Bericht zur Entwicklung und aktuellen Situation der Steuerverwaltung des Landes Brandenburg (gemäß Beschluss des Landtages Brandenburg vom 25.03.2010 - Drs. 5/630 [ND]-B)
Die Aussprache wird mit dem Beitrag der Landesregierung eröffnet. Herr Minister Dr. Markov, Sie haben wiederum das Wort.
Frau Vizepräsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Großartig ist, wie die Bevölkerung die Arbeit der Steuerverwaltungen und der Finanzämter beurteilt, nämlich in Umfragen mit der Note 1,9.
Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass Steuerberater oder vielleicht auch Gewerkschaften aus der 1,9 eine 2,0 oder 2,1 machen würden. Aber der Bürger honoriert die Arbeit der Finanzämter im Land Brandenburg.
Im Übrigen - das möchte ich nebenbei bemerken - ist dieser Antrag, dass wir als Landesregierung den Bericht erstellen sollen, von den Oppositionsfraktionen gestellt worden. Wenn eine Oppositionsfraktion einen guten Vorschlag abschreibt, nämlich den der PDS aus dem Jahr 2008, die dies in diesem Landtag beantragt hat, dann übernehmen wir das selbstverständlich, kein Problem. Man muss bloß auf einer guten Basis etwas übernehmen, das ist die Voraussetzung.
In diesem Bericht wird sehr detailliert auf die unterschiedlichsten Notwendigkeiten, Gegebenheiten und Voraussetzungen eingegangen. Natürlich ist vollkommen klar, dass bei einer Beschreibung und bei der Abgabe von Daten, was den Auftrag der Steuerverwaltung und die Personalausstattung betrifft, festgelegt wird, welche modernen Steuerverfahren angewandt werden und welche Auswirkungen sie permanent auf die dann Beschäftigten haben, wie sich die Situation im Lande darstellt, ob die Finanzämter noch in dieser Größe vorhanden sein müssen, wie sie einmal waren. Wenn man sich die Zahlen von 2005 bis zum Personalbedarfsplanungsende 2019 anschaut, stellt man ein Minus von 332 Beschäftigten fest. Es gibt keine betriebsbedingten Kündigungen, sondern es sind ausscheidende Mitarbeiter. Dabei fragt man sich: Geht das oder geht das nicht? Ich sage: Ja, das geht. Dann sagt vielleicht jemand dahinten, das sei ihm zu viel Einsparung. Das ist eine Aushandlung von unterschiedlichen Gesichtspunkten - vollkommen klar.
Wenn im Land Brandenburg eben immer weniger Menschen wohnen - Sie können ausrechnen, um wie viel Prozent die Bevölkerung in diesem Zeitraum schrumpft -, wenn es zum Glück gelungen ist, dass viele derjenigen, die eine Steuererklärung abgeben müssen, dies bereits elektronisch tun, und wenn das noch weitergeht, dann sind das Erleichterungen. Natürlich müssen wir, sozusagen als Dienstherr - als MdF - immer wieder überlegen: Welche neuen Dinge müssen wir noch machen? Wie können wir Arbeiten so organisieren, dass sie vielleicht auch von zu Hause aus besser erledigt werden können? Welche zusätzlichen Voraussetzungen brauchen wir dafür? Diesen Anforderungen stellen wir uns permanent.
Natürlich hat der Bund mit seiner Gesetzgebung eine exorbitante Einwirkung darauf, was in den Finanzämtern an Arbeit anfällt. Sie alle haben sich die Mühe gemacht, diesen Bericht zu lesen, daher brauche ich nicht alle Zahlen zu referieren. Es wird uns immer vorgeworfen, wir würden viel zu wenig prüfen. Im Bundesdurchschnitt liegt das Land Brandenburg bei den unterschiedlichsten Kriterien immer im guten Mittelfeld. Bei manchen liegen wir weit oben, bei anderen weniger weit oben.
Ich wiederhole: Wir prüfen Großbetriebe mit mehr Prüfern hierbei lassen sich bei einer Prüfung tatsächlich mehr zusätzliche Einnahmen akquirieren -, und in diesem Bereich liegen wir im Bundesvergleich ganz vorn. Aber bei der Prüfung der vielen Ein-Mann-Unternehmen im Land Brandenburg, die sich gerade am Leben erhalten können, in denen der Eigentümer meist sogar darauf verzichtet, sich am Monatsende das Gehalt auszuzahlen, weil er sich das nicht leisten kann - er erzielt keinen Gewinn -, würde es keinen Sinn machen, enorm viele Steuerprüfer einzustellen. Diese Ein-Mann-Unternehmen bilden aber innerhalb der brandenburgischen Struktur den größten Anteil. Bei solchen Debatten muss man immer die Gege
benheiten des Landes berücksichtigen und nicht einfach Bundeszahlen herunterrechnen und Brandenburg überhelfen. Das kann man, sollte man aber nicht tun.
