Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Kaiser, Sie haben in Ihrem Beitrag so getan, als gäbe es in Deutschland eine ernsthafte Diskussion darüber, dass die Atomenergie eine Perspektive für 100 Jahre haben soll. Fakt ist doch vielmehr etwas anderes: Bei der jetzigen Bundesregierung - im Gegensatz zu der davor - ist der Endtermin für das Abschalten des letzten Kernkraftwerkes in Deutschland klar.
Sie haben nach den Ausstiegsterminen gefragt. Das können Sie in der Zeitung nachlesen. Wenn Sie es nicht nachlesen möchten, dann können Sie Ihre Ministerin fragen. Dann wissen Sie, dass der Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland besiegelte Sache ist.
Die Diskussion, die wir hier führen, ist so, als würde bei uns Pro und Kontra einer dauerhaften Nutzung der Kernenergie diskutiert.
- Frau Kaiser, ich möchte mich auch für meine Fraktion dagegen verwahren, dass eine Diskussion auf dem Rücken der Menschen geführt wird, die Leid erfahren haben. Ich darf, meine Damen und Herren - ich sage das aber auch für die Presse feststellen: Wir haben heute hier im Landtag eine Gedenkminute eingelegt. Die Gedenkminute ist vom Präsidenten mit dem Gedenken an die 20 000 Opfer der Atomkatastrophe in Japan eingeleitet worden. Meine Damen und Herren, das werden Sie im Protokoll lesen. Ich hoffe, dass es in Japan nicht ein einziges Todesopfer aus der Atomkraftkatastrophe - auch keinen dauerhaft Geschädigten - geben wird. Von daher, meine Damen und Herren, lassen Sie uns auch ein bisschen innehalten. Wir sollten uns jetzt nicht gegenseitig vorführen, sondern den Fokus auf das lenken, um was es geht.
Wenn sich die Mitglieder dieses Landtages erheben, um der Opfer einer Kernkraftkatastrophe - anstatt der über 20 000 Op
fer einer Naturkatastrophe zu gedenken, dann, meine Damen und Herren, haben wir hier etwas falsch verstanden.
Meine Damen und Herren, solange sich eine Kurzintervention auf den vorhergehenden Redebeitrag bezieht, ist sie zulässig, auch wenn Ihnen der Text nicht gefällt. - Die Abgeordnete Kaiser hat jetzt die Möglichkeit, auf diese Kurzintervention zu reagieren, wenn sie denn möchte. - Sie möchte nicht. Also fahren wir in der Rednerliste fort. Es spricht der Abgeordnete Beyer für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir mussten in der Tat zur Kenntnis nehmen, dass das japanische Volk und die japanische Insel von einer der größten Naturkatastrophen in der Geschichte - man kann, glaube ich sagen, in der Geschichte der Menschheit heimgesucht worden sind. Auch wenn der Begriff „Naturkatastrophe“ widersprüchlich ist - denn die Natur kennt keine Katastrophen -, so ist das, was wir miterlebt haben - insbesondere das, was wir an den Bildschirmen gesehen und in den Zeitungen gelesen haben -, in der Tat eine Katastrophe für die betroffenen Menschen.
Ich glaube, es ist richtig und gut - ich danke auch ausdrücklich den Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion -, dass wir das nutzen, um heute im Rahmen einer Aktuellen Stunde zu reflektieren, welche Lehren wir daraus ziehen können. Und ich denke, es ist auch richtig, dass wir im Lichte der Ereignisse in Japan diese Lehren sehr auf das Thema der Energiepolitik projizieren. Ich glaube, wir sollten bemüht sein, diese Lehren möglichst sachlich - und dort, wo es möglich ist, auch im Konsens - zu erörtern.
Es ist insofern in der Debatte erleichternd - ich nehme das zumindest aus den ersten Redebeiträgen sowie auch aus der Kurzintervention des Kollegen Dombrowski so mit -, dass es zumindest einen gewissen Grundkonsens gibt. Es gibt den Grundkonsens, dass wir alle die Atomtechnologie als eine Übergangstechnologie betrachten. Wir sind uns allerdings nicht einig, wie lang diese Brücke in das neue Zeitalter sein muss. Für meine Fraktion steht außer Frage, dass wir diese Brücke in das neue Zeitalter, das wahrscheinlich primär ein Zeitalter der regenerativen Energien sein wird, brauchen. Es besteht auch Einigkeit, dass wir alles unternehmen müssen, um diese Brücke kurz zu halten und den Weg in dieses neue Zeitalter zu beschleunigen.
