionen Euro nun auf knapp 120 Millionen Euro belaufen würden. Schließlich kam es zu einem monatelangen Baustopp wegen einer Konkurrentenklage im Vergabeverfahren.

Die Errichtung einer Berliner Justizvollzugsanstalt auf Brandenburger Boden - das war von Anfang an eine Geschichte von schlechter Planung, von Pleiten, Pech und Pannen.

(Beifall FDP und GRÜNE/B90)

Selbst auf der Berliner Seite wird die Notwendigkeit des Neubaus angezweifelt. Auch dort sinkt die Zahl der Inhaftierten. Brandenburg hatte Berlin zudem vor Baubeginn nicht genutzte Haftkapazitäten angeboten. Es ist bedauerlich und den Menschen sowohl in Berlin als auch in Brandenburg kaum zu vermitteln, weshalb ein neues, hochmodernes Gefängnis gebaut werden muss, wenn andere leer stehen. Wie man es auch dreht und wendet, mit der JVA Heidering werden Berliner Steuergelder in den märkischen Sand gesetzt.

(Beifall FDP und GRÜNE/B90)

Dass Sie, sehr geehrter Herr Minister Schöneburg, darauf verwiesen haben, dass dem Land Brandenburg durch die JVA Heidering keine Kosten entstehen und es „lediglich positive wirtschaftliche Auswirkungen durch mögliche Auftragsvergaben für Brandenburger Unternehmen“ geben werde, macht die Sache im Kern leider nicht besser. Positive wirtschaftliche und vor allem auch haushalterische Auswirkungen würde es auch geben, wenn andere Haftanstalten in Brandenburg besser ausgelastet würden.

Was also hätten wir gebraucht? - Wir hätten eine frühzeitige und seriöse Bedarfsermittlung gebraucht, und zwar sowohl in Berlin als auch in Brandenburg, um auf dieser Grundlage konkrete Planungen für einen gemeinsamen Strafvollzug abzustimmen. Auf Berliner Seite hätte man eine transparente Darstellung der Finanzierungsmöglichkeiten gebraucht, um einer

unvorhergesehenen Kostenexplosion vorzubeugen. Wir hätten mehr Offenheit und Entgegenkommen auf beiden Seiten gebraucht, um über Alternativen - zum Beispiel die Modernisierung und den Ausbau anderer Haftanstalten in Berlin oder Brandenburg - zu diskutieren.

(Beifall FDP und GRÜNE/B90)

Wir brauchen in Zukunft genau all dies weiterhin: eine seriöse Bedarfsplanung, transparente Finanzierungsmöglichkeiten und mehr Flexibilität bei der Überprüfung von Alternativen. Eine mangelnde Ausnutzung der vorhandenen Kapazitäten ist das eine, aber eine mangelnde Abstimmung, um in wichtigen Fragen - wie der Sicherungsverwahrung - zusammenzuarbeiten, darf es nicht geben.