Zur Struktur der Finanzämter: Diesbezüglich gab es schon viele Debatten, und ich weiß, dass das heute noch angesprochen werden wird, deshalb spreche ich diesen Punkt jetzt selbst an. Jawohl, wir beabsichtigen, die Finanzämter Finsterwalde und Calau im Jahr 2013 zusammenzulegen. Wir beabsichtigen aber auch, am bisherigen Standort Finsterwalde eine Serviceeinheit zu belassen, und - jawohl - wir machen uns sehr viele Gedanken, wie wir die Beschäftigten, für die die Wege zur Arbeit weiter werden, sozusagen bewegen können. Wir werden, wenn jemand lieber in ein anderes Finanzamt wechseln möchte, versuchen, das zu berücksichtigen. Wir werden versuchen, Heimarbeitsplätze für die Mütter mit betreuungspflichtigen Kindern zu schaffen.
Im Übrigen: Es gab eine Unterschriftensammlung. Herr Genilke hat mir über 5 000 Unterschriften übergeben, richtig?
Davon konnte ich 2 100 Adressen und Unterschriften entziffern, und ich habe allen einen persönlichen Brief geschrieben, in dem ich meine Beweggründe für die Zusammenlegung dargelegt habe. Das ist die Transparenz, die Sie vorhin gefordert haben!
Ich nehme die Sorgen der Bürger sehr wohl wahr. Ich konnte nicht allen schreiben, weil nicht alle Adressen lesbar waren.
Ich sage noch einmal: Dieser Bericht besagt: Wir sind auf einem guten Weg, und die Finanzämter kommen ihren Aufgaben nach. Ich war bei vielen Veranstaltungen „Finanzamt vor Ort“ und konnte sehr gut beobachten - ich habe mit den Beschäftigten gesprochen -, welche Auffassungen die Beschäftigten haben, was verbesserungswürdig ist - in diesem Bereich gibt es immer viele Dinge - und wie die Bevölkerung es aufnimmt, dass sich Finanzämter vor Ort präsentieren. Es gibt wieder ein paar Neuerungen: Man braucht beispielsweise nicht mehr die Karte. Das ändert sich ja permanent.
Ich sage: Der Bericht legt dar, dass die Finanzämter des Landes Brandenburg in einem guten Zustand sind, dass sie eine hervorragende Arbeit leisten, dass die Beschäftigten engagiert sind, wofür ihnen wirklich Dank gilt, und dass wir natürlich diejenigen, die aus Altersgründen ausscheiden, ersetzen müssen - ja! Wir haben 2010 wieder angefangen auszubilden; wir werden 2011 doppelt so viele ausbilden und sie übernehmen.
Ich finde, das ist ein guter Weg, und deswegen, sage ich, ist dieser Bericht die Widerspiegelung dessen, wie sich das Land in Zukunft bewegen wird. Ich glaube, damit kann man ausgesprochen zufrieden sein. - Danke.
Vielen Dank, Herr Minister Markov. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Burkardt erhält das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da, wo der Finanzminister Lob verdient, soll er auch Lob erhalten. Wenn er 2 100 Briefe an Bürger geschrieben hat, die ihm ihre Sorgen vorgetragen haben, dann ist das anerkennenswert. Noch mehr, wenn er sie alle selbst von Hand unterschrieben hat.
Es ist nicht selbstverständlich, dass man auf einen Brief an ein Mitglied der Regierung eine Antwort erhält, wie mir der ein oder andere Bürger berichtet hat.
Der Bericht ist - ein zweites Lob will ich gleich anschließen nicht falsch, wie mir von denen berichtet wird, die die Steuerverwaltung ein wenig besser kennen, aber er hat den Mangel, dass er nicht die wirkliche Situation in der Steuerverwaltung widerspiegelt und dass er - der Minister und der Bericht zugleich - die einmalige Chance verschenkt, die ein Neuer im Amt hat - nach einem Jahr ist das fast schon vorbei -: die Chance einer kritischen Bestandaufnahme dessen, was man übernommen hat, um daraus bessere Überlegungen, bessere Konzepte und neue Ziele zu entwickeln.
Es gibt außer der einen oder anderen Presseveröffentlichung keine Aussagen zu den die Bürger interessierenden Themen, keine Aussagen über Anzahl und Standorte der Finanzämter. Wir haben eben gehört: In Finsterwalde bleibt immerhin eine Anlaufstelle erhalten. Was sonst wird, weiß keiner; darüber rätseln die Beschäftigten wie die betroffenen Bürger. Es findet keine Bewertung der bereits in der Vergangenheit getroffenen und von Ihnen vorgefundenen Maßnahmen statt, etwa was die Auflösung der Oberfinanzdirektion gebracht hat oder wie die Integration des technischen Finanzamtes in den IT-Dienstleister erfolgt.
Es ist auch kein Konzept bezüglich des festgestellten hohen Bedarfs an Fortbildung erkennbar. Wenn wir die rückläufigen Zahlen der Mitarbeiter anschauen und dann sehen, wie viele eingestellt werden sollen, dann stellen wir fest: Das ist zahlenmäßig eine Verwaltung des Elends. Der dort ausgewiesene Krankenstand spricht Bände. Es spricht auch Bände, dass in diesem Fall der Vergleich zur übrigen Landesverwaltung gezogen wird, während man sich bei den anderen Parametern am Bundesdurchschnitt misst. Im Übrigen liegen Sie dort knapp über dem Durchschnitt, teilweise auch unter dem Durchschnitt.
