Protocol of the Session on November 10, 2010

Zur Bundeseinheitlichkeit der Steuerverwaltung hat Frau Muhß bereits ausgeführt. Laut Bericht sind die einzelnen Länder nicht mehr in der Lage, mit der Entwicklung der Steuergesetzgebung im Bund Schritt zu halten. Dadurch wird natürlich die Bundeseinheitlichkeit der Steuererhebung gefährdet, und ich begrüße ausdrücklich das Eintreten der Landesregierung für die Schaffung einer Bundessteuerverwaltung.

Kommen wir zum dritten und wichtigsten Punkt: Personalsituation. Frau Vogdt hat die Stellensituation dargelegt; aber man muss auch auf die Mitarbeiter schauen. Angesichts der nur unzureichenden Einsatzmöglichkeiten der Finanzbeamten, von denen die Hälfte keine adäquate Ausbildung hat, und durchschnittlicher Krankheitszahlen von 24,9 Arbeitstagen pro Jahr zum Vergleich: In der sonstigen öffentlichen Verwaltung in Berlin und Brandenburg sind es 18,5, in der Privatwirtschaft wie im Handel 12 Ausfalltage, trotz einer im Verwaltungsvergleich überdurchschnittlich „jungen“ Verwaltung im Alter von 45 Jahren - ist kaum zu glauben, dass „die vorhandenen personellen Ressourcen optimal genutzt“ werden können, wie es im Bericht heißt.

Nach fünf nachwuchslosen Jahren soll Verstärkung nun unter anderem von überzähligen Waldarbeitern kommen, die laut Bericht nicht ganz so willig sind. Zweifel an diesem Rekrutierungsverfahren sind angebracht. Wörtlich heißt es hier zur Weiterbildung, dass die „Schwierigkeit der Unterrichtsmaterie Steuerrecht lebensältere Auszubildende vor besondere Herausforderungen stellt“. Da die Fachausbildung zwei bis drei Jahre dauert, ist offenkundig, dass die nun erstmals - Lob! - wieder eingerichteten 30 Anwärterplätze die Not nicht lindern können, da diese erst 2012/2013 zur Verfügung stehen. Aber bereits 2012 scheiden 63 Personen altersbedingt aus oder gehen in die Freistellungsphase der Altersteilzeit. 2013 sind es bereits 89 und 2014 105 Mitarbeiter, dann reichen auch die ab dem nächsten Jahr eingeplanten 60 Anwärterplätze nicht mehr aus.

Dass die Mitarbeiterzufriedenheit unter diesen Bedingungen leidet, ist offenkundig. Im Fazit des Ministers heißt es ja auch nicht, dass die Mitarbeiterzufriedenheit hoch ist, sondern nur, dass man „im Bereich der Mitarbeiterzufriedenheit neue Steuerungsinstrumente einsetzt“. Gemeint war damit wohl das Instrument der Mitarbeiterbefragung mit dem Ergebnis, dass die Mitarbeiterzufriedenheit eher durchschnittlich ist, Gott sei Dank aber keine generelle Unzufriedenheit besteht.

Dieser Bericht ist eine umfassende Bestandsaufnahme der Steuerverwaltung in Brandenburg. Deshalb ist die Vorlage des Berichts nicht das Ende der Debatte, sondern der Anfang und die Basis einer umfangreichen aufgabenkritischen Analyse der Steuerverwaltung in Brandenburg.

Ich denke, wir werden in den nächsten Jahren hier noch viel zu besprechen haben. - Herzlichen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. - Ich erteile der Landesregierung das Wort. - Sie zeigt Verzicht an. Damit sind wir am Ende der Aussprache. Damit ist der Bericht der Landesregierung zur Kenntnis genommen. Es gibt hierzu keine Abstimmung.

Ich begrüße ganz herzlich die zweite Gruppe der Schülerinnen und Schüler des Einstein-Gymnasiums Angermünde bei uns. Herzlich willkommen und Gewinn beim Zuhören!

(Allgemeiner Beifall)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Familienfreundliche Landesverwaltung (gemäß Beschluss des Landtages Brandenburg vom 02.06.2010 - Drs. 5/1292-B)

Bericht der Landesregierung

Drucksache 5/2239

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Baaske, Sie haben das Wort.