Ich denke, es ist auch richtig, dass die Bundesregierung im Lichte der Ereignisse in Japan weiterhin darüber nachdenkt, alte Meiler - insbesondere die, die vor 1980 ans Netz gegangen sind - früher vom Netz zu nehmen. Das würde allerdings logischerweise zwangsläufig auch bedeuten, dass die neueren Meiler länger laufen werden.
Auch bin ich froh, dass es einen Konsens in Bezug auf die Folgen für das Land Brandenburg gibt. Ich zitiere gerne aus dem
Entschließungsantrag der Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sie schreiben - und ich unterschreibe das - Folgendes:
„Der Übergang in die Vollversorgung mit erneuerbaren Energien kann nicht von heute auf morgen geschehen.“
Auch das ist ein Grundkonsens; aber dann wird es langsam dünn. Dann fangen teilweise abenteuerliche Schlussfolgerungen und abenteuerliche Debatten an.
Für uns steht in dieser Frage ganz klar im Vordergrund: Wie nehmen wir unsere Verantwortung im Land Brandenburg wahr? Deshalb haben wir unseren Entschließungsantrag auch mit „Verantwortung des Landes Brandenburg in der Energiepolitik wahrnehmen“ überschrieben.
Kollege Holzschuher, glaubwürdig handelt der, der dort handelt, wo er Handlungskompetenz besitzt. Dafür sind wir als Abgeordnete in dieses Haus berufen worden. Für das Land Brandenburg bedeutet das aus unserer Perspektive - der Kollege Bretz hat schon darauf hingewiesen -, dass die Energiestrategie 2020 überarbeitet werden muss. Liebe Frau Kollegin Kaiser, aussteigen kann eben nur der, der vorher abgibt, der vorher leistet. Und hier liegt das Defizit begründet.
Die Energiestrategie 2020 wird einen längeren Betrachtungszeitraum - wahrscheinlich bis zum Jahr 2050 - haben müssen. Sie wird auch anerkennen müssen - das ist weit weniger kompatibel mit so manchen Aussagen im Entschließungsantrag der Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN -, dass es sich eben um eine berlin-brandenburgische Energieregion handelt und dass wir hier in Brandenburg Berlin mitversorgen müssen. Es sind Wunschträume, wenn man sagt: Wir können Brandenburg relativ schnell unabhängig machen. Dabei können wir aber eben Berlin nicht vergessen.
Das bedeutet auch, dass wir ehrlich mit diesem Problem umgehen müssen. Wir müssen den Menschen ganz klar sagen: Der Weg in das regenerative Zeitalter wird - mindestens in der Amortisierungsphase - mit höheren Kosten verbunden sein. Weiterhin bedeutet es, dass wir ehrlich und offen die Frage beantworten, wie die Lastenverteilung bei diesen höheren Kosten aussehen soll.
Die Verantwortung für das Land Brandenburg bedeutet auch, dass wir den Menschen offen und ehrlich sagen: Natürlich können wir theoretisch relativ schnell abschalten. Rein technisch gesehen können wir die Atommeiler morgen abschalten. Wir müssen dann aber zwei Fragen beantworten. Die erste Option ist, dass wir den Menschen sagen: Wir minimieren sofort erheblich unseren Wohlstand. Bitte schön, diese Frage kann gestellt werden.
- Aber doch nur für Brandenburg! - Die zweite Frage lautet: Woher nehmen wir die Energie, die wir momentan noch zur Grundlastabsicherung brauchen? Und dann müssen wir auch
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das bedeutet auch, dass wir den Menschen sagen bzw. den Wirtschaftsminister sagen lassen, dass es eben keine konfliktfreie Energieversorgung gibt und dass wir auf diesem Weg schneller werden müssen. Es bedeutet auch, dass wir offen und ehrlich sein und bekennen müssen, dass wir diesen Weg nur gemeinsam gehen können. Wir haben Ihnen die Hand angeboten. Gehen Sie diesen Weg gemeinsam mit uns! Setzen Sie sich mit uns zusammen! Lassen Sie uns diese schwierigen Fragen im Konsens angehen! Dann haben wir etwas für die Menschen gewonnen. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, wir alle empfinden tiefes Mitgefühl mit den betroffenen Menschen in Japan. Wir alle trauern um die Opfer des schrecklichen Erdbebens und des Tsunamis und sind in Gedanken bei denjenigen, die nun, zusätzlich von einer atomaren Katastrophe bedroht, um Leben und Gesundheit fürchten müssen.
25 Jahre nach Tschernobyl verdeutlicht Fukushima auf tragische Weise erneut, dass die Atomenergie eine nicht beherrschbare Risikotechnologie ist. So wie Hiroshima bis heute die menschheitsbedrohende, zerstörerische Kraft eines Atomkrieges verkörpert, steht Fukushima dafür, dass auch die sogenannte friedliche Nutzung der Atomenergie für die Menschheit untragbare Risiken birgt.
