Protocol of the Session on November 10, 2010

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Kann man Fische durch Nachweispflicht ertränken? - Ludwig [DIE LINKE]: Welche kann man überhaupt ertränken?)

- Ich glaube doch.

Lassen Sie uns daher gemeinsam Vollzugsmöglichkeiten ergreifen, die einen einheitlichen und vollständigen Vollzug der Steuergesetze sicherstellen. Ein gerechtes Steuersystem erreichen wir nicht nur, indem wir eine sozial ausgewogene Steuerpolitik auf dem Papier festschreiben, sondern und vor allem dadurch, dass wir diese Politik durch eine einheitliche Verwaltung gerecht und gegenüber jedermann gleichermaßen vollziehen können. - Danke.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Muhß. Die Frage, ob Fische ertränkt werden können, klären wir noch.

(Bischoff [SPD]: Im Umweltausschuss!)

Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Die Abgeordnete Vogdt wird zu uns sprechen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bericht über die aktuelle Situation der Steuerverwaltung des Landes, über den wir hier debattieren, liest sich auf den ersten Blick ganz schlüssig.

Aber das Fazit des Regierungsberichts ist - wen wundert es? -: Alles ist gut. Die Regierung hat wieder einmal alles ganz super gemacht.

Ist es wirklich so? Ist für die Landesregierung die gerechte und gleichmäßige Anwendung der Steuergesetze gegenüber allen Brandenburgern, die Sicherung der Steuereinnahmen sowie die

konsequente Bekämpfung der Steuer- und Wirtschaftskriminalität von großer Bedeutung?

Gerade im Hinblick auf den desolaten Zustand des Brandenburger Haushalts ist die Erfüllung der Aufgaben der Einnahmeverwaltung von immenser Bedeutung. Voraussetzung dafür ist jedoch eine Finanzverwaltung, die über eine am tatsächlichen Bedarf orientierte Personalausstattung verfügt. Für das laufende Jahr sind 3 459 Stellen vorgesehen. Davon sind 44 Stellen nicht besetzt. Diese Zahl erhöht sich um 137 auf 181 durch Umrechnen der Teilzeitarbeitsverhältnisse auf Vollzeitarbeitskapazitäten. Bis 2014 sollen die Stellen noch weiter, auf 3 358 reduziert werden.

Der Landesrechnungshof äußerte sich schon in seinem Bericht 2009 besorgt über die geplante Stellenreduzierung. Dort heißt es:

Der Landesrechnungshof „kann nicht erkennen, dass den angestrebten Sollwerten aufgabenkritische Analysen des Personalbestandes zugrunde liegen.“

In dem hier vorgelegten Bericht finden sich viele Zahlen und eine ganze Reihe von Statistiken, aber eine aufgabenkritische Analyse des Personalbedarfs sucht man vergeblich.

An dieser Stelle möchte ich einmal den Abgeordneten Ralf Christoffers, Fraktion DIE LINKE, aus dem Jahre 2008 zitieren:

„Wir sind der Auffassung, dass es - auch vor dem Hintergrund der haushaltspolitischen Situation des Landes Brandenburg - vernünftig wäre, wenn wir eine Gesamtübersicht über Maßnahmen, Aufgaben, Anforderungsprofile und Veränderungsnotwendigkeiten der Steuerverwaltung im Land Brandenburg vorgelegt bekämen.“

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Was ist aus dieser Forderung geworden? Jetzt hätten Sie die Chance gehabt. Warum kommt nichts Entsprechendes aus Ihren Reihen? Kann oder will der Finanzminister nicht genau hinterfragen, was notwendig ist und ob die Personalbedarfsplanung den Aufgaben und Anforderungen, denen das Land gegenübersteht, gerecht wird?

Sie selbst schreiben doch, dass die Sicherung der Steuereinnahmen für das Land eine immer höhere Bedeutung gewinnt.

Auch der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Landesverband Brandenburg, Herr Büchler, den ich hiermit ausdrücklich begrüße, der im Frühjahr dem Ausschuss für Haushalt und Finanzen über die aktuelle Situation der Steuerverwaltung berichtete, kam zu dem Fazit, dass ein immer komplizierteres Steuerrecht durch eine Verwaltung anzuwenden ist, die weder über die hierzu notwendigen personellen noch sachlichen Mittel verfügt. Er warnte eindringlich davor, dass dem Land in der Folge dringend benötigte Steuergelder verloren gingen.

Noch eine Bemerkung zum komplizierten Steuerrecht, das wir, die FDP, seit Jahren kritisieren. Es freut mich, dass Sie in Ihrem Bericht über die aktuelle Situation der Steuerverwaltung zu dem Ergebnis kommen, dass nur durch eine durchgreifende

Steuervereinfachung eine Entlastung der Finanzämter erreicht werden kann. Denken Sie daran, wenn entsprechende Entscheidungen darüber im Bundesrat anstehen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP sowie vereinzelt CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Vogdt. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Der Abgeordnete Görke hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vom Ministerium der Finanzen erarbeitete und vorgelegte Bericht geht zurück auf einen Antrag der Regierungskoalition und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in dem der aktuelle Zustand der Personalausstattung der Finanzämter, die Entwicklung des Personalbestandes bis hin zu einzelnen Aufgabenbereichen wie etwa der Betriebsprüfung oder der Steuerfahndungsstellen untersucht werden sollte.