Frau Vizepräsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielen Dank für die Aufgabe, die Sie uns aufgetragen haben: uns anzuschauen, wie es mit der familienfreundlichen Landesverwaltung bestellt ist. Es war die Aufforderung, zu gucken, ob wir eine tatsächlich mitarbeiter- und familienbewusste Personalführung haben. Heute sollen wir darüber berichten. Ich kann mir vorstellen, Frau Nonnemacher, dass wir wieder unterschiedliche Auffassungen zum Audit haben; auch das können wir hier nachher diskutieren.

Die Darstellung, die ich Ihnen vorgelegt habe, orientiert sich an den bewährten und auch im Auditierungsverfahren zu prüfenden Handlungsfeldern: Das sind Arbeitszeit, Arbeitsort, Arbeitsorganisation, Verwaltungskultur, Führung, Personalund Organisationsentwicklung, Information und Kommunikation sowie die entsprechenden Serviceangebote in den Ministerien. Es ist, denke ich, jedem klar, dass Arbeitszeit und Arbeitsort aus fachlicher Sicht und aus Sicht der Beschäftigten dabei die wichtigsten Handlungsfelder sind.

Der Bericht zeigt deutlich, dass die Landesverwaltung schon heute ihrer Vorbildfunktion in vielfältiger Weise gerecht wird. Innerhalb der Landesverwaltung gibt es zahlreiche Angebote für eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Landesdienst. Ich will einige Beispiele nennen. Teilzeit-, Tele- und Wohnraumarbeit gibt es in allen Ministerien und in vielen nachgeordneten Bereichen. Nach längerer krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit wird Beschäftigten eine stufenweise Wiedereingliederung in das Arbeitsleben ermöglicht; gemeinhin kennt man das als Hamburger Modell.

In der Staatskanzlei sowie im Landwirtschafts-, im Wissenschafts- und im Arbeitsministerium gibt es Eltern-Kind-Büros

für Kolleginnen und Kollegen, die zum Beispiel kranke Kinder haben oder ihre Kinder, da die Kita gerade geschlossen hat, nicht unterbringen können, also anders nicht zur Arbeit kommen könnten, als ihre Kinder mitzubringen.

Führungskräfte werden in Schulungen regelmäßig für die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sensibilisiert.

Nicht unerwähnt bleiben sollte ein ganz wichtiger Punkt, der in den Umfragen immer wieder hervorgehoben wird: Was ist euch wirklich wichtig, wenn ihr auf die Zukunftsfähigkeit von Familie schaut, auf das, was ihr noch selbst in Richtung Familie schaffen wollt? Das ist die Sicherheit des Arbeitsplatzes. Ich brauche hier nicht groß etwas zu erzählen; jeder weiß, dass die Sicherheit des Arbeitsplatzes in der Landesverwaltung, im öffentlichen Dienst überhaupt - gemessen an dem, was ansonsten in diesem Lande üblich ist - schon sehr groß ist. Insofern sind wir da ganz gut aufgestellt.

Der Katalog von Maßnahmen für eine mitarbeiter- und familienbewusste Personalführung ist sehr umfangreich. Die Personalpolitik der Landesverwaltung ist lebensphasenorientiert. Es geht wirklich um Fragen wie: Wie ist es, wenn man in den Beruf einsteigt? Wie ist es, wenn man eine Familie gründet, Kinder hat? Wie ist es dann, wenn man im Berufsleben älter wird, und wie ist der Übergang in die Rente organisiert? All das sind Dinge, die im Konzept auch berücksichtigt werden.

Der Erfolg der künftigen Personalpolitik wird sich daran messen lassen, wie gut es uns gelingt, die Kolleginnen und Kollegen auch im höheren Alter beschäftigt zu halten, sie fit zu halten für die Arbeit, sodass sie ihr Leistungsvermögen nicht einbüßen, sondern auch im höheren Alter - bis in die Rente hinein volle Power liefern können. Der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit hat immer mit dem Erhalt der Gesundheit zu tun. Auch hier gibt der Bericht einen Einblick, was möglich ist und auch tatsächlich getan wird.

Auch Unternehmerinnen und Unternehmer im Lande haben dies erkannt. Nicht nur in Potsdam und im Umfeld haben sich Unternehmen inzwischen auditieren lassen, sondern überall im Lande findet das statt. 22 Unternehmen haben sich schon dem Auditierungsverfahren „berufundfamilie“ der Hertie-Stiftung angeschlossen. Es ist nicht ganz preiswert, kostet auch eine Menge Mitarbeiterkraft, wenn man so etwas tut. Trotzdem haben es Unternehmen auf sich genommen und sind auch recht stolz darauf - ich habe einige besucht -, dieses Audit verwenden zu dürfen.