Wir alle sind aufgefordert, unserer Bestürzung und Trauer angemessen Raum zu geben. Dies darf uns aber nicht daran hindern, Herr Bretz, sondern muss uns geradezu dazu zwingen, aus der atomaren Katastrophe in Japan die dringend gebotenen Schlüsse für die zukünftige Energieversorgung bei uns zu ziehen.
Herr Dombrowski, diese Diskussion zu führen heißt nicht, die Opfer zu instrumentalisieren. Wir begrüßen deshalb die von der SPD beantragte Aktuelle Stunde mit dem Titel „Atomkraft, nein danke!“, auch wenn mir dieses höfliche „Nein, danke!“ immer schwerer über die Lippen geht. Wir stimmen Ihrem Entschließungsantrag ausdrücklich zu, der aus unserer Sicht allerdings nur die aktuellen Minimalforderungen formuliert. Diese Minimalforderungen - ich nenne sie noch einmal - bestehen in der Rücknahme der von Schwarz-Gelb verlängerten Laufzeiten und in der unverzüglichen und endgültigen Stilllegung der sieben ältesten Atomkraftwerke sowie des Pannenreaktors in Krümmel.
Wir müssen uns darüber hinaus aber auch darüber verständigen, wie wir die restlichen Atomreaktoren innerhalb kürzester Zeit vom Netz nehmen können. Dass dies möglich ist, werden wir bereits im Mai dieses Jahres sehen, wo zusätzlich zu den acht stillgelegten Atomkraftwerken weitere fünf Atomkraftwerke routinemäßig vom Netz gehen, mithin 75 % der atomaren Leistung nicht mehr für unser Stromsystem zur Verfügung stehen, und ich garantiere Ihnen: Das Stromnetz wird nicht zusammenbrechen.
Völlig zu Recht trägt deshalb die heutige Aktuelle Stunde den kaum zu überlesenden Zusatz „Für eine zukunftsfähige Energieversorgung in Brandenburg und Deutschland“; genau hier setzt unser weitergehender Entschließungsantrag an. Es ist wichtig und richtig, Forderungen zum Atomausstieg an die Bundesregierung zu richten. Es ist auch richtig, deren von Wahlkampftaktik geprägte Entscheidungen zu kritisieren. Als Brandenburger Landtag ist es aber auch unsere Pflicht, die politischen Weichen in unserem eigenen Bundesland zu stellen.
Denn die Alternative zur Risikotechnologie Atomkraft liegt im konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien, in der Entwicklung neuer Speichertechnologien, der Verbesserung der Energieeffizienz und Energieeinsparung, in der Schaffung eines dezentralen Energieversorgungssystems und eben nicht in der dauerhaften Absicherung der Verstromung fossiler Brennstoffe in verbraucherfernen Großkraftwerken.
Jetzt steht der Ausstieg aus der Atomkraftnutzung auf der Agenda ganz oben, jedoch besteht das Weltklimaproblem mit dem Ausstieg aus der Atomkraft unverändert fort. Wir wissen, dass eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien nicht von heute auf morgen geschehen kann und wir für eine Übergangszeit fossile Energieträger einsetzen müssen. Wir werden für diese Übergangszeit auch Braunkohle einsetzen müssen. Nach dem endgültigen Abschalten aller Atomkraftwerke muss jedoch ein gleitender Ausstieg aus der fossilen Brennstoffnutzung in der Reihenfolge ihrer Klimaschädlichkeit erfolgen. Das bedeutet für uns zunächst einen Ausstieg aus der Braunkohle, dann einen Ausstieg aus der Steinkohle und perspektivisch - zuletzt aus der Erdgasnutzung.
Dass dies für Braunkohle bis 2030 ohne Stromlücke möglich ist, belegen zahlreiche Studien. Der Einstieg in neue Risikotechnologien - wie CCS - ist, wenn wir es ernst meinen, mit dem nun avisierten beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien für die Lösung unserer Energieprobleme nicht erforderlich.
Ganz im Gegenteil: Das damit verbundene Festzementieren der gegenwärtigen zentralisierten Erzeugerstrukturen würde den Weg hin zu einer nachhaltigen Energieerzeugung versperren. Eine zukunftsfähige Energieversorgung in Brandenburg und Deutschland - das heißt für uns, 100 % Zukunft ohne Atomenergie -, für eine konsequente Energiewende. Nie wieder Tschernobyl, nie wieder Fukushima - Atomkraft, nein danke!
Meine Damen und Herren, wir setzen mit dem Beitrag der Landesregierung, für die Frau Ministerin Tack spricht, fort.