Natürlich gibt es aus Sicht der Opposition immer etwas zu kritisieren. Aber, meine Damen und Herren von der CDU, mit Ihnen als damaliger Regierungsfraktion ist ein solcher Bericht überhaupt nicht möglich gewesen. Damals haben Sie die Chance vertan. Bereits 2008 hatte mein Kollege Ralf Christoffers und er ist ja hier angesprochen worden - diese Forderung erhoben. Sie haben im Juli 2008 - Frau Vogdt, das war Ihr dufter Partner jetzt in der Opposition - damals gegen diesen Antrag geredet. Das ist alles im Protokoll nachzulesen. Ich empfehle Ihnen, da hineinzuschauen. Das war 2008.

Heute, unter anderen Vorzeichen, wird die Arbeit der Landesregierung generell und insbesondere die der Steuerverwaltung in Bausch und Bogen schlechtgeredet und Maßnahmen, die man als Landesregierung unter wirklich schwierigsten finanzpolitischen Rahmenbedingungen ergreift oder ergriffen hat, werden kritisiert.

In dem Zusammenhang geht es natürlich auch um die Debatte von Struktur und Organisation der Steuerverwaltung in Brandenburg insgesamt. Diese Diskussion ist so alt wie das Land Brandenburg selbst. Die Steuerverwaltung bestand 1990 aus 21 Finanzämtern. Heute haben wir 15. Die Zusammenlegung von Finanzamtsstandorten ist also beileibe keine Erfindung eines linken Finanzministers, auch wenn Sie dies, meine Damen und Herren von der CDU - Herr Genilke, das haben Sie aus meiner Sicht im Wahlkreis erfolgreich praktiziert -, den Bürgern glaubhaft zu machen versucht haben. Aber wir kommen noch zu den Punkten, die die CDU tatsächlich zu verantworten hat, wenn wir über die Steuerverwaltung in diesem Land reden.

Unter Ihrer Mitregierung hatte die Ausbildung von Nachwuchskräften keine Priorität. Damit ist in der Vorsorge für die künftigen Personalabgänge, die wir jetzt zu verzeichnen haben, und für die Arbeitsfähigkeit der Finanzämter eine entsprechende Weiche gestellt worden. Diese für die Steuerverwaltung nicht gerade einfache Entwicklung hat diese Koalition zumindest zu entschärfen begonnen.

Im Jahre 2010 haben wir 15 Steueranwärterinnen und Steueranwärter in die Ausbildung aufgenommen, 15 Finanzanwärterinnen und Finanzanwärter haben im Oktober auch ihr Studium aufgenommen. Diese Entwicklung wird 2011 mit der Ausbildung von jeweils 30 Steuer- und Finanzanwärtern verstetigt.

Wir wissen aber auch, dass es nach der Personalbedarfsplanung einen Personalrückgang auch in der Finanzverwaltung geben wird: von 3 400 auf 3 200. Schauen Sie sich die Entwicklungen in anderen Bereichen der Landesverwaltung an. Dann sehen Sie, dass wir versucht haben - wie gesagt, unter schwierigsten Bedingungen -, diesen Bereich zu schonen. Aber wir können auch dort den Abbau bzw. Rückgang von Personal vor dem Hintergrund der zukünftigen Finanzhorizonte nicht verhindern.

Ich möchte mich an dieser Stelle für die Erarbeitung des Berichtes nicht nur beim Ministerium, sondern insbesondere bei den Beschäftigten der Finanzämter sowie bei den Gewerkschaften für ihre jahrelange gute Arbeit bedanken - trotz teilweise schwierigster Bedingungen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Die durchgeführten Bürgerbefragungen, in die ich die Befragungen unter den Steuerberatern einfließen lassen möchte, haben kein schlechtes, sondern offenbar ein sehr gutes Image gezeigt, und das hat der Finanzminister hier auch deutlich gemacht.

Darüber hinaus zeigt der Bericht, in welchen Bereichen es klemmt bzw. Verbesserungen anzustreben sind. Beförderungsstau: Herr Kollege Burkardt, Sie haben die Zeithorizonte der letzten fünf bis zehn Jahre im Eingangsbereich genannt. Im Bereich der Eingangsämter haben wir dafür zu sorgen, dass Bewegung hineinkommt, und unter dem damaligen Finanzminister Speer ist in den letzten Jahren auch schon etwas passiert. Wir haben eine Überalterung wie generell in der Landesverwaltung. Diese ist exemplarisch für den gesamten Bereich; aber wir versuchen, unter den schwierigen Bedingungen hier etwas zu bewegen. Zur Fort-, Weiterbildung/Qualifizierung sage ich nur: Der TV Umbau, die Aufstockung eines Bereiches auf fast 5 Millionen, ist auch ein Signal, dass man hier daran denkt, den Umbau einer Verwaltung auch vor diesem Background zu ermöglichen.