In der brandenburgischen Landesverwaltung sind es mittlerweile elf Behörden und Hochschulen, die das Zertifikat „berufundfamilie“ oder - für die Hochschule - „Familiengerechte Hochschule“ haben. Alle, denke ich, kämpfen, das weiterzuführen. Es wird ja regelmäßig überprüft; man muss die Standards, die man beim Auditierungsverfahren nachweisen musste, immer wieder nachweisen.

Eine Auditierung ist zweifelsohne eine wunderbare Sache. Man weiß, wo man steht, aber, Frau Nonnemacher, das gilt eben nicht für jeden, weil dies, wie gesagt, einen Haufen Kraft bindet, einen Haufen Zeit und auch richtig Geld kostet. Insofern bitte ich um Nachsicht, dass sich der Familienminister jetzt nicht aufmacht und sagt: Alle Ministerien, alle Ressorts, alle Hochschulen sowie alle nachgeordneten Einrichtungen sollten sich auditieren lassen! - Denn die kämen dann wieder

sofort zu mir und sagten, ich solle mit dem Finanzminister reden, weil sie mehr Stellen brauchen, um das Verfahren hinzukriegen.

Viele, denke ich, gucken jetzt ab, was andere tun, und machen es in ihren Ressorts nach. Ich glaube, das sollte reichen. Man muss hier nicht unbedingt ein Auditierungsverfahren überhelfen, wenn man das tut, was andere machen. Das muss schon so funktionieren. Genau das war übrigens 2006 beabsichtigt, als sich das Familienministerium zertifizieren ließ. Es gab damals ein paar böse Kolumnisten, die schrieben: Jetzt muss sich ausgerechnet das Familienministerium zertifizieren lassen! - Ich glaube, es ist erreicht worden, was damit erreicht werden sollte, nämlich eine gute Vorbildwirkung, dass man anderen Ministerien, aber auch anderen Betrieben einmal zeigt: Guckt mal, das Familienministerium hat es - auch als öffentliche Einrichtung bzw. Behörde -, geschafft, ein solches Audit zu erlangen; dann können es andere auch.

Inzwischen sind wir Spitze in ganz Ostdeutschland, was die Zertifizierung mit diesen Auditen angeht. Ich glaube, das wurde dadurch erzielt, dass das Ministerium mit gutem Beispiel vorangegangen ist.

Ein familienfreundliches Klima, meine sehr verehrten Damen und Herren, lässt sich nicht durch ein Gesetz erzwingen; das ist wohl jedem hier klar. Wir sind aber in den letzten Jahren gut vorangekommen. Die Landesverwaltung geht mit gutem Beispiel voran; das kann kaum anders sein. Insofern der dringende Appell, das, was wir hier in dem Bericht abgeliefert haben, auch nach außen zu tragen und vielleicht auch in dem einen oder anderen Wahlkreis an die Unternehmen heranzutragen nicht dahin gehend, sich nun gleich zertifizieren zu lassen, aber einmal zu zeigen, was alles geht, wenn man denn will. - Schönen Dank.

(Beifall SPD, DIE LINKE, GRÜNE/B90 und vereinzelt CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Fraktion der CDU fort. Die Abgeordnete SchulzHöpfner spricht.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, ich gebe Ihnen Recht: Hier ist in der Tat ein sehr schwergewichtiger Bericht mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen, die in den Ministerien bereits durchgeführt werden, vorgelegt worden. Ich denke, das ist auch gut so.

In der Zielstellung insgesamt sind wir uns in diesem Hause sicherlich einig, dass wir es uns nicht leisten können, dass uns junge Menschen, junge Frauen weiterhin verlassen, und der demografischen Entwicklung Rechnung tragen müssen. Bekanntermaßen werden wir alle immer älter, wollen aber nicht zum alten Eisen gelegt werden, sondern die Jüngeren durchaus von unserer Erfahrung profitieren lassen.

Deshalb ist es in der Tat dringend erforderlich, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie von Beruf und Pflege auch in der Landesverwaltung weiterzuentwickeln und auch transpa

rent zu machen. Ich hätte mir dazu den Weg - das habe ich schon bei der Einbringung des Antrags gesagt - der Zertifizierung aller Landesbehörden gewünscht. Ich wüsste nicht, was dem entgegenstünde.