Der Krankenstand ist ein beredtes Beispiel dafür, wie jedenfalls die Mitarbeiter die Situation und die Perspektiven in den Finanzämtern empfinden. Sie sind teilweise fünf bis zehn Jahre in den Eingangsämtern, ohne eine einzige Beförderung. Wie wollen Sie die Leute motivieren? Die Annahme, dass wir, weil Brandenburgs Einwohnerzahlen rückläufig sind, künftig weniger Arbeit in den Finanzämtern hätten, ist hoffentlich nicht richtig. Ich hoffe doch sehr, dass wir weiter mehr Steuereinnahmen haben werden, damit wir das, was wir in diesem Land politisch leisten müssen, auch finanzieren können. Dazu braucht
es aber gut ausgebildete Finanzamtsmitarbeiter. Das, was ich noch gestern von einem Steuerberater, der sehr viel mit der brandenburgischen Finanzverwaltung zu tun hat, über die Belastung und darüber, wie sie draußen empfunden wird, gehört habe, spricht Bände.
Herr Minister, in einem kurzen Wort: Es ist eine vertane Chance - zum wiederholten Male in einem bestimmten Segment Ihres Ministeriums. Brandenburg braucht Perspektiven. In diesem Ministerium sind sie nicht erkennbar.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Burkardt. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Muhß hat das Wort.
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Werte Abgeordnete! Der Bund hat die Hoheit, Steuergesetze festzulegen. Wie wir in dem Bericht nachlesen können, macht er von dieser Hoheit nahezu leidenschaftlich Gebrauch.
Im Jahre 2009 gab es vierzehn Steuerrechtsänderungen, zum Beispiel das Bürgerentlastungsgesetz, Änderungen zum Investitionszulagengesetz 2007, das Steuerbürokratieabbaugesetz, das Jahressteuergesetz 2009 und das Familienleistungsgesetz. Im Jahr 2010 dürfte es angesichts der Aktivitäten der aktuellen Bundesregierung zugunsten von Hotelbetrieben und Erben großer Vermögenswerte nicht weniger an Gesetzen sein.
Es gibt momentan 3 300 vom Bundesfinanzministerium für alle Finanzämter zu beachtende Rundschreiben. Anders ausgedrückt: Der Bund gibt die nicht immer sozial gerecht ausgestalteten bürokratischen Regeln vor, welche die Länder zu vollziehen haben.
Der Bericht sagt aus, dass unsere Steuerverwaltung modern, effizient und bürgerfreundlich arbeitet, den erheblichen Herausforderungen gut standhält und im Bundesdurchschnitt durchaus ordentlich dasteht. Der Minister führte es bereits aus.
Nichtsdestotrotz hat sich die brandenburgische SPD bewusst und aus gutem Grund für eine einheitliche, zentral organisierte Bundessteuerverwaltung eingesetzt. Denn der Bund spürt die Folgen der Steuerbürokratieflut kaum. Die Folgen spüren unsere Steuerbeamtinnen und Steuerbeamten im wahrsten Sinne des Wortes am eigenen Leib und in Form steigender Arbeitsbelastungen.
Werte Kollegen! Wir können zum Beispiel in diesem Bericht nachlesen, dass pro Steuerfahnder jährlich rund 350 000 Euro Steuermehreinnahmen erzielt werden können. Damit dürften die Personalkosten eines Steuerprüfers zwar theoretisch um ein Mehrfaches gedeckt sein, aber wie viele Mehreinnahmen verbleiben in unserer Landeskasse? Selbst von einigen CDU- und FDP-Finanzministern hören wir Stimmen, dass mehr Personal in der Steuerverwaltung und auch der Ankauf von sogenannten Steuerdaten-CDs nichts bringen würden. Sämtliche hiermit zu
erzielenden Mehreinnahmen würden durch den Bund abgeschöpft. Anders ausgedrückt: Die Länder tragen die Kosten, der Bund trägt die daraus resultierenden Gewinne. Das ist kein sinnvolles System.
Es kann nicht wirklich Aufgabe der Länder sein, durch eine bessere Qualität der Aufgabenwahrnehmung auf Landeskosten oftmals Spielräume für die Steuersenkungspläne der Bundesregierung zugunsten Besserverdienender zu eröffnen. Die bessere Alternative wäre, die Kräfte in einer einheitlichen und starken Bundessteuerverwaltung zu bündeln.
Nur diese könnten einen einheitlichen Steuervollzug sicherstellen, bei dem gerade nicht - wie so häufig üblich - die größten Fische durch das Raster fallen und ihr Geld in sogenannten Steueroasen parken können, während kleine Fische von einer Nachweispflicht ertränkt werden.
(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Kann man Fische durch Nachweispflicht ertränken? - Ludwig [DIE LINKE]: Welche kann man überhaupt ertränken?)