Wenn Sie, meine Damen und Herren der CDU, der Meinung sind wir benötigen noch mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die aktuelle Personalbedarfsplanung hinaus, dann erwarten ich, die Koalition und die interessierte Öffentlichkeit ausfinanzierte Änderungsanträge im Dezember. Der Erfindung des Perpetuum mobile in der Steuerverwaltung werden wir natürlich nicht entgegenstehen; aber es ist davon auszugehen, dass hier im Plenum wieder nur ein Sturm im Wasserglas angezettelt wird wie bei der Diskussion über die Grunderwerbsteuer. Das war alles heiße Luft.

Herr Görke, Ihre Redezeit ist zu Ende.

- Letzter Satz: Heute haben wir den Gesetzentwurf zur Erhöhung der Grunderwerbssteuer mit den Stimmen der Koalition

beschlossen. Sie haben trotz der heißen Diskussion keinen einzigen ausfinanzierten Änderungsvorschlag vorgelegt, und das ist bezeichnend für Ihre Politik als Opposition. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Görke. - Wir setzen die Diskussion mit dem Beitrag der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN fort. Der Abgeordnete Vogel hat das Wort.

Frau Präsidentin! Lieber Herr Minister Markov! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich konstatieren, dass der Bericht tatsächlich die aufgeworfenen Fragen weitestgehend beantwortet, und auch wenn sich das Ministerium der Finanzen in der Bewertung der erhobenen Daten nicht von der branchenüblichen Schönfärberei freimachen kann, legt dieser Bericht - dabei muss man gar nicht einmal so viel zwischen den Zeilen lesen - auch die derzeitigen Schwachstellen offen. Damit ist er als Basis für eine umfassende Diskussion über die zukünftige Entwicklung der Steuerverwaltung geeignet, denn auch das gehört zur Wahrheit: Konkrete Vorstellungen zur zukünftigen Entwicklung der Steuerverwaltung sind - trotz des Titels dieses Berichtes - diesem nicht zu entnehmen.

Stellt man das von Frau Muhß vorgetragene Fazit des Ministers von der modern und effizient arbeitenden Steuerverwaltung dem Kommentar des Landesvorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft, Herrn Büchler, gegenüber, so meint man zunächst, dass hier über zwei verschiedene Berichte gesprochen wird. Herr Büchler kommentiert:

„Egal, in welchem Finanzamt ich mich befinde, die Situation der Steuerverwaltung ist gekennzeichnet durch eine zunehmende Überlastung des vorhandenen Personals, die trotz aller Bemühungen um organisatorische Effizienzverbesserung und maschinelle Unterstützung dazu führt, dass stringenter Gesetzesvollzug und Einheitlichkeit der Rechtsanwendung nicht mehr gewährleistet werden können.“

Ich denke, dass die Befürchtungen der Deutschen Steuergewerkschaft gerechtfertigt sind und näher an der Wahrheit liegen als die Schlussfolgerungen des Ministers.

Lassen Sie mich dies kurz an drei Beispielen dokumentieren. IT-Verfahren: Laut Bericht wird im Rahmen des Projektes „KONSENS“ - ein nettes Akronym für „koordinierte neue Softwareentwicklung für die Steuerverwaltung“ - an bundesweit einheitlichen IT-Verfahren für die Steuererhebung gearbeitet mit solch niedlichen Namen wie BIENE, ELFE oder GINSTER. ELSTER kennen Sie ja schon. Schwerpunkt von KONSENS ist - ich zitiere - „die bestehenden bis zu 30 Jahre alten IT-Verfahren zu modernisieren“.

Vor 30 Jahren hießen die Computer im Westen noch Commodore und Atari, im Osten Robotron. Damals gab es auch noch den Wartburg 353 und den Opel Kadett. Ein Unternehmen, das heute noch auf 10 Jahre alte IT-Verfahren zurückgreift, würde

allen Ernstes nicht den Anspruch der Anwendung moderner Methoden erheben. Vielleicht könnten Sie die Aussage von der angeblich modernen Steuerverwaltung noch einmal überdenken.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Zur Bundeseinheitlichkeit der Steuerverwaltung hat Frau Muhß bereits ausgeführt. Laut Bericht sind die einzelnen Länder nicht mehr in der Lage, mit der Entwicklung der Steuergesetzgebung im Bund Schritt zu halten. Dadurch wird natürlich die Bundeseinheitlichkeit der Steuererhebung gefährdet, und ich begrüße ausdrücklich das Eintreten der Landesregierung für die Schaffung einer Bundessteuerverwaltung.