(Beifall CDU)

Ich denke, das Audit „berufundfamilie“ ist ein Prädikat, das im Land bekannt ist. Und: Was wir von den Unternehmern des Landes erwarten, kann man auch von den Landesbehörden erwarten,

(Beifall CDU und der Abgeordneten Nonnemacher [GRÜNE/B90])

denn gerade die Landesverwaltung trägt meiner, unserer Meinung nach Vorbildverantwortung. Das zeigt auch die große Menge der aufgelisteten Maßnahmen. Im Fazit des Berichts der Landesregierung liest sich das jedoch folgendermaßen:

„In Zeiten von Stellenabbau und Einsparungen ist es jedenfalls nachvollziehbar, wenn sich nicht alle Landesbehörden einem mindestens dreijährigen Zertifizierungsverfahren unterziehen können. Um eine lebensphasenorientierte Personalpolitik nachhaltig in der Landesverwaltung zu verankern, böte sich vielmehr der Ausbau des Erfahrungsaustausches zu mitarbeiter- und familienbewussten Personalmaßnahmen unter den Behörden der Landesverwaltung an.“

Das kann man nachlesen. Ich gestehe: Als ich diese Passage las, musste ich zweimal hinschauen, um es zu glauben, denn ich dachte bis dato, ein Erfahrungsaustausch entspräche der erwarteten Normalität in diesem Bereich. Wenn schon nicht der Weg der Zertifizierung beschritten werden soll, dann sollten die entsprechenden Maßnahmen, meine Damen und Herren, doch bitte in enger Abstimmung ergriffen werden; man muss das Fahrrad garantiert nicht jedes Mal neu erfinden.

Weiter liest man im Fazit des Berichts, dass die wenigsten Behörden mit einem personalpolitischen Gesamtkonzept arbeiten und die Vielzahl der Maßnahmen in den einzelnen Behörden auch deutlich mache, dass dies nicht zwingend erforderlich sei. Und man regt Mitarbeiterbefragungen an. Ich gehe davon aus, dass man die Mitarbeiter aktiv beteiligt. Das heißt - wenn ich dieses Fazit betrachte -, dass jedes Ministerium eigene, wenn auch sehr ähnliche Maßnahmen erarbeitet, erprobt und durchführt, weil am gleichen Ziel - wie ich eingangs sagte - orientiert, um für eine mitarbeiter- und lebensphasenorientierte Personalpolitik zu streiten. Genau deshalb benötigen wir kein gemeinsames personalpolitisches Gesamtkonzept. Ich gebe zu: Das erschließt sich mir nicht.

Mein Fazit zu diesem schwergewichtigen Bericht fällt demnach auch etwas anders aus: Die Ressorts sollten hier dringend daran arbeiten, ein gemeinsames Konzept auf den Weg zu bringen. Der Erfahrungsaustausch gehört ebenso dazu wie Mitarbeiterbefragung. Ein personalpolitisches Gesamtkonzept wäre dringend erforderlich - auch im Sinne der Effizienz -, um den Ansprüchen einer modernen bürgerorientierten Verwaltung zu entsprechen und diese mit motivierten Mitarbeitern auszustatten.

(Beifall CDU und FDP)

Familien- und lebensphasenorientierte Personalpolitik ist eine ressortübergreifende Aufgabe. Genau deshalb benötigen wir ein Konzept der gesamten Landesregierung. Eine große Anzahl von Maßnahmen ist aufgezeigt, aber insgesamt wäre hier gemeinsames Handeln gefragt. Die Zertifizierung wäre meiner Ansicht nach der richtige Weg dazu. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90)

Frau Abgeordnete Prof. Dr. Heppener spricht für die SPDFraktion.

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich diese 200 Seiten vor mit hatte, wurde mir erst klar, wie kurz die Zeit war, die wir der Landesregierung gegeben haben, um diesen Bericht zu schreiben. Der Auftrag war vom 2. Juni und er musste bis zum 1. November erfüllt werden. Ich bedanke mich bei der Landesregierung für diesen pünktlich abgelieferten Bericht.

Uns ging es darum, zu erfahren, wie unsere Landesverwaltung ihre Arbeit jetzt und zukünftig so organisiert, dass, wie im Motto unseres familienpolitischen Programms von 2004 bis 2009 formuliert wurde, Familien Vorfahrt haben. Der Auftrag des Landtags bezog sich auf das familiäre Zusammenleben von Mutter, Vater, Kind und - was manchmal leider vergessen wird - von Oma und Opa.